Leitsatz (amtlich)

1. BVG § 7 Abs 1 Nr 3 Alternative 1 enthält - über die in den BVG §§ 1 bis 5 geregelten Tatbestände hinaus - keinen besonderen versorgungsrechtlich geschützten Tatbestand für Personen, die nicht Deutsche oder deutsche Volkszugehörige ("andere Kriegsopfer") sind.

2. Die Strafhaft eines "anderen Kriegsopfers", die von seinem Heimatstaat wegen Zugehörigkeit zur freiwilligen Waffen-SS verhängt wurde, war keine Kriegsgefangenschaft iS des BVG § 1 Abs 2 Buchst b.

 

Normenkette

BVG § 1 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20, Abs. 2 Buchst. b Fassung: 1950-12-20, § 2 Fassung: 1953-08-07, § 3 Fassung: 1950-12-20, § 4 Fassung: 1950-12-20, § 5 Fassung: 1953-08-07, § 7 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 Fassung: 1950-12-20

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 11. Dezember 1967 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der am 4. April 1919 in Fleury/Ardelle (Frankreich) geborene Kläger ist belgischer Staatsangehöriger. Er wurde 1940 zur deutschen Luftwaffe dienstverpflichtet, trat aber im August 1941 freiwillig in die Waffen-SS ein. Als Angehöriger der SS-Freiw. Sturmbrigade Wallonien nahm er zwischen 1941 und 1945 an den Kämpfen an der Ostfront teil. Er erreichte den Dienstgrad eines SS-Scharführers. Während des Krieges heiratete er im November 1943 in B eine Deutsche.

Im Mai 1945 geriet er in der Nähe von Stettin in russischen Gewahrsam. Zu dieser Zeit trug er bereits Zivilkleidung. Nachdem er den Russen seinen belgischen Paß vorgewiesen hatte, kam er zunächst in ein Sammellager, aus dem er nach kurzer Zeit mit der Auflage entlassen wurde, sich jeden Tag auf der russischen Kommandantur zu melden. Später kam er nach W (Mecklenburg), wo sich seine Frau aufhielt; er durfte diesen Ort nicht verlassen. In einem von russischen Soldaten bewachten Sammeltransport wurde er mit seiner Familie nach W gebracht und dort den Engländern übergeben, die ihn in einem ebenfalls überwachten Transport über L und K nach Belgien beförderten. In Belgien wurde er beim Verlassen des Zuges verhaftet und in das Internierungslager P gebracht. Der Kläger wurde im Juni 1946 durch Urteil des Kriegsrates in K (C) wegen seines für das ehemalige Deutsche Reich geleisteten Kriegsdienstes, insbesondere wegen seiner Zugehörigkeit zur SS-Sturmbrigade Wallonien zu fünfzehn Jahren außerordentlicher Haft verurteilt; dieses Urteil wurde durch den Militärgerichtshof in Brüssel (franz. Kammer) im Dezember 1946 bestätigt.

Im April 1947 wurde bei dem Kläger ein Zwölffingerdarmgeschwür festgestellt; er wurde darauf im Mai 1949 vorzeitig aus der Haft entlassen. Er nahm zunächst eine Berufstätigkeit auf. Im Jahre 1950 wurde bei dem Kläger eine doppelseitige Lungen-Tbc festgestellt; er wurde bis Januar 1956 wiederholt in Kliniken und Sanatorien behandelt. Zwischen 1957 und 1959 übte er wieder eine Erwerbstätigkeit aus.

Im November 1960 verlegte der Kläger seinen Wohnsitz in die Bundesrepublik, und zwar nach Hildesheim. Er beantragte darauf, ihm wegen seiner Lungen-Tbc, die er auf seine Haft in Belgien zurückführte, Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu gewähren. Das Versorgungsamt H lehnte mit Bescheid vom 16. Oktober 1961 den Antrag ab, weil es sich bei der während der Strafhaft in Belgien entstandenen Gesundheitsstörung nicht um eine Schädigung im Sinne des BVG handele. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid des Landesversorgungsamtes Niedersachsen vom 14. März 1962).

Mit der Klage beim Sozialgericht (SG) Hildesheim hat der Kläger geltend gemacht, die Freiheitsstrafe, die er wegen seiner Zugehörigkeit zur deutschen Wehrmacht erlitten habe, sei als Versorgungsgrund anzusehen. Es sei ihm im Jahre 1945 nicht möglich gewesen, in Deutschland zu bleiben, er sei von den Siegermächten nach Belgien abgeschoben worden und habe sich deshalb der Strafverfolgung in Belgien nicht entziehen können. Das SG hat medizinische Erhebungen über die Ursache der Lungen-Tbc des Klägers vorgenommen. Der Facharzt für innere Medizin Dr. E hat bei dem Kläger eine produktiv-cirrhotische Lungen-Tbc beiderseits mit erheblicher Einengung der rechten Brustkorbhälfte und Rechtsverbiegung der Brustwirbelsäule infolge ausgedehnter Rippenfellverschwartung rechts festgestellt und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 100% bis Ende 1965 und mit 80% vom 1. Januar 1966 an angenommen. Als wahrscheinliche Ursache dieses Leidens hat er die Haftzeit in Belgien bezeichnet, jedoch sei auch eine Entstehung während des Fronteinsatzes in Rußland möglich.

Das SG Hildesheim hat mit Urteil vom 25. November 1966 der Klage stattgegeben. Es hat festgestellt, daß die Lungen-Tbc des Klägers Schädigungsfolge ist, und den Beklagten verurteilt, an den Kläger eine Rente zu zahlen, und zwar vom 1. November 1960 bis 31. Dezember 1965 nach einer MdE von 100 v. H. und vom 1. Januar 1966 an nach einer MdE von 80 v. H. Es hat den Versorgungsanspruch auf die für Ausländer geltende Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 3, 1. Alternative BVG gestützt. Nach dieser Vorschrift genüge zur Begründung eines Versorgungsanspruchs, daß die Schädigung "mit" einem Dienst in der deutschen Wehrmacht in ursächlichem Zusammenhang stehe, es sei nicht, wie nach § 1 Abs. 1 BVG notwendig, daß die Schädigung "durch" eine militärische Dienstverrichtung oder einen Unfall während der Ausübung des militärischen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse entstanden sei. Der nach § 7 Abs. 1 Nr. 3, 1. Alternative BVG erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen dem Dienst in der deutschen Wehrmacht, den der Kläger geleistet habe, und der Haft in Belgien, in der die Lungen-Tbc entstanden sei, sei gegeben, obwohl der Kläger die Gesundheitsschädigung nicht durch eine konkrete Dienstleistung erlitten habe; der Versorgungsanspruch sei daher begründet.

Mit der Berufung an das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat der Beklagte vorgebracht, das SG habe § 7 Abs. 1 Nr. 3, 1. Alternative BVG unrichtig ausgelegt; diese Vorschrift enthalte keinen "zusätzlichen" Versorgungstatbestand für Ausländer, schränke vielmehr den Kreis der anspruchsbegründenden Grundtatbestände für Ausländer ("andere Kriegsopfer") ein. Dem Kläger stehe kein Versorgungsanspruch zu, weil er nicht durch eine Dienstleistung im Sinne des § 1 Abs. 1 BVG eine Gesundheitsschädigung erlitten habe. Eine Kriegsgefangenschaft erfülle nicht die Voraussetzung des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG; das Festhalten des Klägers in seinem Heimatstaat Belgien könne im übrigen nicht als Kriegsgefangenschaft gewertet werden.

Auch die beigeladene Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, hat sich in diesem Sinne geäußert.

Das LSG hat mit Urteil vom 11. Dezember 1967 das Urteil des SG Hildesheim aufgehoben und die Klage abgewiesen: Es sei mit dem SG davon auszugehen, daß der Kläger die deutsche Staatsangehörigkeit nicht erworben habe und auch nicht deutscher Volkszugehöriger sei. Die Lungen-Tbc des Klägers sei nach den medizinischen Erhebungen auf die Haft des Klägers in Belgien zurückzuführen; dies sei aus Rechtsgründen kein Versorgungstatbestand im Sinne des BVG. Entgegen der Ansicht des SG sei § 7 Abs. 1 Nr. 3, 1. Alternative BVG nicht dahin auszulegen, daß er über die §§ 1 bis 5 BVG hinaus einen Versorgungsanspruch für nichtdeutsche Kriegsopfer gewähre. Die Voraussetzungen eines Versorgungsanspruchs nach dem BVG lägen nicht vor. Ein Tatbestand im Sinne des § 1 Abs. 1 BVG sei nicht erfüllt, weil das Leiden des Klägers nicht während seines Dienstes bei der Wehrmacht, vielmehr erst während seiner Haftzeit in Belgien entstanden sei. Diese Haftzeit sei keine Kriegsgefangenschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG gewesen, weil es sich um eine Maßnahme des Heimatlandes gehandelt habe. Auch als Internierung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG könne die über den Kläger verhängte Haft nicht angesehen werden, weil er nicht deutscher Staatsangehöriger oder Volkszugehöriger sei. Die Strafverbüßung des Klägers in Belgien sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer "offensichtlich unrechten Straf- oder Zwangsmaßnahme" in Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. d BVG als versorgungsrechtlicher Tatbestand zu werten; hierzu rechneten nämlich nur Maßnahmen deutscher Stellen. Schließlich könne dem Beklagten keine fehlerhafte Ausübung seines Ermessens bei der Ablehnung der Versorgung nach § 8 BVG ("Kann-Versorgung") vorgeworfen werden. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger hat fristgemäß und formgerecht Revision eingelegt. Er beantragt,

das Urteil des LSG Niedersachsen vom 11. Dezember 1967 aufzuheben und die Berufung des beklagten Landes zurückzuweisen.

Er rügt, das LSG habe § 7 Abs. 1 Nr. 3 iVm § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG verletzt. Ursächlich für seine Festnahme sei gewesen, daß die sowjetischen Truppen in ihm, der im wehrfähigen Alter gestanden habe, den Angehörigen einer feindlichen Macht vermutet hätten. Er sei daher in Kriegsgefangenschaft geraten. Auch seine spätere, nicht lagermäßige Unterbringung habe seine Kriegsgefangenschaft nicht beendet, obwohl der wahre Grund der Freilassung die Unkenntnis über seine frühere Zugehörigkeit zu einer Einheit der deutschen Wehrmacht gewesen sei. Eine wirkliche Freilassung habe jedoch weder in diesem Zeitpunkt noch während des Transports nach Belgien vorgelegen, da es ihm nicht möglich gewesen sei, sich seiner Verbringung in sein Heimatland und damit der Strafverfolgung wegen seines Dienstes in der deutschen Wehrmacht zu entziehen. Eine Unterbrechung der Kriegsgefangenschaft habe seit seiner Verbringung aus sowjetischem Machtbereich bis zu seiner Entlassung aus der Haft in Belgien nicht vorgelegen. Ihm stehe demnach ein Versorgungsanspruch nach § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG iVm § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG zu, da Ursache seiner Haft ausschließlich seine Zugehörigkeit zur deutschen Wehrmacht gewesen sei.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Die Revision des Klägers ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 Abs. 2, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -); sie ist jedoch sachlich nicht gerechtfertigt.

Streitig ist, ob die Lungen-Tbc des Klägers die Folge einer Schädigung im Sinne des BVG ist und dem Kläger damit ein Versorgungsanspruch zusteht.

Nach den unangegriffenen und damit für das Revisionsgericht bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG, hat der Kläger seine gesundheitliche Schädigung nicht bei seinem militärischen Einsatz in der deutschen Luftwaffe oder der SS-Freiw. Sturmbrigade Wallonien, also nicht durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse erlitten (§ 1 Abs. 1 BVG). Ursache dieser gesundheitlichen Schädigung ist vielmehr die Strafhaft, die der Kläger nach dem Kriege in Belgien wegen seiner Zugehörigkeit zur SS-Freiw. Sturmbrigade Wallonien verbüßt hat.

Das LSG ist ferner davon ausgegangen, daß der Kläger weder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt noch deutscher Volkszugehöriger ist, daß er vielmehr Belgier ist. Die tatsächlichen Feststellungen, die das LSG zu dieser Auffassung geführt haben, sind ebenfalls mit Revisionsgründen nicht angefochten; sie sind daher für das Bundessozialgericht (BSG) bindend (§ 163 SGG). Auch die Revision stimmt mit dem LSG darin überein, daß der Versorgungsanspruch des Klägers nach der für "Ausländer" (andere "Kriegsopfer") geltenden Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG zu beurteilen ist; dies trifft auch zu.

Nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG idF des Ersten Neuordnungsgesetzes (1. NOG) "wird das Gesetz (BVG) auch angewendet auf Ausländer, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, wenn die Schädigung mit dem Dienst im Rahmen der deutschen Wehrmacht oder militärähnlichen Dienst für eine deutsche Organisation in ursächlichem Zusammenhang steht (1. Alternative) oder in Deutschland oder in einem zur Zeit der Schädigung von der deutschen Wehrmacht besetzten Gebiet durch unmittelbare Kriegseinwirkung eingetreten ist" (2. Alternative). Ob § 7 BVG idF des 1. NOG vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453), des 2. NOG vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85) oder des 3. NOG vom 28. Dezember 1966 (BGBl I 750) anzuwenden ist, kann offenbleiben, weil die Vorschrift ihrem Inhalt nach durch das 2. und 3. NOG nicht geändert worden ist. Zwar ist das Wort "Ausländer" durch die Worte "andere Kriegsopfer" ersetzt worden; unter diesen Begriff fallen jedoch noch immer Ausländer, die nicht deutsche Volkszugehörige sind (BSG, Urteil vom 14. März 1967 - 10 RV 909/65 -, BVBl 1968, 27). Ein Versorgungsanspruch nach § 7 Abs. 1 Nr. 3, 2. Alternative BVG scheidet hier schon deshalb aus, weil der Kläger die gesundheitliche Schädigung in Belgien erlitten hat, und zwar zu einem Zeitpunkt, als Belgien nicht mehr von der deutschen Wehrmacht besetzt war. Die Voraussetzungen eines Versorgungsanspruchs nach § 7 Abs. 1 Nr. 3, 1. Alternative BVG sind zwar insofern erfüllt, als der Kläger als Angehöriger der deutschen Luftwaffe und der SS-Freiw. Sturmbrigade Wallonien "Dienst im Rahmen der deutschen Wehrmacht oder militärähnlichen Dienst für eine deutsche Organisation" geleistet hat und er seinen jetzigen Wohnsitz im Geltungsbereich des BVG hat; gleichwohl hat er keinen Anspruch auf Versorgung nach dieser Vorschrift, weil seine Gesundheitsstörung nicht auf einem der schädigenden Vorgänge im Sinne der §§ 1 bis 5 BVG beruht.

Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG (1. Alternative) ist, wie das LSG zutreffend angenommen hat, dahin auszulegen, daß Ausländer (andere Kriegsopfer), die im Zusammenhang mit einem Dienst im Rahmen der deutschen Wehrmacht eine Schädigung erlitten haben (und im Geltungsbereich des BVG wohnen), dann einen Anspruch auf Versorgung haben, wenn - wie es auch der Versorgungsanspruch eines Deutschen voraussetzt - ein Schädigungstatbestand im Sinne der §§ 1 bis 5 BVG vorliegt. Der Auffassung des SG, § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG, 1. Alternative, begründe für die unter dieser Vorschrift fallenden Personen, also für Ausländer (andere Kriegsopfer), schon dann einen selbständigen Versorgungsanspruch, wenn eine Gesundheitsschädigung mit einem Dienst im Rahmen der deutschen Wehrmacht ursächlich zusammenhänge, ohne daß ein versorgungsrechtlich geschützter Tatbestand im Sinne der genannten Vorschriften erfüllt sein müsse, vermag der Senat, ebenso wie das LSG, nicht zu folgen.

Sinn und Zweck des § 7 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alternative BVG ergeben, daß für Ausländer (andere Kriegsopfer) die Versorgungsregelung des BVG gelten soll, vorausgesetzt, daß die Schädigung, die sie erlitten haben, "mit einem Dienst im Rahmen der deutschen Wehrmacht oder militärischem Dienst für eine deutsche Organisation in einem ursächlichen Zusammenhang steht". Mit dieser Voraussetzung ist aber kein besonderer Versorgungsgrund für Ausländer in dem Sinne normiert worden, daß allgemein und ohne daß einer der Schädigungstatbestände im Sinne der §§ 1 bis 5 BVG erfüllt ist, für Schädigungen, die mit einem Dienst im Rahmen der deutschen Wehrmacht in einem ursächlichen Zusammenhang stehen, Versorgung gewährt werden soll. Das BVG macht den Anspruch auf Versorgung grundsätzlich von dem Vorliegen eines bestimmten gesetzlichen Versorgungstatbestandes im Sinne der §§ 1 bis 5 BVG abhängig; für den Versorgungsanspruch von Ausländern kann nichts anderes gelten. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 3, 1. Alternative BVG erweitert nicht den Kreis der anspruchsbegründenden Tatbestände für Ausländer ("andere Kriegsopfer"), sie schränkt ihn vielmehr ein. Wenn in dieser Vorschrift von Schädigungen gesprochen wird, die mit einem Dienst im Rahmen der deutschen Wehrmacht oder einem militärähnlichen Dienst für eine deutsche Organisation in ursächlichem Zusammenhang stehen, so soll damit zum Ausdruck gebracht werden, daß die Ausländerversorgung insoweit auf den Verantwortungsbereich der deutschen Wehrmacht beschränkt bleiben soll. Nicht erfaßt von dieser Ausländerversorgung werden danach Schädigungen der Ausländer, die zwar auch auf der Seite der deutschen Wehrmacht gekämpft haben, aber in eigenen militärischen Verbänden (mit eigenen politischen und militärischen Zielen), und zwar in Verbänden, die auch organisatorisch - gegenüber der deutschen Wehrmacht - selbständig geblieben sind, wie das z. B. bei den Cetnik- und Ustascha-Einheiten der Fall gewesen ist (BSG 21, 266, Urteil des BSG vom 14. März 1967 - 10 RV 909/65, BVBl 1968, 27). In diesem Sinne ist der Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 3, 1. Alternative BVG zu verstehen und nicht in dem Sinne, daß für die Ausländerversorgung dem System des BVG widersprechend auf "differenzierte Tatbestände" als Voraussetzung des Versorgungsanspruchs verzichtet wird. Die Schädigung, von der § 7 Abs. 1 Nr. 3, 1. Alternative BVG spricht, ist danach die Schädigung, die nach § 1 BVG einen Anspruch überhaupt begründen kann, soweit § 1 BVG für Ausländer in Betracht kommt. § 7 Abs. 1 Nr. 3, 1. Alternative BVG gewährt demnach keinen Versorgungsanspruch, sondern bestimmt nur den Personenkreis, der bei Vorliegen eines Tatbestandes des § 1 BVG Versorgung beanspruchen kann. Es ist danach zu prüfen, ob ein versorgungsrechtlich geschützter Tatbestand im Sinne der §§ 1 bis 5 BVG vorliegt, der den Anspruch des Klägers zu stützen vermag.

Da die Lungen-Tbc des Klägers nicht bei seinem militärischen Einsatz während seiner Zugehörigkeit zur deutschen Wehrmacht, sondern erst während seiner Strafhaft in Belgien entstanden ist, scheidet die Anwendung des § 1 Abs. 1 BVG aus. Voraussetzung dieser Vorschrift ist, daß der Dienstleistende durch eine konkrete Dienstleistung eine Gesundheitsstörung erleidet, wobei die Dienstverrichtung die wesentliche Bedingung im Sinne der Kausalitätsnorm des BVG für den Eintritt der gesundheitlichen Schädigung sein muß. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BVG liegen nicht vor, wenn - wie hier - der Dienstleistende lediglich in mittelbarem Zusammenhang mit seinem Dienst später von seinem Heimatland inhaftiert wird und dadurch eine Gesundheitsstörung erleidet.

Der Senat vermag auch - mit den LSG - der Ansicht des Klägers, der Versorgungsanspruch sei nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG iVm § 1 Abs. 2 Buchst. b (Kriegsgefangenschaft) begründet, nicht zu folgen. Es kann dahingestellt bleiben, ob - wie der Beklagte und die Beigeladene meinen - eine Kriegsgefangenschaft (§ 1 Abs. 2 Buchst. b BVG) nicht die in § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG genannten Voraussetzungen der "Ausländerversorgung" erfüllt (a. M. BSG, Urteil vom 14. März 1967, aaO, wonach die Gefangenschaft eines Ausländers des in § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG, 1. Alternative bezeichneten Personenkreises bei einer feindlichen Macht - nicht seinem Heimatstaat - als Kriegsgefangenschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG zu werten ist). Eine Kriegsgefangenschaft des Klägers im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG hat hier jedenfalls nicht vorgelegen. Für die Beurteilung der Frage, ob sich der Kläger nach seiner Inhaftierung und Verurteilung in Belgien in Kriegsgefangenschaft befunden hat, kommt es nicht darauf an, ob er freiwillig oder gegen seinen Willen nach Belgien gelangt ist. Selbst wenn der Kläger - entgegen der Annahme des LSG -, als er im April 1945 in die Gewalt russischer Truppen geraten war, damit Kriegsgefangener geworden und dies auch noch während seines Transports nach Belgien noch geblieben wäre, so hat diese Kriegsgefangenschaft jedenfalls mit der Verbringung in sein Heimatland Belgien aufgehört. Die Haft und Strafverbüßung des Klägers in Belgien ist keine "fortgesetzte Kriegsgefangenschaft"; sie wäre es auch nicht, wenn sich der Kläger der Repatriierung und damit der Strafverfolgung in Belgien nicht hat entziehen können. Der hier vorliegende Fall ist nicht mit dem gleichzustellen, in dem ein Ausländer mit oder ohne Status eines Kriegsgefangenen von der Gewahrsamsmacht an eine fremde Macht zur Strafverfolgung ausgeliefert wird.

Der Begriff der Kriegsgefangenschaft ist im BVG in dem im Völkerrecht üblichen Sinne auszulegen, also gemäß dem Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkriegs vom 18. Oktober 1907 (RGBl 1910, 107) und dem Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen vom 27. Juli 1929 (RGBl II 1934, 227), das durch das Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über die Behandlung der Kriegsgefangenen (BGBl II 1954, 781) ersetzt worden ist (so BSG und Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - in ständiger Rechtsprechung; vgl. BSG, Urteil vom 5. September 1956 - 9 RV 192/54 - BSG 3, 268, 269; Urteil vom 23. August 1960 - 9 RV 550/57 - SozR BVG § 1 Nr. 49; Urteil vom 7. Dezember 1961 - 8 RV 549/60 -; BVerwG, Urteil vom 8. Juli 1957 - Buchholz: Sammlung BVerwG 412.2 HkG § 1 Nr. 1; Urteil vom 25. Februar 1965 - Buchholz: Sammlung BVerwG 235, BBesG § 6 Nr. 2). Danach ist Kriegsgefangener, wer wegen seiner Zugehörigkeit zu einem militärischen oder militärähnlichen Verband gefangen genommen worden ist und von einer ausländischen Macht festgehalten wird (BSG, Urteil vom 23. August 1960 - 9 RV 550/57 - SozR BVG § 1 Nr. 49). Die Haftzeit des Klägers in Belgien war keine Kriegsgefangenschaft, weil Belgien für den Kläger keine "ausländische" Macht ist. Zutreffend hat das LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 17. Mai 1966 - Breithaupt 1966, 1022 bis 1024) in einem ähnlich gelagerten Fall entschieden, daß § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG ausscheide, weil der Geschädigte zur Zeit der Inhaftierung in Belgien die belgische Staatsangehörigkeit besessen und mithin schon begrifflich nicht habe Kriegsgefangener sein können. Der 10. Senat des BSG hat im Urteil vom 14. März 1967 (10 RV 909/65 - BVBl 1968, 27, 28) zwar nicht entschieden, wohl aber als "sehr bedenklich" bezeichnet, das Festhalten eines Kroaten durch jugoslawische Behörden in seinem Heimatstaat als "Kriegsgefangenschaft" anzusehen, weil die jugoslawischen Behörden für den kroatischen Kläger keine "ausländische Macht" gewesen seien; er hat diese Frage jedoch nicht abschließend beurteilen müssen.

Ursache der Kriegsgefangenschaft ist die Zugehörigkeit zu einer bewaffneten Einheit eines der an kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligten Staaten. Mit der Festnahme soll nicht der einzelne Soldat für ein ihm vorwerfbares Verhalten bestraft werden, sondern lediglich die Kraft des Gegners zur Fortsetzung oder Wiederaufnahme von Kriegshandlungen geschwächt werden (BVerwG, Urteil vom 5. März 1958 - Buchholz: Sammlung BVerwG 412.2 HkG § 1 Nr. 3; Urteil vom 15. Mai 1957 - Buchholz: Sammlung BVerwG 412.4 KgfEG § 2 Nr. 1). Die Gefangennahme ist also lediglich in dem Interesse der kriegsführenden Parteien begründet, den Krieg zu gewinnen. Die Kriegsgefangenschaft findet, selbst wenn sie von der Gewahrsamsmacht als Strafe bezeichnet wird, ihre Rechtfertigung in der Zugehörigkeit der Gefangenen zu einer gegnerischen Streitmacht. Darüber hinaus trifft den einzelnen Soldaten, der an der Austragung des Konflikts beteiligt ist, kein Vorwurf; keineswegs besteht eine Treuepflicht des Kriegsgefangenen gegenüber der Gewahrsamsmacht, die dieser durch Teilnahme am Kampf verletzt haben könnte. Anders liegt es jedoch im vorliegenden Fall, in dem der Kläger auf der Seite des Gegners, zwar nicht unmittelbar gegen Belgien, aber während Belgien mit dem Deutschen Reich im Krieg lag, gekämpft und damit gegen die Interessen seines eigenen Landes gehandelt hat. Zwischen dem Staat und seinen Bürgern besteht ein Fürsorge- und Treueverhältnis, das der Kläger durch seinen Beitritt zur Waffen-SS verletzt hat. Eine kriegführende Macht braucht ihre eigenen Staatsangehörigen, die in feindlichen Verbänden gekämpft haben, nicht nach Völkerrecht zu behandeln (Strebel in Strupp-Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, 1961, Bd. 2, 345). Sie ist berechtigt, auf sie innerstaatliches Recht, also regelmäßig die einschlägigen Strafvorschriften anzuwenden. Die Verletzung der Treuepflicht gegenüber seinem Heimatstaat Belgien ist der eigentliche Grund für die Strafe, die der Kläger erlitten hat. Es trifft zwar zu, daß er die Strafhaft wegen seiner Zugehörigkeit zur deutschen Wehrmacht erlitten hat; dies berechtigt jedoch nicht, sie als eine Kriegsgefangenschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. b BVG anzusehen.

Das LSG hat auch zu Recht verneint, daß ein anderer versorgungsrechtlich geschützter Tatbestand vorliegt, der die Ausländerversorgung nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 BVG rechtfertigt. In dieser Hinsicht ist die Revision den Ausführungen des LSG auch nicht entgegengetreten.

Die Entscheidung des LSG ist schließlich auch insoweit nicht zu beanstanden, als es für rechtmäßig gehalten hat, daß der Beklagte es abgelehnt hat, den Kläger nach § 8 BVG in den Kreis der versorgungsberechtigten Personen einzubeziehen.

Der Beklagte hat hierzu geltend gemacht, "zu den gewichtigen Bedenken, die gegen die Anwendung des § 8 BVG sprächen, träten solche wegen der Auswirkungen einer Entscheidung, die für Gesundheitsstörungen Versorgung gewährt, die durch Strafmaßnahmen der Alliierten wegen Dienstes ihrer Staatsangehörigen in der deutschen Wehrmacht hervorgerufen worden sind. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, daß das LSG zu dem Ergebnis hat kommen müssen, der Beklagte habe sich mit seiner ablehnenden Entscheidung (nach § 8 BVG) nicht im Rahmen seines pflichtgemäßen Verwaltungsermessens gehalten. Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob der festgestellte Sachverhalt überhaupt die Anwendung des § 8 BVG zuläßt, weil die Versorgung des Klägers nicht an § 7 BVG scheitert, sondern daran, daß keiner der Versorgungstatbestände des § 1 iVm §§ 2 bis 5 BVG vorliegt.

Die Ablehnung einer Versorgung (durch Erweiterung des versorgungsberechtigten Personenkreises) nach § 8 BVG schließt die etwaige Gewährung eines Härteausgleichs nach § 89 BVG nicht aus. Die Härteausgleichsversorgung nach § 89 BVG ist jedoch nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens.

Das LSG hat danach die Rechtslage zutreffend gewürdigt.

Die Revision war sonach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 115

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