Leitsatz (amtlich)

Bei einer Auswahlentscheidung unter mehreren Soldaten, die nach Eignung, Befähigung und Leistung im wesentlichen gleich beurteilt sind, ist der Bundesminister der Verteidigung berechtigt, die Häufigkeit der Standortwechsel und deren Entfernung voneinander als zusätzliches am Leistungsgrundsatz orientiertes Entscheidungskriterium zwischen den Bewerbern heranzuziehen.

 

Normenkette

GG Art. 33 Abs. 2; SG § 3; BPersVG § 8

 

Tenor

Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Senat zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Der Antragsteller ist Berufssoldat im Dienstgrad eines Hauptmanns und wird in M.… verwendet. Er ist nicht freigestelltes Mitglied im Personalrat seiner Dienststelle. Für einen dort von Besoldungsgruppe (BesGr) A 11 nach BesGr A 12 angehobenen Dienstposten wählte der Bundesminister der Verteidigung (BMVg) einen ebenfalls in M.… verwendeten Hauptmann aus, der wie der Antragsteller einen nach BesGr A 11 bewerteten Dienstposten innehat.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist zulässig.

Seiner Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass der streitige Dienstposten zwischenzeitlich mit einem anderen Soldaten besetzt worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Konkurrentenanträge, die sich auf militärische Verwendungsentscheidungen beziehen, zulässig. Eine einmal getroffene militärische Verwendungsentscheidung verfestigt sich nicht dahin, dass der durch sie begünstigte Soldat eine rechtlich gesicherte Position erwirbt, auf dem ihm zugewiesenen Dienstposten verbleiben zu können. Er müsste es vielmehr hinnehmen, von seinem Dienstposten wegversetzt zu werden, wenn der Antragsteller bei der Stellenbesetzung ihm gegenüber rechtswidrig übergangen worden wäre (Beschlüsse vom 20. Februar 1985 – BVerwG 1 WB 37.83, 113.84 – ≪BVerwGE 76, 336 [338 f.]≫, vom 10. März 1998 – BVerwG 1 WB 54.97 –, vom 21. September 2000 – BVerwG 1 WB 93.00 – ≪Buchholz 311 § 17 Nr. 40 = NZWehrr 2001, 29 = NVwZ 2001, 329 = ZBR 2001, 142≫ m.w.N. und vom 26. September 2000 – BVerwG 1 WB 73.00 – ≪Buchholz 236.1 § 3 Nr. 23 = NZWehrr 2001, 123 = ZBR 2001, 141≫ m.w.N.).

Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Der BMVg ist nicht verpflichtet, den Antragsteller auf den von ihm benannten A 12-Dienstposten zu versetzen.

Der Soldat hat grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte örtliche oder fachliche Verwendung. Ein dahingehender Anspruch lässt sich auch nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten. Vielmehr entscheidet der zuständige Vorgesetzte über die Verwendung eines Soldaten nach Maßgabe des dienstlichen Bedürfnisses nach seinem pflichtgemäßen Ermessen (Beschlüsse vom 6. Mai 1971 – BVerwG 1 WB 8.70 – ≪BVerwGE 43, 215 [217]≫, vom 17. Mai 1988 – BVerwG 1 WB 53.87 – ≪BVerwGE 86, 25 [f.]≫, vom 22. Juli 1997 – BVerwG 1 WB 8.97 – ≪Buchholz 236.1 § 3 Nr. 18≫ und vom 27. Januar 1998 – BVerwG 1 WB 51.97 – ≪Buchholz 252 § 23 Nr. 1 = NZWehrr 1998, 248≫). Die Entscheidung des BMVg, wen er für einen zu besetzenden Dienstposten als den am besten Geeigneten ansieht, stellt im Kern ein ihm vorbehaltenes Werturteil dar, das gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbar ist. Die gerichtliche Kontrolle hat sich insoweit darauf zu beschränken festzustellen, ob der Vorgesetzte bei der Auswahlentscheidung von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, sachfremde Erwägungen angestellt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr.: vgl. Beschlüsse vom 20. Februar 1985 – BVerwG 1 WB 37.83, 113.84 – ≪a.a.O.≫ [340], vom 22. Juli 1997 – BVerwG 1 WB 8.97 – ≪a.a.O.≫, vom 27. Januar 1998 – BVerwG 1 WB 51.97 – ≪a.a.O.≫ und vom 6. März 2001 – BVerwG 1 WB 123.00 –). Dabei ist zu beachten, dass Soldaten gemäß Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG nach Eignung, Befähigung und Leistung zu verwenden sind.

Der sich daraus ergebende Grundsatz der Bestenauslese verlangt, dass die zuständige personalbearbeitende Stelle im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens unter mehreren Bewerbern den fachlich geeignetsten auswählt. Dabei hat sie ihre Auswahlentscheidung am Leistungsprinzip auszurichten und im Übrigen nur bei im Wesentlichen gleicher Eignung im Rahmen sachgerechter Erwägungen darüber zu befinden, welchen sonstigen sachlichen Gesichtspunkten sie entscheidendes Gewicht beimessen will, sofern dadurch das Leistungsprinzip als solches nicht in Frage gestellt wird (vgl. Urteil vom 7. Mai 1981 – BVerwG 2 C 42.79 – ≪Buchholz 232 § 8 Nr. 19≫, Beschlüsse vom 30. August 1989 – BVerwG 1 WB 115.87 – ≪BVerwGE 86, 169 [171]≫, vom 27. Januar 1998 – BVerwG 1 WB 51.97 – ≪a.a.O.≫, vom 26. September 2000 – BVerwG 1 WB 73.00 – ≪a.a.O.≫ und vom 6. März 2001 – BVerwG 1 WB 123.00 –).

Hieran gemessen lassen die Erwägungen des BMVg bei der Besetzung des vom Antragsteller begehrten Dienstpostens keine Rechtsfehler erkennen.

Nach den dem Senat vorgelegten dienstlichen Beurteilungen sind der Antragsteller und der ausgewählte Offizier als im Wesentlichen gleich beurteilt anzusehen. Für eine konkrete Verwendungsentscheidung ist auf den aktuellen Stand der Beurteilung abzustellen, weshalb der letzten dienstlichen Beurteilung in der Regel eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt (Urteil vom 18. Juli 2001 – BVerwG 2 C 41.00 – ≪ZBR 2002, 211 [212]≫). Zur abgerundeten Bewertung des Leistungsbildes und seiner Kontinuität ist es nach der Rechtsprechung des Senats darüber hinaus zulässig, in die Auswahlentscheidung auch die beiden letzten planmäßigen Beurteilungen vor der aktuellen Beurteilung mit einzubeziehen (vgl. Beschlüsse vom 13. April 1994 – BVerwG 1 WB 51.93 – ≪NZWehrr 1994, 163 = ZBR 1994, 278≫, vom 9. April 1997 – BVerwG 1 WB 112.96 – und vom 27. Januar 1998 – BVerwG 1 WB 51.97 – ≪a.a.O.≫).

In der planmäßigen Beurteilung zum 31. März 2002 sind der Antragsteller und Hauptmann B.… in der Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten zur Förderungswürdigkeit übereinstimmend mit “D” bewertet worden. In der freien Beschreibung haben beide Offiziere für Eignung und Befähigung jeweils dreimal die Wertung “D” und einmal die Wertung “E” erhalten. Im Durchschnittswert der gebundenen Beschreibung der Leistungen im Beurteilungszeitraum hat der Antragsteller mit 6,08 eine geringfügig bessere Bewertung als der ausgewählte Bewerber mit 5,92 erzielt. In der planmäßigen Beurteilung zum 31. März 2000 ist die Förderungswürdigkeit beider Offiziere ebenfalls mit “D” gleich bewertet worden. In der freien Beschreibung hat der Antragsteller für Eignung und Befähigung dreimal die Wertung “d” und einmal die Wertung “e” erhalten, während der ausgewählte Offizier einmal die Wertung “c”, zweimal die Wertung “d” und einmal die Wertung “e” erzielte. In der gebundenen Beschreibung wurde der Antragsteller mit 5,92 beurteilt, während sich der Durchschnittswert des Hauptmanns B.… auf 5,75 belief. Auch in der Beurteilung zum 31. März 1998 erzielten beide Offiziere übereinstimmend in der freien Beschreibung viermal den Ausprägungsgrad “B”. In der gebundenen Beschreibung stand dem Durchschnittswert des Antragstellers von 1,55 Punkten ein Durchschnittswert des Hauptmanns B.… von 1,73 Punkten gegenüber.

Die damit fast ausschließlich im Bereich der gebundenen Beschreibung der Leistungen im Beurteilungszeitraum bestehenden Unterschiede im Beurteilungsbild des Antragstellers gegenüber dem ausgewählten Offizier liegen deutlich unterhalb eines halben Wertungspunktes. Diese Differenz ist nach der Rechtsprechung des Senats als geringfügig anzusehen (Beschlüsse vom 10. März 1998 – BVerwG 1 WB 54.97 – und vom 9. Dezember 1999 – BVerwG 1 WB 46.99 –).

Bei danach gleicher Eignung und im Wesentlichen gleicher Leistung beider Bewerber war der BMVg berechtigt, innerhalb seiner Beurteilungsermächtigung einen sonstigen sachlichen Gesichtspunkt als Auswahlentscheidungskriterium zu formulieren, der mit dem Leistungsgrundsatz vereinbar ist (Beschluss vom 9. Dezember 1999 – BVerwG 1 WB 46.99 – m.w.N.; Urteil vom 25. August 1988 – BVerwG 2 C 51.86 – ≪BVerwGE 80, 123 [126]≫, Beschluss vom 10. November 1993 – BVerwG 2 ER 301.93 – ≪Buchholz 232 § 8 Nr. 50 = ZBR 1994, 52 = DVBl 1994, 118 [119]≫). Im Rahmen der angefochtenen Auswahlentscheidung hat sich der BMVg auf die Häufigkeit der Standortwechsel eines Soldaten und deren Entfernung voneinander als zusätzlichen sachlichen Auswahlgesichtspunkt gestützt und diesen mit der Fürsorge- und Schutzpflicht des Dienstherrn begründet. Nach Auffassung des Senats rechtfertigt sich dieses Auswahlkriterium bei im Wesentlichen gleich beurteilten Bewerbern bereits aus dem Leistungsprinzip, so dass hier unentschieden bleiben kann, ob (auch) der Gesichtspunkt der Fürsorge- und Schutzpflicht des Dienstherrn das auswahlentscheidende Gewicht eines Kriteriums begründen kann.

Ein Soldat, der häufige Versetzungen und Standortwechsel über größere Entfernungen absolviert und dabei kontinuierlich gleich gute Leistungsbilder gezeigt hat wie der nicht so oft oder so weiträumig von Versetzungen betroffene Mitbewerber, beweist eine signifikant höhere Leistungsfähigkeit. Er vermag ein gleichbleibend hohes Leistungsniveau sicherzustellen, obwohl ihm in höherem Maße eine dienstliche und persönliche Neu- und Umorientierung abverlangt wird. Dies gilt auch dann, wenn der zu berücksichtigende häufige Standortwechsel nicht zeitnah zu der streitbefangenen Verwendungsentscheidung stattgefunden hat. Mehrfache Versetzungen über größere Entfernungen lassen auf eine größere und umfassendere praktische Berufserfahrung des Soldaten schließen und können insofern ebenfalls für eine eignungs-, befähigungs- und leistungsbezogene Auslese Bedeutung erlangen (vgl. Urteil vom 25. August 1988 – BVerwG 2 C 51.86 – ≪a.a.O. [126]≫). Bei im Wesentlichen gleich beurteilten Bewerbern stellt danach der Gesichtspunkt des häufigen Standortwechsels über größere Entfernungen ein am Leistungsgrundsatz orientiertes Auswahlkriterium dar.

Hiernach ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der BMVg dem Umstand der häufigeren weiträumigeren Versetzungen in der Person des Hauptmanns B.… ein ausschlaggebendes Gewicht in der Auswahlentscheidung beigemessen hat.

Zu Unrecht rügt der Antragsteller darüber hinaus, dass der BMVg für die Auswahlentscheidung keine Eignungsreihenfolge aufgestellt hat. Auf eine Eignungsreihenfolge und die Vergabe einer Platzziffer kommt es im vorliegenden Fall nicht an, da derartige Reihenfolgen für die Beförderung bzw. Einweisung in eine Planstelle einer höheren Besoldungsgruppe gebildet werden, nicht jedoch für die Besetzung bestimmter – auch höherwertiger – Dienstposten (Beschlüsse vom 9. April 1997 – BVerwG 1 WB 112.96 – und vom 27. Januar 1998 – BVerwG 1 WB 51.97 – ≪a.a.O.≫). Dementsprechend hat der BMVg mit Schreiben vom 12. Juli 2002 mitgeteilt, dass im vorliegenden Auswahlverfahren eine Eignungsreihung mit der Vergabe von Platzziffern nicht vorgenommen worden ist.

Über die mögliche Versetzung des Antragstellers auf andere Stellen hat der Senat nicht zu entscheiden.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller im Hinblick auf seine Tätigkeit als Mitglied des Personalrats keinen Anspruch auf eine bevorzugte Verwendung auf einem höherwertigen Dienstposten hat. Zwar verbietet § 8 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG), dass Personen, die Aufgaben und Befugnisse nach dem BPersVG wahrnehmen, darin behindert oder wegen ihrer Tätigkeit in ihrer beruflichen Entwicklung benachteiligt werden. Gleichzeitig verbietet die Vorschrift aber auch, Personen wegen ihrer Personalratstätigkeit zu begünstigen (Beschluss vom 3. Juli 2001 – BVerwG 1 WB 24.01 – ≪Buchholz 236.1 § 3 Nr. 26 = ZBR 2002, 183 = NVwZ-RR 2001, 675≫).

 

Fundstellen

BVerwGE 2003, 81

ZfPR 2003, 112

NZWehrr 2003, 120

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