Entscheidungsstichwort (Thema)

Abbau der Fehlbelegung im Wohnungswesen. Fehlbelegungsabgabe. Wohnungsfürsorgewohnung. verfassungskonforme Auslegung des Landesrechts. Beschränkung der Ausgleichszahlung. Höchstbetragsverordnung. Differenzierung der Höchstbeträge nach der Wohnungsgröße. Berücksichtigung kommunaler Mietspiegel

 

Leitsatz (amtlich)

Die Obergrenze der in einem kommunalen Mietspiegel zutreffend ausgewiesenen Mietzinsspanne für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage ist bei der Beschränkung der Fehlbelegungsabgabe im Einzelfall korrigierend zu berücksichtigen, wenn der durch Rechtsverordnung festgesetzte Betrag diese Grenze überschreitet.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, 14; BayAFWoG Art. 2 Abs. 12; BayDVAFWoG § 2

 

Verfahrensgang

Bayerischer VGH (Urteil vom 03.02.1995; Aktenzeichen 24 B 93.2690)

VG Augsburg (Entscheidung vom 30.06.1993; Aktenzeichen 4 K 92 A.1277)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. Februar 1995 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger ist Inhaber einer mit Wohnungsfürsorgemitteln geförderten Wohnung in Sonthofen. Die Oberfinanzdirektion München setzte gegen ihn für das Jahr 1992 eine monatliche Ausgleichszahlung fest, die sie auf seinen Antrag nachträglich auf 111 DM beschränkte. Die vom Kläger nach erfolglosem Widerspruch erhobene Anfechtungsklage ist im ersten sowie im zweiten Rechtszug erfolglos geblieben. Das Berufungsurteil ist im wesentlichen wie folgt begründet: Die Heranziehung des Klägers zur Fehlbelegungsabgabe finde ihre Rechtsgrundlage in dem Landesgesetz über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen (BayAFWoG) in der hier anzuwendenden Fassung der Bekanntmachung vom 29. Dezember 1991 (GVBl 1992 S. 2) in Verbindung mit der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen in Bayern (DVAFWoG) vom 26. November 1991 (GVBl S. 398). Danach sei die Ausgleichszahlung des Klägers nicht weiter zu beschränken als auf den in der Verordnung bestimmten Höchstbetrag. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, daß der Kläger nach der Höchstbetragsverordnung den geforderten Betrag in voller Höhe zu zahlen habe, während er bei der von ihm verlangten Anwendung des Sonthofener Mietspiegels unbelastet bleibe. Nach Art. 2 Abs. 12 Nrn. 1, 2 BayAFWoG sei in der Regel die Höchstbetragsverordnung maßgebend. Eine allgemeine Berücksichtigung von Mietspiegeln scheide aus. Diese landesgesetzliche Regelung sei verfassungsgemäß. Die Höchstbetragsverordnung begegne ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die dort fehlende Unterscheidung nach Wohnungsgrößen sehe die Ermächtigungsgrundlage nicht vor. Das pauschalierende Verfahren zur Ermittlung der Höchstbeträge erscheine insgesamt sachgerecht und halte sich noch in dem verfassungsrechtlichen Rahmen. Es schließe allerdings nicht aus, daß die Höchstbeträge im Einzelfall die Marktmiete auch wesentlich (Art. 2 Abs. 12 Nr. 3 AFWoG) überschritten. Insoweit sei eine verfassungskonforme erweiternde Auslegung der Ausnahmeregelung des Art. 2 Abs. 12 Nr. 3 BayAFWoG möglich und geboten. Deren Beschränkung auf „einfache Wohnlagen” sei sachwidrig und mit dem Eigentumsgrundrecht unvereinbar. Wesentliche Abweichungen müßten in allen Fällen berücksichtigt werden. Das Gebot der Einzelfallgerechtigkeit könne aber nur zum Zuge kommen, soweit dadurch kein unangemessener Verwaltungsaufwand entstehe. Allgemeine behördliche Ermittlungen der konkreten Vergleichsmiete schieden aus. Ebensowenig könne der Gegenbeweis gegen die Höchstbetragsverordnung allein durch den Mietspiegel geführt werden. Die Nachweislast für eine nicht nur unwesentliche und sich nicht allein aus dem Mietspiegel ergebende Abweichung treffe den Wohnungsinhaber. Insoweit sei das Amtsermittlungsprinzip eingeschränkt. Der Wohnungsinhaber müsse den Aufwand tragen, um Besonderheiten seines Einzelfalles zur Geltung zu bringen. Die Regelungen des Miethöhegesetzes für eine vergleichbare Nachweissituation könnten herangezogen werden. In Betracht komme sowohl die Vorlage eines Mietpreisgutachtens als auch die Benennung von in der Regel mindestens drei Vergleichswohnungen. Allerdings seien nur Neuvermietungen von Interesse. Die vom Kläger benannten vier Vergleichswohnungen seien zum Gegenbeweis ungeeignet. Seinem Antrag auf gerichtliche Einholung eines Sachverständigengutachtens könne nicht nachgegangen werden, da der Kläger der Behörde und auch dem Gericht nicht die Nachweislast zuschieben dürfe.

Gegen dieses Urteil, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Der Beklagte tritt der Revision entgegen.

Der Oberbundesanwalt hält die vom Berufungsgericht angewandte landesrechtliche Regelung der Erhebung der Fehlbelegungsabgabe für verfassungsgemäß.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht. Zur abschließenden Entscheidung bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen. Das zwingt zur Zurückverweisung.

Das angefochtene Urteil beruht auf der Auslegung und Anwendung des nach § 16 des Gesetzes über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen (AFWoG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl. I S. 1523, 1542), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. Juni 1989 (BGBl. I S. 1058), anstelle dieses Bundesgesetzes – mit Ausnahme des § 1 Abs. 4 und des § 10 Abs. 2 AFWoG – anzuwendenden Landesrechts (vgl. dazu Urteile vom 7. Juni 1996 – BVerwG 8 C 22.94, 8 C 23.94, 8 C 24.94 und 8 C 5.95 – m.w.N.). Die vorinstanzliche Auslegung von dessen irrevisiblen Vorschriften (§ 137 Abs. 1 VwGO) ist als solche für das Revisionsgericht bindend (§ 173 VwGO in Verbindung mit § 562 ZPO). Sie ist aber revisionsgerichtlich daraufhin zu überprüfen, ob das Berufungsgericht die für seine Entscheidung maßgebenden bundesrechtlichen Maßstäbe zutreffend erkannt und angewendet hat (vgl. etwa Urteil vom 18. Dezember 1987 – BVerwG 4 C 9.86 – Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 151 S. 4 ≪9≫ m.w.N.). Dazu gehört auch die Beachtung des Gebots verfassungskonformer Auslegung des irrevisiblen Landesrechts (vgl. etwa Urteile vom 18. Dezember 1987 – BVerwG 4 C 9.86 – BVerwGE 78, 347 ≪351≫ m.w.N., vom 24. November 1992 – BVerwG 1 C 9.91 – BVerwGE 91, 186 ≪187≫ und vom 23. August 1994 – BVerwG 1 C 18.91 – Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 230 S. 14 ≪15≫; Beschluß vom 4. Oktober 1994 – BVerwG 4 B 175.94 – Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 49 S. 4 ≪5≫). Die dem Bundesverwaltungsgericht obliegende Prüfung, ob der vorinstanzlich ermittelte Regelungsgehalt des Landesrechts mit Bundesrecht in Einklang steht, muß zwar von dem Inhalt der irrevisiblen Vorschrift ausgehen, den die Vorinstanz durch Auslegung gewonnen und ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat. Das Revisionsgericht hat jedoch zu prüfen, ob Bundesrecht – namentlich Bundesverfassungsrecht – ein anderes Ergebnis gebietet (vgl. etwa Urteile vom 24. November 1992 a.a.O. und vom 23. August 1994 a.a.O.). Ist die Bestimmung des Inhalts von Landesrecht durch eine Verletzung von Bundesrecht beeinflußt, hat das Revisionsgericht dies zu korrigieren (vgl. etwa Urteil vom 18. Dezember 1987, a.a.O. S. 9 m.w.N.).

Das angefochtene Urteil verletzt mit seiner entscheidungstragenden Auslegung und Anwendung des bayerischen Landesrechts die zwingenden bundes(verfassungs)rechtlichen Vorgaben für die Erhebung der Fehlbelegungsabgabe. Namentlich hat das Berufungsgericht das sich aus dem Bundesverfassungsrecht ergebende Beschränkungsgebot unzutreffend ausgelegt und angewendet und den insoweit entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht vollständig festgestellt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf die Fehlbelegungsabgabe ausschließlich als Instrument zur Abschöpfung nicht mehr gerechtfertigter Mietzinsvorteile aufgrund einer von der öffentlichen Hand gewährten Subvention dienen (vgl. BVerfG, Beschluß vom 8. Juni 1988 – 2 BvL 9/85 und 3/86 – BVerfGE 78, 249 ≪266 ff., 277 f.≫). Nur aus dieser Funktion leitet sich ihre verfassungsrechtliche Legitimation her (vgl. BVerfG, Beschluß vom 8. Juni 1988, a.a.O. S. 267 ff., 277 f.). Als Abschöpfungsabgabe gleicht sie „allein den aus der öffentlichen Wohnungsbauförderung erwachsenden Mietzinsvorteil” aus, der „auf staatlicher Gewährung” beruht (BVerfG, Beschluß vom 8. Juni 1988, a.a.O. S. 277). Ihr „Zweck, die Fehlleitung von Subventionen … auszugleichen”, bestimmt zugleich die Grenzen, die der Bemessung der Abgabe von Verfassungs wegen gezogen sind (BVerfG, Beschluß vom 8. Juni 1988, a.a.O. S. 267 f. und 277 f.). Um der verfassungsrechtlichen Legitimation der Fehlbelegungsabgabe willen müssen sich die Ausgleichszahlungen auf die Abschöpfung der Subventionsvorteile für die Inhaber von öffentlich geförderten Sozialwohnungen und Wohnungsfürsorgewohnungen beschränken. Diese Subventionsvorteile bestehen darin, daß Inhaber solcher Wohnungen, die ungeachtet des Wegfalls der Voraussetzungen ihrer Wohnberechtigung in ihren Wohnungen bleiben dürfen, weiterhin nur die verbilligte Miete zu entrichten haben (vgl. BVerfG, Beschluß vom 8. Juni 1988, a.a.O. S. 268, 277). Mietzins und Fehlbelegungsabgabe dürfen deswegen insgesamt den Abgabepflichtigen nicht stärker belasten, „als wenn er in einer vergleichbaren freifinanzierten Wohnung seiner Gemeinde wohnte” (BVerfG, Beschluß vom 8. Juni 1988, a.a.O. S. 268, 278).

Der mit der Ausgleichszahlung abzuschöpfende Subventionsvorteil bemißt sich freilich – entgegen der Rechtsansicht der Revision – nicht nach dem Betrag, um den die Kostenmiete nach Wegfall der Mietpreisbindung im Rahmen eines Mieterhöhungsverlangens nach § 2 Abs. 1 MHG erhöht werden könnte. Die Fehlbelegungsabgabe stellt keinen Ersatz für eine wegen der Mietpreisbindung ausgeschlossene Mieterhöhung nach § 2 MHG dar. Die mit ihr abzuschöpfenden Mietzinsvorteile können vielmehr auch über das Maß einer ohne Mietpreisbindung zulässigen Mieterhöhung hinausgehen. Da der Fehlbeleger einer öffentlich geförderten Sozialwohnung oder Wohnungsfürsorgewohnung nicht zum Wohnungswechsel gezwungen ist, sondern trotz des Verlusts seiner Wohnberechtigung weiterhin in der Wohnung verbleiben darf, besteht der ihm zufließende Subventionsvorteil in der Preisdifferenz zwischen der von ihm lediglich zu entrichtenden Kostenmiete und der für die jeweilige Wohnung ohne Mietpreisbindung auf dem freien Markt erzielbaren Miete (vgl. BVerfG, Beschluß vom 8. Juni 1988, a.a.O. S. 268). Diese Differenz kann höher, aber auch niedriger sein als die für Mieterhöhungen während eines bestehenden Mietverhältnisses über preisfreien Wohnraum in § 2 Abs. 1 Nr. 3 MHG vorgesehene Kappungsgrenze von 30 bzw. 20 v.H.

Eine über die Abschöpfung des Subventionsvorteils hinausgehende Zahlungspflicht der Fehlbeleger von Sozialwohnungen und Wohnungsfürsorgewohnungen läßt sich andererseits – entgegen der mit der Revisionserwiderung vorgetragenen Rechtsansicht des Beklagten – weder mit Praktikabilitätserwägungen noch mit dem Bestreben rechtfertigen, einen wohnungspolitisch erwünschten „Sickereffekt” herbeizuführen (vgl. Urteile vom 3. März 1989 – BVerwG 8 C 98.85 – Buchholz 401.71 AFWoG Nr. 3 S. 17 ≪42≫ und vom 31. Januar 1992 – BVerwG 8 C 78.89 – Buchholz 401.71 AFWoG Nr. 8 S. 70 ≪80≫). Im Gegensatz zu den nach § 25 Abs. 1 WoBindG bei schuldhaften Verstößen gegen die Wohnungsbindung zu entrichtenden Geldleistungen ist die Fehlbelegungsabgabe weder auf den pauschalierten Ausgleich eines der Wohnungsversorgung zugefügten Schadens noch auf die Wiederherstellung eines gesetzmäßigen Belegungszustandes gerichtet. Eine solche Funktion kann ihr auch das aufgrund des § 16 Satz 1 AFWoG erlassene Landesrecht nicht zuweisen. Fehlbeleger sind nach dem nicht durch § 16 Satz 1 AFWoG zur Disposition der Landesgesetzgeber gestellten Bundesrecht schon dem Grunde nach nicht schadensersatzpflichtig. Ihnen fällt weder eine zum Ersatz eines Schadens verpflichtende Rechtsverletzung noch ein Verschulden zur Last. Der Bezug ihrer Wohnung war rechtmäßig, und ihr Verbleiben in der Wohnung ist es trotz des Wegfalls der Voraussetzungen für ihre Überlassung an sie ebenfalls. Zweck der Abgabe darf es ebensowenig sein, einen über die Subventionsabschöpfung hinausgehenden finanziellen Druck auf die Mieter fehlbelegter öffentlich geförderter Sozialwohnungen und Wohnungsfürsorgewohnungen auszuüben, ihre rechtmäßig weiter bewohnten Wohnungen freizugeben (vgl. bereits Urteil vom 3. März 1989 – BVerwG 8 C 98.85 – a.a.O. S. 42). Der Bundesgesetzgeber hat bewußt und gewollt davon abgesehen, Fehlbeleger von öffentlich geförderten Wohnungen oder Wohnungsfürsorgewohnungen zu deren Freigabe zu verpflichten, wenn die Wohnberechtigung entfallen ist. Kündigungsverlangen und Räumungsanordnung der zuständigen Stelle sind bundesgesetzlich auf die Fälle beschränkt, in denen der Verfügungsberechtigte eine öffentlich geförderte Wohnung von vornherein bindungswidrig überlassen hat (vgl. § 4 Abs. 8 WoBindG). Einen Lenkungszweck, der sich in Widerspruch zu dem nicht nach § 16 Satz 1 AFWoG zugunsten des Landesrechts freigegebenen Bundesrecht setzen würde, kann der Landesgesetzgeber der Fehlbelegungsabgabe nicht zumessen. Diese bleibt sowohl von Verfassungs wegen als auch durch die verfassungskonform auszulegende einfachrechtliche Freigabeerklärung des Bundesgesetzgebers in § 16 Satz 1 AFWoG auf die Abschöpfung der Subventionsvorteile beschränkt.

Von Verfassungs wegen bildet die bei einer Neuvermietung der jeweiligen Wohnung ohne Mietpreisbindung auf dem freien Wohnungsmarkt rechtmäßig erzielbare Miete die absolute Obergrenze für die sich aus Kostenmiete und Fehlbelegungsabgabe zusammensetzende Gesamtbelastung des Wohnungsinhabers (vgl. BVerfG, Beschluß vom 8. Juni 1988, a.a.O. S. 268, 278; BVerwG, Urteile vom 3. März 1989, a.a.O. S. 41 ff., vom 13. Februar 1991 – BVerwG 8 C 15.89 – Buchholz 401.71 Nr. 6 S. 53 ≪61≫ und vom 31. Januar 1992, a.a.O. S. 80 f.). Die Höchstbetragsregelung muß die Einhaltung dieser Grenze gewährleisten, um die Erhebung der Fehlbelegungsabgabe verfassungsrechtlich abzusichern (vgl. Urteile vom 3. März 1989, a.a.O. S. 43, vom 13. Februar 1991, a.a.O. S. 61 und vom 7. Juni 1996 – BVerwG 8 C 22.94, 8 C 23.94, 8 C 24.94 und 8 C 5.95 –). Die verfassungsrechtlich gebotene Beschränkung der Abgabe auf den abzuschöpfenden Mietzinsvorteil läßt selbst bei einem Mangel an Daten keinen Genauigkeitsrabatt zum Nachteil der Abgabepflichtigen zu (vgl. Urteil vom 31. Januar 1992, a.a.O. S. 84). Auch der Landesgesetzgeber kann dem Verordnungsgeber keine derartige Erleichterung zu Lasten der Fehlbeleger zugestehen. Dazu fehlt ihm vielmehr die verfassungsrechtliche und auch die einfach(bundes)rechtliche (§ 16 Satz 1 AFWoG) Ermächtigung (vgl. Urteil vom 31. Januar 1992, a.a.O. S. 84). Die vom Gesetzgeber angestrebte Verminderung des Verwaltungsaufwandes vermag keine Typisierung und Pauschalierung zum Nachteil der Fehlbelegungsabgabepflichtigen zu rechtfertigen (vgl. Urteil vom 31. Januar 1992, a.a.O. S. 84). Aus Praktikabilitätserwägungen können bei der Höchstbetragsbemessung lediglich zugunsten der Abgabepflichtigen geringe Sicherheitsabschläge vorgenommen werden, die mit Blick auf den Gleichheitssatz allen Abgabepflichtigen im gleichen Verhältnis zugute kommen (vgl. Urteil vom 31. Januar 1992, a.a.O. S. 84).

Der für die Bemessung der Fehlbelegungsabgabe verfassungsrechtlich vorgegebene Maßstab „der bei Neuvermietungen erzielbaren Entgelte” stimmt in der Sache mit der Obergrenze der in einem kommunalen Mietspiegel zutreffend ausgewiesenen Mietzinsspanne für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage überein (vgl. Urteile vom 7. Juni 1996 – BVerwG 8 C 22.94, 8 C 23.94, 8 C 24.94 und 8 C 5.95 –). Denn der Marktwert einer Wohnung richtet sich nach den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde für die Vermietung von Räumen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage gezahlt werden (vgl. etwa BGH, Urteil vom 8. Dezember 1981 – g. R. 1 StR 416/81 – BGHStr. 30, 280 ≪281≫ m.w.N.; Stree in: Schenke/Schröder, StGB, 24. Aufl. 1991, § 302 a Rn. 13). Bei preisbindungsfreien Räumen wird in Anlehnung an § 5 WiStrG bereits dann ein auffälliges Mißverhältnis zwischen der Miete und der Leistung des Vermieters angenommen, wenn die in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 definierte ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20 v.H. überschritten wird (vgl. etwa Tröndle in: Dreher/Tröndle, StGB, 47. Aufl. 1995, § 302 a Rn. 23 m.w.N.). Denn eine Überschreitung der üblichen Entgelte, die in der Gemeinde für die Vermietung von Räumen vergleichbarer Art, Größe, Austattung, Beschaffenheit und Lage in den letzten drei Jahren vereinbart worden sind, um über 20 v.H. wird in Rechtsprechung und Schrifttum schon nicht mehr als unwesentlich im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 WiStrG angesehen (vgl. etwa OLG Stuttgart, Rechtsentscheid vom 7. Juli 1981 – 8 REMiet 1/81 – NJW 1981, 2365; Meyer, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 5 WiStrG Anm. 4 c m.w.N.). Da ein Mietspiegel auch bei stärkerer Differenzierung noch erhebliche Bandbreiten für die einzelnen Wohnungsgruppen ausweist, wird die Obergrenze der ihm zu entnehmenden konkreten Vergleichsmietenspanne in aller Regel bereits am oberen Rand des zulässigen Mietzinses liegen.

Da die rechtssatzmäßig festgesetzten Höchstbeträge ihrer Funktion nach einen „Mietspiegelersatz” darstellen, gilt für das methodische Vorgehen bei ihrer Ermittlung zumindest im Grundsatz nichts anderes als für die Aufstellung von Mietspiegeln (vgl. Urteil vom 31. Januar 1992, a.a.O. S. 83 und vom 7. Juni 1996 – BVerwG 8 C 22.94, 8 C 23.94, 8 C 24.94 und 8 C 5.95 –). Auch bei der rechtssatzmäßigen Höchstbetragsfestsetzung muß namentlich differenziert werden, soweit dies erforderlich ist, um eine die ortsübliche Miete für vergleichbare Wohnungen übersteigende Belastung überall zuverlässig auszuschließen (vgl. Urteil vom 13. Februar 1991, a.a.O. S. 61). Da die Wohnfläche nach allgemeiner Erfahrung die Höhe der Miete beeinflußt, sind die Höchstbeträge insbesondere auch nach der Größe der Wohnungen unterschiedlich zu bemessen. Denn nach einem allgemeinen Erfahrungssatz ist der Mietzins pro Quadratmeter bei Kleinwohnungen in aller Regel unverhältnismäßig höher als bei großen Wohnungen. Auf eine Differenzierung in Gestalt einer zumindest groben Abstufung zwischen Klein- und Großwohnungen und den dazwischen angesiedelten Wohnungen mittlerer Größe wird deswegen in aller Regel bei der Festsetzung der Höchstbeträge nicht verzichtet werden können (vgl. Urteil vom 13. Februar 1991, a.a.O. S. 62).

Die vom Berufungsgericht angewandte Verordnung setzt demgegenüber einheitliche Höchstbeträge für Wohnungen derselben Baualtersklasse und mit gleicher Ausstattung ohne Rücksicht auf unterschiedliche Wohnflächen fest. Das entspricht der landesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage des Art. 2 Abs. 12 Nr. 2 Satz 2 BayAFWoG, wonach den Höchstbetragsfestsetzungen die bei Neuvermietung erzielbaren Entgelte für nicht preisgebundenen Wohnraum vergleichbarer Art und Ausstattung in durchschnittlicher Lage zugrunde zu legen sind. Ob sich der Verzicht auf eine Differenzierung nach der Wohnungsgröße durch ein Nichtbestehen relevanter Mietpreisunterschiede sachlich rechtfertigen läßt, ist zweifelhaft, mag aber auf sich beruhen. Darauf kommt es nicht an. Das stark pauschalierende Verfahren, auf dem die Höchstbetragsfestsetzung beruht, schließt jedenfalls – wie das angefochtene Urteil feststellt – sogar wesentliche Überschreitungen (Art. 2 Abs. 12 Nr. 3 BayAFWoG) der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht aus. Die bundesverfassungsrechtlich gebotene Beschränkung der Ausgleichszahlung auf die ortsübliche Vergleichsmiete kann jedoch bei deren Überschreitung durch den Höchstbetrag nur auf der Grundlage eines örtlichen Mietspiegels oder mit Hilfe sonstiger brauchbarer Erkenntnisquellen vorgenommen werden (vgl. Urteile vom 13. Februar 1991, a.a.O. S. 63 ff. und vom 31. Januar 1992, a.a.O. S. 86). Die dazu unerläßliche landesrechtliche Korrekturmöglichkeit eröffnet Art. 2 Abs. 12 Nr. 3 BayAFWoG. Nach dessen verfassungskonformer erweiternder Auslegung durch das Berufungsgericht ist als maßgebender Höchstbetrag stets das ortsüblich erzielbare Entgelt für nicht preisgebundene vergleichbare Wohnungen zugrunde zu legen, wenn die Summe aus Miete und Fehlbelegungsabgabe das bei Neuvermietung erzielbare ortsübliche Entgelt für nicht preisgebundenen Wohnraum überschreiten würde.

Die in einem örtlichen Mietspiegel (§ 2 Abs. 2 Satz 2 MHG) zutreffend ausgewiesene Obergrenze der Vergleichsmiete muß danach korrigierend zugrunde gelegt werden, wenn der Höchstbetrag der Rechtsverordnung sie überschreitet (vgl. Urteile vom 3. März 1989 – BVerwG 8 C 98.85 – a.a.O. S. 44, vom 13. Februar 1991, a.a.O. S. 64 f., vom 31. Januar 1992, a.a.O. S. 83 und vom 7. Juni 1996 – BVerwG 8 C 22.94, 8 C 23.94, 8 C 24.94 und 8 C 5.95 –). Eine solche Korrektur verlangt nicht allein das durch § 16 Satz 1 AFWoG zur Disposition des Landesgesetzgebers gestellte einfache Bundesrecht. Sie wird vielmehr in erster Linie bereits durch die Verfassung gefordert, um die Abschöpfungsabgabe auf den Subventionsvorteil zu beschränken. Daß Mietzins und Fehlbelegungsabgabe zusammen den Mieter nicht stärker belasten dürfen, als wenn er in einer vergleichbaren freifinanzierten Wohnung seiner Gemeinde wohnte (BVerfG, Beschluß vom 8. Juni 1988, a.a.O. S. 268, 278), muß von Verfassungs wegen durch die Auslegung und Anwendung des Landesrechts sichergestellt werden (vgl. Urteile vom 3. März 1989, a.a.O. S. 41 ff. und vom 7. Juni 1996 – BVerwG 8 C 22.94, 8 C 23.94, 8 C 24.94 und 8 C 5.95 –). Dem tragen einige Landesgesetze sogar mit einer Verweisung auf den kommunalen Mietspiegel Rechnung, um eine praktikable Begrenzung der Ausgleichszahlungen auf die Abschöpfung des Subventionsvorteils zu ermöglichen und zugleich die Einhaltung der verfassungsmäßig vorgegebenen Obergrenze zu gewährleisten. Im Interesse der Geringhaltung des Verwaltungsaufwandes an eine sachverständige örtliche Mietenermittlung anzuknüpfen, die ohnedies durchgeführt wird und von denen auch bei zivilrechtlichen Mieterhöhungsverlangen in der Gemeinde Gebrauch gemacht wird, ist sachgerecht (vgl. Urteile vom 7. Juni 1996 – BVerwG 8 C 22.94, 8 C 23.94, 8 C 24.94 und 8 C 5.95 –).

Die grundsätzlichen Einwände des angefochtenen Urteils gegen den Rückgriff auf einen gültigen kommunalen Mietspiegel greifen nicht durch. Art. 2 Abs. 12 Nr. 3 BayAFWoG hindert den Wohnungsinhaber nicht daran, den Beweis einer Überschreitung der Marktmiete durch den festgesetzten Höchstbetrag allein durch einen substantiierten Hinweis auf den Mietspiegel zu führen. Die gegenteilige Interpretation der Vorschrift durch das Berufungsgericht verletzt das Gebot verfassungskonformer Auslegung. Diese ist ohne weiteres möglich. Die Vorschrift stellt ihrem Wortlaut nach lediglich auf den Nachweis ab. Das legt bereits ein Verständnis nahe, wonach dieser Nachweis auf jede geeignete Weise erbracht werden kann. Für die Annahme, auch ein nach der gegebenen Sachlage tauglich erscheinendes Beweismittel solle von Rechts wegen ausgeschlossen sein und überdies solle sogar die verfahrensrechtliche Aufklärungspflicht des Tatsachengerichts (§ 86 Abs. 1 VwGO) entfallen, gibt der Gesetzeswortlaut schlechthin nichts her. Auch der Sinnzusammenhang bietet dafür keinen hinreichenden Anhalt. Der Hinweis des angefochtenen Urteils, bei der Vorbereitung des Landesgesetzes habe man die Berücksichtigung von Mietspiegeln bewußt ausschließen wollen, vermag seine Auslegung ebenfalls nicht zu stützen. Die sich aus den Materialien ergebenden subjektiven Zielvorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten dürfen nicht dem objektiven Gesetzesinhalt gleichgesetzt werden. Der Wille der gesetzgebenden Instanzen kann vielmehr bei der Interpretation nur insoweit bedeutsam werden, als er auch im Gesetzestext selbst Niederschlag gefunden hat (vgl. etwa BVerfGE 62, 1 ≪45≫ m.w.N.). Daran fehlt es hier. Das zwingt zu verfassungskonformer Auslegung der Norm. Die Festsetzung einer Ausgleichszahlung setzt ausnahmslos voraus, daß die vom Wohnungsinhaber zu entrichtende Kostenmiete die ortsübliche Vergleichsmiete unterschreitet. Dieser Subventionsvorteil gehört von Verfassungs wegen zu den anspruchsbegründenden Tatsachen. Das hat zur Folge, daß den Abgabengläubiger die materielle Beweislast trifft (vgl. Urteil vom 23. Juni 1995 – BVerwG 8 C 20.93 – Buchholz 406.11 § 131 BauGB Nr. 98 S. 45 ≪46≫ m.w.N.). Denn nach den Regeln der materiellen Beweislast geht die Nichterweislichkeit der anspruchsbegründenden Tatsachen zu Lasten dessen, der daraus für sich günstigere Rechtsfolgen herleitet, sofern das materielle Recht keine andere Verteilung der Beweislast vorsieht (vgl. etwa Urteil vom 20. April 1994 – BVerwG 11 C 60.92 – Buchholz 442.16 § 15 StVZO Nr. 4 S. 1 ≪4≫ m.w.N.). Eine Beweislastumkehr zu Lasten der Fehlbeleger ist verfassungsrechtlich ausgeschlossen. Sie wäre mit der auf die Abschöpfung eines Subventionsvorteils zu beschränkenden Gestaltung der Fehlbelegungsabgabe unvereinbar. Ebensowenig zulässig ist es, die dem Wohnungsinhaber zur Verfügung stehenden Nachweismöglichkeiten einzuschränken. Art. 2 Abs. 12 Nr. 3 BayAFWoG muß vielmehr verfassungskonform dahin ausgelegt werden, daß der Wohnungsinhaber den Nachweis einer Überschreitung der Marktmiete durch den der Abgabenbemessung zugrunde gelegten Höchstbetrag auch durch einen substantiierten Hinweis auf die sich aus dem kommunalen Mietspiegel ergebende niedrigere ortsübliche Vergleichsmiete führen kann. Die tatsächliche Brauchbarkeit des kommunalen Mietspiegels zur Feststellung der maßgebenden Vergleichsmiete ist im Rechtsstreit erforderlichenfalls unter Hinzuziehung eines gerichtlichen Sachverständigen zu überprüfen, wenn der zur Fehlbelegungsabgabe herangezogene Wohnungsinhaber – wie der Kläger – den für seine Wohnung zugrunde gelegten Höchstbetrag durch den Hinweis auf einen im Mietspiegel ausgewiesenen niedrigeren Mietwert substantiiert in Zweifel zieht (vgl. Urteile vom 26. Januar 1996 – BVerwG 8 C 19.94 – amtl. Umdruck, S. 10 m.w.N. und vom 7. Juni 1996 – BVerwG 8 C 22.94, 8 C 23.94, 8 C 24.94 und 8 C 5.95 –). Dem Tatsachengericht obliegt dann namentlich die Würdigung des Zahlenmaterials, insbesondere hinsichtlich der Datengewinnung und Datenverarbeitung, der Wahl der Spannbreiten, der Gewichtung von Lage, Baualter, Größe und Beschaffenheit als wohnwertbestimmende Merkmale (vgl. Urteile vom 26. Januar 1996 – BVerwG 8 C 19.94 – amtl. Umdruck, S. 9 m.w.N. und vom 7. Juni 1996 – BVerwG 8 C 22.94, 8 C 23.94, 8 C 24.94 und 8 C 5.95 –).

Können die für die Feststellung eines abzuschöpfenden Subventionsvorteils erforderlichen Tatsachen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gerichtlich nicht festgestellt werden, so geht diese Unaufklärbarkeit bundesverfassungsrechtlich zu Lasten des Beklagten. Ob Art. 2 Abs. 12 Nr. 3 BayAFWoG auch insoweit verfassungskonform ausgelegt werden kann, wird das Berufungsgericht erforderlichenfalls prüfen müssen. Für die im Revisionsverfahren zu treffende Entscheidung kommt es darauf nicht an. Das gleiche gilt für die Frage, ob der in Art. 2 Abs. 12 Nr. 3 BayAFWoG vorgesehene Ausschluß der Korrektur von nur unwesentlichen Überschreitungen der ortsüblichen Vergleichsmiete verfassungskonform dahin ausgelegt werden kann, daß lediglich völlig unerhebliche im Sinne von nicht „pfenniggenaue” Abweichungen des Höchstbetrages von der Marktmiete hinzunehmen sind. Nur wenn und soweit eine dieser beiden Fragen zum Regelungsinhalt des Art. 2 Abs. 12 Nr. 3 BayAFWoG sich aufgrund des Ergebnisses der erforderlichen weiteren Sachaufklärung als entscheidungserheblich erweisen und außerdem eine verfassungskonforme Auslegung des Landesrechts insoweit nicht möglich sein sollte, ist eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG) zulässig (vgl. BVerfGE 11, 330 ≪334≫; 47, 146 ≪152 f.≫; 64, 251 ≪254≫; 79, 256 ≪265 f.≫).

 

Unterschriften

Dr. Kleinvogel, Prof. Dr. Driehaus, Dr. Silberkuhl, Dr. Honnacker, Sailer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1497433

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