Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinweis auf Vertretungszwang

 

Leitsatz (amtlich)

Hat ein deutscher Kriegsgefangener in Frankreich mit behördlicher Genehmigung einen Arbeitsvertrag als Zivilarbeiter eingegangen, so ist damit in der Regel die Kriegsgefangenschaft im Sinne des BVG § 1 Abs 1 Buchst b beendet.

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Rechtsmittelbelehrung, die zwar auf den Vertretungszwang nach SGG § 166 Abs 1 hinweist, aber nicht angibt, welche Personen nach SGG § 166 Abs 2, § 217 als Prozeßbevollmächtigte vor dem BSG zugelassen sind, ist unvollständig; die Frist zur Einlegung der Revision beträgt daher nach SGG § 66 Abs 2 ein Jahr.

 

Normenkette

BVG § 1 Abs. 2 Buchst. b Fassung: 1950-12-20; SGG § 66 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03, § 166 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, Abs. 2 Fassung: 1953-09-03, § 217 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Juli 1954 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

Der seit 1942 zum Wehrdienst eingezogene Kläger geriet Ende 1944 in französische Kriegsgefangenschaft. Anschließend war er von Oktober 1947 bis November 1948 als Zivilarbeiter in Frankreich tätig und kehrte alsdann in die Bundesrepublik zurück. Bei einer auf Veranlassung seines Arbeitgebers, der Firma Flottmann A.G., Herne, im Februar 1949 durchgeführten Reihenuntersuchung wurden beim Kläger verschärftes Atmen über der ganzen Lunge, vereinzelt bronchitische Geräusche und eine Blutsenkung von 50/70 festgestellt. Eine Röntgenuntersuchung im Juni 1949 im Augusta-Hospital, Bochum, ergab eine Lungen-Tbc. Im gleichen Monat beantragte der Kläger Versorgung nach der Sozialversicherungsdirektive (SVD) 27 wegen dieser Krankheit. Das Versorgungsamt Gelsenkirchen lehnte mit Bescheid vom 9. November 1951 die Anerkennung der Lungen-Tbc. als Schädigungsfolge ab, da in Anbetracht des langen Zeitraumes zwischen der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft im Oktober 1947 und der Feststellung der Lungen-Tbc. ein ursächlicher Zusammenhang nicht wahrscheinlich sei. Der Beschwerdeausschuß des Versorgungsamts hat nach Anhörung seines ärztlichen Beraters Dr. D den Einspruch des Klägers zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger Berufung beim Oberversicherungsamt (OVA.) Dortmund eingelegt. Das OVA. holte ein Gutachten des Lungenfacharztes und Leiters der Heilstätte F., Dr. N, ein. Das Sozialgericht Dortmund, auf das die Berufung als Klage nach dem Sozialgerichtsgesetz (SGG) übergegangen war, hat diese durch Urteil vom 8. März 1954 abgewiesen.

Die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht (LSG.) Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 29. Juli 1954 zurückgewiesen. Es führte aus, die Tätigkeit des Klägers als Zivilarbeiter in Frankreich von Oktober 1947 bis November 1948 sei nicht als Kriegsgefangenschaft oder Internierung anzusehen. Nach den Röntgenaufnahmen vom Juni 1949 und den ärztlichen Gutachten, insbesondere dem des Lungenfacharztes Dr. N, habe es sich bei der im Juni 1949 erstmals festgestellten Lungenerkrankung um eine frische Tbc. gehandelt, deren Anfänge wegen ihres frischen Zustandes nicht in die im Oktober 1947 beendete Kriegsgefangenschaft zurückreichen könnten. Die Tbc. sei vielmehr erst etwa Anfang 1949 entstanden.

Revision wurde nicht zugelassen. In der Rechtsmittelbelehrung hat das LSG. auf den Vertretungszwang vor dem Bundessozialgericht (BSG.) hingewiesen, die als Prozeßvertreter vor dem BSG. zugelassenen Personen aber nicht angegeben. Das Urteil ist dem Kläger am 23. August 1954 zugestellt worden.

Der Kläger hat durch einen zugelassenen Prozeßbevollmächtigten Revision eingelegt und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und festzustellen, daß die Lungen-Tbc. eine Schädigungsfolge, hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) darstellt, hilfsweise beantragte er die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückzuverweisen. Die Revisionsschrift mit Antrag ist am 1. September 1954, die Revisionsbegründung am 8. Dezember 1954 beim BSG. eingegangen. Die Revision rügt, das LSG. habe zu Unrecht die Kriegsgefangenschaft im Oktober 1947 mit dem Abschluß eines Arbeitsvertrages als beendet angesehen. Die Entstehung der Tbc. reiche in die Zeit vor der Rückkehr aus Frankreich zurück. Dr. N habe seine Beurteilung darauf gestützt, daß im Februar 1949 eine Röntgenreihenuntersuchung stattgefunden habe. Es sei jedoch keine Röntgenreihenuntersuchung, sondern nur eine Untersuchung durch den Werksarzt ohne Röntgenbild oder Durchleuchtung vorgenommen worden.

Der Beklagte hat beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Die Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Urteil ist unvollständig, da sie zwar auf den Vertretungszwang nach § 166 Abs. 1 SGG hinweist, aber nicht angibt, welche Personen nach §§ 166 Abs. 2 und 217 SGG als Prozeßbevollmächtigte vor dem BSG. zugelassen sind. Diese Angaben sind zu einer vollständigen Rechtsmittelbelehrung notwendig; denn diese muß alle Einzelheiten enthalten, die die Beteiligten kennen müssen, um eine Revision form- und fristgerecht einlegen zu können. Dazu gehört auch die Belehrung über die Personen, die als Prozeßbevollmächtigte vor dem Revisionsgericht zugelassen sind. Dabei ist es unerheblich, ob die Unvollständigkeit der Rechtsmittelbelehrung einen Verstoß der Revision gegen Form oder Frist verursacht hat (vgl. BSG. 1 S. 194, 254). Da die Rechtsmittelbelehrung demnach nicht vollständig ist, beträgt die Frist zur Einlegung der Revision gemäß § 66 Abs. 2 SGG ein Jahr. Sie endete am 23. August 1955. Die am 8. Dezember 1954 eingegangene Revisionsbegründung ist daher rechtzeitig.

Da die Revision nicht zugelassen ist, findet sie gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGG nur statt, wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt wird oder wenn bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einer Schädigung im Sinne des BVG das Gesetz verletzt ist. Sie ist statthaft, da ein wesentlicher Verfahrensmangel gerügt ist und vorliegt.

Die Revision beanstandet die Feststellung, die das Berufungsgericht über den Zeitpunkt der Entstehung der Tbc. getroffen hat und rügt, das LSG. habe seine Überzeugung im wesentlichen und entscheidend auf das Gutachten des Dr. N gestützt, obwohl dieses Gutachten innerlich widerspruchsvoll sei und mit dem übrigen Akteninhalt nicht im Einklang stehe. Diesen Widerspruch sieht die Revision insbesondere in der Folgerung des Gutachters, bei der Röntgen-Reihenuntersuchung im Betriebe Flottmann, Herne, im Februar 1949 könne kein Verdacht auf Lungen-Tbc. aufgetaucht sein, weil sonst sofort entsprechende Maßnahmen durch das Gesundheitsamt veranlaßt worden wären. In Wirklichkeit habe im Februar 1949 keine Röntgenuntersuchung, sondern lediglich eine Reihenuntersuchung stattgefunden. Diese entscheidende aber falsche Schlußfolgerung habe den Gutachter und ihm folgend das LSG. veranlaßt, das auch ohne Röntgenuntersuchung für eine Lungenerkrankung sprechende Untersuchungsergebnis vom Februar 1949 als Brückensymptom für die während der Kriegsgefangenschaft entstandene Tbc. abzulehnen.

Die Revision hat mit diesem Vorbringen eine zulässige Verfahrensrüge aus § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG erhoben. Nach dieser Bestimmung entscheidet im sozialgerichtlichen Verfahren das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Der Ausübung des freien Ermessens sind jedoch Grenzen durch die Bindung an Denkgesetze und Erfahrungssätze gesetzt, wobei das Gericht diese Schranken sowohl auf dem Weg zur Entscheidung als auch bei der Sachentscheidung selbst zu beachten hat. Verletzt es die Denkgesetze auf dem Weg zur Entscheidung, so liegt ein Verfahrensmangel vor (vgl. JW 1926 S. 1452 Nr. 2, Anm.). Es verletzt § 128 SGG, wenn es die Voraussetzungen und Grenzen seines Ermessens nicht richtig bestimmt oder nicht eingehalten hat (vgl. Rosenberg, ZPO, 6. Aufl., § 140 III 2a am Ende S. 663). Eine solche Verletzung des § 128 SGG stellt einen Mangel im Verfahren dar (vgl. Urteil des 8. Senats vom 1.3.1956 - 8 RV 41/54 -). Wird sie formgerecht gerügt, so ist die tatrichterliche Beurteilung insoweit im Revisionsverfahren nachprüfbar, § 163 SGG (vgl. auch RGZ 148 S. 254; OGHZ 1 S. 166; Stein-Jonas, ZPO 18. Aufl., III B zu § 549, II 2 zu § 286).

Die erhobene Rüge ist auch schlüssig, denn die Feststellung eines Zeitpunktes der Entstehung der Tbc, die auf unrichtigen Annahmen tatsächlicher Art in einem Arztgutachten aufbaut, verstößt gegen die Denkgesetze. Das LSG. hat (S. 7 des Urteils) festgestellt, daß im Februar 1949 keine Röntgenuntersuchung, sondern nur eine Reihenuntersuchung vorgenommen wurde. Dr. N geht dagegen bei seiner Schlußfolgerung ausdrücklich davon aus, daß eine Röntgenuntersuchung stattfand. Das LSG. hat nicht beachtet, daß es denkgesetzlich nicht möglich ist, Schlußfolgerungen des Dr. N über den Zeitpunkt der Entstehung der Tbc. zu übernehmen, die auf einem vom Gutachter irrtümlich angenommenen Sachverhalt beruhen, der nach der vom LSG. selbst getroffenen Feststellung nicht vorliegt.

Dazu kommt weiter, daß offenkundig der bei der Reihenuntersuchung erhobene Befund vom Februar 1949 - verschärftes Atmen über der ganzen Lunge, vereinzelte bronchitische Geräusche, Blutsenkung 50/70 - auf eine erhebliche Erkrankung der Atmungsorgane hinweist, wenn auch Entstehungszeit und Art dieser Erkrankung aus diesem Befund allein noch nicht zu erkennen waren. Infolge dieses für das LSG. erkennbaren Sachverhalts durfte es die Folgerung des Gutachters nicht ohne Weiteres übernehmen und eine wesentliche Erkrankung der Lunge zu diesem Zeitpunkt ausschließen.

Das die Entscheidung tragende Gutachten Dr. N begegnet endlich auch in seinen Grundlagen Bedenken: Der medizinische Sachverständige hat (S. 3 des Gutachtens) die für die Beurteilung der Entstehungszeit der Tbc. sehr wesentlichen ersten Röntgenbefunde des Augusta-Hospitals vom 4. Juni und 10. Juni 1949 nicht selbst eingesehen, obwohl dazu offenbar die Möglichkeit bestand, sondern lediglich ihre Beschreibung durch den ärztlichen Berater des Versorgungsamtes, Dr. D seinem Gutachten zugrunde gelegt. Eine derartige Bezugnahme auf die Beurteilung durch andere Ärzte ist im allgemeinen unzulänglich und kann nur als Notbehelf anerkannt werden, wenn die Originalunterlagen nicht mehr erreichbar sind. Sie stellt hier um so weniger eine genügend gesicherte Grundlage für das Gutachten und die darauf fußende richterliche Überzeugung dar, als der Sachverständige seine Auffassung über die für den Anspruch entscheidende Entstehungszeit der Lungen-Tbc. ausschließlich auf diese Röntgenbefunde vom Juni 1949 und das Ergebnis der vermeintlichen Röntgenuntersuchung vom Februar 1949 gestützt hat.

Die gegen die Beweisführung des Dr. N. Gutachtens und die darauf beruhenden Feststellungen des Berufungsgerichts zu Recht erhobene Revisionsrüge enthält einen wesentlichen Mangel im Verfahren; die Revision ist somit statthaft. Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob das gegen die genannten Feststellungen des LSG. gerichtete Revisionsvorbringen gleichzeitig die Rüge einer Gesetzesverletzung bei Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Gesundheitsstörung und Schädigung im Sinne des BVG gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG enthält, weil bereits die Verfahrensrüge durchgreift.

Die Revision ist auch begründet; denn es ist möglich, daß das LSG. anders entschieden hätte, wenn es die in dem Gutachten Dr. N enthaltenen Widersprüche sowie seine unzureichenden Grundlagen beachtet hätte; es ist nicht auszuschließen, daß diese Fehlschlüsse die Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts maßgebend beeinflußt haben, § 162 Abs.2 SGG.

Nicht begründet sind jedoch die Angriffe der Revision insoweit, als diese auch eine Verletzung des § 1 Abs. 2 Buchst. b bezw. c BVG rügt.

Das LSG. hat ohne Rechtsirrtum festgestellt, daß die auf Arbeitsvertrag beruhende Tätigkeit des Klägers in Frankreich vom Oktober 1947 bis November 1948 nicht als Kriegsgefangenschaft angesehen werden kann. Der Begriff der Kriegsgefangenschaft ist im BVG in dem im internationalen Recht üblichen Sinne anzuwenden. Für die hier in Frage kommenden Jahre bis 1948 war das Abkommen betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges vom 18. Oktober 1907 (Haager Landkriegsordnung), 1. Abschnitt der Anlage zum Abkommen, Artikel 3 (RGBl. 1910 S. 107) und das Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen vom 27. Juli 1929 (RGBl. II 1934 S. 227) maßgebend. Diesen Abkommen entsprechen die Begriffsbestimmungen der Kriegsgefangenschaft in § 1 Abs. 1 Heimkehrergesetz vom 19. Juni 1950 (BGBl. I S. 221) in der Fassung vom 30. Oktober 1951 (BGBl. I S. 875), § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen vom 30. April 1952 (BGBl. I S. 262) und § 2 Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz vom 30. Januar 1954 (BGBl. I S. 5). Das BSG. hat bereits in dem Urteil vom 21. März 1956 - 1 RA 46/55 - entschieden, daß Kriegsgefangenschaft vorliegt, wenn jemand wegen seiner Zugehörigkeit zu einem militärischen oder militärähnlichen Verband in die Gewalt des Feindes gerät. Der Kläger ist als Wehrmachtsangehöriger in die Gewalt des französischen Staates geraten und daher bei seiner Festnahme Kriegsgefangener geworden. Die Zeit seiner Tätigkeit als Zivilarbeiter in Frankreich kann dagegen nicht mehr als Kriegsgefangenschaft angesehen werden. Der Übertritt von Kriegsgefangenen in ein Zivilarbeitsverhältnis erfolgte in Frankreich aufgrund einheitlicher Richtlinien vom Jahre 1947, worin u.a. eine bestimmte Mindestdauer der Arbeitsverhältnisse vorgesehen war. Es besteht kein Anhalt dafür, daß im vorliegenden Fall der Gewahrsamstaat den Kläger zum Vertragsabschluß gezwungen hätte. Das Versprechen, den Kriegsgefangenen bei Abschluß eines Arbeitsvertrages aus der Kriegsgefangenschaft zu entlassen, stellt keinen Zwang dar. Motive und Hoffnungen, die den Kläger zum Vertragsabschluß veranlaßt haben, beeinflussen die Wirksamkeit des Vertrages nicht und haben auf die dadurch herbeigeführte Beendigung der Kriegsgefangenschaft keinen Einfluß. Auch der Gesetzgeber hat in dem Gesetz über das allgemeine Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die soziale Sicherheit nebst vier Zusatzvereinbarungen und drei Protokollen vom 18. Oktober 1951 (BGBl. 1951 II S. 195) und im Heimkehrergesetz in der Fassung vom 30. Oktober 1951 zum Ausdruck gebracht, daß er die ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen nach Abschluß eines Arbeitsvertrags als freie Arbeiter in Frankreich und nicht mehr als Kriegsgefangene ansieht. In Art. 3 der vierten Zusatzvereinbarung zu dem allgemeinen Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich werden "die zu freien Arbeitnehmern gewordenen ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen" erwähnt. Die in dem Abkommen ausgesprochene Einbeziehung dieser Personen in die deutsche Sozialversicherung wäre nicht verständlich, wenn diese Personen während des Arbeitsverhältnisses noch Kriegsgefangene gewesen wären. Auch das Heimkehrergesetz macht in § 1 Abs. 1 und 2 begrifflich einen Unterschied zwischen Kriegsgefangenen und Zivilarbeitern nach Entlassung aus Kriegsgefangenschaft. Abs. 1 führt aus: "Heimkehrer ... sind Deutsche, die ... kriegsgefangen waren". Abs. 2 dagegen lautet: "Als Heimkehrer ... gelten auch Kriegsgefangene, die zur Überführung in ein ziviles Arbeitsverhältnis in bisheriges Gewahrsamsland entlassen worden sind". Das Heimkehrergesetz hat den Begriff der Kriegsgefangenschaft nicht erweitert. Die Heimkehrereigenschaft ist etwas anderes als die Eigenschaft als Kriegsgefangener. Der Personenkreis der Heimkehrer umfaßt außer den Kriegsgefangenen im international üblichen Sinne auch andere Personengruppen, § 1 Abs. 2 bis 5, § 1a HKG.

Die Tatsache, daß jemand als Heimkehrer anerkannt ist, bedeutet nicht immer die Feststellung, daß er auch Kriegsgefangener war.

Da die Revision bezüglich des gerügten Verfahrensmangels begründet ist, war das Urteil aufzuheben. Der Senat konnte nicht selbst in der Sache entscheiden, da das LSG. noch tatsächliche Ermittlungen anzustellen hat. Hierbei wird es insbesondere zu beachten haben, daß ein ärztliches Gutachten nur dann als geeignete Grundlage der Überzeugungsbildung (§ 128 Abs. 1 S. 1 SGG) dienen kann, wenn der Gutachter den festgestellten Sachverhalt erschöpfend berücksichtigt und gewürdigt hat. Dazu gehört im vorliegenden Falle, daß er alle seit der ersten Feststellung der Tbc. im Juni 1949 erstellten Röntgenaufnahmen und die vollständigen Krankengeschichten auf Grund eigener Einsichtnahme beurteilt und nicht nur die Auffassung anderer Ärzte ohne erkennbare eigene kritische Prüfung übernimmt. Das LSG. wird daher neben den Untersuchungsergebnissen und Röntgenunterlagen des Augusta-Hospitals, Bochum, vom Juni 1949, insbesondere auch die in der Heilstätte A. während des dortigen Aufenthalts des Klägers angefallenen Röntgenaufnahmen und Krankenpapiere beiziehen und dem ärztlichen Gutachter zugänglich machen müssen. Des weiteren wird das LSG. auch auf die bisher nicht geprüfte Behauptung des Klägers einzugehen haben, er führe seine Erkrankung auf eine starke Erkältung mit Grippe in der Kriegsgefangenschaft 1945 (Lager Larzac) zurück. Es wird zu diesem Zweck versuchen müssen, Unterlagen hierüber etwa durch Einholung der Krankenpapiere aus dem Gefangenenlager Larzac zu erhalten. Auf die im Rundschreiben des BMA vom 31. Oktober 1951 - IV b 8 2477/51, abgedruckt in BVBl. 1951 S. 582 - mitgeteilte Möglichkeit einer Einschaltung französischer Behörden wird verwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI926632

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