Verfahrensgang

VG Augsburg (Entscheidung vom 13.03.2023; Aktenzeichen Au 4 K 23.200)

 

Tenor

Als zuständiges Gericht wird das Verwaltungsgericht Augsburg bestimmt.

 

Gründe

I

Rz. 1

Die Klägerin macht gegen die beklagte Gemeinde einen Zahlungsanspruch aus einem am 8. Juli 2002 notariell beurkundeten Vertrag geltend. Der Vertrag wird als "Baulandbeschaffungsvertrag (mit Erschließungsträgerschaft)" bezeichnet. Teil A des Vertrages behandelt den An- und Verkauf von Grundstücken, Teil B betrifft die Stellung der Klägerin als "Erschließungsträger bzw. Generalübernehmer" und in Teil C wird ein Ingenieurvertrag unter Bezugnahme auf die Gebührenordnung der Ingenieure (HOAI) geschlossen.

Rz. 2

In Teil A ist festgehalten, dass die Beklagte den Bebauungsplan H. aufstellt, die Klägerin näher bezeichnete Grundstücke in dessen Geltungsbereich erwirbt und an Bauwillige, die von der Beklagten benannt werden können, wieder veräußert; auf die Gestaltung der An- und Verkaufspreise kann die Beklagte Einfluss nehmen. Des Weiteren verpflichtet die Gemeinde sich zum Erwerb nicht verwerteter Flächen und ihr stehen Überschüsse nach vollständiger Verwertung zu; etwaige Unterdeckungsbeträge hat sie der Klägerin zu erstatten. Auf die letztgenannte Vertragsklausel stützt die Klägerin den streitgegenständlichen Zahlungsanspruch in Höhe von 191 328,08 € nebst Zinsen. Teil B des Vertrages regelt, in welcher Weise die Klägerin die Erschließungsanlagen herstellt. Da nach den Feststellungen des Landgerichts die im Vertrag benannten Voraussetzungen für eine Stellung der Klägerin als Erschließungsträgerin nicht eingetreten sind, hat die Klägerin - wie es der Vertrag für diesen Fall vorsieht - die Erschließung als Generalübernehmerin im Auftrag der Gemeinde durchgeführt. Für die Beklagte bestand hieraus die vertragliche Verpflichtung, der Klägerin die Kosten nach Abschluss der Herstellungsarbeiten, spätestens aber nach Ablauf von drei Jahren nach Abschluss des Vertrages zu erstatten.

Rz. 3

Nach den Feststellungen des Landgerichts beauftragte die Klägerin im Namen und auf Kosten der Beklagten Drittunternehmen mit den baulichen Maßnahmen für die Erschließung und finanzierte die Erschließungsmaßnahmen vor.

Rz. 4

In einer als "Neuordnungsvereinbarung" bezeichneten notariell beurkundeten Erklärung vom 26. September 2007 haben die Beteiligten die noch bestehenden Verpflichtungen aus dem ursprünglichen Vertrag dahin festgeschrieben, dass die Klägerin verpflichtet bleibt, die inzwischen erworbenen Baugrundstücke, soweit am Markt möglich, jedoch zu den Bedingungen und Preisen, die ihr von der Beklagten benannt werden, zu veräußern. Die Finanzierung noch ausstehender Erschließungsmaßnahmen durch die Klägerin wird auf 100 000 € beschränkt. Die Beklagte hatte bis zum 30. Juni 2009 die Vorfinanzierung der Erschließungskosten in Höhe von 538 208,76 € zuzüglich bis dahin weiter anfallender Kosten auszugleichen. Die Klägerin hatte die bis zum 30. Juni 2009 noch nicht verwerteten Grundstücke einschließlich der öffentlichen Verkehrsflächen nach Zahlung des Ausgleichsbetrags an die Gemeinde zu übereignen.

Rz. 5

In einer weiteren, als "2. Neuordnungsvereinbarung" bezeichneten notariellen Erklärung vom 2. September 2009 haben die Beteiligten die Verpflichtung der Klägerin zur Veräußerung der Baugrundstücke unter den seitherigen Bedingungen bis zum 30. Juni 2014 beschränkt, ferner festgestellt, dass die Erschließung allein durch die Klägerin finanziert worden ist und deshalb vereinbart, dass die Beklagte einen anerkannten Verfahrenssaldo von 529 027,03 € bis zum 30. Juni 2014 zu erstatten hat.

Rz. 6

Die Klägerin verlangt von der Beklagten nunmehr nach Abschluss der Grundstücksverwertung die Erstattung einer Unterdeckung in Höhe von 191 238,08 €. Sie macht diesen Anspruch bereits seit 2016 gerichtlich geltend. Mit Beschluss vom 11. Januar 2023 hat das Landgericht Memmingen den ordentlichen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Augsburg verwiesen. Dieser Beschluss wurde von keinem Beteiligten angefochten.

Rz. 7

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Verwaltungsgericht Augsburg mit Beschluss vom 13. März 2023 den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und das Bundesverwaltungsgericht zur Bestimmung der Zuständigkeit angerufen.

II

Rz. 8

Auf den Antrag des Verwaltungsgerichts, über den der Senat entsprechend § 53 Abs. 3 Satz 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung nach Anhörung der Beteiligten entscheidet, wird als zuständiges Gericht das Verwaltungsgericht Augsburg bestimmt.

Rz. 9

1. Zur Entscheidung des sich aus dem Verweisungsbeschluss des Landgerichts Memmingen vom 11. Januar 2023 und dem Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts vom 13. März 2023 ergebenden negativen Kompetenzkonflikts ist das Bundesverwaltungsgericht berufen. Dies folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 53 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 3 Satz 1 VwGO. Auf den Kompetenzkonflikt zwischen einem Landgericht und einem Verwaltungsgericht sind § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO bzw. § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO, die jeweils negative Kompetenzkonflikte innerhalb der Zivil- bzw. Verwaltungsgerichtsbarkeit betreffen, weder unmittelbar anwendbar noch gibt es für einen solchen Fall an anderer Stelle eine gesetzliche Regelung. Diese Regelungslücke ist in der Weise zu schließen, dass dasjenige oberste Bundesgericht den negativen Kompetenzkonflikt zwischen den Gerichten verschiedener Gerichtszweige entscheidet, das einem der beteiligten Gerichte übergeordnet ist und zuerst angegangen wird (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 16. Juni 2021 - 6 AV 1.21, 6 AV 2.21 - NVwZ-RR 2021, 740 Rn. 5 und vom 21. März 2022 - 9 AV 1.22 - Buchholz 300 § 17a GVG Nr. 43 Rn. 6; BGH, Beschluss vom 26. Juli 2001 - X ARZ 69/01 - NJW 2001, 3631 ≪3632≫).

Rz. 10

2. Die durch die Verweisung des Landgerichts grundsätzlich eingetretene Bindungswirkung (a) ist entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht wegen objektiver Unhaltbarkeit und Willkür der Entscheidung entfallen (b).

Rz. 11

a) Nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG ist ein - unanfechtbar gewordener - Verweisungsbeschluss für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs bindend. Dies gilt grundsätzlich auch bei einem fehlerhaften Verweisungsbeschluss. Mit Rücksicht auf die Möglichkeit, den Verweisungsbeschluss in dem von § 17a Abs. 4 Satz 3 bis 6 GVG vorgesehenen Instanzenzug überprüfen zu lassen, kann die gesetzliche Bindungswirkung eines unanfechtbaren Verweisungsbeschlusses nur bei extremen Rechtsverstößen durchbrochen werden. Das ist dann der Fall, wenn sich die Verweisung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfernt hat, dass sie schlechterdings nicht mehr zu rechtfertigen ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 10. April 2019 - 6 AV 11.19 - Buchholz 310 § 53 VwGO Nr. 41 Rn. 10 und vom 16. Juni 2021 - 6 AV 1.21, 6 AV 2.21 - NVwZ-RR 2021, 740 Rn. 10). Hiervon kann ausgegangen werden, wenn die Entscheidung bei verständiger Würdigung nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16. Juni 2021 - 6 AV 1.21, 6 AV 2.21 - NVwZ-RR 2021, 740 Rn. 10 und vom 21. März 2022 - 9 AV 1.22 - Buchholz 300 § 17a GVG Nr. 43 Rn. 9; jeweils m. w. N. aus der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte).

Rz. 12

b) Ein solcher qualifizierter Rechtsverstoß der Verweisungsentscheidung liegt hier bei Würdigung aller Umstände nicht vor.

Rz. 13

aa) Das Landgericht hat seinen Beschluss zunächst darauf gestützt, die vertragsergänzend vereinbarte Vorfinanzierung der Erschließungsmaßnahmen durch die Klägerin für die damals größtenteils in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke führe zu einer Einstufung des Vertragsteils B als öffentlich-rechtlich. Das kann nicht als willkürlich angesehen werden, weil sich diese Einschätzung auf Rechtsprechung zu ähnlich gelagerten Vertragskonstellationen und auf Äußerungen in der Kommentarliteratur stützen kann.

Rz. 14

(1) Im Beschluss vom 6. Juli 2000 - V ZB 50/99 - (NVwZ-RR 2000, 845) hat der Bundesgerichtshof einen Vertrag zwischen einer Gemeinde und einem Privaten als öffentlich-rechtlich angesehen, in dem die sogenannte innere Erschließung eines Wohngebiets ausdrücklich auf den Vertragspartner als Erschließungsträger übertragen worden war, wohingegen die äußere Erschließung im Auftrag der Gemeinde durch den Vertragspartner lediglich vorfinanziert wurde. Dabei hatte die Vorinstanz allerdings festgestellt, dass der Schwerpunkt der vertraglichen Regelung im Bereich der inneren Erschließung liege und die äußere Erschließung im Auftrag der Gemeinde nur als Annex des Erschließungsvertrages anzusehen sei.

Rz. 15

Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung wird in der Kommentarliteratur (Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2022, § 11 BauGB Rn. 313) referierend ausgeführt, bei einem sogenannten Vorfinanzierungsvertrag, bei dem der Private die Rolle eines Zwischenfinanzierers übernehme, ohne selbst Erschließungsträger zu sein, werde nach überwiegender Ansicht in der Rechtsprechung ein öffentlich-rechtlicher Vertrag angenommen, diese herrschende Meinung sei aber höchst fraglich. In der Kommentierung zur Rechtswegevorschrift des § 40 VwGO (Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2022, § 40 VwGO Rn. 375) werden Vorfinanzierungsverträge, in denen sich ein Unternehmer verpflichtet, die Erschließungsanlagen auszubauen, die Flächen der Gemeinde zu übertragen und den Aufwand vorzufinanzieren, unter Bezugnahme auf die vorgenannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 6. Juli 2000 als öffentlich-rechtlich eingeordnet.

Rz. 16

Obwohl die Bezugnahme dieser beiden Kommentierungen auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs - wie sich aus der gerade wiedergegebenen dortigen Vertragsgestaltung ergibt - nur eingeschränkt tragfähig ist, kann die hierauf gestützte Rechtsanwendung des Landgerichts jedenfalls nicht als grob fehlerhaft und nicht mehr verständlich angesehen werden.

Rz. 17

(2) Wenn das vorlegende Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Februar 1993 - 4 C 18.91 - (BVerwGE 92, 56 ≪59≫) ausführt, Gegenstand des hiesigen Vertrages sei ein Sachverhalt, der die Verschaffung des Eigentums an Grundstücken betrifft, bezieht sich dies lediglich auf Teil A des Vertrages (An- und Verkauf von Grundstücken) und nicht auf den vom Landgericht in Bezug genommenen Teil B (B. als Erschließungsträger bzw. Generalübernehmer).

Rz. 18

(3) Soweit das Verwaltungsgericht die Bewertung des Landgerichts zu Teil B des Vertrages mit der Begründung als offensichtlich unhaltbar ansieht, dass für die Rechtsnatur nur der ursprüngliche Vertrag vom 8. Juli 2002 maßgeblich sein könne, weil die späteren Neuordnungsvereinbarungen lediglich die tatsächliche Abrechnung des Verfahrens regelten und die Rechtsnatur des ursprünglichen Vertrages offenkundig nicht nachträglich ändern könnten, steht dieser Einschätzung entgegen, dass Ziffer B.1.1 der Neuordnungsvereinbarung vom 26. September 2007 ausdrücklich Regelungen aus Abschnitt A der Vorurkunde ersetzen will. Ferner wird für die Erstattung vorfinanzierter Erschließungskosten in Ziffer B.2. und 3. erstmals ein festgelegter Geldbetrag in die Vereinbarung aufgenommen und eine Frist für einen Ausgleich dieses Saldos festgelegt. Auch der Bundesgerichtshof hat im Übrigen in dem bereits genannten Beschluss vom 6. Juli 2000 einer späteren vertragsergänzenden Vereinbarung durchaus Bedeutung für die Bestimmung der Rechtsnatur des Vertrages beigemessen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juli 2000 - NVwZ-RR 2000, 845 ≪846≫).

Rz. 19

bb) Die Verweisungsentscheidung des Landgerichts ist nicht deshalb wegen grober Fehlerhaftigkeit nicht mehr verständlich und folglich nicht bindend, weil das Landgericht A.I.3 Satz 1 des Baulandbeschaffungsvertrages entgegen dem gesetzlichen Verbot des § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB als Verpflichtung zum Erlass eines Bebauungsplans ausgelegt und als öffentlich-rechtlich angesehen hat. Denn dies war für den Verweisungsbeschluss nicht tragend.

Rz. 20

Vielmehr kommt das Landgericht in der Zusammenschau der - wie ausgeführt - vertretbaren Einstufung des Vertragsteils B mit der Annahme der Verpflichtung zur Aufstellung eines Bebauungsplans in Teil A zur Einordnung des gesamten Vertrages als öffentlich-rechtlich. Dazu heißt es, es sei zwar möglich, dass Verträge aus öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Bestandteilen zusammengesetzt würden, indem inhaltlich selbstständige Verpflichtungen nur äußerlich in einer Vertragsurkunde zusammengefasst würden. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, weil alle Vertragsbestimmungen miteinander in einem engen Zusammenhang stünden. Alle Bestimmungen beträfen die Herstellung des Baugebiets und seien durch dieses übergeordnete Ziel miteinander verknüpft. Der enge Zusammenhang der in dem Vertrag geregelten Rechtsverhältnisse zeige sich gerade auch zwischen der Beauftragung mit der Grundstücksveräußerung und der Erschließung, indem die Erschließungskosten den Grundstückspreis maßgeblich mit beeinflussten.

Rz. 21

Diese Erwägung kann nicht als grob rechtsfehlerhaft oder sogar willkürlich angesehen werden. Ob ein Vertrag privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, bestimmt sich nach seinem Gegenstand und seinem Zweck (BVerwG, Beschluss vom 12. März 2018 - 10 B 25.17 - BVerwGE 161, 255 Rn. 18; BGH, Beschluss vom 27. Januar 2005 - III ZB 47/04 - BGHZ 162, 78 ≪80 f.≫ m. w. N.). Ein Vertrag ist dem öffentlichen Recht zuzuordnen, wenn sein Gegenstand sich auf von der gesetzlichen Ordnung öffentlich-rechtlich geregelte Sachverhalte bezieht oder - falls eine gesetzliche Vorordnung des Vertragsgegenstandes fehlt - wenn er nach seinem Zweck in enger, unlösbarer Beziehung zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben steht (BVerwG, Beschluss vom 12. März 2018 - 10 B 25.17 - BVerwGE 161, 255 Rn. 18).

Rz. 22

Hiernach kann sich die Bewertung des Landgerichts nachvollziehbar darauf stützen, dass in Teil B.I. des Vertrages für Art und Umfang der herzustellenden Erschließungsanlagen auf § 127 Abs. 2 BauGB, die Festsetzungen des Bebauungsplans sowie die Vorschriften der einschlägigen Gemeindesatzungen Bezug genommen wird. Damit wird geregelt, dass die Klägerin Erschließungsanlagen (lediglich) im Umfang des für die Gemeinde durch Erschließungsbeiträge refinanzierbaren Aufwands herstellt. Die Annahme, dass der Vertragsgegenstand sich so auf von der gesetzlichen Ordnung öffentlich-rechtlich geregelte Sachverhalte bezieht, ist deshalb zumindest vertretbar. Wenn in einem derartigen Vertragsverhältnis etwa Streit darüber entsteht, ob die Gemeinde vom Vertragspartner vorgenommene Erschließungsmaßnahmen erstatten muss, kann es rechtserheblich auf die dem öffentlichen Recht unterliegende Frage ankommen, ob diese Maßnahmen Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB darstellen.

Rz. 23

Schließlich hat das Landgericht für die Abrechnung nach A.II.4 des Vertrages (Überschüsse und Unterdeckung) einen engen Zusammenhang mit der Erschließung und ihrer Finanzierung nach Abschnitt B des Vertrages gesehen, weil sich hieraus letztlich die in die Endabrechnung einzusetzenden Finanzierungsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte ergäben und es unzumutbar sei, derart eng miteinander zusammenhängende Leistungen im Streitfall zu trennen und ihre Beurteilung auf verschiedene Rechtswege zu verteilen. Auch diese Erwägung kann nicht als offensichtlich fehlerhaft angesehen werden. Sie könnte etwa im Falle einer Aufrechnungslage für gegenläufige Ansprüche relevant werden. Sie kann sich zudem, wie das Landgericht annimmt, ihrem Sinngehalt nach auf die Argumentation im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juli 1973 - 4 C 22.72 - (BVerwGE 42, 331 ≪333 f.≫) stützen, das im Zusammenhang mit einem Folgekostenvertrag ausgesprochen hat, eng zusammenhängende Leistungen der Bauträgerin und der Gemeinde müssten nach übereinstimmenden Regeln beurteilt werden und deshalb müsse, wenn eine von ihnen den Regeln des öffentlichen Rechts untersteht, auch die andere diesen Regeln unterstehen.

Rz. 24

cc) Im Übrigen erscheint die Verweisung an das Verwaltungsgericht auch deshalb vertretbar, weil Gegenstand des Vertrages die Erfüllung der Erschließungsaufgabe der Beklagten durch die Klägerin ist, die nach B.II.1 Nr. 1 des Baulandbeschaffungsvertrages die nach B.I. dieses Vertrages übernommene Erschließung als Erschließungsträgerin durchführt, wenn sie innerhalb von zwei Jahren nach dem Abschluss des Baulandbeschaffungsvertrages alle beitragspflichtigen Grundstücke sowie die öffentlichen Flächen im Erschließungsgebiet erworben oder mit den Eigentümern der nicht erworbenen beitragspflichtigen Grundstücke Vereinbarungen über die Erstattung der auf solche Grundstücke entfallenden Kosten getroffen hat und die ungehinderte Ausführung der Erschließungsarbeiten auf nicht erworbenen öffentlichen Flächen möglich ist. In diesem Fall übernimmt die Klägerin die für die Erschließung anfallenden Kosten nach B.II.2 des Baulandbeschaffungsvertrages zu 100 %. Dies spricht dafür, dass es sich insoweit um einen Erschließungsvertrag und damit um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handeln soll (vgl. nur die zahlreichen Nachweise bei Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2022, § 11 BauGB Rn. 309).

Rz. 25

Wenn und solange die Bedingung nach B.II.1 Nr. 1 des Baulandbeschaffungsvertrages wie hier nicht eintritt, führt die Klägerin außerdem die Erschließung nach B.II.1 Nr. 2 des Baulandbeschaffungsvertrages als Generalübernehmerin im Auftrag der Gemeinde durch. Die Beklagte ist dann nach B.II.3 verpflichtet, der Klägerin die ihr entstehenden Kosten einschließlich Ingenieurhonorar und Finanzierungskosten nach Abschluss der Herstellungsarbeiten und spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Abschluss des Baulandbeschaffungsvertrages auf Rechnungsstellung hin zu erstatten, wobei die Beklagte die Beträge von gegenüber der Klägerin nach den gesetzlichen Bestimmungen erlassenen Bescheiden gegenrechnen kann. Es kann sich insoweit um einen modifizierten Erschließungsvertrag handeln, der seiner Qualität nach ein Erschließungsvertrag und damit öffentlich-rechtlicher Natur bleibt (BVerwG, Urteil vom 22. März 1996 - 8 C 17.94 - BVerwGE 101, 12 ≪22 ff.≫).

Rz. 26

Die Regelung in Teil A des Baulandbeschaffungsvertrages über den An- und Verkauf von Grundstücken steht mit der Ausgestaltung in Teil B des Vertrages als Erschließungs- oder modifizierter Erschließungsvertrag in untrennbarem Zusammenhang. Die von den Vertragsparteien angestrebte Durchführung der Erschließung durch die Klägerin als Erschließungsträgerin ist ohne den Erwerb und Weiterverkauf der Grundstücke nicht denkbar. Insbesondere sind die Kosten der Erschließung nach B.II.2 Nr. 1 des Baulandbeschaffungsvertrages Kosten der Erschließung nach A.II.2 Nr. 1 Buchst. d des Baulandbeschaffungsvertrages, die in den Grundstücksverkaufspreis eingehen und bei denen es sich nach B.II.2 Nr. 3 des Baulandverschaffungsvertrages um nach A.II. auf die Baugrundstücke zu verteilende Erschließungskosten handelt. Dieser Zusammenhang spricht dafür, dass auch Abschnitt A des Baulandbeschaffungsvertrages den öffentlich-rechtlichen Charakter des den Schwerpunkt des Vertrages bildenden Abschnitts B über die Herstellung der Erschließungsanlagen und deren Finanzierung teilt und deshalb auch die Regelung in A.II.4 Satz 2 des Baulandbeschaffungsvertrages dem öffentlichen Recht angehört.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15984064

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