Rz. 2

Der Umfang und die Intensität der Überwachungsaufgabe ist jeweils im Einzelfall so zu bestimmen, dass eine effektive Überwachung gewährleistet ist. Bereiche, die einwandfrei organisiert sind und funktionieren, bedürfen einer geringeren Kontrolle als Dezernate, bei denen es verstärkt zu Versäumnissen kommt. Die Überwachungsaufgabe muss nicht engmaschig erfolgen, der Vorstand muss bzw. darf nicht an der "kurzen Leine" gehalten werden. Grundsätzlich darf der Aufsichtsrat den Berichten des Vorstands vertrauen.[1] Die Aussichtsratsmitglieder sind nicht verpflichtet, "grundsätzlich alle Geschäftsführungsmaßnahmen zu überwachen und zu prüfen. Sie sind auch nicht gehalten oder auch nur berechtigt, jedes Geschäft zu verhindern, das mit einem Risiko verbunden ist; mit Risiken behaftete Geschäfte sind im kaufmännischen Leben nicht ungewöhnlich[2]."

 

Rz. 3

Hierbei umfasst die Aufgabe des Aufsichtsrats, die Geschäftsführung zu überwachen, auch die Pflicht, den Vorstand in übergeordneten Fragen der Unternehmensführung zu beraten.[3] Überwachung ist damit nicht nur die rückschauende Kontrolle, sondern auch die vorausschauende Beratung. Der BGH[4] formuliert dies überzeugend wie folgt: "Diese Kontrolle bezieht sich nicht nur auf abgeschlossene Sachverhalte, sondern erstreckt sich auch auf grundsätzliche Fragen der künftigen Geschäftspolitik; sie ist nicht auf eine Rechtsmäßigkeitsprüfung beschränkt, sondern muss die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung einbeziehen. Eine so verstandene Kontrolle kann wirksam nur durch ständige Diskussion mit dem Vorstand und insofern durch dessen laufende Beratung ausgeübt werden; die Beratung ist deshalb das vorrangige Mittel der in die Zukunft gerichteten Kontrolle des Vorstands."

 

Rz. 4

Daher haftet ein Aufsichtsratsmitglied auch dann, wenn es dem Vorstand ein bestimmtes nachteiliges Rechtsgeschäft nahelegt, wobei daneben auch der Vorstand haften kann, der dieses Geschäft vornimmt.[5] Der Aufsichtsrat haftet auch, wenn er seine Zustimmung zu einem Geschäft erteilt, dass nachteilig ist, sofern er schuldhaft seine Pflicht zur Überwachung verletzt hat. Nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG können die Satzung oder der Aufsichtsrat bestimmen, das bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen. Bevor der Aufsichtsrat die Zustimmung erteilt, muss er sich indes vergewissern, dass das Geschäft vom Vorstand im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens vorgenommen wird.[6]

 

Rz. 5

 

Beispiel: "Der Erwerb der Kaffee-Großrösterei"[7]

Der Vorstand der AG plant den Erwerb einer großen Kaffeerösterei. Obwohl bereits mehrere Banken eine Finanzierungszusage verweigert haben, gründet der Vorstand gleichwohl eine neue Gesellschaft in der Rechtsform der KG an der sich die AG mit einer nennenswerten Kommanditeinlage beteiligen soll. Mit diesen Mitteln soll die Kaffeerösterei erworben werden. Die Gründung der KG bzw. die Zeichnung der Beteiligung ist ein Geschäft, das der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf. Der Aufsichtsrat hat hierbei in einem Katalog festgelegt, dass der Erwerb von Beteiligungen auch im Rahmen einer Gründung seiner Zustimmung bedarf. Der Aufsichtsrat segnet das ihm vorgelegte Geschäft ab. Die KG wird gegründet, der Erwerb der Kaffeerösterei scheitert am Ende, weil der Gesamtkaufpreis nicht finanziert werden kann. Die KG wird schließlich wieder abgewickelt, insgesamt ist jedoch ein Betrag in Höhe von 500.000 EUR verbraucht worden. Der Aufsichtsrat soll in die Haftung genommen werden. Diese Haftung kommt wegen pflichtwidriger Überwachung in Betracht. Daneben dürfte der Vorstand selbst auch haften. Vorstand und Aufsichtsrat haften gegenüber der AG als Gesamtschuldner.

 

Rz. 6

Die Bücher und Papiere sind wenigstens stichprobenartig zu kontrollieren,[8] wobei dies in der Praxis tatsächlich selten stattfindet. Es kommt auch hier auf die konkrete Situation an. Besteht z.B. der Verdacht der Vorstand habe unberechtigt Beträge entnommen, kann der Aufsichtsrat bei einer ohnehin zu erfolgenden Prüfung den Abschluss dieser Prüfung abwarten und auf dieser Grundlage anschließend weitere Prüfungen vornehmen, er muss nicht vorher selbst die Bücher einsehen oder eine Sonderprüfung einleiten. Hierbei muss das Aufsichtsratsmitglied dann "allerdings dafür zu sorgen, dass die nötigen Prüfungen rechtzeitig durchgeführt und ihm die für die Ausübung der Überwachungstätigkeit und Kontrolltätigkeit erforderlichen Berichte und Unterlagen rechtzeitig zugeleitet wurden"[9].

 

Rz. 7

Dem Aufsichtsrat trifft nicht neben dem Vorstand eine eigene Insolvenzantragspflicht. Er haftet auch nicht gemäß § 15b Abs. 4 Satz 1 InsO neben dem Vorstand für verbotene Auszahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife. Dem Aufsichtsrat kann aber eine Schadensersatzpflicht gemäß § 116 Satz 1 i.V.m. § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG treffen, wenn er nicht darauf hinwirkt, dass der Vorstand rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellt.[10] Gleiches gilt, wenn der Aufsichtsrat nicht einschreitet, um verbotene Auszahlungen...

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