Rz. 38

Zu Recht wird angenommen, dass sowohl bei einer Weisung als auch bei einem Zustimmungsvorbehalt, die haftungsentlastende Wirkung dann entfällt, wenn der Geschäftsführer der Gesellschafterversammlung die Tatsachengrundlage nicht ausreichend vermittelt, nicht ausreichend über Risiken oder sonstige Bedenken hinsichtlich der betroffenen Maßnahmen informiert oder sonst wie pflichtwidrig die Willensbildung beeinflusst[1]. Dazu gehören z.B. Konstellationen, in denen der Geschäftsführer ihm bekannte und für die Entscheidungsfindung relevante Umstände verschweigt oder der Gesellschafterversammlung "geschönte" Unterlagen vorlegt.[2]

 

Rz. 39

Hierbei hat der Geschäftsführer die primäre Darlegungslast, dass er die entscheidungserheblichen Informationen übermittelt bzw. zusammengestellt hat.[3] Allerdings können die Gesellschafter, die auf der Grundlage von ihr erteilter Informationen entscheiden nicht geltend machen, ihnen hätten noch mehr Unterlagen vorgelegt werden müssen. Hier müssen die Gesellschafter von sich aus Unterlagen anfordern oder nachfassen. Legt der Geschäftsführer eine Beschlussvorlage für einen Vertrag der Gesellschafterversammlung vor, muss er nicht zwingend unaufgefordert den Vertrag selbst beifügen. Es genügt, wenn er den Vertrag als solchen mit den Eckdaten (Vertragspartner, Volumen, ggf. Besonderheiten) benennt. Sofern die Gesellschafter mehr benötigen, müssen sie tätig werden. So obliegt es ihnen, z.B. den Vertragsentwurf, die AGB oder die Korrespondenz zum Vertragsschluss oder auch eine Rentabilitätsprognose zum beabsichtigten Geschäft anzufordern.

 

Rz. 40

Problematisch ist zudem, ob die haftungsentlastende Wirkung nur bei einstimmiger Zustimmung der Gesellschafterversammlung erfolgt oder ob ein Mehrheitsbeschluss genügt. Dieser kann genügen, wenn er formell gefasst wurde. Daneben kann bei zutreffender Informationsgrundlage auch ein konkludenter einstimmiger Beschluss der Gesellschafter haftungsentlastende Wirkung haben. Der BGH formuliert, dass ein Handeln oder Unterlassen des Geschäftsführers im auch stillschweigenden - Einverständnis mit sämtlichen Gesellschaftern daher grundsätzlich keine (haftungsbegründende) Pflichtverletzung i.S. von § 43 Abs. 2 GmbHG darstelle.[4] Wichtig ist, dass der Geschäftsführer sicherstellt, dass auch tatsächlich alle Gesellschafter informiert sind oder sich hätten informieren können, allein die Unterrichtung des Mehrheitsgesellschafters genügt nicht.[5] Allerdings muss sich die unzureichende Information ausgewirkt haben. Daran wird es häufig scheitern. Wäre der Zustimmungsbeschluss auch bei ordnungsgemäßer Information ergangen, hätte die Gesellschafterversammlung also der Maßnahme auch dann zugestimmt, wenn ihr alle Fakten vorgelegt worden wären, bleibt es bei der haftungsentlastenden Wirkung des Beschlusses. Für diese Ansicht spricht das folgende Urteil des OLG Oldenburg[6] (vergleichbare Situation des Aufsichtsrats als Kollektivorgan), in dem ausgeführt wird:

 

Rz. 41

"Der Kausalzusammenhang zwischen der Verletzung der Informationspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat und dem eingetretenen Schaden (Erwerb des verlustbringenden Klinikbetriebs) ist nicht empirisch festzustellen und kann insbesondere nicht (ex post) durch Zeugenvernehmung der Aufsichtsratsmitglieder festgestellt werden. Für den Kausal- und Zurechnungszusammenhang ist vielmehr entscheidend, wie ein verantwortlich handelndes, seine Aufsichtsfunktion sorgfältig wahrnehmendes Aufsichtsratsmitglied sich verhalten hätte und welche Entscheidung bei vollständiger, zutreffender Information von ihm zu erwarten gewesen wäre."

Zu fragen ist, wie die Gesellschafter bei umfassender Aufklärung als "sorgfältig handelnder" Gesellschafter gestimmt hätten.

[1] KG Urt. v. 24.2.2011, 19 U 83/10, NZG 2011, 429, aus den Gründen: "Ein Geschäftsführer handelt im Verhältnis zur Gesellschaft zwar grundsätzlich dann nicht pflichtwidrig, wenn er auf Grund bindender Weisung eines anderen Organs oder mit dessen Billigung tätig wird. Die haftungsfreistellende Wirkung von Weisung oder Billigung der Gesellschafter entfällt immer dann, wenn der Geschäftsführer den Gesellschaftern vor deren Weisung oder Billigung die Tatsachengrundlage nicht ausreichend vermittelt, nicht ausreichend über Risiken oder sonstige Bedenken hinsichtlich der betroffenen Maßnahmen informiert oder sonstwie pflichtwidrig die Willensbildung beeinflusst."
[2] Siehe OLG Koblenz Urt. v. 24.9.2007 - 12 U 1437/04, BeckRS 2008, 2728 Rn. 97 "Der Bericht oder die Vorlage der Geschäftsführung an den Aufsichtsrat muss alle Informationen enthalten, die für die Willensbildung ersichtlich von Erheblichkeit sind oder sein können, die den Aufsichtsrat in die Lage versetzen, die anstehende Entscheidung zu treffen."
[5] BGH Urt. v. 26.3.1956, II ZR 57155, NJW 1956, 906 (AG), OLG Oldenburg, Urt, v, 22.6.2006,...

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