Verfahrensgang

OVG der Freien Hansestadt Bremen (Urteil vom 19.08.1997; Aktenzeichen 1 BA 59/96)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen vom 19. August 1997 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.

Die Rüge, das Berufungsgericht habe wesentliches Vorbringen des Klägers insoweit ignoriert, als er nicht nur speziell in seinem Fall, sondern ganz generell die Belastung der Eigentümer im Sanierungsgebiet Ostertorviertel mit der Erhebung von Sanierungsabgaben als rechtswidrig erachtet habe, führt nicht zur Zulassung der Revision. Allein aus dem Umstand, daß das Berufungsurteil nicht jedes Vorbringen des Klägers ausdrücklich erörtert, kann nicht auf einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG oder § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO geschlossen werden (vgl. z.B. Urteil vom 23. Mai 1989 – BVerwG 7 C 2.87 – BVerwGE 82, 76/90).

Eine ausdrückliche Erörterung des von der Beschwerde genannten Umstands konnte hier schon deshalb unterbleiben, weil er für das Berufungsurteil nicht entscheidungserheblich war.

Das Berufungsgericht geht davon aus, daß der vom Kläger entrichtete Kaufpreis nicht das Ergebnis einer Addition des „Sanierungsgewinns” zum vereinbarten Entgelt darstellt, sondern daß es sich um einen auf dem Grundstücksmarkt gebildeten Preis Handelt, der demnach auch nicht teilweise einen sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrag enthält oder substituiert. Aus diesem Grund kann der Kläger nach Ansicht des Berufungsgerichts auch keine Auskunft über einen sanierungsbedingten Anteil des Grundstückskaufpreises verlangen. Bei dieser Sicht spielt es ersichtlich keine Rolle, ob – wie der Kläger meint – die Abschöpfung von Sanierungsgewinnen in diesem Sanierungsgebiet ganz generell oder nur in seinem speziellen Fall als unzulässig zu erachten ist.

Die Beschwerde sieht darin einen Verfahrensverstoß, daß das Berufungsgericht aktenwidrig angenommen habe, bei dem Kaufpreis handle es sich um einen marktorientierten Preis. Das sei schlicht falsch, weil der Sanierungskaufpreis künstlich festgesetzt werde und sich gerade nicht nach dem Marktgeschehen richte.

Auch diese Rüge greift nicht durch. Die Verfahrensrüge, das Gericht habe den Sachverhalt „aktenwidrig” festgestellt, betrifft den Grundsatz der freien Beweiswürdigung und das Gebot der sachgerechten Ausschöpfung des vorhandenen Prozeßstoffs (vgl. § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie bedingt die schlüssig vorgetragene Behauptung, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muß dieser Widerspruch offensichtlich sein, so daß es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht bedarf; der Widerspruch muß also „zweifelsfrei” sein (vgl. z.B. Urteil vom 2. Februar 1984 – BVerwG 6 C 134.81 – BVerwGE 68, 338). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Rüge des Klägers zielt der Sache nach gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, der vom Kläger gezahlte Kaufpreis sei marktorientiert ermittelt worden und enthalte deshalb keinen rechtlich isolierbaren Bestandteil „Sanierungsgewinn”. Diese Auffassung ist jedenfalls nicht aktenwidrig. Aus dem in der Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts enthaltenen Gutachten des Gutachterausschusses vom 14. Mai 1981 ergibt sich vielmehr, daß der Verkehrswert des Grundstücks aus Vergleichspreisen der Kaufpreissammlung ermittelt wurde, wobei für die Vergleichbarkeit insbesondere auf die Lagequalität sowie Art und Maß der Nutzung abgestellt wurde. Daß es sich bei dem so ermittelten Kaufpreis um einen „marktorientierten Preis” handelt, wird entgegen der Ansicht des Klägers weder dadurch in Frage gestellt, daß dieser Preis dann vom Sanierungsträger „festgelegt” wurde und nicht mehr „verhandelbar” war, noch dadurch, daß möglicherweise im Sanierungsgebiet selbst kein Grundstücksmarktgeschehen stattfand und daß u.a. hinsichtlich der Lagequalität auf einen leicht überdurchschnittlichen Sanierungserfolg abgestellt wurde. Daß der Kläger den Begriff des „Marktpreises” enger sieht, führt jedenfalls nicht zur Aktenwidrigkeit der hier vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung.

Die Revision ist auch nicht zur Klärung folgender Frage zuzulassen:

„Muß in einem von einem Sanierungsträger mit einem Erwerber abgeschlossenen Kaufvertrag über ein Grundstück in einem Sanierungsgebiet, dessen Kaufpreis nach den Vorschriften des öffentlichen Städtebauförderungsrechts festzulegen ist, der Teil des Kaufpreises, der der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Werts des Grundstücks entspricht, stets offengelegt werden?”

Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, weil sich eine solche uneingeschränkte Pflicht zur Offehlegung anhand der gesetzlichen Regelung ohne weiteres verneinen läßt.

Der Kläger meint, eine solche Offenlegungspflicht ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach der in einem Grundstückskaufpreis enthaltene Betrag für die Ablösung künftiger Erschließungsbeiträge von der Gemeinde gegenüber dem Käufer offengelegt werden müsse. Diese Fälle sind indes nicht vergleichbar. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Offenlegung des Ablösungsbetrags verlangt, weil sonst nicht überprüft werden könne, ob die für die Ermittlung des Erschließungsbeitrags und seiner Ablösung geltenden einschränkenden gesetzlichen Bestimmungen eingehalten sind (vgl. Urteil vom 1. Dezember 1989 – BVerwG 8 C 44.88 – BVerwGE 84, 183). Dieser Rechtsgedanke kann auf den Veräußerungskaufpreis nach § 153 Abs. 4 Satz 1 BauGB nicht in der Weise übertragen werden, daß stets die sanierungsbedingte Werterhöhung ermittelt und offengelegt werden müßte:

Nach § 153 Abs. 4 Satz 1 BauGB ist das Grundstück zu dem Verkehrswert zu veräußern, der sich durch die sanierungsbedingte Neuordnung ergibt. Dieser Verkehrswert ist seiner rechtlichen Struktur nach ein einheitlicher Wert; die sanierungsbedingte Neuordnung beeinflußt lediglich die einzelnen Faktoren, die für diese in sich einheitliche Verkehrswertermittlung von Bedeutung sind. Der sanierungsbedingten Werterhöhung korrespondiert rechtlich nicht ein bestimmter Kostenaufwand des Sanierungsträgers, der gleichsam als beitragsfähige Leistung zum „normalen” Verkehrswert hinzugerechnet wird. Hierin unterscheidet sich der dem Kläger in Rechnung gestellte Kaufpreis grundsätzlich von einem Grundstückskaufpreis, mit dem gleichzeitig ein künftiger Erschließungsbeitrag abgegolten werden soll.

Ein weiterer Unterschied besteht darin, daß der Vertragspartner der Gemeinde bei der im Kaufpreis enthaltenen Ablösung des Erschließungsbeitrags ohne eine entsprechende Offenlegung nicht überprüfen kann, ob der Ablösebetrag willkürlich angenommen wurde oder nicht. Demgegenüber kann der Kläger bei der Vereinbarung eines in sich einheitlichen Marktpreises dessen Angemessenheit auf der Grundlage der ihm bekannten wertbestimmenden Faktoren selbst abschätzen oder sich hierzu fachkundiger Hilfe bedienen, ohne auf zusätzliche Informationen durch die Gemeinde angewiesen zu sein. Dem Kläger stand und steht es frei, seinerseits beim Gutachterausschuß ein Wertgutachten zu beantragen (vgl. § 193 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB) oder damit einen privaten Gutachter zu beauftragen, wenn er – entgegen der Auffassung der Beklagten – der Meinung ist, einen den Verkehrswert übersteigenden Kaufpreis bezahlt und einen entsprechenden Rückerstattungsanspruch zu haben. Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, unter welchem Gesichtspunkt die Beklagte verpflichtet sein soll, den „sanierungsbedingten” Anteil des Kaufpreises ihrerseits ermitteln zu lassen.

Auch die Abweichungsrüge greift nicht durch. Der Revisionszulassungsgrund der Divergenz liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch tritt (vgl. z.B. Beschluß vom 31. März 1988 – BVerwG 7 B 46.88 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 260). In diesem Sinn weicht die Berufungsentscheidung nicht von dem Beschluß des Senats vom 26. März 1985 – BVerwG 4 B 9.85 – (Buchholz 406.15 § 41 StBauFG Nr. 1) ab. Die in diesem Beschluß enthaltenen Formulierungen, wonach ein Teil des Grundstückskaufpreises dem Ausgleichsbetrag entspricht, bezogen sich zum einen auf den Fall, daß der Teil des Kaufpreises, der der sanierungsbedingten Werterhöhung entsprach, als Tilgungsdarlehen gemäß § 25 Abs. 7 Satz 1 StBauFG (jetzt § 153 Abs. 4 Satz 2, § 154 Abs. 5 BauGB) gestundet war und eine Verrechnung mit einer Forderung des Bürgers gemäß § 41 Abs. 11 StBauFG streitig war. Der genannte Beschluß enthält zum anderen keine Aussage darüber, daß der Vertragspartner der Gemeinde oder des Sanierungsträgers im Falle des Grundstückskaufs nach § 153 Abs. 4 Satz 1 BauGB stets einen Anspruch auf Ermittlung und Offenlegung des sanierungsbedingten Wertzuwachses hat. Eine Divergenz liegt demnach nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

 

Unterschriften

Berkemann, Hien, Heeren

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1474706

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