Verfahrensgang

Bayerischer VGH (Aktenzeichen 25 B 99.32648)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Januar 2000 wird verworfen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie bezeichnet die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Sache und eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 1, 3 VwGO) nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise.

Mit der Frage, ob durch die ihren Töchtern bei der Rückkehr nach Togo drohende Beschneidung der Klägerin zu 1 ein Abschiebungshindernis aus § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 8 EMRK erwächst, wirft die Beschwerde keine in einem Revisionsverfahren klärungsfähige Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf. Die Frage würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Hierzu fehlt es bereits an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen. Das Berufungsgericht hat schon nicht festgestellt, daß den Töchtern der Klägerin zu 1 bei der Rückkehr nach Togo mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Beschneidung droht (zum Erfordernis ausreichender tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts für die Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage im Revisionsverfahren vgl. Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 132 Rn. 44 m.w.N. zur Rspr.).

Selbst wenn die Gefahr der Beschneidung bestünde, würde sie, falls die Maßnahme – wie vom Verwaltungsgericht angenommen – durch Familienangehörige drohte und nicht ausnahmsweise dem Staat zuzurechnen wäre, schon deshalb kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG begründen, weil diese Vorschrift nur vor Gefahren Abschiebungsschutz gewährt, die durch staatliche oder staatsähnliche Gewalt verursacht werden (BVerwG, Urteile vom 19. Mai 1998 – BVerwG 9 C 5.98 – Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 198; vom 25. November 1997 – BVerwG 9 C 58.96 – BVerwGE 105, 383; vom 2. September 1997 – BVerwG 9 C 40.96 – BVerwGE 105, 187; vom 15. April 1997 – BVerwG 9 C 38.96 – BVerwGE 104, 265). Auch hierzu fehlt es an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts. Die von der Beschwerde zum Schutzumfang des Art. 8 EMRK aufgeworfene Rechtsfrage und die ihr vorgelagerte Frage, ob und inwieweit aus Art. 8 EMRK angesichts der Beschränkung seines Geltungsanspruchs auf die Konventionsstaaten überhaupt Abschiebungshindernisse erwachsen, könnte in dem Revisionsverfahren daher nicht beantwortet werden.

Der Anwendung des § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 8 EMRK stünde hier allerdings, dies sei zur Klarstellung angemerkt, nicht schon – wie das Berufungsgericht meint – der Umstand entgegen, daß es sich bei den geltend gemachten Gefahren nicht um zielstaatsbezogene Hindernisse handelte. Die befürchtete Beschneidung der Töchter der Klägerin zu 1 und damit der vom Verwaltungsgericht angenommene Eingriff in das elterliche Selbstbestimmungsrecht würde im Zielstaat drohen; es würde sich daher weder um ein nur inlandsbezogenes noch um ein „mittelbar trennungsbedingtes” Vollstreckungshindernis (vgl. dazu Urteil des Senats vom 21. September 1999 – BVerwG 9 C 12.99 – DVBl 2000, 419 und Urteil vom 11. November 1997 – BVerwG 9 C 13.96 – BVerwGE 105, 323) handeln, über das allein die Ausländerbehörde zu entscheiden hätte. Aufgabe der Ausländerbehörde ist es hingegen, gegebenenfalls darüber zu befinden, ob der alleinigen Abschiebung der Kläger Vollstreckungshindernisse aus Art. 6 Abs. 1 GG entgegenstehen, falls für die Töchter der Klägerin zu 1 Abschiebungshindernisse bestünden.

Soweit die Beschwerde weiter als grundsätzlich bedeutsam die Frage aufwirft, ob die drohende Beschneidung der Töchter der Klägerin zu 1 für sie nicht zumindest zu einem Abschiebungshindernis aus § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG führt, läßt sie sich – ungeachtet der auch hier fehlenden ausreichenden Klärung der Tatsachenlage – ohne weiteres verneinend beantwortet. Es steht außer Zweifel, daß eine Gefährdung der Töchter der Klägerin zu 1 für sie selbst keine „erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit” im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG bedeutet.

Auch die von der Beschwerde geltend gemachten Verstöße gegen Verfahrensrecht sind nicht hinreichend dargetan.

Soweit die Beschwerde es als einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör beanstandet, daß das Berufungsgericht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden hat, trägt sie schon nicht vor, was die mündliche Verhandlung an weiteren, dem Berufungsgericht bei seiner Verfahrensweise verborgen gebliebenen Erkenntnissen erbracht hätte oder an welchem weitergehenden Vortrag die Kläger dadurch gehindert worden seien. Im übrigen steht es nach § 130 a VwGO, wenn dessen Voraussetzungen gegeben sind, im Ermessen des Berufungsgerichts, ob es eine mündliche Verhandlung durchführt; dieses Ermessen ist nur auf sachfremde Erwägungen oder grobe Fehleinschätzungen hin überprüfbar. Auch hiermit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.

Soweit die Beschwerde beanstandet, das Berufungsgericht hätte allenfalls im Rahmen einer eigenen Beweisaufnahme dem Verwaltungsgericht vorwerfen können, es habe die Mitunterzeichnung der Petition durch die Klägerin zu 1 nicht überprüft, übersieht sie, daß der Beweis dieser Tatsache für die Entscheidung des Berufungsgerichts ohne Belang war, da es die Beteiligung der Klägerin zu 1 an der Veranstaltung und der Unterschriftenaktion von amnesty international als wahr unterstellt hat.

Zu Unrecht hält die Beschwerde dem Berufungsgericht auch entgegen, es hätte die fehlende Verfolgungsgefahr der Kläger bei ihrer Rückkehr nach Togo nicht mit dem Verweis auf Erkenntnisse aus seinem Urteil vom 30. März 1999 begründen dürfen, da die Veranstaltung von amnesty international, an der die Klägerin zu 1 teilgenommen habe, erst danach am 28. Mai 1999 stattgefunden habe. Die Gefährdungsprognose für die Kläger gewinnt das Berufungsgericht aus seiner im Urteil vom 30. März 1999 allgemein für die Rückkehrgefährdung exilpolitisch tätiger Togoer entwickelten aktuellen Lagebeurteilung, auf deren Grundlage es dann die individuelle Prognose für die Kläger entwickelt hat. Dies ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden.

Soweit die Beschwerde einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) rügt, legt sie nicht dar, weshalb sich dem Berufungsgericht, obwohl die anwaltlich vertretenen Kläger im Berufungsverfahren weder durch Beweisanträge noch durch sonstige Beweisanregungen auf eine weitere Sachverhaltsaufklärung hingewirkt hatten, weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen (zu diesen Anforderungen vgl. BVerwG, Beschluß vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 VwGO n.F. Nr. 26 = NJW 1997, 3328). Im übrigen brauchte das Berufungsgericht den Sachverhalt im Hinblick auf den Töchtern der Klägerin zu 1 etwa drohende Beschneidungsmaßnahmen schon deshalb nicht weiter aufzuklären, weil es aus seiner insoweit maßgeblichen materiellrechtlichen – wenn auch in diesem Punkt unzutreffenden – Sicht hierauf nicht ankam.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.

 

Unterschriften

Dr. Paetow, Richter, Dr. Eichberger

 

Fundstellen

Haufe-Index 566976

ZAR 2000, 274

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