Rz. 3

§ 1939 BGB unterscheidet zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis. Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass der Erbe Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers ist. Mit dem Erbfall rückt er in die Rechtsstellung des Erblassers ein, in alle Rechte und Pflichten (Von-Selbst-Erwerb). Dem Vermächtnisnehmer hingegen steht gem. § 1939 BGB i.V.m. §§ 1940, 2174 BGB ein Anspruch auf den zugewendeten Gegenstand zu. Dies bedeutet also, dass ihm der Gegenstand nicht bereits mit dem Erbfall zufällt. Der Vermächtnisnehmer rückt demgemäß nicht in die Rechtsstellung des Erblassers ein. Er ist nicht Gesamtrechtsnachfolger, sondern er hat lediglich einen Anspruch auf Erwerb gegen den Beschwerten (§ 2174 BGB). Dieser Anspruch entsteht entweder mit dem Erbfall (§ 2176 BGB) oder nach dem Erbfall (§§ 2177 ff. BGB). Nach den Vorschriften des BGB hat das Vermächtnis obligatorische (Damnationslegat), nicht hingegen dingliche Wirkung (Vindikationslegat). Handelt es sich nach ausländischem Recht um ein dingliches Vermächtnis, ist dieses auch bzgl. inländischer Grundstücke lediglich mit obligatorischer Wirkung zu behandeln.[1] Neben der Erbeinsetzung unterscheidet sich das Vermächtnis auch von der Auflage. Diese kann zwar ebenfalls einen anderen begünstigen, der Begünstigte erwirbt allerdings kein Recht auf die Leistung (§ 1940 BGB). Hat der Erblasser die Leistung an den Bedachten zur Bedingung einer anderen Verfügung gemacht, liegt ein Vermächtnis nicht vor.[2] Zusammenfassend kann man das Vermächtnis daher als Verfügung von Todes wegen definieren, wodurch der Erblasser dem Zuwendungsempfänger einen Anspruch auf Leistung gegen den Beschwerten, dies kann der Erbe oder ein Vermächtnisnehmer sein, zuwendet. Sowohl die Zuwendung des Vorteils als auch der Anspruch des Begünstigten, desgleichen die Verfügung des Erblassers, wonach das Vermächtnis angeordnet wird, wird im allgemeinen Sprachgebrauch als Vermächtnis bezeichnet. Ob im Einzelfall eine Erbeinsetzung gegeben ist oder ein Vermächtnis, ist eine Frage der Auslegung. Ist eine letztwillige Verfügung inhaltlich mehrdeutig, ist jedoch gleichzeitig eindeutig ein Vermächtnis angeordnet, ist diese Verfügung gleichwohl auslegungsbedürftig. Wurde das "Barvermögen auf der Bank" vermächtnisweise zugewandt, kann davon auch das Wertpapierdepot mitumfasst sein.[3] Der Bedachte hat jedoch vor dem Erbfall keinen Rechtsanspruch. Dies gilt auch dann, wenn es sich um ein erbvertraglich bindendes Vermächtnis handelt. Auch ein Anwartschaftsrecht besteht nicht.[4] Neben der Erbeinsetzung und der Auflage ist das Vermächtnis auch von einer Zuwendung durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden bzw. der Bestimmung eines Bezugsberechtigten aufgrund eines Vertrages zugunsten Dritter auf den Todesfall abzugrenzen.

Der Vermächtnisnehmer muss seinen Anspruch geltend machen. Der Vermächtnisanspruch kann seitens des Vermächtnisnehmers auch ausgeschlagen werden. Des Weiteren hat er die Möglichkeit, hierauf zu verzichten.

 

Rz. 4

Vom Anfall des Vermächtnisses ist dessen Fälligkeit zu unterscheiden. In den Fällen, in denen der Erblasser nichts anderes bestimmt hat, ist das Vermächtnis mit seinem Anfall auch gleichzeitig fällig. Fallen der Zeitpunkt des Anfalls und der der Fälligkeit auseinander, sollte geregelt werden, ob der Vermächtnisnehmer nach Anfall des Vermächtnisses Sicherung seines Anspruchs – z.B. durch Eintragung einer Auflassungsvormerkung – verlangen kann.

[1] BGH NJW 1995, 58. Allerdings hat der EuGH in seinem Urt. v. 12.10.2017 – C-218/16, BeckRS 2017, 12760 dahingehend entschieden, dass es die EU-ErbVO verbiete, die dinglichen Wirkungen eines Vindikationslegats (hier nach dem aufgrund Rechtswahl anwendbaren polnischen Recht) hinsichtlich einer in einem anderen Mitgliedstaat (hier Deutschland) belegenen Immobilie deshalb abzulehnen, weil die Rechtsordnung des Belegenheitsstaates das Institut eines Vermächtnisses mit unmittelbarer dinglicher Wirkung nicht kenne; näher hierzu MüKo/Leipold, § 1939 Rn 2.
[2] MüKo/Leipold, § 1939 Rn 2.
[3] BGH WM 1975, 1259.
[4] BGHZ 12, 115.

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