Verfahrensgang

OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 23.03.2006; Aktenzeichen 4 L 281/05)

 

Tenor

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 23. März 2006 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 18 424,41 € festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Keiner der von ihr als klärungsbedürftig bezeichneten Fragen kommt eine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Frage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.

Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam,

“ob ein Zweckverband wie im vorliegenden Fall oder ein sonstiger Abgabengläubiger wie Gemeinden oder Landkreise im Sinne von § 6 Abs. 1 S. 1 KAG-LSA verpflichtet ist, die Regelung für übergroße Wohngrundstücke des § 6c Abs. 2 S. 1 KAG-LSA auch dann anzuwenden, wenn das veranlagte Grundstück dem Betrieb eines Alten- und Pflegeheims dient, bzw. ob er verpflichtet ist, sich hierbei an der Auslegung des Begriffs des Wohnens an den einschlägigen Regelungen der Baunutzungsverordnung, insbesondere § 3 BauNVO, zu orientieren”.

Mit dieser Fragestellung wendet sich die Beschwerde dagegen, dass das Oberverwaltungsgericht die Vergünstigung, die in der Abwasserbeseitigungsabgabensatzung für übergroße Grundstücke, die nach der tatsächlichen Nutzung vorwiegend Wohnzwecken dienen oder dienen werden, vorgesehen ist, auch auf den Betrieb des Alten- und Pflegeheimes des Klägers angewandt hat.

Damit ist jedoch eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des Bundesrechts nicht aufgeworfen worden. Die Frage, ob eine landesrechtliche Norm im Lichte von Bundesrecht auszulegen ist, ist in ihrem landesrechtlichen Ausgangspunkt in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Die Beschwerde formuliert eine Rechtsfrage, die ausschließlich die Auslegung einer Norm des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt betrifft. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Auslegung des Begriffs “zu Wohnzwecken” in § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG-LSA im Wesentlichen auf § 3 BauNVO, eine bundesrechtliche Norm, zurückgegriffen und war unter Heranziehung des § 1 des Heimgesetzes sowie der §§ 23 bis 27 Heimmindestbauverordnung der Auffassung, dass das vom Kläger betriebene Alten- und Pflegeheim vorwiegend Wohnzwecken dient. Wird eine Vorschrift des Bundesrechts auf der Grundlage des Landesrechts herangezogen, um das Landesrecht zu ergänzen oder auszulegen, wird die Vorschrift Teil des Landesrechts und entzieht sich damit revisionsrechtlicher Überprüfung (vgl. Urteil vom 7. Juni 2006 – BVerwG 4 C 7.05 – NVwZ 2006, 1065 ≪1066≫; Beschluss vom 21. März 2006 – BVerwG 10 B 2.06 – juris Rn. 4; Urteil vom 30. Januar 1996 – BVerwG 1 C 9.93 – Buchholz 430.2 Kammerzugehörigkeit Nr. 7 S. 3).

Grundsätzlich durch die Revision klärungsbedürftig ist die Auslegung des Begriffs des Wohnens anhand der BauNVO aber auch nicht deshalb, weil sich das Berufungsgericht bei der Auslegung des landesrechtlichen Begriffs der Wohnnutzung durch Bundesrecht gebunden gefühlt und insoweit Bundesrecht angewandt hätte (vgl. Urteil vom 26. September 1991 – BVerwG 4 C 5.87 – BVerwGE 89, 69 ≪74≫). Ein solcher Fall liegt nämlich nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat erkennbar § 3 Abs. 4 BauNVO zur näheren Bestimmung des Begriffs des Wohnens, den es zuvor schon nach allgemeinem Sprachgebrauch erläutert hatte, herangezogen (vgl. UA S. 7 1. Absatz), nicht aber wegen einer aus seiner Sicht gebotenen Bindung an Bundesrecht. Es erörtert im Einzelnen, weshalb aus landesrechtlicher Sicht auf die bau(planungs)rechtliche Auslegung der Wohnnutzung abzustellen ist. Schon wegen der grundsätzlichen Verbindungen zwischen dem Beitragsrecht und dem Bau(planungs)recht auf Grund der Ausgestaltung des Vorteilsbegriffes des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG-LSA liege eine solche Heranziehung nahe. Darüber hinaus bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass § 6c Abs. 2 KAG-LSA eine spezifisch beitragsrechtliche und vom Bau(planungs)recht abweichende Auslegung der Wohnnutzung enthalte. Diesen Überlegungen lässt sich die Annahme, das Oberverwaltungsgericht sei von einer zwingenden bundesrechtlichen Vorgabe für die Auslegung des landesrechtlichen Beitragsrechts ausgegangen, nicht entnehmen. Zudem hat das Oberverwaltungsgericht weiterhin darauf abgestellt, dass auch nach der vor der BauNVO 1990 geltenden Rechtslage nach den tatsächlichen Verhältnissen, an deren Feststellung das Revisionsgericht gebunden ist und die nicht mit der Grundsatzrüge angegriffen werden können, die Wohnnutzung trotz der Pflege und Betreuung, die den Heimbewohnern zugute komme, überwiege (UA S. 10 f.).

Die Beschwerde hält weiterhin für grundsätzlich klärungsbedürftig,

“ob es mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, die Billigkeitsregelung des § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG-LSA auch bei einem mit einem Alten- und Pflegeheim bebauten Grundstück anzuwenden”.

Mit dieser Fragestellung wendet sich die Beschwerde dagegen, dass das Oberverwaltungsgericht die Privilegierung, die § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG-LSA für übergroße Grundstücke vorsieht, auch auf das Heim des Klägers angewandt und damit nach Ansicht der Beschwerde gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Gleichheitssatz verstoßen und gleichzeitig das Äquivalenzprinzip außer Acht gelassen hat.

Damit ist eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des Bundesrechts jedoch ebenfalls nicht aufgeworfen worden (Beschluss vom 7. April 2004 – BVerwG 4 B 25.04 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 28). Die Rüge, Landesrecht sei unter Verstoß gegen Verfassungsrecht des Bundes angewandt worden, vermag für sich genommen noch nicht eine klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts aufzuzeigen. In einem derartigen Fall muss vielmehr zusätzlich dargelegt werden, dass die Auslegung der einschlägigen Grundsätze des Bundes(verfassungs)rechts durch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht oder nicht hinreichend ausdifferenziert und entwickelt ist, um einen Maßstab für das Landesrecht abzugeben (Beschlüsse vom 21. September 2001 – BVerwG 9 B 51.01 – Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 44 und vom 9. März 1984 – BVerwG 7 B 238.81 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 49). Entsprechende Darlegungen sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Die Beschwerde greift die Entscheidung im Wesentlichen deshalb an, weil es an einem sachlichen Grund für eine Differenzierung fehle. Damit ist die Klärungsbedürftigkeit von Bundes(verfassungs)recht nicht dargelegt. Der Inhalt des Gleichheitssatzes und des Äquivalenzprinzips sind unter diesem Aspekt nicht klärungsbedürftig.

Die Beschwerde erkennt zutreffend, dass der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG im Rahmen einer vorteilsbezogenen Beitragsbemessung bedeutet, dass bei wesentlichen Unterschieden hinsichtlich des Nutzens der öffentlichen Einrichtung die Beiträge im Verhältnis dieser unterschiedlichen Vorteile zu bemessen sind (vgl. Urteil vom 1. September 1995 – BVerwG 8 C 16.94 – Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 35). Der Beschwerde kann auch darin gefolgt werden, dass diese Grundsätze ebenfalls gelten, soweit nach § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG-LSA die zu leistenden Beiträge vermindert werden. Die Ausprägung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt die Gleichbehandlung der Abgabenpflichtigen und fordert für Differenzierungen wesentlich gleicher oder die Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte einen sachlich einleuchtenden und hinreichend gewichtigen Grund (Urteil vom 29. September 2004 – BVerwG 10 C 3.04 – Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 43 S. 7). Die Beschwerde legt jedoch nicht dar, dass das Berufungsgericht diese Grundsätze, die einer revisionsgerichtlichen Klärung nicht bedürfen, verkannt hätte. Sie hebt wesentlich darauf ab, dass das Berufungsgericht ohne sachlichen Grund eine Privilegierung des klägerischen Grundstücks angenommen hat. Das Berufungsgericht hat jedoch einen sachlichen Grund darin gesehen, dass nach seiner Auslegung des § 6c Abs. 2 Satz 1 KAG-LSA ein übergroßes Grundstück bei einer Wohnnutzung regelmäßig im Verhältnis zur Größe des Grundstücks einen geringeren Vorteil erlangt als dies bei anderen Nutzungsarten, insbesondere bei Industrie- und Gewerbenutzung, der Fall ist. Gleichzeitig hat es im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität – gleichmäßige Handhabung der Vorschriften – für die Definition der Wohnnutzung und den damit verbundenen geringeren Vorteil der Inanspruchnahme der Abwassereinrichtung auf § 3 Abs. 4 BauNVO zurückgegriffen. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Es ist nicht erkennbar und auch von der Beschwerde nicht dargelegt, dass die durch diese typisierende Handhabung möglicherweise entstehende Ungleichheit in der Heranziehung – Ungleichheit in Bezug auf Gewerbebetriebe – in einem unangemessenen Verhältnis zu den erhebungstechnischen Vorteilen dieser Typisierung stünde (vgl. zum Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität und Typisierung Beschluss vom 28. März 1995 – BVerwG 8 N 3.93 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 75 S. 36). Die Auslegung des Berufungsgerichts orientiert sich an der offensichtlich vom Landesgesetzgeber gewollten Privilegierung der Wohnnutzung, ohne dass das Gesetz an den Zweck der Wohnnutzung – gewerbliche Vermietung oder Eigennutzung – anknüpfte.

Die Beschwerde hält weiterhin für grundsätzlich klärungsbedürftig,

“ob der Beschwerdeführer auch unter Maßgabe des Art. 28 Abs. 2 GG gehindert ist, von der Anwendung der Regelung des § 6c Abs. 2 KAG-LSA insgesamt oder nach Maßgabe der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 6 bzw. 7 seiner Abwasserbeseitigungsabgabensatzung abzusehen, wonach die Regelungen für übergroße Wohngrundstücke nicht gelten sollen, wenn die Übergröße des Grundstückes in der Art der Bebauung und Nutzung ihre Rechtfertigung findet”.

Damit ist eine revisionsrechtlich klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts ebenfalls nicht aufgeworfen. Die Beschwerde will nämlich auch insoweit die Auslegung und Anwendung von Landesrecht durch das Berufungsgericht rügen. Einen auf Art. 28 GG als Prüfungsmaßstab bezogenen Klärungsbedarf hinsichtlich der daraus abgeleiteten Abgabenhoheit zeigt die Beschwerde damit jedoch nicht auf unbeschadet der Frage, ob sich der Beklagte als Zweckverband überhaupt auf den Schutz des Art. 28 Abs. 2 GG berufen könnte (verneinend BVerfG, Urteil vom 24. Juli 1979 – 2 BvK 1/78 – BVerfGE 52, 95 ≪110 ff., 116≫; für das Landesrecht NRW NWVerfGH, Urteil vom 26. Juni 2001 – VerfGH 28/00 und 30/00 – NVwZ-RR 2001, 617; Stern, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 28 Rn. 80; Dreier, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2006, Band II, Art. 28 Rn. 168; Rennert, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz, 2002, Band I, Art. 28 II Rn. 152; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 8. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 27; Peter J. Teltinger, in: v. Mangoldt/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 5. Aufl. 2005, Art. 28 Abs. 2 Rn. 241).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.

 

Unterschriften

Dr. h.c. Hien, Vallendar, Buchberger

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1727333

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