Orientierungssatz

Ist für Rechtsstreitigkeiten zwischen nichtärztlichen Leistungserbringern und Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung über die Vergütung medizinischer Badeleistungen der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben?

 

Normenkette

SGG § 51 Abs 1; RVO § 122 Abs 1 S 2, § 368 Abs 2 S 2, § 414e Abs 1 S 2 Buchst e, § 376d

 

Tatbestand

Die Kläger sind Mitglieder des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen eV im Bundesverband Deutscher Badebetriebe eV. Die beklagten Krankenkassen gehören der Arbeitsgemeinschaft der Dortmunder RVO-Kassen an. Der Landesverband der Badebetriebe und die Arbeitsgemeinschaft der Dortmunder RVO-Kassen schlossen im Mai 1978 eine rückwirkend ab 1. Januar 1978 geltende Preisvereinbarung. Sie sollte bis zum 31. März 1979 laufen und sich um ein Jahr verlängern, wenn sie nicht drei Monate vor Ablauf gekündigt werde. Mit Schreiben vom 21. Dezember 1978 kündigte der Landesverband der Badebetriebe diese Preisvereinbarung zum 31. März 1979. Ein neuer Vertrag kam nicht zustande. Auch der Abschluß eines sogenannten Rahmenvertrages zur Sicherstellung der Versorgung der Versicherten mit physikalischen und balneologischen Leistungen, den die Arbeitsgemeinschaft der Dortmunder RVO-Kassen dem Landesverband der Badebetriebe erstmals im Juni 1980 anbot, scheiterte. Gleichwohl erbrachten die Kläger weiter Leistungen für Versicherte der Beklagten und erhielten hierfür Vergütung nach den Sätzen der gekündigten Preisvereinbarung.

Mit den am 6. November 1980 erhobenen Klagen haben die Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer höheren Vergütung begehrt. Das Sozialgericht (SG) Dortmund hat die Klagen verbunden und sie als unzulässig abgewiesen, weil der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht gegeben sei. Das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt: Entgegen der Auffassung des SG handele es sich bei dem Streit über die von den Klägern geltend gemachten Vergütungsansprüche um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung, so daß der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet sei. Die Klage könne aber in der Sache keinen Erfolg haben. Die Beklagten seien auch nach dem 31. März 1979 nur zur Zahlung einer Vergütung in Höhe der bisherigen Sätze bereit gewesen. Dies hätten die Kläger gewußt. Wenn sie gleichwohl die Behandlungen durchgeführt hätten, anstatt deren Übernahme abzulehnen, seien von ihnen durch schlüssiges Verhalten die Preisbedingungen der Beklagten akzeptiert worden. Jedenfalls lasse sich bei dieser Sachlage über § 316 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) kein höherer Vergütungsanspruch begründen.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts und beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 14. Juli 1982 und das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Juni 1984 zu ändern und die Beklagten nach den in erster Instanz gestellten Anträgen zu verurteilen.

Die Beklagten beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Beigeladene schließt sich der Auffassung der Beklagten zu 1) an.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hat das Verfahren ausgesetzt und gemäß §§ 2 und 11 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (RechtsprEinhG) vom 19. Juni 1969 (BGBl I, 661) den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes angerufen, weil er in der Beantwortung der im Tenor bezeichneten Rechtsfrage von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) abweichen will.

1.) Der vorlegende Senat sieht den Streit zwischen nichtärztlichen Leistungserbringern und Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung über die Vergütung medizinischer Badeleistungen als eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung an und möchte davon ausgehen, daß der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gemäß § 51 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gegeben ist. Dem steht das Urteil des BGH vom 1. Juni 1977 - KZR 3/76 - BGHZ 69, 59 - entgegen. Darin geht der Kartellsenat des BGH - ohne dies zu begründen - davon aus, daß die ordentlichen Gerichte darüber zu entscheiden haben, ob die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet sind, einen Vertrag über die Vergütung von physikalisch-therapeutischen Leistungen mit Leistungserbringern abzuschließen. Die Ausführungen zum geltend gemachten Anspruch machen deutlich, daß der BGH die Vergütung medizinischer Badeleistungen als eine bürgerlich-rechtliche Frage betrachtet. Der Kläger könne, so heißt es in dem Urteil (BGHZ 69, 59, 60), nur aufgrund eines besonderen mit der Krankenkasse geschlossenen bürgerlich-rechtlichen Vertrages eine Vergütung für solche Leistungen verlangen. Die Entscheidung stimmt mit der Rechtsprechung des BGH zum Rechtscharakter von Verträgen überein, durch die sich Leistungserbringer verpflichten, den gesetzlichen Krankenkassen Hilfsmittel zu liefern (vgl Urteile des BGH vom 20. Oktober 1961 - KZR 1/61 - BGHZ 36, 91, 93 - Gummistrumpfurteil - und vom 12. Mai 1976 - KZR 14/75 - USK 76155 - Augenoptikerurteil -; siehe ferner Urteile vom 18. Dezember 1981 - I ZR 34/80 - BGHZ 82, 375, 381 - und - I ZR 116/80 - USK 81319 - Selbstabgabestellen der Ortskrankenkassen für Brillen -). Daß der Kläger des in BGHZ 69, 59 entschiedenen Falles ein Arzt für Orthopädie war, ist in diesem Zusammenhang rechtlich ohne Bedeutung. Er begehrte den Abschluß eines Vertrages über die Vergütung physikalisch-therapeutischer Leistungen nicht im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit, sondern für einen - neben seiner ärztlichen Praxis - zu führenden Badebetrieb. Die Frage, ob der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten oder zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist, ist also in dem vom BGH entschiedenen Fall und dem vorliegenden Rechtsstreit identisch und war bzw ist auch für die frühere und die neue Entscheidung rechtserheblich. Daher würde der vorlegende Senat von der Entscheidung des BGH abweichen, auch wenn in ihr nicht ausdrücklich zur Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges Stellung genommen worden ist; denn die in der Sache ergangene Entscheidung setzt denknotwendig voraus, daß der BGH den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für gegeben hält. Die Entscheidung der Rechtswegfrage war ein unabdingbares Glied in der Gedankenkette des Urteils vom 1. Juni 1977.

2.) Nach § 51 Abs 1 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ua über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialversicherung. Eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung - wie für das Kassenarztrecht in § 51 Abs 2 Satz 1 (vgl dazu BSGE 55, 144, 149; Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 2. Aufl, § 51 Anm 25; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl, § 51 Anm 10f, S 126 - 32. Nachtrag -) - für Streitigkeiten, die aufgrund der Beziehungen zwischen den Angehörigen der nichtärztlichen Heilhilfsberufe und den Krankenkassen entstehen. kennen weder das SGG noch die übrigen Prozeßordnungen.

Fehlt eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers, so bestimmt sich die Art einer Streitigkeit - öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich - nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klaganspruch hergeleitet wird (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluß vom 4. Juni 1974 - GmS-OGB 2/73 - BSGE 37, 292).

Zwischen den Angehörigen nichtärztlicher Heilhilfsberufe und den gesetzlichen Krankenkassen bestehen öffentlich-rechtliche Beziehungen. Zwar hat sich der Gesetzgeber bisher bei der Regelung des Verhältnisses der Heilhilfsberufe zu den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung sehr zurückgehalten. Die Tätigkeit von Badern, Heilgehilfen, Masseuren usw wird nur in wenigen Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) erwähnt: Nach § 122 Abs 1 Satz 2 iVm § 368 Abs 2 Satz 2 RVO umfaßt die ärztliche Behandlung Hilfeleistungen anderer Personen, wie Bader und Masseure, nur dann, wenn der Arzt sie anordnet oder wenn in dringenden Fällen kein approbierter Arzt zugezogen werden kann. Aus §§ 414e Abs 1 Satz 2 Buchst c und 1376d RVO ergibt sich, daß die Krankenkassen oder ihre bevollmächtigten Verbände berechtigt sind, ua mit Vereinigungen oder Verbänden von Heilhilfsberufen Vereinbarungen über die Erbringung der Leistungen und deren Preise abzuschließen.

Dagegen sind das Verhältnis der Ärzte zu den Krankenkassen und die kassenärztliche Versorgung in der RVO und den Zulassungsordnungen für Ärzte und Zahnärzte eingehend geregelt. In Rechtsprechung und Schrifttum besteht Einigkeit darüber, daß das Kassenarztrecht - unabhängig von der ausdrücklichen Rechtswegzuweisung in § 51 Abs 2 Satz 1 SGG - zum öffentlichen Recht zu rechnen ist (BGHZ 36, 91, 93; BSGE 11, 2, 5ff; Heinemann-Liebold, Kassenarztrecht, 5. Aufl, Band I Einführung A8).

Das gleiche gilt für das Rechtsverhältnis der Zahntechniker zu den gesetzlichen Krankenkassen (BVerfG, SozVers 1986, 21, 24; Zacher, Krankenkassen oder nationaler Gesundheitsdienst?, 1980, S 64; Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht, C 84), das nunmehr durch die mit dem Kostendämpfungsgesetz vom 27. Juni 1977 - BGBl I, 1069 - in die RVO aufgenommenen Vorschriften der §§ 368 Abs 6, 368f Abs 8, 368g Abs 5a und 368i Abs 3a bestimmt wird.

Auch die Rechtsbeziehungen der Hebammen und der Krankenkassen sind nach einhelliger Rechtsauffassung öffentlich-rechtlicher Natur (s zB BGHZ 36, 91, 93). Sie erwerben den Anspruch auf Vergütung unmittelbar aufgrund ihrer in der RVO geregelten Tätigkeit (vgl § 195 Nr 1 und § 196 Abs 2 RVO) sowie des § 376a RVO, der die Festsetzung der Gebühren der Hebammen durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung vorsieht (vgl dazu BGHZ 31, 24, 29; BSGE 10, 260, 262).

Das Fehlen spezieller gesetzlicher Beteiligungs- und Vergütungsregelungen für die Angehörigen der Heilhilfsberufe (s dazu Wilde, ZfS 1978, 103, 105) bedeutet indessen noch nicht, daß die Beteiligung nur aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages möglich wäre und daß Preisvereinbarungen zwischen Verbänden der nichtärztlichen Heilhilfsberufe und den Verbänden der Krankenkassen dem Privatrecht zugeordnet werden müßten (für die Beteiligung einer medizinisch-technischen Assistentin an der kassenärztlichen Versorgung s BSGE 38, 73, 74; für die Heilhilfsberufe s Bayer LSG, Breithaupt 1985, 645, 647).

Es kann hier dahinstehen, ob im Sinne der Zwei-Stufen-Theorie zwischen Zulassungsentscheidung (Beteiligung) und der vertraglichen Preisgestaltung zu unterscheiden ist (vgl dazu BSGE 21, 104, 109; 38, 73, 74f; Meyer-Ladewig, § 51 Anm 12; Schimmelpfeng, NJW 1976, 2293, 2295; OLG München, DOK 1980, 158). Denn die Rechtsbeziehungen der Angehörigen der Heilhilfsberufe zu den gesetzlichen Krankenkassen sind - soweit sie sich auf eine Tätigkeit im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung bzw ein Behandlung von Kassenpatienten beziehen - insgesamt öffentlich-rechtlicher Natur. Die Zurückhaltung des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung dieser Beziehungen kann nicht den Ausschlag geben. Entscheidend ist vielmehr, daß die Angehörigen der Heilhilfsberufe im Rahmen des gesetzlichen Krankenversicherungssystems tätig werden und für die Krankenkassen öffentliche Aufgaben erfüllen. Insoweit ergeben sich keine gravierenden Unterschiede zur Tätigkeit der Kassen(zahn)ärzte, der Zahntechniker, der Krankenhäuser, der Apotheker oder der Hebammen.

Nach § 179 Abs 1 Nr 2 RVO iVm § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst a, b und c RVO haben die gesetzlichen Krankenkassen den Versicherten als Krankenhilfe (in Form der Krankenpflege) ärztliche und zahnärztliche Behandlung, die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heilmitteln und Brillen sowie mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln zu gewähren. Dies geschieht dadurch, daß die Krankenkassen entweder selbst oder durch Einschaltung Dritter die Leistungen in Natur zur Verfügung stellen, ohne daß der Versicherte für die ihm gewährten Leistungen zunächst die Kosten tragen muß und sie später erstattet verlangen kann. Dieses sogenannte Natural- oder Sachleistungsprinzip ist ein wesentlicher Grundsatz der gesetzlichen Krankenversicherung (BSGE 42, 117, 119 und 229, 230; BSG in SozR 2200 § 508 Nr 2 sowie BSGE 46, 179, 181; s dazu auch Narr, SGb 1986, S 32) und unterscheidet die Sozialversicherung grundlegend von der Privatversicherung, die weitgehend auf dem Erstattungsprinzip beruht (Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Kommentar, 2. Aufl, Anm 1.1 vor § 179 RVO; vgl auch Dünisch, Die Erbringung und Beschaffung der ambulanten nichtärztlichen Dienst- und Sachleistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung, Dissertation 1983, S 18). Das Sachleistungsprinzip wird durch eine Reihe von Grundsätzen (s dazu Zacher, aaO, S 27ff) bestimmt, die sowohl für die Tätigkeit der Kassen(zahn)ärzte als auch für die der Angehörigen der nichtärztlichen Heilhilfsberufe gilt: Nach § 182 Abs 2 RVO muß die Krankenpflege ausreichend und zweckmäßig sein; sie darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Nach § 368 Abs 3 RVO ist Ziel der Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung, den Versicherten und ihren Familienangehörigen eine bedarfsgerechte und gleichmäßige ärztliche Versorgung, die auch einen ausreichenden Not- und Bereitschaftsdienst umfaßt, in zumutbarer Entfernung unter Berücksichtigung des jeweiligen Standes der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie der Möglichkeiten der Rationalisierung und Modernisierung zur Verfügung zu stellen. Diese Gebote für die Gewährung der Krankenpflege haben nicht die Interessen des einzelnen Kassenarztes oder sonstigen Leistungserbringers oder des einzelnen Patienten im Auge. Sie sind Ausdruck des öffentlichen Interesses an der Funktionsfähigkeit der kassenärztlichen Versorgung, die eine Aufgabe von Verfassungsrang ist (BSG SozR 2200 § 389Nr 1; BSGE 48, 258, 261). Nur wenn die Leistungen der Krankenkassen auf das unbedingt Notwendige beschränkt und das Wirtschaftlichkeitsgebot (s dazu BSGE 17, 79, 84; 26, 16, 20; § 69 Abs 2 des Vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs -SGB IV-; § 368n Abs 5 und § 368p Abs 1 Satz 1 RVO) beachtet werden, können die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ihrer gesetzlichen Verpflichtung auf Dauer nachkommen, die medizinische Versorgung sicherzustellen (vgl dazu § 368n Abs 1 RVO).

Da Bader und Masseure bei ihrer Berufsausübung, wenn sie Kassenpatienten "behandeln", in gleicher Weise wie die Kassen(zahn)ärzte, die Zahntechniker und die Hebammen in das Sachleistungssystem einbezogen und den hierfür geltenden Grundsätzen unterworfen sind, lassen sich keine stichhaltigen Argumente für eine unterschiedliche Beurteilung ihrer Rechtsbeziehungen zu den gesetzlichen Krankenkassen finden. Auch ihr Verhältnis zu den Krankenkassen ist öffentlich-rechtlicher Natur.

Richtig ist zwar, daß für die Angehörigen der Heilhilfsberufe - im Gegensatz zu den Hebammen - die Vergütung der Leistungen mit den gesetzlichen Krankenkassen vereinbart werden muß und daß insbesondere die Zulassung und die Kontrolle ihrer Tätigkeit nicht - wie bei den Kassenärzten - gesetzlich geregelt ist. Das ändert indes nichts an der Natur der Rechtsbeziehungen. Im Gegenteil. Denn auch der rechtlich mögliche und übliche Inhalt von Vereinbarungen, die das Tätigwerden von Angehörigen der Heilhilfsberufe im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Krankenversicherungssystems und die zu zahlende Vergütung regeln, zeigt, daß die Rechtsbeziehungen zu den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind. Es handelt sich nämlich bei solchen Vereinbarungen um öffentlich-rechtliche Verträge.

Für die Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Vertrag ist der Gegenstand der vertraglichen Regelung entscheidend. Ausgangspunkt der Untersuchung muß die Frage bilden, ob sich die Vereinbarung auf von der gesetzlichen Ordnung öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich geregelte Sachverhalte bezieht (BGHZ 32, 214, 215f; 35, 69, 71; 56, 365, 368; BVerwGE 42, 331, 332). Dabei ist auf den Gesamtcharakter der Vereinbarung abzustellen (BGHZ 56, 365, 372). Ob die Beteiligten Rechtssubjekte des öffentlichen oder privaten Rechts sind, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle (BGHZ 32, 214, 215). Auch ist es - entgegen der Annahme in BGHZ 36, 91, 93 - rechtlich irrelevant, ob die Vertragspartner sich in einem Verhältnis der Gleichordnung oder der Über- und Unterordnung gegenüberstehen (BSGE 37, 292, 295; BGHZ 89, 250, 252).

Die Vereinbarungen, die üblicherweise zwischen Verbänden von Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung und Vereinigungen von Angehörigen nichtärztlicher Heilhilfsberufe geschlossen werden, beziehen sich auf Sachverhalte, die von der gesetzlichen Ordnung öffentlich-rechtlich geregelt sind.

Soweit es um die Vereinbarung der Vergütung geht, ergibt sich dies heute vor allem aus § 376d RVO. Nach Abs 1 Satz 1 der genannten Vorschrift schließen die Krankenkassen oder die hierzu bevollmächtigten Verbände Vereinbarungen mit den Leistungserbringern über die Erbringung der Leistungen und deren Preise. Soweit keine einheitlichen Verzeichnisse (§ 376c) erstellt sind, können gemäß § 376d Abs 1 Satz 2 RVO auch Vereinbarungen über Art und Umfang der Leistungen getroffen werden. Bei den Vereinbarungen haben die Krankenkassen oder die bevollmächtigten Verbände die Empfehlungen der konzertierten Aktion im Gesundheitswesen angemessen zu berücksichtigen (§ 376d Abs 2 Satz 1 RVO). Die auf diese Weise vereinbarten Preise sind gemäß § 376d Abs 2 Satz 3 RVO Höchstpreise. Nach § 376d Abs 3 RVO kann eine Krankenkasse, soweit die bevollmächtigten Landes- oder Bundesverbände der Krankenkassen Preisvereinbarungen geschlossen haben, abweichende oder ergänzende Vereinbarungen (nur) treffen, wenn dadurch eine kostengünstigere Versorgung ihrer Mitglieder ermöglicht wird.

Die durch das Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz (KVEG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I, 1578) in die RVO eingefügte Vorschrift des § 376d bezweckt, die Krankenkassen auch gegenüber nichtärztlichen Leistungserbringern zur Sparsamkeit anzuhalten (vgl dazu Loytved, KrV 1984, 265, 269; Schirmer, BKK 1982, 59, 72). Dies geschieht auf zweierlei Wegen: Das Gesetz gibt dem Kollektivvertrag den Vorzug, weil es sich hiervon am ehesten eine preisdämpfende Wirkung verspricht. Die Vertragsfreiheit der einzelnen Krankenkasse wird eingeengt. Abweichende oder ergänzende Vereinbarungen dürfen - wenn Kollektivverträge bestehen - nur bei einer günstigeren Versorgung der Kassenmitglieder geschlossen werden. Aber auch auf den Inhalt der Kollektivverträge nimmt das Gesetz Einfluß, indem es den Krankenkassen oder den bevollmächtigten Verbänden vorschreibt, die Empfehlungen der konzertierten Aktion im Gesundheitswesen angemessen zu berücksichtigen. Wenn sich diese Anordnung auch nicht an die Vertragspartner der Krankenkassen wendet, so wird sie gleichwohl beim Abschluß der Verträge ihren Niederschlag finden, weil die Krankenkassen gebunden sind und ohne Berücksichtigung der Empfehlungen der konzertierten Aktion im Gesundheitswesen gesetzwidrig handeln würden. Wird aber - wie bei den Preisvereinbarungen mit den Vereinigungen von Leistungserbringern - im Interesse der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Krankenversicherungssystems der mögliche Inhalt solcher Verträge von vornherein durch gesetzliche Rahmenvorschriften eingeengt und ist die Tätigkeit, deren Vergütung den Gegenstand der Rahmenvorschrift bildet, selbst in das öffentlich-rechtliche Leistungssystem eingebunden, so können auch die entsprechenden Preisvereinbarungen nur als öffentlich-rechtliche Verträge angesehen werden (zu den Vereinbarungen der Krankenkassen mit den Apotheken s Narr, aaO, S 34).

Noch deutlicher wird der öffentlich-rechtliche Charakter, soweit die Vereinbarungen die Beteiligung am Leistungssystem, dh die Berechtigung zur Leistungserbringung und die Art und den Umfang des Tätigwerdens, festlegen. Um die für das Sachleistungsprinzip geltenden Grundsätze auch gegenüber den Angehörigen der Heilhilfsberufe durchsetzen zu können, enthalten die Vereinbarungen in der Regel Bestimmungen, die den gesetzlichen Krankenkassen weitgehende Kontroll- und Eingriffsrechte gewähren und die "Zulassung" des Leistungserbringers von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen (s hierzu Rohwer-Kahlmann, Im Dienst des Sozialrechts, Festschrift für Georg Wannagat, 1981, 351, 359; Narr, aaO, S 34 und - als ein Beispiel - die von den Spitzenverbänden der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung im Juni/Juli 1984 geschlossenen Vereinbarungen, Rundschreiben des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften eV vom 19. Juli 1984 - VB 72/84 -). Die vertragliche Regelung schließt damit die Lücke, die das Gesetz gelassen hat bzw schafft in Ergänzung der gesetzlichen Vorschriften die notwendige Rechtsgrundlage für das Tätigwerden der nichtärztlichen Leistungserbringer und die ihnen gegenüber durch die Krankenkassen auszuübende Kontrolle.

Der hier vertretenen Ansicht steht die krankenversicherungsrechtliche Einordnung der Tätigkeit der in § 122 Abs 1 Satz 2 RVO aufgeführten Hilfspersonen nicht entgegen. Wenn auch die Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 27. September 1963 - 2 RU 222/60 - SozR § 122 Nr 1; BSGE 33, 30, 31) die Tätigkeit - je nachdem, wie weit sie vom behandelnden Arzt beaufsichtigt wird - nur als Teil der ärztlichen Behandlung oder als Heilmittel iS von § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b RVO ansieht, rechtfertigt dies keineswegs eine andere Beurteilung der Rechtsbeziehungen dieser Leistungserbringer zu den gesetzlichen Krankenkassen als diejenigen der Kassen(zahn)ärzte, der Zahntechniker und der Hebammen. Zwar wird der Bader oder Masseur nur aufgrund einer Verordnung des Kassenarztes für die Krankenkasse tätig. Seine Berufsausübung hat jedoch eine Dienstleistung am Patienten zum Inhalt (Schimmelpfeng, aaO, 2294f; vgl dazu auch das Gesetz über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten vom 21. Dezember 1958 - BGBl 1958, 985 - zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Juni 1969 - BGBl I, 645, 666 -; zu den Berufsbildnern des Masseurs bzw des Masseurs und medizinischen Bademeisters s auch Korbmann, ErsK 1978, 198, 199; zum Unterschied zwischen der Tätigkeit eines Lieferanten von Hilfsmitteln und der "behandelnden" der Heilhilfsberufe s Wilde, aaO, 108). Dies setzt die Zuverlässigkeit der in das System der gesetzlichen Krankenversicherung einzubeziehenden Angehörigen der Heilhilfsberufe voraus. Im Interesse der Versichertengemeinschaft und der Funktionsfähigkeit dieses Systems muß deshalb für die Zulassung die Erfüllung bestimmter persönlicher und fachlicher Voraussetzungen verlangt werden und ist auch die Kontrolle der Tätigkeit der Heilhilfsberufe (dazu Schimmelpfeng, aaO, 2295) einschließlich der Abrechnung - wie bei den Kassenärzten (vgl dazu § 368n Abs 5 RVO und den Überblick bei Krauskopf/Siewert, Das Kassenarztrecht, 3. Aufl, S 121ff) unentbehrlich.

Die bisherigen Ausführungen machen auch deutlich, daß sich der Einsatz der Heilhilfsberufe nicht im Rahmen fiskalischer Hilfsgeschäfte vollzieht. Solche Hilfsgeschäfte (zB Kauf von Büromaterial, Mieten geeigneter Diensträume, Übertragung von Bewachungs- oder Reinigungsarbeiten auf private Unternehmen) dienen nur allgemein Verwaltungszwecken. Sie ermöglichen oder erleichtern die Erledigung öffentlicher Aufgaben. Dagegen sind die Verträge zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und den nichtärztlichen Leistungserbringern und die durch sie vereinbarte Tätigkeit der Heilhilfsberufe unmittelbar auf Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Krankenkassen, nämlich der Versorgung der Versicherten, gerichtet. Die Krankenkassen nehmen damit hoheitliche Aufgaben wahr und sind den Bedingungen des öffentlichen Rechts unterworfen (vgl hierzu Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band I, Allgemeiner Teil, 10. Aufl, 1973, S 124f; Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 8. Aufl, § 42 RdNr 42; Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 8. Aufl, § 40 Anm 21 und 42 Anm 62). Die Krankenkasse, die den öffentlich-rechtlichen Sachleistungsanspruch im allgemeinen gar nicht selbst erfüllen kann, bedient sich der Leistungserbringer, die ebenso wie andere Leistungserbringer (zB Ärzte, Zahnärzte, Zahntechniker, Krankenhäuser, Apotheker, Hebammen) in das öffentliche Leistungssystem eingebunden sind, auch wenn die gesetzliche Regelung noch nicht so konkret ausgestaltet ist wie bei den genannten Leistungserbringern. Die Rechtsbeziehungen der Krankenversicherungsträger zu all diesen Leistungserbringern, die den öffentlich-rechtlichen Leistungsanspruch für die Krankenkasse erfüllen, können nicht für die einzelnen Leistungserbringer unterschiedlichen Charakter haben. Die unterschiedliche gesetzliche Regelung in der RVO wird nur der unterschiedlichen Interessenlage gerecht, hat aber keinen Einfluß auf die Zuordnung zum öffentlichen Recht.

Für den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit spricht schließlich auch der Gesichtspunkt der Sachnähe (vgl dazu BSGE 37, 292, 296 und 38, 73, 75 sowie BGHZ 89, 250, 252; Wilde, aaO, 106). Wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, besteht zwischen dem Inhalt der Vereinbarungen über das Tätigwerden der Angehörigen der Heilhilfsberufe und die dafür festzulegende Vergütung ein enger Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften der RVO. Diese bestimmen weitgehend den zulässigen Inhalt der Vereinbarungen sowie Art und Umfang der Tätigkeit für Kassenpatienten. Die Richter der Sozialgerichtsbarkeit besitzen daher für die Beurteilung der Rechtsbeziehungen zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und allen Leistungserbringern (soweit sie durch Vereinbarungen näher ausgestaltet werden) die größte Sachkunde.

3.) Daß die Kläger den von ihnen geltend gemachten Anspruch auf eine höhere Vergütung möglicherweise nicht auf eine gültige Preisvereinbarung stützen können, führt zu keiner anderen Beurteilung der Rechtswegfrage. Sind, wie der vorlegende Senat annimmt, die Rechtsbeziehungen zwischen Angehörigen der Heilhilfsberufe und den gesetzlichen Krankenkassen öffentlich-rechtlicher Natur, so kommt es im Einzelfall nur darauf an, ob der jeweilige Leistungserbringer tatsächlich am öffentlich-rechtlichen Krankenversicherungssystem beteiligt worden ist. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Kläger haben mit Billigung der beklagten Krankenkassen auch über den 31. März 1979 hinaus Leistungen erbracht. Ihre Beziehungen zu den Beklagten sind deshalb öffentlich-rechtlicher Natur, auch soweit zwischen ihnen die Höhe der zu zahlenden Vergütung streitig ist.

4.) Das BVerfG führt in seinem Beschluß vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 449/82 ua - SozVers 1986, 21, 23f - ausgehend von der hier abgelehnten Rechtsmeinung - aus, daß die Anbieter von Heil- und Hilfsmitteln zwar (noch) nicht, wie die Zahntechniker, in das öffentlich-rechtlich ausgestaltete Vertragssystem der RVO eingebunden seien. Die neuere Entwicklung lasse jedoch auch in ihrem Bereich Annäherungen der Rechtslage an dieses System erkennen. Soweit das der Fall sei, unterlägen die Leistungserbringer in erhöhtem Maße der Einwirkung sozialstaatlicher Gesetzgebung. Der vorlegende Senat ist demgegenüber der Auffassung, daß die neuere Entwicklung nicht nur zu einer Annäherung der Rechtslage der Angehörigen der Heilhilfsberufe geführt hat, sondern daß diese Berufsgruppen, soweit sie im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Krankenversicherungssystems tätig werden, in dieses einbezogen sind und daß die Heilhilfsberufe damit - nach jahrzehntelanger Rechtsentwicklung - in ihrem Verhältnis zu den gesetzlichen Krankenkassen die Schwelle von den privatrechtlichen lzu öffentlich-rechtlichen Beziehungen überschritten haben. Dies sollte auch in der Rechtsprechung seinen Niederschlag finden. Ein solcher Wandel von privatrechtlichen zu öffentlich-rechtlichen Beziehungen ist kein Novum. So wurden zB die Beziehungen der Ärzte zu den gesetzlichen Krankenkassen als privatrechtlich angesehen, solange jeder einzelne Arzt mit der Krankenkasse einen Vertrag schloß. Mit Abschluß von Gesamtverträgen zwischen örtlichen Ärzteorganisationen und einzelnen Kassen trat langsam eine Wandlung vom privatrechtlichen zum öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnis ein (s dazu Heinemann/Liebold, Bd 1, Einführung A8; zu den Einzelheiten der historischen Entwicklung s auch BVerfGE 11, 30, 31ff). Die Rechtsbeziehungen zwischen den nichtärztlichen Leistungserbringern und den gesetzlichen Krankenkassen werden aber heute, wie bei den Kassen- und Vertragsärzten (s dazu die Vereinbarungen über die Gesamtvergütung - § 368f RVO -, die Bundesmantelverträge- § 368g RVO - und den Ersatzkassenvertrag) oder bei den Krankenhäusern (s hierzu die Verträge nach § 372 RVO) durch Kollektivverträge näher ausgestaltet. Der Übergang vom Einzel- zum Kollektivvertrag und die - im öffentlichen Interesse erfolgende - Einflußnahme des Gesetzgebers auf den Inhalt solcher Kollektivverträge sind aber entscheidende Marksteine auf dem Weg zu öffentlich-rechtlichen Beziehungen (s in diesem Zusammenhang auch BGHZ 89, 250, 255ff, - Anerkennung der sozialrechtlichen Natur des Kostenanspruchs der Krankenhausträger gegen die gesetzlichen Krankenkassen - und die Anmerkung von Meydam, BKK 1984, 340: Das Urteil sei "für die Zivilrechtsprechung bahnbrechend"; s ferner Narr, aaO, S 33).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663912

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