Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Aktenzeichen 20 A 983/99)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Juni 2001 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Zulassung der Revision kommt weder unter dem Gesichtspunkt des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (Divergenz) noch unter demjenigen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (Verfahrensmangel) in Betracht.

1. Die Beschwerde ist unzulässig, soweit der Kläger Abweichungen des angefochtenen Urteils von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts rügt.

Der Kläger macht geltend, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verstoße gegen „die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 1, 3, 5 und 19 GG”, gegen näher bezeichnete Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Anspruch auf ein faires Gerichtsverfahren, zur Wahrung des Verbots einer Erschwerung des Rechtsweges durch Auslegung von Prozesserklärungen und zu den bei der Auslegung von Willenserklärungen zu beachtenden Regeln sowie gegen die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 1980 – BVerwG 6 C 55.79 – (BVerwGE 60, 223) und vom 3. November 1998 – BVerwG 9 C 51.97 – (Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 116). Damit kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden. Die Beschwerde ist insoweit nicht ausreichend begründet.

Eine die Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das Aufzeigen einer unterbliebenen oder fehlerhaften Anwendung von Rechtssätzen genügt den Zulässigkeitserfordernissen nicht (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26, m.w.N. = NJW 1997, 3328 = DÖV 1998, 117). Daran gemessen erweist sich die Beschwerde als unzulässig.

Soweit die Beschwerde eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 1, Art. 3, Art. 5 und Art. 19 GG beanstandet, ist sie schon deshalb unzulässig, weil es an der Bezeichnung eines abstrakten Rechtssatzes in der angezogenen Rechtsprechung fehlt. Genauso liegt es, soweit eine Abweichung von nicht näher bezeichneten in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten Regeln zur Auslegung von Erklärungen gerügt wird. Die übrigen Divergenzrügen erweisen sich jedenfalls deshalb als unzureichend begründet, weil die Beschwerde nicht darlegt, welche angeblich divergierenden Rechtssätze das Oberverwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil aufgestellt hat. Der Kläger vertritt insoweit die Auffassung, das Oberverwaltungsgericht habe unter Verkennung einschlägiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts angenommen, die Entscheidungen des Dreiergremiums der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften vom 16., 17., 18. und 19. September 1996 seien durch die Entscheidungen des Zwölfergremiums vom 4. Dezember 1997 ersetzt und damit unwirksam geworden. Damit rügt der Kläger eine fehlerhafte Anwendung von Rechtssätzen, was den Begründungserfordernissen nicht genügt.

2. Die Verfahrensrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO greift ebenfalls nicht durch.

a) Soweit der Kläger beanstandet, sein gegen die an dem angefochtenen Urteil beteiligten Richter gerichteter Befangenheitsantrag sei zu Unrecht abgelehnt worden, rechtfertigt dies nicht die Zulassung der Revision.

Die mit der Beschwerde nicht anfechtbare Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs durch das Berufungsgericht stellt eine gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 548 ZPO der Überprüfung in einem Revisionsverfahren entzogene unanfechtbare Vorentscheidung dar, so dass die Zurückweisung eines Befangenheitsantrags grundsätzlich nicht als Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemacht werden kann (vgl. Beschlüsse vom 25. Mai 2001 – BVerwG 6 B 30.01 – m.w.N., vom 14. Mai 1999 – BVerwG 4 B 21.99 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 20 = NVwZ-RR 2000, 260 und vom 3. Februar 1992 – BVerwG 2 B 11.92 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 305). Die Rüge einer unrichtigen Ablehnung eines Befangenheitsantrages ist nur ausnahmsweise in dem Maße beachtlich, als mit ihr die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 138 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht wird (vgl. Beschlüsse vom 25. Mai 2001, a.a.O. und vom 21. März 2000 – BVerwG 7 B 36.00 –). Das setzt voraus, dass willkürliche oder manipulative Erwägungen für die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs bestimmend gewesen sind. Die lediglich unrichtige Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch führt noch nicht zur vorschriftswidrigen Besetzung des Gerichts (vgl. Urteil vom 10. November 1999 – BVerwG 6 C 30.98BVerwGE 110, 40 ≪46≫ m.w.N.; Beschluss vom 31. Oktober 1994 – BVerwG 8 B 112.94 – Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 51). Von einer auf Willkür beruhenden Entscheidung kann im Einklang mit den zum verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf den gesetzlichen Richter entwickelten Grundsätzen nur gesprochen werden, wenn die Entscheidung des Gerichts bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken schlechterdings nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. Beschlüsse vom 13. Juni 1999 – BVerwG 5 ER 614.90 – Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 28 und vom 25. September 1987 – BVerwG 9 CB 59.87 – Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 72). Davon kann hier nicht die Rede sein.

Soweit das Oberverwaltungsgericht in dem Beschluss vom 30. März 2001 über die Ablehnung des Befangenheitsantrags die Besorgnis der Befangenheit nicht darin gesehen hat, dass der Berichterstatter die Beklagte in dem Eilverfahren durch den rechtlichen Hinweis vom 24. August 2000 veranlasst hat, den Antrag auf Zulassung der Beschwerde zurückzunehmen, ist ein Verstoß gegen das Willkürverbot nicht erkennbar. Die Besorgnis der Befangenheit wird regelmäßig nicht dadurch begründet, dass während des Verfahrens von dem Gericht vorbehaltlich weiterer Erkenntnisse rechtliche Hinweise oder Anregungen gegeben werden, wenn nicht ausnahmsweise unsachliche Erwägungen erkennbar sind (vgl. Beschluss vom 6. Februar 1979 – BVerwG 4 CB 8.79 – DVBl 1979, 560). Dafür kommt es nicht auf die Richtigkeit der zugrunde liegenden Rechtsansicht an (vgl. Beschluss vom 29. Mai 1991 – BVerwG 4 B 71.91 – NJW 1992, 1186 ≪1187≫). Die in dem Berichterstatterschreiben vertretene Auffassung zur Erledigung der Entscheidung des Dreiergremiums vom 19. September 1996 mag rechtlich zweifelhaft sein, kann aber nicht als nicht nachvollziehbar angesehen werden. Es ist nicht erkennbar, dass dem Hinweis unsachliche Erwägungen zugrunde gelegen haben.

Die Ablehnung des Befangenheitsgesuchs ist auch insoweit nicht zu beanstanden, als in dem Beschluss angenommen wird, die Besorgnis der Befangenheit ergebe sich nicht daraus, dass am Tag des Berichterstatterschreibens vom 24. August 2000 die Berufungen in den Hauptsacheverfahren zugelassen worden seien. In dem Beschluss über den Befangenheitsantrag wird ohne Verletzung des Willkürverbots im Einzelnen dargelegt, warum aus dem zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Berichterstatterschreiben und den Berufungszulassungen nicht geschlossen werden könne, das Gericht habe die Berufungen unter Missachtung der Bindung an die geltend gemachten Berufungszulassungsgründe deshalb zugelassen, um sich in die Lage zu versetzen, den Rechtsmitteln in Anlehnung an die in dem Berichterstatterschreiben vom 24. August 2000 vertretene Auffassung zum Erfolg zu verhelfen.

Die Ablehnung des Befangenheitsantrags erweist sich auch insoweit als willkürfrei, als ein Befangenheitsgrund nicht darin gesehen wird, dass das Oberverwaltungsgericht die Zulassungsanträge im Hauptsacheverfahren als zulässig angesehen und ihnen stattgegeben hat, im Eilverfahren hingegen die Beklagte durch das Berichterstatterschreiben vom 24. August 2000 unter Hinweis auf die Unzulässigkeit des Antrags auf Beschwerdezulassung zu dessen Rücknahme veranlasst hat. Im vorliegenden Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die in dem Berichterstatterschreiben zur Unzulässigkeit des Beschwerdezulassungsantrags vertretene Auffassung für die Anträge auf Berufungszulassung entsprechend hätten gelten müssen. Auch wenn dies der Fall sein sollte, ergibt sich aus der unterschiedlichen Behandlung der Zulassungsanträge im Eil- und Hauptsacheverfahren noch nicht, dass das Gericht von unsachlichen Erwägungen geleitet war. Die einschlägigen Erwägungen in dem den Befangenheitsantrag ablehnenden Beschluss sind jedenfalls nicht willkürlich.

Auch im Übrigen rechtfertigt die Ablehnung des Befangenheitsantrages nicht die Annahme, das Oberverwaltungsgericht sei bei dem Erlass des angefochtenen Urteils unvorschriftsmäßig besetzt gewesen.

b) Soweit der Kläger rügt, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, die Entscheidungen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften vom 16., 17., 18. und 19. September 1996 seien durch die Entscheidungen vom 4. Dezember 1997 ersetzt worden, benennt er keine Verfahrensvorschrift, die das Oberverwaltungsgericht verkannt haben soll. Für den Fall, dass er damit eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) geltend machen will, liegt ein solcher Verfahrensverstoß nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht ist zu der hier in Rede stehenden Auffassung durch Auslegung der Entscheidungen vom 4. Dezember 1997 gelangt. Es fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass das Gericht dabei die Grundsätze richterlicher Überzeugungsbildung missachtet hat. Insbesondere enthält das angefochtene Urteil keine Schlüsse, die schlechterdings nicht gezogen werden können und daher mit den Denkgesetzen nicht vereinbar sind (vgl. Beschluss vom 24. Mai 1996 – BVerwG 8 B 98.96 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 270).

c) Der Kläger legt nicht in einer dem § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar, dass das Oberverwaltungsgericht sein Begehren nicht vollständig beschieden und damit gegen § 88 VwGO verstoßen habe (vgl. dazu Urteil vom 23. Februar 1993 – BVerwG 1 C 16.87 – Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 64). Er führt aus, mit an das Verwaltungsgericht gerichtetem Schriftsatz vom 21. August 1998 die Verfügung der Beklagten vom 4. Dezember 1997 ebenfalls zum Gegenstand der Anfechtungsklage gemacht zu haben, weist aber selbst darauf hin, dass er seinen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten Klageantrag nicht auf die genannte Verfügung erstreckt hat. Der Kläger legt nicht dar, dass er nach der Verfügung des Berichterstatters des Oberverwaltungsgerichts vom 23. Januar 2001, die auf eine Ablösung der ursprünglichen Indizierungsentscheidungen durch die Verfügung vom 4. Dezember 1997 abhob und Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung auch dieser Verfügung enthielt, einen Anspruch auf Aufhebung der genannten Entscheidung zum Streitgegenstand des Berufungsverfahrens gemacht hat. Im Gegenteil ist dem Schriftsatz des Klägers vom 19. März 2001 zu entnehmen, dass der Kläger ungeachtet des rechtlichen Hinweises des Berichterstatters vom 23. Januar 2001 ausdrücklich auf der Anfechtung allein der Indizierungsentscheidungen aus dem Jahre 1996 beharrt hat. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht war der Kläger nicht vertreten. Unter diesen Umständen kann dem Oberverwaltungsgericht nicht vorgehalten werden, das Klagebegehren nicht vollständig erfasst zu haben.

Dem Beschwerdevorbringen lässt sich auch nicht entnehmen, dass das Berufungsgericht seine prozessuale Fürsorgepflicht dadurch verletzt hat, dass es nicht hinsichtlich der von dem Gericht als erledigt angesehenen Entscheidungen des sog. Dreiergremiums auf die Möglichkeit der Stellung eines Fortsetzungsfeststellungsantrags hingewiesen hat. Der Hinweis des Berichterstatters vom 23. Januar 2001 zeigte dessen vorläufige Auffassung über die Erledigung auf und musste dem anwaltlich vertretenen Kläger ohne Weiteres Veranlassung geben, vorsorglich zu reagieren.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 14 Abs. 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

 

Unterschriften

Bardenhewer, Hahn, Vormeier

 

Fundstellen

Dokument-Index HI666511

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