Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 11.09.1989)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 11. September 1989 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Am 29. Mai 1982 wurde der Geschädigte F … (im folgenden: F.), der bei der Beklagten krankenversichert war, von vier Personen tätlich angegriffen und so schwer verletzt, daß er stationär in einem Krankenhaus behandelt werden mußte. Die Beklagte übernahm die Kosten für Transport, Krankenhauspflege und Krankenpflege. Der Geschädigte stellte am 26. Juli 1982 den Antrag auf Bewilligung von Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG). Am 28. Oktober 1983 meldete die Beklagte bei dem Versorgungsträger ihren Anspruch auf Kostenerstattung an, nachdem sie bereits Schadensersatzforderungen gegen die vier Täter geltend gemacht hatte. Im November 1983 schloß sie mit einem der vier Gewalttäter (im folgenden: N.) einen Vergleich, in welchem sie nach Zahlung eines Betrages in Höhe von DM 1.000,– auf die weitere Geltendmachung der auf sie übergegangenen Schadensersatzforderung gegen N. verzichtete. Das Versorgungsamt erteilte im Februar 1985 dem Geschädigten den Anerkennungsbescheid als Versorgungsberechtigter nach dem OEG und erstattete der Beklagten einen Betrag in Höhe von noch DM 4.386,02 unter Berücksichtigung der von dem Schädiger N. gezahlten DM 1.000,–. Gegen die übrigen drei Mittäter erwirkte das Versorgungsamt Vollstreckungsbescheide; es gelang ihm jedoch nur, einen dieser Mittäter (im folgenden: M.) zu kleinen Ratenzahlungen heranzuziehen.

Mit der Klage verlangt der Versorgungsträger die Rückerstattung des an die Beklagte gezahlten Betrages, weil die Beklagte durch den Abschluß des Vergleichs mit einem der Täter treuwidrig die Regreßmöglichkeiten beeinträchtigt und deshalb ihren Erstattungsanspruch verwirkt habe. Die zu Unrecht erhaltene Erstattungsleistung habe sie zurückzuerstatten.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteile vom 20. April 1988 und 11. September 1989). Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe als Mitgläubigerin der sowohl auf die Krankenkasse als auch auf den Versorgungsträger gemeinsam übergegangenen Schadensersatzansprüche mit dem Abfindungsvergleich eine Vereinbarung abgeschlossen, an die auch die Versorgungsverwaltung gebunden sei. Der Ausgleich im Innenverhältnis richte sich nach den Vorschriften des gesetzlichen Auftragsverhältnisses, die einen Erstattungsanspruch der Beklagten nur dann ausschlössen, wenn sie die ihr obliegenden Sorgfaltspflichten gegenüber dem Versorgungsträger schuldhaft verletzt hätte. Das sei jedoch nicht der Fall. Mit dem Abfindungsvergleich, der zur sofortigen Zahlung von DM 1.000,–geführt habe, habe die Beklagte vielmehr sachgerecht und auch im Interesse des Klägers gehandelt. Wenn der Kläger die Abfindungsvereinbarung habe verhindern wollen, hätte er die Möglichkeit gehabt, die Beklagte entsprechend anzuweisen. Davon habe er keinen Gebrauch gemacht.

Mit der durch das LSG zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, durch die Vereinbarung zwischen der Beklagten und dem Schädiger N. sei die Schadensersatzforderung zumindest gegen diesen Täter erloschen. Da die Vereinbarung auch gegen den Versorgungsträger wirke, sei es nicht gerechtfertigt, der Beklagten einen vollen Erstattungsanspruch zu geben und damit die Folgen der Vereinbarung allein auf den Versorgungsträger abzuwälzen. In einem solchen Falle müsse die Beklagte vielmehr die Schadensersatzansprüche gegen die Schädiger selbst abwickeln und das damit verbundene Ausfallrisiko tragen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der angefochtenen Urteile die Beklagte zu verurteilen, DM 4.386,02 zu zahlen Zug-um-Zug gegen Herausgabe der gegen die drei übrigen Mittäter erwirkten Vollstreckungsbescheide und Erstattung der von dem Schädiger M. geleisteten Ratenzahlungen, soweit diese nicht vorrangig mit Zinsen und Kosten des Klägers zu verrechnen seien.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, als Mitgläubigerin Schadensersatzansprüche geltend machen und darüber auch verfügen zu dürfen. Ein gesetzliches Auftragsverhältnis zum Versorgungsträger liege insoweit nicht vor, so daß sie auch nicht an Weisungen gebunden sei. Dies müsse jedenfalls so lange gelten, wie der Versorgungsträger seine Leistungspflicht nicht anerkannt habe. Andernfalls bestehe die Gefahr, daß die Kasse Schadensersatzansprüche einbüße, wenn der Versorgungsträger später seine Leistungspflicht verneine.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, daß er keinen Anspruch auf Rückerstattung seiner Erstattungsleistung hat.

Nach § 112 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) sind gezahlte Beträge zurückzuerstatten, soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Die Vorschrift steht im zweiten Abschnitt des dritten Kapitels des SGB X, der die Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander regelt. Hier hat der Kläger der beklagten Krankenkasse nicht nach diesen allgemeinen Vorschriften, sondern nach der Sonderregelung des § 19 Abs 1 Satz 2 Bundesversorgungsgesetz ≪BVG≫ (hier maßgebend idF vom 4. November 1982 – BGBl I 1415 –) die Aufwendungen erstattet, die durch Behandlung anerkannter Schädigungsfolgen entstanden sind. Schädigungsfolgen sind auch solche, die durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff entstanden sind (§ 1 Abs 1 Satz 1 OEG). Es bestehen keine Bedenken, auch für diesen besonderen Erstattungsfall die Vorschrift des § 112 SGB X als Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedankens anzuwenden, wonach ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen sind (in diesem Sinne auch Blei/Gitter, SGB X, § 112 Anm 3; Hauck/Haines, SGB X/3 K § 112 RdNr 5; Kummer, DAngVers 1986, 397, 404). § 112 SGB X macht nach seinem Wortlaut und ohne Einschränkung durch weitere Vorschriften die Rückerstattung davon abhängig, daß die Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Hier ist die Erstattung aber nicht zu Unrecht, sondern zu Recht erfolgt.

Daß die Beklagte nach der Anerkennung der Leistungspflicht des Klägers grundsätzlich einen Erstattungsanspruch nach § 19 Abs 1 Satz 2 BVG hatte, weil sie bis dahin nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫ (§§ 182 ff RVO aF) ihrem Versicherten Krankenpflege zu gewähren hatte, wird vom Kläger nicht angezweifelt. Er meint lediglich, es verstoße gegen Treu und Glauben, wenn die Beklagte, die einerseits zu seinen, des Klägers, Lasten auf Schadensersatzansprüche verzichtet habe, sich nun andererseits im Wege der Erstattung selbst schadlos halten wolle. Dem folgt der Senat nicht.

Für seine Auffassung, daß der Abschluß der Abfindungsvereinbarung das spätere Erstattungsbegehren der Beklagten insgesamt treuwidrig mache, kann der Kläger sich nicht auf die bisherige Rechtsprechung stützen. Zwar hat der erkennende Senat ausgeführt (BSG SozR 3100 § 19 Nr 5 = SGb 1978, 436), daß es gegen Treu und Glauben verstoße, wenn eine Krankenkasse in einem allgemeinen Teilungsabkommen gegenüber einem Haftpflichtversicherer auf einen Teil des Schadensersatzanspruches mit Wirkung auch für den Versorgungsträger verzichtet und den Rest ihrer Aufwendungen von dem Versorgungsträger erstattet verlangt. Die tragende Erwägung dabei war, daß die durch ein Teilungsabkommen geregelte Schadensabwicklung, die eine quotenmäßige Erstattung eines Schadens ohne Prüfung der Haftungsfrage vorsieht, allein im Interesse der Krankenkasse liegen kann. Diese erhält nämlich bei einer Vielzahl von Schadensfällen nach der Wahrscheinlichkeit auf die Dauer gesehen das, was bei genauer Prüfung jedes Einzelfalls und dem damit verbundenen Verwaltungsaufwand in der Summe auch nur herauskäme. Bezieht eine Krankenkasse eine OEG-Verletzung in ein mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers geschlossenes Teilungsabkommen ein, gilt sie als voll entschädigt, weil ihre in den Verantwortungsbereich des Schädigers fallenden Aufwendungen durch die Vielzahl der Entschädigungsfälle voll ersetzt worden sind. Die Krankenkasse kann nicht mehr geltend machen, sie habe im Einzelfall mehr Aufwendungen gehabt. Sie kann deshalb auch nicht nach § 19 BVG von der Versorgungsverwaltung mehr verlangen; ein weitergehender Anspruch besteht nicht. Der Hinweis der Versorgungsverwaltung auf Treu und Glauben, wie er in der og Entscheidung des Senats erwähnt worden ist, ist nur ein zusätzlicher Einwand. Der Versorgungsträger ist an solchen Teilungsabkommen nicht beteiligt und kann einen solchen Ausgleich durch eine hohe Fallzahl nicht erwarten; er wird mit einer Schadensabfindung, die niedriger als der tatsächliche Schadensersatzanspruch liegt, dauerhaft benachteiligt.

Durch die mit einem der Schädiger getroffene Abfindungsvereinbarung der Krankenkasse wird aber der Versorgungsträger nicht in vergleichbarer Weise unangemessen einseitig benachteiligt. Richtig ist allerdings seine Annahme, daß er daran gebunden ist, obwohl sich dies nicht eindeutig aus dem Gesetz ergibt. Im Falle eines Teilungsabkommens hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Bindung der Versorgungsverwaltung an den durch die Krankenkasse ausgehandelten Vertrag damit begründet, daß die Krankenkasse in Versorgungsangelegenheiten auch im Auftrage des Versorgungsträgers, also in einer Doppelfunktion handele, die es rechtfertige, die rechtlichen Folgen ihres Handelns auch auf den Versorgungsträger zu erstrecken (BGH NJW 1973, 1124). Der erkennende Senat hat sich dem mit der bereits genannten Entscheidung angeschlossen. Der Beklagten ist allerdings einzuräumen, daß Bedenken bestehen können, allgemein von einem Auftragsverhältnis zwischen Krankenkasse und Versorgungsverwaltung auszugehen und daraus Rechtsfolgen solcher Art abzuleiten. Denn der gesetzliche Auftrag der Krankenkasse erstreckt sich nach § 18c Abs 1 Satz 3 BVG auf die Durchführung der §§ 10 bis 24a BVG, also bestimmter Aufgaben der Heil- und Krankenbehandlung, soweit nicht die Versorgungsverwaltung zuständig ist. Der Auftrag kann praktisch (dh in Form von Weisungen usw) erst wirksam werden, wenn die Versorgungsverwaltung gegenüber dem Versorgungsberechtigten die Krankheit als Schädigungsfolge anerkannt hat (§ 10 Abs 1 Satz 1 BVG). Die Verfolgung und Abwicklung von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen noch vor der Anerkennung der Versorgungsberechtigung fallen danach nicht unter den besonderen gesetzlichen Auftrag, den die Krankenkasse für den Versorgungsträger zu erfüllen hat.

Für eine solche nach dem schädigenden Ereignis, aber vor der Anerkennung nach dem OEG abgeschlossene Abfindungsvereinbarung der Krankenkasse mit einem der Schädiger folgt die Bindung der Versorgungsverwaltung aus dem Sinn des gesetzlichen Übergangs der Schadensersatzansprüche und der gesetzlichen Aufgabenstellung der Leistungsträger.

Die zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche des Geschädigten F. gemäß §§ 823, 830, 840 BGB sind hier gemäß § 1542, Abs 1 Satz 1 RVO aF, der auch nach Inkrafttreten des § 116 SGB X übergangsrechtlich weiterhin anzuwenden ist (Art 2 § 22 des Gesetzes vom 4. November 1982 – BGBl I 1450 –) auf die Beklagte insoweit übergegangen, als sie ihrem Versicherten wegen der Verletzungsfolgen Krankenbehandlung zu gewähren hatte und auch Leistungen erbracht hat. Sie konnte deshalb über die Ansprüche verfügen und sich deshalb auch darüber vergleichen. § 81a Abs 1 Satz 1 BVG ordnet aber auch einen entsprechenden Übergang der Schadensersatzansprüche auf den Bund an, soweit dem Versorgungsberechtigten Ansprüche nach dem BVG zustehen. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH erfolgt der Anspruchsübergang auf die Sozialleistungsträger bereits im Zeitpunkt des Schadenseintritts, also unabhängig davon, wann die Leistungsansprüche entstehen und erfüllt werden (BGHZ 48, 181, 186 = NJW 1967, 2199; BGH VersR 1984, 35; NJW 1986, 1861, 1862). Auf Krankenkasse und Versorgungsträger sollen deshalb die Ansprüche nebeneinander und gleichzeitig mit dem Schadensfall übergehen (BGH NJW 1973, 1124). Die Leistungsträger würden insoweit Gesamtgläubiger iS des § 428 BGB.

Indessen ist die Annahme eines gleichzeitigen Forderungsübergangs auf Krankenkasse und Versorgungsträger nicht zwingend. Denn der Übergang der Schadensersatzansprüche bereits im Zeitpunkt des Schadenseinstritts wird damit begründet, das Gesetz wolle verhindern, daß der Geschädigte für einen und denselben Schaden doppelte Leistungen erhalte oder anderweitig zum Nachteil des Sozialleistungsträgers über den Schadensersatzanspruch verfüge (vgl zB BGH VersR 1984, 35). Dieser Rechtsgedanke erfordert es nicht, Schadensersatzansprüche auf zwei Leistungsträger überzuleiten, wenn es sich – wie bei den Kosten der Heilbehandlung – um Schadensersatz für einen bestimmten Schaden handelt. Der Geschädigte ist bereits durch den Übergang auf einen Leistungsträger gehindert, über den Schadensersatzanspruch zu verfügen, und es ist sichergestellt, daß die Schadensersatzleistung der öffentlichen Hand zufließt. Der Funktion des gesetzlichen Forderungsübergangs kann im Verhältnis von Krankenkasse und Versorgungsverwaltung dadurch Rechnung getragen werden, daß der Anspruch zunächst auf die vorleistende Kasse und erst nach Anerkennung seiner Leistungspflicht auf den Versorgungsträger übergeht, wie es der BGH in einer früheren Entscheidung für das Verhältnis von Krankenkasse und Unfallversicherungsträger angenommen hat (BGHZ 27, 107 = NJW 1958, 947). Es würde sich dann um eine Rechtsnachfolge iS von § 412 BGB handeln mit der Wirkung, daß der Anspruch nur so, wie er zu diesem Zeitpunkt besteht, auf die Versorgungsverwaltung übergeht (§ 407 BGB). Dieser Auslegung ist für den Bereich der OEG schon deshalb der Vorzug zu geben, weil die Leistungspflicht der Versorgungsverwaltung überhaupt und hinsichtlich ihres Beginns von einem Antrag abhängt. Schadensereignis und Leistungspflicht fallen nicht notwendig zusammen.

Aber auch wenn formal von einem Mitgläubiger- oder Gesamtgläubigerverhältnis ausgegangen wird, bei dem ein Gläubiger grundsätzlich nicht mit Wirkung für die Mitgläubiger über den Anspruch verfügen kann (vgl BGH NJW 1986, 1861), muß im Verhältnis von Krankenkasse und Versorgungsverwaltung für die Bindungswirkung ausschlaggebend sein, daß die Leistungsträger nicht konkurrierend, sondern nacheinander mit demselben Interesse dem Schädiger gegenübertreten, so daß jedenfalls im funktionalen Sinn von „Nachfolge” gesprochen werden kann. Dies prägt die Interessenlage der Beteiligten, nach der sich im Zweifel richtet, wie der vereinbarte Forderungserlaß durch einen Gesamtgläubiger sich auf den anderen Gesamtgläubiger auswirkt (§ 429 Abs 3 Satz 1 iVm § 423 BGB). Bis zur Anerkennung der Leistungspflicht durch den Versorgungsträger kann nur die Krankenkasse den Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger verfolgen. Die Versorgungsverwaltung kann ihre Aktivlegitimation erst nach der Anerkennung dartun; und nach der Erstattung gemäß § 19 BVG ist die Krankenkasse nicht mehr aktivlegitimiert. In der Zeit zwischen Schadensereignis und Anerkennung muß die Krankenkasse im eigenen Interesse Schadensersatzansprüche verfolgen, schon um keine unnötigen Ausfälle zu riskieren, falls der Versorgungsanspruch später abgelehnt wird. Andererseits liegt eine zügige Regreßabwicklung auch im Sinne der Versorgungsverwaltung, wenn sie später den Versorgungsanspruch anerkennt, weil sich ihre Erstattungspflicht in Höhe des bereits geleisteten Schadensersatzes mindert. Der Schadensersatzpflichtige schließlich kann ebenfalls ein berechtigtes Interesse daran haben, den Schaden alsbald, auch durch Vergleich, abschließend zu regulieren. Auch dies kann sinnvollerweise, schon im Hinblick auf ein möglicherweise jahrelanges Verfahren zur Anerkennung des Versorgungsanspruchs, nur mit der Krankenkasse geschehen. Wegen der von außen gesehen deckungsgleichen Interessenlage von Krankenkasse und Versorgungsverwaltung wäre es dann nicht verständlich, wenn die Versorgungsverwaltung das Handeln der Krankenkasse später nicht gegen sich gelten lassen müßte.

Wenn somit der Krankenkasse die Befugnis zuerkannt werden muß, auch mit Wirkung für den Versorgungsträger zu handeln, folgt daraus aber auch – gleichsam als Kehrseite – ihre Verpflichtung, dessen Interessen, soweit erkennbar, gebührend zu berücksichtigen. Das hat die Beklagte mit der Abfindungsvereinbarung aber getan. Es ist nicht ersichtlich, daß der aus der Sicht der Beklagten sinnvolle Vergleich anders gelagerte Interessen des Klägers verletzt haben könnte. Die Beklagte hat sich mit der Abfindungsvereinbarung nur eines geringen Teils der Schadensersatzforderung begeben. Denn die Vereinbarung hat keineswegs die Mittäter aus der gesamtschuldnerischen Haftung entlassen, was gemäß § 423 BGB nur bei entsprechendem Vertragswillen anzunehmen wäre. Die Mittäter könnten allenfalls teilweise begünstigt worden sein, nämlich insoweit, als ihre Haftung entfällt, weil sie sich im Innenausgleich bei N. nicht in vollem Umfang schadlos halten könnten (sog beschränkte Gesamtwirkung, vgl Palandt/ Heinrichs, BGB, 50. Aufl, 1991, § 423 Anm 1 c). Insgesamt kann das nur einen Verzicht auf DM 360,51 bedeuten, den Betrag, der nach Zahlung von DM 1.000,– im Innenverhältnis der vier Täter noch auf N. entfiele. Der rechtliche Verzicht in dieser relativ geringfügigen Höhe muß aber tatsächlich kein Nachteil gewesen sein, weil er mit einer sofortigen Zahlung eines erheblichen Betrages durch N. verbunden war. Dies braucht rückblickend nicht aufgeklärt zu werden, weil die Beklagte hier – im Unterschied etwa zu einem sie allein begünstigenden Teilungsabkommen – von vornherein eine auch für die Versorgungsverwaltung vertretbare Schadensabwicklung vorgenommen hat.

Sachdienlich – wenn auch mangels eines Auftragsverhältnisses rechtlich nicht geboten – wäre es freilich gewesen, sich vor Abschluß einer solchen Vereinbarung mit der Versorgungsverwaltung zu verständigen, insbesondere, weil die Beklagte von dem schwebenden Verwaltungsverfahren wußte und vorsorglich ihren Erstattungsanspruch bereits angemeldet hatte. Damit hätte sie dem späteren Vorhalt, nicht im Interesse des Versorgungsträgers gehandelt zu haben, vorbeugen können. Daß dies hier unterblieben ist, ändert aber nichts daran, daß die getroffene Vereinbarung objektiv im Interesse des Versorgungsträgers gelegen hat. Auch der Kläger zeigt keine überzeugenden Gründe auf, aus denen er sein Einverständnis mit einer solchen Regelung verweigert hätte, wenn er davon rechtzeitig Kenntnis gehabt hätte. Das Ausfallrisiko des Klägers ist durch die Handlungsweise der Beklagten nicht erkennbar vergrößert worden. Dann bestand auch kein Grund, den Erstattungsanspruch der Beklagten ganz oder teilweise zu verweigern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175070

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