Verfahrensgang

Hamburgisches OVG (Beschluss vom 10.06.1991; Aktenzeichen Bs PH 9/90)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluß des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts – Fachsenat für Personalvertretungssachen nach dem Hamburgischen Personalvertretungsgesetz – vom 10. Juni 1991 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg, weil die mit ihr erhobene Rüge, der angegriffene Beschluß weiche von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ab, nicht durchgreift.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluß vom 22. Juni 1989 – BVerwG 6 PB 16.88 – PersR 1989, 275) besteht eine die Rechtsbeschwerde eröffnende Divergenz im Sinne des § 83 Abs. 2 BPersVG (hier: § 100 Abs. 2 HmbPersVG) i.V.m. den §§ 92 a Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG nur dann, wenn das Beschwerdegericht seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der in Widerspruch zu tragenden Gründen einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen mit Streitigkeiten aus dem Personalvertretungsrecht befaßten, den in § 72 Abs. 2 ArbGG bezeichneten Gerichten vergleichbaren Gerichts steht, und wenn diese Abweichung entscheidungserheblich ist. Das ist nicht der Fall.

1. Soweit der Beschwerdeführer die Abweichung von dem Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Januar 1982 – CL 63/81 – (Leitsätze abgedruckt in PersV 1986, 432) rügt, sind die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG nicht erfüllt. Zu dem in der Beschwerdeschrift aufgeführten Rechtssatz des Beschwerdegerichts, der nach Meinung des Beschwerdeführers von dem des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen abweicht, hat das Bundesverwaltungsgericht eine Entscheidung getroffen, auf die sich das Beschwerdegericht zu Recht beruft.

Es hat zur Begründung, die durch die Anordnung des Beteiligten vom 13. Oktober 1989 verfügte Bettenreduzierung auf 73 Betten sei unaufschiebbar gewesen, den Rechtssatz aufgestellt, bei der Beurteilung, ob eine Maßnahme ohne Aufschub geboten sei, sei allein auf die objektiven Gegebenheiten abzustellen, nicht hingegen darauf, ob die Dringlichkeit die Folge vorausgegangener Versäumnisse sei. Entgegen der Meinung des Antragstellers hat es sich hierbei zu Recht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gestützt. In dem Beschluß vom 20. Juli 1984 – BVerwG 6 P 16.83 – Buchholz 238.3 A § 75 BPersVG Nr. 30 hat der Senat entschieden, daß für die Beurteilung, ob bei einer Maßnahme gemäß § 69 Abs. 5 BPersVG (der mit § 82 HmbPersVG übereinstimmt), vorläufige Regelungen getroffen werden können, weil die Maßnahme ohne Aufschub geboten ist, allein auf die objektiven Gegebenheiten abzustellen ist, nicht hingegen darauf, ob die Dringlichkeit der zu treffenden Regelung die Folge vorausgegangener Versäumnisse ist. Im Beschluß vom 25. Oktober 1979 – BVerwG 6 P 53.78 – Buchholz 238.3 A § 69 BPersVG Nr. 3, auf den der Beschluß vom 20. Juli 1984 Bezug nimmt, ist unter anderem ausgeführt: „Selbst wenn sie (die Dienststellen) es schuldhaft unterlassen haben sollten (von der Möglichkeit der Fristabkürzung gemäß § 69 Abs. 2 und 3 BPersVG Gebrauch zu machen), könnte das nicht dazu führen, eine vorläufige Regelung nach § 69 Abs. 5 Satz 1 BPersVG von vornherein als nicht zulässig anzusehen. Auch eilige Angelegenheiten können im Verlauf des Mitbestimmungsverfahrens unaufschiebbar werden, d.h., jede weitere Verzögerung kann die Erfüllung der der Dienststelle obliegenden Aufgabe in Frage stellen.”

Der Antragsteller meint, die Übereinstimmung des vom Oberverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatzes mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei nur scheinbar gegeben. In dem hier anstehenden Fall gehe es um die Frage, ob das Hinauszögern der Einleitung des Zustimmungsverfahrens durch den Dienststellenleiter Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit einer vorläufigen Regelung habe. In dem zitierten Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juli 1984 sei aber die Frage entschieden worden, ob die Hinauszögerung bzw. die Versäumung des Treffens der der Mitbestimmung unterliegenden Maßnahme Auswirkungen auf die Bewertung habe, ob diese unaufschiebbar sei.

Dem kann nicht gefolgt werden. Der Antragsteller verkennt, daß im Falle des § 82 HmbPersVG die zu treffende Maßnahme und das Mitbestimmungsverfahren nicht voneinander getrennt werden können. Das Mitbestimmungsverfahren kann erst dann durchgeführt werden, wenn der Personalrat durch die Dienststelle von der beabsichtigten Maßnahme unterrichtet wird (§ 79 Abs. 2 Satz 1 HmbPersVG). Der vom Antragsteller erhobene Vorwurf, das Mitbestimmungsverfahren hätte schon früher durchgeführt werden können, nämlich im Herbst 1988, weil damals die Entscheidung getroffen worden sei, die Abteilung Klinik einzuschränken, beinhaltet daher in gleicher Weise das Vorbringen, die erst durch Verfügung vom 13. Oktober 1989 angeordnete Reduzierung der Betten hätte zu dem früheren Zeitpunkt als „beabsichtigte Maßnahme” dem Personalrat gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 HmbPersVG mitgeteilt werden müssen. Gemäß § 82 HmbPersVG ist für den Erlaß vorläufiger Regelungen allein entscheidend, ob die Maßnahme der Natur der Sache nach unaufschiebbar war. Einer Erwähnung des Mitbestimmungsverfahrens in diesem Zusammenhang bedurfte es nicht, weil, wie oben dargelegt, das Mitbestimmungsverfahren von der beabsichtigten Maßnahme abhängt. Deshalb hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht (nur) geprüft, ob die Maßnahme der Natur der Sache nach unaufschiebbar war. Mit der Feststellung, sie sei unaufschiebbar gewesen, war gleichzeitig die Aussage verbunden, daß die Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens nicht durchgeführt werden konnte. Hierbei hat das Beschwerdegericht unter Bezugnahme auf die zitierte Rechtsprechung des Senats zutreffend darauf abgestellt, ob aufgrund der objektiven Gegebenheiten die Reduzierung der Betten keinen Aufschub duldete, und nicht darauf, ob die Dringlichkeit die Folge vorausgegangener Versäumnisse war. Einer gesonderten Prüfung, ob es der Beteiligte zu vertreten hat, daß das Mitbestimmungsverfahren nicht früher durchgeführt worden ist, bedurfte es deshalb nicht, weil das Mitbestimmungsverfahren – wie dargelegt – untrennbar mit der Maßnahme verbunden ist. Wegen der durch das Bundesverwaltungsgericht getroffenen Festlegung war eine Auseinandersetzung mit dem im Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen enthaltenen anderslautenden Rechtssatz nicht erforderlich.

2. Entgegen der Meinung des Antragstellers ist das Oberverwaltungsgericht auch mit dem Rechtssatz „§ 82 HmbPersVG ermöglicht es ebenso wie die inhaltsgleiche Regelung in § 69 Abs. 5 BPersVG, die erforderlichen – allerdings nur vorläufigen – Regelungen zu treffen, um die Erfüllung der Pflichten und Aufgaben der Dienststelle im öffentlichen Interesse sicherzustellen”, nicht von der Entscheidung des Senats vom 19. April 1908 – BVerwG 6 P 33.85 – Buchholz 250 § 69 BPersVG Nr. 14 abgewichen. Darin hat der Senat, worauf der Antragsteller zutreffend hinweist, den Rechtssatz aufgestellt, daß die Ausnahmeregelung des § 69 Abs. 5 BPersVG dem Schutz sowohl der Belange der Allgemeinheit als auch der Mitbestimmung der durch den Personalrat repräsentierten Beschäftigten dient. Deshalb seien vorläufige Regelungen nur dann zulässig, wenn die durch die Beteiligung des Personalrats eintretende Verzögerung zu einer Schädigung überragender Gemeinschaftsgüter oder -interessen führen würde, hinter denen der in der Mitbestimmung liegende Schutz der Beschäftigten ausnahmsweise gänzlich zurücktreten müsse. Diese danach notwendige Abwägung zwischen den Belangen der Allgemeinheit und den Mitbestimmungsinteressen des Personalrats hat das Oberverwaltungsgericht entgegen der Meinung des Antragstellers vorgenommen.

Es hat den Schaden, der nach seiner Auffassung der Allgemeinheit entsteht, nämlich die durch die Dauer des Mitbestimmungsverfahrens erwachsenden Kosten, der vom Antragsteller geltend gemachten Belastung des Personals gegenübergestellt. Das Beschwerdegericht ist zu dem Ergebnis gelangt, diese Belastung bilde keinen Gegenstand der Entscheidung, weil sie das in den einschlägigen Regelungen festgelegte und damit zumutbare Maß nicht überschreiten könne. Ob diese Abwägung zutreffend war, kann nicht im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nachgeprüft werden. Hierin ist allein zu überprüfen, ob das Beschwerdegericht einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der im Widerspruch zu tragenden Gründen einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts steht. Das war nicht der Fall. Das Oberverwaltungsgericht hat eine Abwägung zwischen den Interessen der Allgemeinheit und denen der Beschäftigten vorgenommen und damit die Anforderungen aus der Rechtsprechung des Senats erfüllt.

Entgegen der Meinung des Antragstellers ist nach den Ausführungen des Beschwerdegerichts die Maßnahme auch nur vorläufiger Natur. Es hat unter anderem ausgeführt, in der Anordnung vom 13. Oktober 1989 sei festgehalten, daß die Betten nur eingelagert, nicht abgeschafft würden, und die Räume in einen Zustand versetzt werden könnten, der die Wiederherstellung des früheren Zustandes ermögliche. Darin liegt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kein Widerspruch zu den weiteren Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts, es sei nicht damit zu rechnen, daß der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, dem die Letztentscheidung zustehe, die Maßnahme rückgängig machen werde. Dies ist lediglich eine Prognose des Gerichts über eine mögliche spätere Entscheidung des Senats. Darin ist kein Widerspruch zu der Feststellung des Beschwerdegerichts enthalten, es sei objektiv möglich, die Betten wieder aufzustellen, wenn nach der Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens die Reduzierung (wider Erwarten) rückgängig gemacht werde.

Da der angegriffene Beschluß nicht von den bezeichneten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts abweicht, war die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Dr. Niehues, Ernst, Dr. Vogelgesang

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1214322

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