Rz. 42

Die Pflichtwidrigkeit entfällt, wenn der Geschäftsführer eine Entscheidung im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens trifft. Grundsätzlich besteht bei unternehmerischen Entscheidungen ein weiter Ermessensspielraum. Ein Geschäftsführer muss täglich Entscheidungen treffen. Hier sollte er nicht zögerlich sein und befürchten müssen, für Maßnahmen, die sich als nachteilig erweisen, schon wegen diesem Ergebnis zur Verantwortung gezogen werden zu können. Seine Entscheidungsfreiheit muss gewahrt bleiben. Der Geschäftsführer kann daher nicht allein deswegen verantwortlich gemacht werden, weil sich unternehmerische Risiken verwirklicht haben und dadurch Verluste eintreten, der glücklose Geschäftsführer allein ist daher nicht haftbar. Es hat sich dann nur das unternehmerische Risiko verwirklicht, dass die GmbH und nicht der Geschäftsführer trägt. Der BGH[1] hat zum unternehmerischen Ermessen in der sog. ARAG/Garmenbeck-Entscheidung überzeugend ausgeführt, dass zu berücksichtigen sei, "dass dem Vorstand bei der Leitung der Geschäfte des Gesellschaftsunternehmens ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden muss, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist. Dazu gehört neben dem bewussten Eingehen geschäftlicher Risiken grundsätzlich auch die Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen, der jeder Unternehmensleiter, mag er auch noch so verantwortungsbewusst handeln, ausgesetzt ist."

 

Rz. 43

Im Aktienrecht ist der Grundsatz des unternehmerischen Ermessens in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kodifiziert und klargestellt, dass ein Handeln im Rahmen desselben eine Pflichtverletzung ausschließt. Dort heißt es:

Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.

 

Rz. 44

Die im Aktienrecht in Anlehnung an das angloamerikanische Recht kodifizierte sog. Business Judgement Rule (§ 93 Absatz 1 Satz 2 AktG) ist für den GmbH-Geschäftsführer insoweit entsprechend heranzuziehen.[2] Der Grundsatz des unternehmerischen Ermessens gilt auch ohne Analogie, er dient der Bestimmung bzw. Abgrenzung der Pflichtwidrigkeit vom pflichtgemäßen Handeln.

 

Rz. 45

Der Grundsatz des unternehmerischen Ermessens kann etwa in Anlehnung an eine Entscheidung des OLG Koblenz[3] wie folgt beschrieben werden:

"Bei unternehmerischen Entscheidungen steht den Geschäftsführern im Rahmen des Unternehmensgegenstandes grundsätzlich ein haftungsfreier Handlungsspielraum, ein unternehmerisches Ermessen, zu. Das bewusste Eingehen geschäftlicher Risiken, das eine unternehmerische Tätigkeit wesentlich prägt, umfasst grundsätzlich auch Fehleinschätzungen (in Anknüpfung an BGHZ 135, 244, 253 = NJW 1997, 1926). Schlägt ein Geschäft fehl und wird hierdurch die Gesellschaft geschädigt, dann ist eine Haftung aus § 43 GmbHG, der gerade keine Haftung für wirtschaftlichen Misserfolg begründet, ausgeschlossen, soweit die Geschäftsführer ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt haben. Andererseits ist eine fehlerhafte Ausübung unternehmerischen Ermessens dann anzunehmen, wenn aus der ex ante-Perspektive das Handeln des Geschäftsführers hinsichtlich der eingeholten Informationen als Entscheidungsgrundlage unvertretbar erscheint. Eine gerichtliche Überprüfung unternehmerischen Handelns findet daher nur dahin gehend statt, ob dem Geschäftsführer in der jeweiligen Situation ein Ermessensspielraum zugestanden hat und dieses Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt worden ist. Damit muss das Gericht unabhängig von später gewonnenen Erkenntnissen urteilen und darf nicht als "nachträglicher Besserwisser" erscheinen."

 

Rz. 46

Risiken sind der unternehmerischen Leitungstätigkeit immanent, allein die Eingehung bestimmter Risiken ist damit nicht pflichtwidrig, denn die Risiken sind häufig einzugehen, damit ein wirtschaftlicher Erfolg erreicht werden kann.[4] Der Geschäftsführer muss gerade eine Tätigkeit ausüben, die der Zukunft zugewandt ist, es muss das Unternehmen auch in die Zukunft führen, tut er dies nicht könnte ihm gerade im Gegenteil der Vorwurf der Untätigkeit vorgeworfen werden.[5] Die Frage ist also, wann wird die Grenze des unternehmerischen Ermessens überschritten, ab der der Geschäftsführer nicht mehr allgemein anerkannte betriebswirtschaftliche und kaufmännische Grundsätze einhält. Dies ist durch Abwägung der Chancen mit den Risken der geplanten Maßnahme zu bestimmen. Grundsätzlich ist für die Ausübung unternehmerischen Ermessens erst dann Raum, wenn das Leitungsorgan die Entscheidungsgrundlagen sorgfältig ermittelt und das Für und Wider verschiedener Vorgehensweisen abgewogen hat.[6]

 

Rz. 47

Hierbei wird verlangt, dass der Geschäftsführer seine Leitungsentscheidungen vorausschauend trifft, sie vorbereitet und angemessen abwägt, wobei dies auch jeweils von der Bedeutung und Tragweite der Entscheidung abhängt. Wird beispielsweise eine neue Maschine angeschafft, wird der konkrete Bedarf im Untern...

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