Leitsatz (amtlich)

Die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens rechtfertigt das Aufschieben der Vorlage der planmäßigen Beurteilung eines Soldaten insbesondere dann, wenn wesentliche Bereiche des der Beurteilung unterliegenden dienstlichen Verhaltens Gegenstand des Verfahrens sind.

 

Normenkette

SG § 10 Abs. 3; SLV § 1a Abs. 1-2; ZDv 20/6 Nr. 406 Buchst. a, c S. 1, Buchst. d S. 1; ZDv 20/7 Nr. 133

 

Tenor

Der Senat hat den gegen den weiteren Aufschub seiner Beurteilung gerichteten Antrag des Antragsstellers zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Der Antragsteller ist Berufssoldat im Dienstgrad eines Oberstleutnants. Das Personalamt der Bundeswehr (PersABw) schob die Vorlage seiner planmäßigen Beurteilung zum 30. September 1999 bis zum Abschluss des gegen ihn eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahrens auf. Das Heeresamt (HA) setzte das Verfahren bis zur Beendigung des gegen Hauptmann H.…, einem dem Antragsteller dienstlich unterstellten Soldaten, anhängigen Strafverfahrens aus.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag, mit dem sich der Antragsteller gegen die “weitere Aussetzung seiner Beurteilung” wendet, ist zulässig (vgl. Beschlüsse vom 26. Februar 1982 – BVerwG 1 WB 17.82 – ≪NZWehrr 1983, 27≫, vom 3. September 1996 – BVerwG 1 WB 20, 21.96 – ≪Buchholz 236.1 § 10 Nr. 18 = NZWehrr 1997, 114≫ und vom 21. März 2002 – BVerwG 1 WB 2.02 – ≪zur Veröffentlichung vorgesehen≫), aber nicht begründet.

Nach § 1a Abs. 1 Satz 1 SLV in der hier noch maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 28. Januar 1998 (BGBl. I S. 326), geändert durch Art. 4 des Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes und anderer Vorschriften (SGÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1815), sind Eignung, Befähigung und Leistung des Soldaten regelmäßig, oder wenn es die dienstlichen oder persönlichen Verhältnisse erfordern, zu beurteilen. Absatz 2 dieser Vorschrift ermächtigt den Bundesminister der Verteidigung (BMVg) zu näheren Regelungen sowie dazu, Ausnahmen von dem Grundsatz der regelmäßigen Beurteilung zuzulassen. Von dieser Ermächtigung hat der BMVg einerseits durch die Regelung in Nr. 203 Buchst. a ZDv 20/6 Gebrauch gemacht, derzufolge Offiziere und Unteroffiziere mit Portepee zu den in dieser Vorschrift festgelegten Terminen planmäßig zu beurteilen sind. Andererseits hat er aufgrund der Ermächtigung in § 1a Abs. 2 Satz 2 SLV in zulässiger Weise festgelegt, dass unter besonderen Voraussetzungen planmäßige Beurteilungen auf bestimmte Zeit, oder – nach pflichtgemäßem Ermessen der personalbearbeitenden Stelle – bis zu einem bestimmten Anlass verschoben werden können. Dies ist in rechtlich nicht zu beanstandender Weise in Nr. 203 Buchst. c – f, in Nr. 204 Buchst. a und in Nr. 406 Buchst. a ZDv 20/6 geschehen (Beschlüsse vom 26. Februar 1982 – BVerwG 1 WB 17.82 – ≪a.a.O.≫, vom 3. September 1996 – BVerwG 1 WB 20, 21.96 – ≪a.a.O.≫, vom 3. Juli 2001 – BVerwG 1 WB 23.01 – ≪Buchholz 236.1 § 1 a Nr. 17 = NVwZ 2002, 100 [LS]≫ und vom 21. März 2002 – BVerwG 1 WB 2.02 –).

Nach der letztgenannten Vorschrift hat der Vorgesetzte, der einen Soldaten während eines schwebenden Verfahrens zu beurteilen hat, eine Entscheidung der personalbearbeitenden Stelle darüber herbeizuführen, ob eine Beurteilung zu diesem Zeitpunkt erforderlich ist oder ob die endgültige Klärung des dem schwebenden Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalts abgewartet werden soll. Hierzu zählen vor allem Strafverfahren und gerichtliche Disziplinarverfahren (Beschlüsse vom 26. Februar 1982 – BVerwG 1 WB 17.82 – ≪a.a.O.≫ und vom 3. September 1996 – BVerwG 1 WB 20, 21.96 – ≪a.a.O.≫).

Gegen den Antragsteller ist ein gerichtliches Disziplinarverfahren wegen des Verdachts, ein Dienstvergehen begangen zu haben, eingeleitet worden. Die Entscheidung des Amtschefs (AChefs) HA vom 13. Januar 2000, dieses Verfahren auszusetzen, beseitigt dessen Rechtshängigkeit nicht, sondern schränkt lediglich die Befugnis der Einleitungsbehörde, eigene Ermittlungen anzustellen, zeitlich ein. Hiergegen ist der Antragsteller rechtlich bisher nicht vorgegangen.

Die Entscheidung des PersABw vom 12. September 2001, die planmäßige Beurteilung des Antragstellers bis zum Abschluss dieses Verfahrens aufzuschieben, weist auch keine Ermessensfehler auf. Sie trägt insbesondere gemäß Nr. 101 Abs. 2 ZDv 20/6 dem Umstand Rechnung, dass der Antragsteller derzeit hinsichtlich seiner Fähigkeit zur Dienstaufsicht sowie zur Einsatz- und Betriebsführung nicht sachgerecht beurteilt werden kann, da dieser Bereich Gegenstand des anhängigen gerichtlichen Disziplinarverfahrens ist und deshalb von einer planmäßigen Beurteilung nicht erfasst werden darf (Nr. 406 Buchst. c Satz 1 und Buchst. d Satz 1 ZDv 20/6).

Zu Unrecht beanstandet der Antragsteller den vom PersABw angeordneten weiteren Aufschub der Beurteilung. Der BMVg hat das ihm insoweit in § 1a Abs. 2 Satz 2 SLV eingeräumte Ermessen in Nr. 406 Buchst. a ZDv 20/6 dahin gebunden, dass die personalbearbeitende Stelle die Beurteilung längstens bis zur endgültigen Klärung des für die Beurteilung maßgeblichen Sachverhalts in dem schwebenden Verfahren aufschieben darf. Diese Bestimmung entspricht dem Fürsorgeprinzip gemäß § 10 Abs. 3 SG und schließt im Übrigen nicht aus, dass über den Soldaten eine Sonderbeurteilung nach Nr. 206 Buchst. a ZDv 20/6 erstellt wird, sofern dies aus Gründen der Personalführung erforderlich sein sollte (vgl. Beschlüsse vom 22. März 1995 – BVerwG 1 WB 2.95 – und vom 19. März 1996 – BVerwG 1 WB 84.95 – ≪DokBer B 1996, 269≫). Ungeachtet dessen sieht der Senat den Zeitraum seit der zum 30. September 1997 erstellten letzten planmäßigen Beurteilung des Antragstellers derzeit noch nicht als unangemessen lang an, zumal vergleichbare beurteilungsfreie Zeiträume auch in den Fällen der Nr. 205 ZDv 20/6 auftreten können.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers erweist sich die angefochtene Entscheidung auch nicht deshalb als rechtswidrig, weil er zur Zeit wegen des anhängigen Verfahrens von jeder weiteren Förderung ausgeschlossen ist. Nr. 133 Satz 1 ZDv 20/7 bestimmt insoweit, dass ein Soldat während eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens nicht gefördert werden soll. Dies gilt gemäß Satz 2 auch für förderliche Verwendungsentscheidungen (vgl. hierzu Beschluss vom 3. September 1996 – BVerwG 1 WB 20, 21.96 – ≪a.a.O.≫). Auf das Vorliegen eines Härtefalls im Sinne der Nr. 133 Sätze 3 und 4 ZDv 20/7 hat sich der Antragsteller bisher nicht berufen. Im Übrigen rechtfertigt selbst die erhebliche Verzögerung des Abschlusses eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens für sich allein genommen noch nicht die Annahme eines Härtefalles, weil nach Nr. 133 Satz 4 ZDv 20/7 insoweit drei Voraussetzungen vorliegen müssen.

Der Einwand schließlich, dass das PersABw seine Entscheidung über die weitere Aussetzung der Beurteilung zu einem Zeitpunkt getroffen habe, als das Beurteilungsverfahren zum 30. September 1999 bereits abgeschlossen gewesen sei, rechtfertigt keine andere rechtliche Bewertung.

Zum einen hat der Antragsteller diese Entscheidung unanfechtbar werden lassen. Darüber hinaus war ihm im Zeitpunkt des Zugangs der Verfügung des AChefs HA vom 16. Juli 1999 nur der Beurteilungsentwurf seines nächsten Vorgesetzten eröffnet worden. Das Beurteilungsverfahren ist rechtlich jedoch erst abgeschlossen, wenn der nächsthöhere Vorgesetzte Stellung genommen hat und die weiteren höheren Vorgesetzten von ihrem Recht zur Stellungnahme Gebrauch gemacht oder darauf verzichtet haben (Nr. 910 Buchst. a ZDv 20/6). Das war hier nicht der Fall.

 

Fundstellen

ZBR 2002, 324

NZWehrr 2003, 258

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