Verfahrensgang

AG Bad Dürkheim (Urteil vom 16.09.1998; Aktenzeichen 4b C 319/98)

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Dem Beschwerdeführer wird eine Mißbrauchsgebühr in Höhe von 1.000 DM (in Worten: eintausend Deutsche Mark) auferlegt.

 

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein amtsgerichtliches Urteil, mit dem eine Klage in Höhe von 329,56 DM abgewiesen wurde.

  • 1. Der Beschwerdeführer ist Zahnarzt. Er liquidiert seine Leistungen über die Klägerin des Ausgangsverfahrens, eine zahnärztliche Abrechnungsgesellschaft. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens war Patient des Beschwerdeführers.

    Für prothetische Maßnahmen beim Beklagten rechnete der Beschwerdeführer insgesamt 6.864,14 DM ab, von denen er dem Beklagten über die Klägerin des Ausgangsverfahrens einen Versichertenanteil in Höhe von 329,56 DM in Rechnung stellte. Daneben verlangte er vom Beklagten nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) für sogenannte funktionsanalytische Maßnahmen weitere 341,55 DM. Der Beklagte zahlte die Rechnung über 341,55 DM, verweigerte jedoch die Zahlung in Höhe von 329,56 DM.

    Der Beklagte bestritt die Forderung in Höhe von 329,56 DM nicht, rechnete aber mit einem Kondiktionsanspruch aus § 812 Abs. 1 BGB auf, der darin begründet sei, daß es für die Zahlung in Höhe von 341,55 DM keinen rechtlichen Grund gegeben habe. Der Beschwerdeführer habe keinen Anspruch auf die Abgeltung der funktionsanalytischen Maßnahmen gehabt, da diese nur im Rahmen einer Privatliquidation abrechenbar seien. Zwischen ihm, einem Kassenpatienten, und dem Beschwerdeführer habe es keine entsprechende Vereinbarung gegeben. Der Beschwerdeführer ist demgegenüber der Auffassung, man habe sich von Anfang an über die Privatliquidation verständigt.

    2. Das Amtsgericht wies die Klage der zahnärztlichen Abrechnungsgesellschaft im schriftlichen Verfahren mit folgenden Gründen ab:

    Die Klägerin habe nicht substantiiert dargelegt, daß zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beklagten vereinbart worden sei, bestimmte Leistungen privat nach der GOZ zu liquidieren. Weder aus einem Vermerk des Beschwerdeführers in seinen Krankenakten, wonach der Beklagte den Heil- und Kostenplan mit den umstrittenen Leistungen erhalten habe, noch aus dem Umstand, daß der Beklagte angeblich gewußt habe, eine Eigenanteils- und eine Privatrechnung zu erhalten, ergebe sich der Abschluß eines Privatbehandlungsvertrags. Der Beschwerdeführer sei deshalb durch den Erhalt der 341,55 DM unberechtigt bereichert gewesen, so daß der Beklagte gegenüber der eingeklagten Forderung in Höhe von 329,56 DM aufrechnen könne.

    3. Der Beschwerdeführer rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG.

    Das Amtsgericht habe die Gewährleistung rechtlichen Gehörs mißachtet, weil es weder den vom Beklagten unterschriebenen Heil- und Kostenplan wahrgenommen habe noch dem Beweisangebot der Klägerin, ihn als Zeugen zu dem Vertragsschluß zu laden, nachgekommen sei. Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG liege darin, daß das Amtsgericht nicht hinreichend berücksichtigt habe, daß die mit der Rechnung über 341,55 DM abgerechneten Leistungen nur nach der GOZ abgerechnet werden konnten. Schließlich verletze es sein allgemeines Persönlichkeitsrecht, wenn das Amtsgericht ausführe, er sei “unberechtigt” bereichert. Allenfalls könne man “ungerechtfertigt” im Sinn des § 812 Abs. 1 BGB bereichert sein. Die Wortwahl des Amtsgerichts beeinträchtige ihn in seinem Ansehen.

    Der Verfassungsbeschwerde komme grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu, weil er die Grundrechtsverletzungen als Zedent geltend mache. Jedoch liege auch eine Verletzung eigener Rechte wegen einer Verpflichtung zum Rückkauf der abgewiesenen Forderung vor. Die Grundrechtsverletzung habe auch besonderes Gewicht, da das Amtsgericht den besonderen Regelungsgehalt der GOZ verkannt habe. Er sei schließlich in existentieller Weise betroffen, weil die Bezeichnung als “unberechtigt bereichert” ihn gegenüber einer Vielzahl von Patienten herabsetze, was zu unabsehbaren wirtschaftlichen Folgen führen könne.

  • Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Erfolgsaussicht (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25 f.≫). Sie ist unzulässig und hätte auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.

    1. Eine zulässige Verfassungsbeschwerde setzt voraus, daß der Beschwerdeführer durch den angegriffenen Hoheitsakt selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen sein kann (vgl. BVerfGE 53, 30 ≪48≫). Im vorliegenden Fall war der Beschwerdeführer am Ausgangsverfahren nicht beteiligt. Das schließt eine eigene Grundrechtsbetroffenheit zwar nicht grundsätzlich aus. Doch reicht dazu eine bloß faktische Belastung nicht aus; vielmehr muß der Beschwerdeführer geltend machen, durch die staatliche Entscheidung unmittelbar rechtlich betroffen zu sein (BVerfGE 51, 386 ≪395≫). Daran fehlt es, soweit der Beschwerdeführer das amtsgerichtliche Urteil wegen einer Verletzung der Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG angreift.

    Der Beschwerdeführer ist selbst weder willkürlich behandelt noch in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden. Allenfalls ist er durch die vermeintlichen Grundrechtsverstöße gegenüber der Klägerin des Ausgangsverfahrens wirtschaftlich betroffen. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens konnte nämlich entsprechend ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen die rechtskräftig abgewiesene Honorarforderung rückübertragen und Erstattung des Kaufpreises verlangen. Ob die zahnärztliche Abrechnungsgesellschaft im konkreten Fall allerdings so verfahren ist, läßt sich der Verfassungsbeschwerde nicht eindeutig entnehmen. Dies kann aber auch dahinstehen, denn selbst eine Rückabwicklung der Forderungsabtretung mit entsprechender Erstattungsverpflichtung des Beschwerdeführers führte allenfalls zu einer wirtschaftlichen Belastung, nicht jedoch zu einem unmittelbaren Eingriff in Grundrechtspositionen des Beschwerdeführers.

    Eine unmittelbare und eigene Grundrechtsbetroffenheit könnte hingegen vorliegen, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Formulierungen in dem angegriffenen Urteil geltend macht. Insoweit genügt die Rüge der Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG jedoch nicht den Begründungsanforderungen der §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG. Aus dem Vortrag des Beschwerdeführers ergibt sich nicht mit hinreichender Deutlichkeit, daß ihn die Feststellung des Amtsgerichts, er sei “unberechtigt bereichert”, in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzen könnte (vgl. BVerfGE 78, 320 ≪329≫).

    2. Ungeachtet der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde ist auch in der Sache ein Verfassungsverstoß des Amtsgerichts nicht zu erkennen.

    Art. 103 Abs. 1 GG gebietet zwar, daß das Gericht einen erheblichen Beweisantrag in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozeßordnung berücksichtigt (vgl. BVerfGE 69, 141 ≪143≫). Doch ist die Entscheidung darüber, ob ein Beweisantrag erheblich ist, als fachgerichtliche Feststellung einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92≫). Im vorliegenden Fall hat sich das Amtsgericht mit den Beweisangeboten der Klägerin auseinandergesetzt, sie aber als unerheblich gewertet. Eine willkürliche Rechtsanwendung ist darin auch nicht ansatzweise zu erkennen.

    Auch ansonsten ist für die von dem Beschwerdeführer behauptete Willkür der amtsgerichtlichen Entscheidung nichts ersichtlich. Der angeblich willkürlich verkannte Regelungsgehalt der GOZ spielte für den Ausgang des Rechtsstreits keine Rolle, da es allein darum ging, ob zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beklagten die Erbringung der Leistungen auf privater Abrechnungsbasis vereinbart worden war oder nicht.

    Schließlich verletzt das in jeder Hinsicht sachlich formulierte Urteil des Amtsgerichts den Beschwerdeführer nicht in seinem durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

  • Dem Beschwerdeführer ist eine Mißbrauchsgebühr gemäß § 34 Abs. 2 BVerfGG aufzuerlegen. Die Einlegung der Verfassungsbeschwerde war mißbräuchlich.

    1. Die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde stellt einen Mißbrauch im Sinn des § 34 Abs. 2 BVerfGG dar, wenn die Verfassungsbeschwerde offensichtlich nicht geeignet ist, zur Fortentwicklung des Verfassungsrechts oder zur Abwehr einer individuellen grundrechtlichen Beschwer beizutragen und überdies das Bundesverfassungsgericht in der Wahrnehmung seiner Aufgaben behindert.

    a) Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist es, grundsätzliche Verfassungsfragen zu entscheiden, die für das Staatsleben, die Allgemeinheit und insbesondere die Grundrechtsverwirklichung des Einzelnen von Bedeutung sind (vgl. BVerfG, NJW 1997, S. 1433 ≪1434≫). Wie jedes staatliche Gericht, hat das Bundesverfassungsgericht seinen Rechtsschutz in angemessener Zeit zu leisten.

    b) Die offensichtliche Ungeeignetheit einer Verfassungsbeschwerde zur Fortentwicklung des Verfassungsrechts oder zur Abwehr einer grundrechtlichen Beschwer liegt insbesondere dann vor, wenn eine Verfassungsbeschwerde für einen Beschwerdeführer oder Rechtsanwalt, der mit dem Verfassungsprozeßrecht zumindest ansatzweise vertraut ist, ersichtlich unzulässig ist oder wenn die Verfassungsbeschwerde in der Sache jeder verfassungsrechtlichen Substanz entbehrt (vgl. BVerfG, NJW 1995, S. 1418 ≪1419≫; NJW 1996, S. 2785). Aber selbst eine zulässige und begründete Verfassungsbeschwerde kann in Ausnahmefällen mißbräuchlich sein, wenn die Annahmewürdigkeit nach § 93a Abs. 2 BVerfGG weder hinreichend dargetan noch aus sich heraus ersichtlich ist (vgl. BVerfG, NJW 1993, S. 384).

    aa) Nach § 93a Abs. 2 BVerfGG ist eine Verfassungsbeschwerde nur dann vom Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung anzunehmen, wenn der Verfassungsbeschwerde grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt oder wenn ihre Annahme zur Durchsetzung von Verfassungsrechten angezeigt ist. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Annahmevoraussetzungen im einzelnen konkretisiert (vgl. BVerfGE 90, 22).

    Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinn des § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG hat eine Verfassungsbeschwerde danach nur, wenn sie eine verfassungsrechtliche Frage aufwirft, die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz beantworten läßt und in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht geklärt ist oder die durch veränderte Verhältnisse erneut klärungsbedürftig geworden ist (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪24≫).

    Angezeigt im Sinn des § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG ist die Annahme der Verfassungsbeschwerde, wenn die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten besonderes Gewicht hat oder den Beschwerdeführer in existentieller Weise betrifft. Besonders gewichtig ist eine Grundrechtsverletzung, die auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet oder wegen ihrer Wirkung geeignet ist, von der Ausübung von Grundrechten abzuhalten. Eine geltend gemachte Verletzung hat ferner dann besonderes Gewicht, wenn sie auf einer groben Verkennung des durch ein Grundrecht gewährten Schutzes oder einem geradezu leichtfertigen Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen beruht oder rechtsstaatliche Grundsätze kraß verletzt. Eine existentielle Betroffenheit des Beschwerdeführers kann sich vor allem aus dem Gegenstand der angegriffenen Entscheidung und seiner aus ihr folgenden Belastung ergeben (vgl. BVerfGE 90, 22 ≪25≫).

    bb) Legt ein anwaltlich vertretener Beschwerdeführer nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar das Vorliegen der solchermaßen verfassungsgerichtlich konkretisierten Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG dar, stellt sich die Einlegung der Verfassungsbeschwerde jedenfalls dann, wenn zu einer solchen Darlegung Anlaß besteht, als mißbräuchlich dar. Anlaß zu einer nachvollziehbaren Darlegung der Annahmewürdigkeit besteht vor allem dann, wenn sich ein Beschwerdeführer in der Sache allein mit der Gehörs- oder Willkürrüge gegen ein stattgebendes oder abweisendes Zahlungsurteil wendet, von dem auf den ersten Anschein keine erhebliche Beschwer ausgeht. Das bedeutet nicht, daß die Gewährleistung rechtlichen Gehörs oder der Schutz vor willkürlichen Gerichtsentscheidungen Verfassungsrechte minderer Wichtigkeit wären. Es liegt aber in der Besonderheit von Verfassungsbeschwerden, deren Gegenstand eine Rüge der Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG ist, daß sie dem Bundesverfassungsgericht regelmäßig eine besonders zeitintensive Prüfung abverlangen, obwohl letztlich vielfach allein die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts in Frage steht, die zu überprüfen nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist (vgl. BVerfGE 18, 85 ≪92≫). Der hohe Bearbeitungsaufwand solcher Verfassungsbeschwerden ist nur gerechtfertigt, wenn die Annahmevoraussetzungen vorliegen können. Wird das Bundesverfassungsgericht durch einen Beschwerdeführer aber zu einer zeitintensiven Prüfung in einer Sache, die für den Betroffenen erkennbar kein besonderes Gewicht hat, gezwungen, ist dies mißbräuchlich, weil dadurch die Gewährleistung verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes in angemessener Zeit für zahlreiche andere Beschwerdeführer und Verfahrensbeteiligte behindert wird (vgl. BVerfG, NJW 1995, S. 1418 ≪1419≫).

    2. Im vorliegenden Fall hat der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer das Bundesverfassungsgericht angerufen, obwohl sich die Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, soweit sie eine Verletzung der Art. 3 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 GG rügt, geradezu aufdrängt. Soweit eine eigene Betroffenheit des Beschwerdeführers durch das amtsgerichtliche Urteil möglich war, entbehrte die Rüge einer Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts jeglicher verfassungsrechtlicher Substanz. Zudem hat der Beschwerdeführer sich zwar ausdrücklich mit den Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG auseinandergesetzt, letztlich aber nicht ansatzweise hinreichend darzulegen vermocht, daß die behaupteten Grundrechtsverletzungen in einer Sache, deren materielle Bedeutung unter 500,- DM lag, für ihn besonderes Gewicht hatten oder ihn sonst existentiell betrafen. Unter diesen Umständen erscheint eine Mißbrauchsgebühr in Höhe von 1.000 DM angemessen.

    Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Unterschriften

Papier, Grimm, Hömig

 

Fundstellen

Haufe-Index 1276157

EuGRZ 1998, 694

JurBüro 1999, 205

MedR 1999, 117

ZAuR 1999, 150

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