Gesetzestext

 

(1)Wird die Erbschaft ausgeschlagen, so gilt der Anfall an den Ausschlagenden als nicht erfolgt.

(2)Die Erbschaft fällt demjenigen an, welcher berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte; der Anfall gilt als mit dem Erbfall erfolgt.

(3)1Das Nachlassgericht soll die Ausschlagung demjenigen mitteilen, welchem die Erbschaft infolge der Ausschlagung angefallen ist. 2Es hat die Einsicht der Erklärung jedem zu gestatten, der ein rechtliches Interesse glaubhaft macht.

A. Allgemeines

 

Rz. 1

Zweck der Regelung ist es, den Nachlass über den unmittelbaren Von-Selbst-Erwerb auch bei der Ausschlagung nie ohne Rechtsnachfolger zu lassen.[1] Diese Wirkung beschränkt sich jedoch auf die Erbenstellung als solche (arg. § 1959 BGB). Im Übrigen ist § 1959 BGB für Interimsgeschäfte des vorläufigen Erben zu beachten.

[1] Erman/J. Schmidt, § 1953 Rn 1; MüKo/Leipold, § 1953 Rn 1.

B. Tatbestand

I. Fiktionen von Abs. 1 und Abs. 2

 

Rz. 2

Den vorbezeichneten Schutzzweck erreicht § 1953 BGB über zwei Fiktionen: (1.) Nach Abs. 1 wird im Fall einer Ausschlagung der Anfall der Erbschaft bei dem Ausschlagenden ex tunc als nicht erfolgt behandelt. (2.) Schlägt der Erbe aus, so fällt die Erbschaft an denjenigen, der Erbe wäre, wenn der Ausschlagende nicht gelebt hätte (Abs. 2). Der Anfall der Erbschaft an den Nächstberufenen gilt ex tunc als mit dem Erbfall erfolgt (Abs. 2 S. 2). Nach Abs. 2 kommen für die Bestimmung des Nächstberufenen im Grundsatz die letztwilligen Verfügungen des Erblassers oder die §§ 1922 ff. BGB zur Anwendung. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der des Erbfalls selbst. Schlägt bspw. ein Alleinerbe aus, der Abkömmlinge hat, so fällt die Erbschaft seinen Abkömmlingen bei gewillkürter Erbschaft gem. § 2069 BGB und bei gesetzlicher Erbfolge gem. § 1924 Abs. 3 BGB zu. In Betracht kommt aber auch Ersatzerbschaft gem. § 2102 BGB, Erbteilserhöhung bei gesetzlichen Miterben gem. § 1935 BGB, Anwachsung bei gewillkürten Miterben gem. § 2094 BGB und Erstarkung der Vorerbschaft zur Vollerbschaft gem. § 2142 Abs. 2 BGB. Unter Umständen kann der ausschlagende vorläufige Erbe erneut berufen sein. Seine Ausschlagungserklärung wird bei entsprechender Auslegung aber regelmäßig auch diesen Erbschaftsanfall mit abdecken (arg. § 1948 BGB).

 

Rz. 3

Der ersatzweise berufene Erbe muss im Zeitpunkt des Todes des Erblassers erbfähig gewesen sein, er braucht aber den Zeitpunkt des Anfalls der Erbschaft – also den Zeitpunkt der Ausschlagung – nicht zu erleben.[2] In diesem Fall treten dann die Erben des ersatzweise berufenen Erben ein. Die Ausschlagungsfrist für die nachfolgenden Erben beginnt erst, wenn bei ihnen die Voraussetzungen des § 1944 Abs. 2 BGB vorliegen.

[2] RGZ 95, 97, 98; Erman/J. Schmidt, § 1953 Rn 1; RGRK/Johannsen, § 1953 Rn 3; Soergel/Stein, § 1953 Rn 1.

II. Auswirkungen der Ausschlagung auf Verfügungen des Ausschlagenden

 

Rz. 4

Ein Zwischenerwerb des vorläufigen Erben findet nicht statt, dieser ist nie Gesamtrechtsnachfolger gewesen, haftet nicht für Nachlassverbindlichkeiten und Rechtsbeziehungen zwischen ihm und dem Erblasser bleiben unberührt (keine Konfusion).[3] Bei Verfügungen über Nachlassgegenstände ist der ausschlagende vorläufige Erbe – abgesehen von den Fällen des § 1959 Abs. 2 und 3 BGB – Nichtberechtigter.[4] Der vorläufige Erbe behält den Besitz an Nachlassgegenständen so lange, wie er die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Sache ausübt, die Ausschlagung ändert noch nichts.[5] Wenn der nach Abs. 2 berufene Erbe Besitz an Nachlassgegenständen erhält (§ 857 BGB), wird die Inbesitznahme von Nachlassgegenständen durch den vorläufigen Erben wegen § 1959 BGB auch nicht nach § 858 BGB rückwirkend zur verbotenen Eigenmacht. Nachlassgegenstände sind damit dem endgültigen Erben gegenüber auch nicht i.S.d. § 935 BGB abhandengekommen, so dass gutgläubiger Erwerb möglich ist[6] (vgl. zum gutgläubigen Erwerb: §§ 857, 892, 932 ff., 2366, 2367 BGB).

[3] Soergel/Stein, § 1953 Rn 2.
[4] MüKo/Leipold, § 1953 Rn 2.
[5] MüKo/Leipold, § 1953 Rn 4; Staudinger/Otte, § 1953 Rn 7.
[6] BGH NJW 1969, 1349; Erman/J. Schmidt, § 1953 Rn 5; MüKo/Leipold, § 1953 Rn 4; Lüke, JuS 1978, 254, 256; Mansfeld/Moselle, JuS 1979, 426 f.; a.A. Lange/Kuchinke, § 5 III 4.

C. Sonderregelungen

I. Vermächtnis/Pflichtteil/Ehe

 

Rz. 5

Für das Vermächtnis sind Abs. 1 und Abs. 2 analog anwendbar (§ 2180 Abs. 3 BGB). Soweit dem vorläufigen Erben ein Vorausvermächtnis hinterlassen wurde (§ 2150 BGB), bleibt dieses trotz der Ausschlagung des Erbteils wirksam. Ausnahmen bestehen dann, wenn das Vorausvermächtnis auf die Annahme der Erbschaft bedingt ist.[7] Ein seinen gewillkürten Erbteil ausschlagender Pflichtteilsberechtigter ist nur in Ausnahmefällen (§§ 2306 Abs. 1 und 1371 Abs. 3 BGB) mit einem von der Erbfolge ausgeschlossenen Pflichtteilberechtigten gem. § 2303 BGB gleichzusetzen. Steht ihm allerdings ein Pflichtteilsanspruch zu, so besitzt er auch das Auskunftsrecht gem. § 2314 BGB gegen den nächstberufenen Erben oder ursprüngliche Miterben.[8] Unabhängig von einem Pflichtteilsanspruch kann er jedoch Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2305 BGB geltend machen.[9]

[7] MüKo/Leipold, § 1953 Rn 6.
[8] MüKo/Leipold, § 1953 Rn 7; a...

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