Entscheidungsstichwort (Thema)

Vereinfachte Begründung von Bescheiden. Wesen der Zustimmung. Versagung. Bescheidbegründung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob und in welchem Umfange eine Ermessensentscheidung zu begründen ist, mit welcher die Versorgung von Kriegsopfern im Ausland aus besonderen Gründen versagt, eingeschränkt oder entzogen wird (BVG § 64 Abs 2 S 2 und 4).

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Zustimmung des BMA gemäß BVG § 64e Abs 1 S 1, an die die Versorgungsbehörden in ihrer Entscheidung gebunden sind, stellt einen verwaltungsinternen Mitwirkungsakt dar, weil die Versorgungsbehörden nach außen hin allein berufen sind, die Antragsteller zu bescheiden (vgl BSG vom 1975-11-17 9 RV 466/74). Die Verweigerung der Zustimmung kann nicht selbständig angefochten werden; sie unterliegt der Zwischenprüfung im Prozeß der Antragsteller gegen das mit der Durchführung des Gesetzes beauftragte Land (vgl BVerwG vom 1967-01-19 BVerwG VI C 73.64 = BVerwGE 26, 40). Die gerichtliche Entscheidung hierüber kann gegenüber der beigeladenen Zustimmungsbehörde und der federführenden Stelle nur einheitlich ergehen.

2. Bescheide sind im allgemeinen zu begründen (KOVVfG § 22 Abs 2 S 1, VV KOVVfG § 22 Nr 5). Diese Regel ist jedoch für die auf BVG § 64e Abs 1 S 1 gestützte Entschließung des BMA nicht, jedenfalls nicht uneingeschränkt, maßgebend. Vielmehr können die Besonderheiten der Versorgung von Kriegsopfern außerhalb des Bundesgebietes eine gegenüber sonst vereinfachte Handhabung bedingen. Die Vereinfachung kann sich namentlich auf die Begründung von Bescheiden beziehen (BVG § 64f Abs 1 S 1 und 3). Dazu gehört, daß auf wichtige Selbstschutzinteressen des Staates oder auf vordringliche Belange der durch das Gesetz bedachten, im Ausland lebenden Personen achtzugeben ist. Die Rücksicht hierauf kann es rechtfertigen und angezeigt erscheinen lassen, daß die Gründe, die eine Ablehnung tragen, in knappster Form bekanntgegeben werden, und sei es auch nur, daß die Behörde sich mit einem Hinweis auf die leitenden Überlegungen ihrer Entschließung begnügt.

 

Normenkette

BVG § 64 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1966-12-28, S. 4 Fassung: 1966-12-28, § 64e Abs. 1 Fassung: 1971-12-16, § 64f Abs. 1 Fassung: 1970-07-10, § 64e Abs. 1 S. 1; KOVVfG § 22 Abs. 2 S. 1; KOVVfGVwV § 22 Nr. 5; BVG § 64f Abs. 1 Sätze 1, 3; SGG § 75

 

Tenor

Das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 30. April 1975 wird aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. März 1973 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin wohnt in Jugoslawien; sie ist Volksdeutsche. Sie verlangt Hinterbliebenenversorgung. Dazu hat sie geltend gemacht, daß ihr Ehemann - ebenfalls Volksdeutscher - zusammen mit anderen am 13. April 1945 von Partisanen aus dem kroatischen Heimatdorf abtransportiert und später ohne vorangegangenes Gerichtsverfahren in einem Gefängnis in Osijek (Esseg) getötet worden sei. Der Beschluß über die Todeserklärung ihres Ehemannes ist im Mai 1974 ergangen. Der Ehemann der Klägerin hatte der Ustascha angehört. Ob er sein Heimatdorf mit einer Waffe in der Hand gegen die Partisanen verteidigt hatte und ob er Dienst im Rahmen der deutschen Wehrmacht oder ob er militärischen Dienst für eine deutsche Organisation geleistet hatte, ist nicht geklärt.

Das Versorgungsbegehren lehnte die Verwaltung ab (Bescheid vom 21. Januar 1971; Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 1971). Sie hat in der Festnahme und in dem Tod des Ehemannes der Klägerin einen Racheakt der Partisanen gegen einen Ustascha-Angehörigen gesehen. Für das Geschehen seien innerstaatliche nationale Gegensätze und nicht die deutsche Volkszugehörigkeit des Betroffenen der Grund gewesen.

Das Sozialgericht (SG) hat nach Beiladung der Bundesrepublik Deutschland die Klage abgewiesen (Urteil des SG Frankfurt/M. vom 20. März 1973). Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil des LSG vom 30. April 1975). Es hat angenommen, das Schicksal des Ehemannes der Klägerin lasse sich zwar nicht dem Tatbestand einer als offensichtliches Unrecht zu bewertenden Zwangsmaßnahme im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. d Bundesversorgungsgesetz (BVG) unterordnen, denn diese betreffe nur Willkürakte deutscher, aber nicht jugoslawischer Stellen. Auch sei der gegebene Sachverhalt nicht mit einer Kriegsgefangenschaft (§ 1 Abs. 2 Buchst. b BVG) in Verbindung zu bringen, denn daß der Ehemann der Klägerin wegen eines Dienstes im Rahmen der deutschen Wehrmacht "in die Gewalt des Feindes geraten" sei - was der Begriff der Kriegsgefangenschaft voraussetze -, habe sich nicht nachweisen lassen. Dagegen hat das LSG eine Internierung im Ausland wegen deutscher Volkszugehörigkeit und die dadurch herbeigeführte Schädigung bejaht (§ 1 Abs. 2 Buchst. c BVG). Die Internierung habe beim Ende des Zweiten Weltkrieges den Volksdeutschen in Jugoslawien gegolten. Demgegenüber habe die Zugehörigkeit des einzelnen zu einer Ustascha-Einheit nicht den Ausschlag für seine Festnahme gegeben; dies sei im Streitfalle um so weniger anzunehmen, als der Ehemann der Klägerin keine Uniform getragen habe, zur Ustascha auch nicht freiwillig gekommen, sondern verpflichtet worden sei und vor seiner Verhaftung lediglich seinen Zivilberuf als Wagnermeister ausgeübt habe. Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß andere Volksdeutsche - so die Dorfmitbewohner B und K -, die nicht der Ustascha, sondern dem Bahnschutz dienten, ein ähnliches Schicksal wie der Ehemann der Klägerin erlitten hätten. Andererseits seien Kroaten trotz Mitgliedschaft in der Ustascha aus der Internierung wieder entlassen worden (Aussagen der Zeugen H und S in einer anderen Versorgungssache). Ferner - so hat das LSG ausgeführt - sei der Klageanspruch aus § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG (besondere Besatzungsgefahr) gerechtfertigt; es habe sich um schädigende Vorgänge gehandelt, die infolge einer mit der Verschleppung zusammenhängenden besonderen Gefahr eingetreten seien. Die besondere Gefahr habe sich für Volksdeutsche aus den Umständen bei der Besetzung jugoslawischen Gebietes durch Tito-Partisanen während der letzten Monate des Zweiten Weltkrieges ergeben. - Das LSG hat sich bei seiner Entscheidung nicht durch die Erklärung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) gehindert gesehen, er nehme die allgemeine Zustimmung zur Teil-Versorgung nach § 64 e Abs. 1 i.V.m. § 64 Abs. 2 BVG im Falle der Klägerin zurück. - Dazu hatte der BMA ausgeführt: die Besonderheit der Organisation und des Einsatzes von Ustascha-Einheiten gestatteten, nicht zuletzt im Interesse der gesamten Versorgung der von der Bundesrepublik Deutschland in Jugoslawien nach dem BVG betreuten Kriegsopfer, keine Gewährung von Versorgungsleistungen. - In dieser Erklärung vermochte das LSG keine "besonderen Gründe" zu erkennen, welche die Einstellung des Ministers rechtfertigen könnten.

Der Beklagte hat die - von dem LSG zugelassene - Revision eingelegt. (1) Er beanstandet, daß das LSG lediglich diejenigen Tatsachen verwertet habe, aus denen sich ergebe, daß das deutsche Volkstum Anlaß für die Internierung des Getöteten gewesen sei. Die dagegen sprechenden - aktenkundigen - Fakten habe das LSG außer acht gelassen. Es sei eine größere Beweisgewißheit zu erreichen gewesen, wenn das Gericht sich in bezug auf die Bedeutung der Ustascha-Zugehörigkeit nicht bloß mit den schriftlichen Bekundungen der Zeuginnen S und B begnügt, sondern diese Auskunftspersonen unmittelbar vernommen hätte. Ein dahingehender Beweisantrag sei lediglich deshalb unterblieben, weil nicht vorauszusehen gewesen sei, daß das Gericht sich ausschlaggebend auf die Darstellung der Klägerin verlassen werde. - (2) Über das auslösende Moment der Internierung sei sich das Berufungsgericht selbst nicht im klaren gewesen. Dies mache es durch die Urteilsformulierungen deutlich, die lauteten: Es wäre "ganz einfach lebensfremd, eine Trennung von Beweggründen des Volkstums und des Ustascha-Dienstes" vorzunehmen, oder "zu sagen, der Ehemann der Klägerin wäre heimgekommen, wenn er nur Volksdeutscher und nicht noch dazu Mitglied der Ustascha gewesen wäre, ist einfach vermessen". Diese starken Worte könnten nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch das LSG nur Möglichkeiten der Fallgestaltung, nicht aber Erwiesenes gesehen habe. Es gehe indessen in dieser Beziehung um die Zugehörigkeit des Betroffenen zu dem nach dem BVG berechtigten Personenkreis. Die dafür maßgebenden Tatsachen müßten bewiesen sein. (3) Der Beklagte bemängelt die Anwendung des Begriffs der Internierung auf den Streitfall. Internierung setze das Festhalten von Zivilpersonen durch einen Gewahrsamsstaat zu Sicherungszwecken, getrennt von Strafgefangenen, voraus. Der Getötete sei aber zu Straf- und Tötungszwecken in ein Gerichtsgefängnis gebracht worden. (4) Unrichtig sei ferner die Vorstellung, der Betroffene sei einer mit der Besatzung zusammenhängenden besonderen Gefahr erlegen. Von einer Besatzung, d.h. von einer fremden Militärverwaltung mit vorübergehendem Charakter habe bei der Herrschaft der Partisanen in Jugoslawien nicht ausgegangen werden können. (5) Schließlich - so der Beklagte - habe sich das LSG zu Unrecht über das Fehlen der ministeriellen Zustimmung zur Versorgung hinweggesetzt. Der BMA habe aus übergeordneten Gesichtspunkten es nicht für vertretbar gehalten, daß Ustascha-Angehörige und ihre Hinterbliebenen in die deutsche Versorgung einbezogen würden. Wenn das Gericht in Aussicht stelle, daß die seines Erachtens bislang unzulänglich begründete Entscheidung des BMA noch deutlicher und genauer dargetan werden könne und wenn es deshalb die angefochtenen Bescheide lediglich aufgehoben habe, dann spreche es zugleich eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltung aus, dies sei nicht angängig.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie meint, die Versagung der Versorgungsleistung sei ermessensfehlerhaft.

Die Beigeladene hat sich in diesem Rechtszuge zur Sache nicht geäußert.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist begründet.

Es kann dahingestellt bleiben, ob dem LSG in der materiell-rechtlichen Beurteilung der Streitsache zuzustimmen ist. Die Klage kann jedenfalls deshalb keinen Erfolg haben, weil die Versorgungsverwaltung ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat, indem sie das Leistungsbegehren der Klägerin ablehnte.

Was zunächst die sachlich-rechtliche Seite der Sache anbetrifft, so ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß der Versorgungsantrag nicht aus § 1 Abs. 1 BVG zu rechtfertigen ist. Aus diesem Gesichtspunkt entfällt die Versorgung schon deshalb, weil der Ehemann der Klägerin den Tod nicht, wie es an der genannten Gesetzesstelle gefordert wird, durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung (§§ 2 bis 4 BVG) erlitt. Desgleichen scheidet die Anwendung des § 1 Abs. 2 Buchst. d BVG aus. Nach dieser Vorschrift sind Schäden zu berücksichtigen, welche durch eine offensichtlich unrechtmäßige Straf- oder Zwangsmaßnahme aus Anlaß allgemeiner Auflösungserscheinungen herbeigeführt worden sind. Dabei wird vornehmlich an Schädigungen gedacht, welche in der letzten Phase des Krieges durch deutsche Dienststellen bei Erzwingung eines solchen Einsatzes entstanden sind, der den Umständen nach nicht mehr erwartet werden konnte (Begründung des Regierungsentwurfs des BVG, BT-Drucks. I/1333 S. 46 f). Gewaltsamkeiten, die nach dem Zusammenbruch deutscher militärischer und exekutiver Macht verübt wurden, können dagegen nicht mehr zur Abwendung der gegen Kriegsende auf deutscher Seite eingetretenen Auflösungserscheinungen gedient haben (BSG Urteil vom 22.2.1961 - 9 RV 946/58 in E 14, 50 nicht abgedruckt), vor allem aber müssen es Straf- oder Zwangsakte deutscher Stellen gewesen sein (BSGE 17, 225, 228; BSGE 21, 222; 26, 4). Um solche geht es hier nicht.

Der Tod des Ehemannes der Klägerin kann ferner nicht auf eine Kriegsgefangenschaft zurückgeführt werden (§ 1 Abs. 2 Buchst. b BVG). Kriegsgefangen ist, wer wegen seiner Zugehörigkeit zu einem militärischen oder militärähnlichen Verband gefangen genommen worden ist und von einer ausländischen Macht festgehalten wird (BSGE 30, 115, 118; 3, 268; 13, 16). Diese Definition ist im gegenwärtigen Falle nicht verwirklicht. Der Ehemann der Klägerin wurde von Jugoslawen eingekerkert und somit von einem Kommando seines Heimatstaates, also nicht, wie es die wiedergegebene Definition verlangt, von einer ausländischen Stelle der Freiheit beraubt (BSGE 30, 119; vgl. auch BSG in BVBl 68, 27).

Eine Versorgung der Klägerin könnte des weiteren nicht deswegen angezeigt sein, weil ihr Ehemann das Opfer von Kampfhandlungen oder von solchen behördlichen Maßnahmen wurde, die sich direkt auf Kampfhandlungen oder ihre Vorbereitung bezogen (§ 1 Abs. 2 Buchst. a; § 5 Abs. 1 Buchst. a und b BVG). Unter Kampfhandlungen in diesem Sinne sind Unternehmungen zu verstehen, mit denen der Gegner in seinem Kriegspotential getroffen werden soll. Dagegen gehört dazu nicht ein Vorgehen, mit dem allein oder überwiegend politische Ziele verfolgt wurden (BSGE 12, 99, 103 f). Davon ist indessen in diesem Falle auszugehen, wo es um Ausschreitungen der jugoslawischen Partisanen gegen eigene Staatsangehörige nach dem örtlichen Ende der Kämpfe ging.

Näherliegend ist der von dem Berufungsgericht geäußerte Gedanke, der Tod des Ehemannes der Klägerin sei die Folge einer Internierung (§ 1 Abs. 2 Buchst. c BVG). Dies bedeutet das Festgehaltenwerden auf begrenztem Raum bei ständiger Überwachung (SozR Nr. 42 zu § 1 BVG; BSGE 14, 50, 51) zum Schutz und zur Sicherung der Gewahrsamsmacht (BSGE 38, 1). Versorgungsrechtlich ist die Internierung nicht auf - vom internierenden Staat aus gesehen - fremde Staatsangehörige beschränkt. Sie kann auch Volksdeutsche betroffen haben, welche Bürger des Staates waren, der sie wegen ihres Bekenntnisses zum deutschen Volkstum festhielt (BSG SozR Nr. 42 zu § 1 BVG; BSGE 14, 50, 52). Der Freiheitsentzug muß durch den Krieg bedingt sein (BSG SozR Nr. 42 zu § 1 BVG), aber er braucht sich nicht unmittelbar - wie es hier jedoch der Fall war - an ein Kriegsereignis anzuschließen (BSGE 17, 69, 71; 38, 1, 2). Wenn sonach der Tatbestand der Internierung in der Streitsache weitgehend erfüllt zu sein scheint, so tauchen doch Zweifel gegen die Annahme auf, die Internierung sei bestimmender Faktor für den Tod des Ehemannes der Klägerin gewesen. Die gesetzliche Leistungsvoraussetzung ist nicht schon erfüllt, wenn die Schädigung während einer Internierung eintrat; sie muß vielmehr durch diese hervorgerufen worden sein. Der Internierung ist es von ihrem Sicherungszweck her fremd, daß sie einem Strafvollzug dient (BSGE 38, 1, 2) oder daß mit ihr andere Absichten als solche der militärischen Kriegsführung verfolgt werden. Infolgedessen ist zu erwägen, ob politische Racheakte oder Vernichtungsschläge gegen eine Volksgruppe der hier in Rede stehenden Art mit dem Merkmal der Internierung so verknüpft werden dürfen, daß erstere nur die Folge von letzterem sind (zur Parallelfrage bei der Kriegsgefangenschaft: BSGE 17, 225, 226; Urteil vom 24.11.1970 - 8 RV 85/70). Mit einer solchen Auffassung läßt es sich schwerlich vereinbaren, daß hinter den erwähnten Vergeltungstaten ein besonderer, zum Internierungswillen selbständig hinzutretender Entschluß steht. Fallen doch die gewollten Wirkungen solchen Tuns völlig aus dem Eigentümlichen einer Internierung und aus dem Rahmen des damit wahrgenommenen Zieles heraus.

Die angeschnittene Frage führt zu der Überlegung, ob der Sachverhalt einem anderen Gesetzestatbestand unterzuordnen sei. Das Berufungsgericht hat denn auch eine Antwort in der Vorschrift des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG gesucht. Diese Gesetzesnorm handelt von schädigenden Vorgängen, welche infolge einer besonderen Gefahr eingetreten sind, die mit der militärischen Besetzung deutschen oder ehemals deutsch besetzten Gebietes zusammenhängt. Die an dieser Gesetzesstelle ebenfalls angeführte, mit einer zwangsweisen Verschleppung verbundene besondere Gefahr kann im gegenwärtigen Falle nicht verwirklicht worden sein, da der Ehemann der Klägerin nicht in ein fremdes Staatsgebiet geschafft wurde. Davon ist aber bei dem Begriff der Verschleppung auszugehen (BSG SozR Nr. 44 zu § 5 BVG). Zu der speziellen Gefahr, die über die allgemeinen Belastungen einer militärischen Besetzung hinausgeht, zählen Gewalttätigkeiten sowie die Bedrohung der einheimischen Bevölkerung mit Übeln an Leib und Leben (BSGE 2, 99, 103; 6, 288, 293; 16, 195, 197; 17, 225, 229; 34, 62, 67; SozR Nr. 40 zu § 1 BVG; vgl. auch BSGE 20, 114). Daß der Ehemann der Klägerin als Volksdeutscher wie als Angehöriger der Ustascha-Bewegung nach der kriegerischen Eroberung seines Heimatgebietes durch feindlich gesonnene Tito-Partisanen deren vom Augenblick diktierten Willkürakten wehrlos ausgesetzt war, bedeutete fraglos eine besondere Gefahr (Osteuropa-Handbuch Jugoslawien, herausgegeben von Markert 1954, 34 f; Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost- und Mitteleuropa, Bd. V, Das Schicksal der Deutschen in Jugoslawien, herausgegeben vom Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte 1961; 90 E ff; Wuescht, Jugoslawien und das Dritte Reich, Stuttgart 1969, 280 f). Bedenken könnten sich jedoch insoweit ergeben, als die Partisanen die Herrschaft nicht über fremdes Staatsgebiet ergriffen, also nicht als Besetzung auftraten. Zwar haben solche Bedenken in der Rechtsprechung anscheinend keine Rolle gespielt, soweit es sich um Anspruchsberechtigte im Inland handelte (vgl. BSG 16, 195, ohne nähere Begründung zu dem hier interessierenden Gesichtspunkt; aber auch die beiläufige Bemerkung in SozR Nr. 44 zu § 5 BVG, daß die militärische Besetzung deutschen oder ehemals deutsch besetzten Gebietes begrifflich nur durch fremde Truppen erfolgt sein könne). Es fragt sich jedoch, ob diese Betrachtungsweise - wenn überhaupt - auch für den Bereich der Auslandsversorgung gilt. Andererseits läßt der Gesetzestext auch eine weitergehende Interpretation zu. Es ist dort von einer besonderen Gefahr die Rede, die "mit der militärischen Besetzung deutschen oder ehemals deutsch besetzten Gebietes" zusammenhängt. Diese nachgiebige Formulierung könnte auch den Fall einbeziehen, daß diejenigen, welche mit der deutschen Besatzungstruppe eng zusammengearbeitet hatten, unter bestimmten Umständen nach Abzug der Deutschen - jedenfalls vor Einführung einer funktionsfähigen zivilen Verwaltung - sich in einer zugespitzten Krisenlage befanden und Nachstellungen schutzlos ausgesetzt waren. Ob § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG auf einen solchen Sachverhalt zu erstrecken ist, vorausgesetzt, es läßt sich von einer unmittelbaren Kriegseinwirkung sprechen (BSGE 2, 99, 103), kann hier jedoch auf sich beruhen. Über den Rechtsstreit ist aus einem anderen Grunde abschließend zu befinden.

Das LSG hat die angefochtenen Verwaltungsakte auch deshalb aufgehoben, weil ihnen eine Entschließung des BMA zugrunde liegt, welche ihre Beweggründe nicht genügend erkennbar mache. Der Mangel, von dem das Berufungsgericht ausgeht, haftet also nicht eigentlich den Bescheiden der Versorgungsbehörde an, sondern geht auf die Erklärung des BMA zurück, er versage seine Zustimmung zur Versorgung der Klägerin. Daß das LSG diese - seines Erachtens unzulänglich erläuterte und damit fehlerhafte - Erklärung den angegriffenen Verwaltungsakten angelastet hat, ist an sich korrekt. Die Versorgungsbehörden waren in ihrer Entscheidung an die Zustimmung des BMA gebunden (§ 64 e Abs. 1 Satz 1 BVG). Diese Zustimmung stellt einen verwaltungsinternen Mitwirkungsakt dar, weil die Versorgungsbehörden nach außen hin allein berufen sind, die Antragstellerin zu bescheiden (vgl. BVerwGE 26, 31, 40 f, NJW 59, 590; BSG Beschluß vom 17.11.1975 - 9 RV 466/74). Die Verweigerung der Zustimmung hätte nicht selbständig angefochten werden können; sie unterliegt der Zwischenprüfung im Prozeß der Antragstellerin gegen das mit der Durchführung des Gesetzes beauftragte Land (BVerwGE 26, 40). Die gerichtliche Entscheidung hierüber kann gegenüber der beigeladenen Zustimmungsbehörde und der federführenden Stelle nur einheitlich ergehen.

Richtig ist, daß Bescheide im allgemeinen zu begründen sind (§ 22 Abs. 2 Satz 1 VerwVG), und zwar in solcher Weise, daß die Antragsteller die Gesichtspunkte für eine Leistungsbewilligung oder -ablehnung erfahren und somit in die Lage versetzt werden, in einem Rechtsbehelf ihre Belange sachgemäß wahrzunehmen (Verwaltungsvorschrift Nr. 5 Satz 3 und 4; BVerfGE 6, 32, 44; vgl. § 39 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - vom 25.5.1976, BGBl I 1253). Diese Regel ist jedoch für die auf § 64 e Abs. 1 Satz 1 BVG gestützte Entschließung des BMA nicht, jedenfalls nicht uneingeschränkt, maßgebend. Vielmehr können die Besonderheiten der Versorgung von Kriegsopfern außerhalb des Bundesgebietes eine gegenüber sonst vereinfachte Handhabung bedingen. Die Vereinfachung kann sich namentlich auf die Begründung von Bescheiden beziehen (§ 64 f Abs. 1 Sätze 1 und 3 BVG). Dazu gehört, daß auf wichtige Selbstschutzinteressen des Staates oder auf vordringliche Belange der durch das Gesetz bedachten, im Ausland lebenden Personen achtzugeben ist. Die Rücksicht hierauf kann es rechtfertigen und angezeigt erscheinen lassen, daß die Gründe, die eine Ablehnung tragen, in knappster Form bekanntgegeben werden, und sei es auch nur, daß die Behörde sich mit einem Hinweis auf die leitenden Überlegungen ihrer Entschließung begnügt. Hinzu kommt, daß außenpolitische Erwägungen, wie sie offenbar im Streitfalle mitspielen, durch solche Unwägbarkeiten veranlaßt sein können, die nicht stets genau zu umreißen sind und deren Offenbarung im einzelnen nicht stets im Sinne der gesetzlichen Regelung liegt (vgl. BVerwGE 19, 332, 336 f mit Bezugnahme auf BVerfGE 7, 155, 166 f; 8, 332, 356; Bachof, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Bd. II 1967, 330; über eine eingeschränkte Begründungspflicht: VGH Baden-Württemberg DÖV 1964, 103; Ferdinand Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht 1971, 49 f; Franz Becker in: Entscheidungsbegründung, herausgegeben von Rainer Sprung 1974, 114). Auf solche Momente bezieht sich das Gesetz mit dem Kriterium "der besonderen Gründe" (in § 64 Abs. 2 Satz 4 und in § 64 e Abs. 1 Satz 1 BVG, i.d.F. der Bekanntmachung vom 16.6.1975 - BGBl I 1365). Der Gesetzgeber hat sich bei diesem Ausdruck Umstände vorgestellt, die u.a., wie § 64 e Abs. 1 Satz 4 BVG beispielhaft anführt, durch die Lebensverhältnisse im Aufenthaltsstaat geprägt sind (dazu auch das Berufungsgericht selbst, Urteil vom 19.2.1975, in Breithaupt 1975,784). Solche Gegebenheiten lassen sich nicht ein für allemal normieren; sie sind zum Teil mit gebotener Zurückhaltung oder vertraulich zu behandeln (zu BT-Drucks. V/1216 S. 10 und 11 zu § 64 und zu §§ 64 e, 64 f). Die bewußt elastische Gesetzgestaltung gebietet so eine bewegliche und verständige Rechtsanwendung. Unter diesen Aspekten ist die Begründung, die der BMA seiner Entschließung in Abschnitt IV des Schriftsatzes vom 16. August 1972 (SG-Akte Bl. 22) beigegeben hat, daß er die beanspruchte Versorgung nicht gestatte, noch ausreichend. Der BMA beruft sich erkennbar auf die spezielle Situation, in der sich eine bestimmte Gruppe von Kriegsopfern im Verhältnis zu den übrigen Kriegsopfern in Jugoslawien befindet. Zu dieser Gruppe gehört auch die Klägerin. Daß diese spezielle Lage als ein Leistungshindernis angesehen wird, entspricht dem Zweck des Ermessens, das der Exekutive vom Gesetz eingeräumt ist. - Der Senat muß dabei letztlich beachten, daß der BMA bei Entschließungen dieser Art nicht frei, sondern an außenpolitische Rücksichtnahmen gebunden ist, so daß rechtliche Beurteilungsmaßstäbe, wie sie im Versorgungsrechtsstreit eines im Inland lebenden Klägers angebracht wäre, hier weitgehend unanwendbar erscheinen. Diese Erwägung führt im vorliegenden Fall dazu, daß eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz wegen der - übrigens auch vom Beklagten mit der Revision gerügten - unzulänglichen Erforschung des Sachverhalts nicht als sinnvoll erachtet werden kann. Denn selbst wenn eine umfassende weitere Sachaufklärung die Feststellung erlauben sollte, der Ehemann der Klägerin habe nur in ganz losen Beziehungen zur Ustascha gestanden und seine Tötung sei ausschlaggebend auf die Eigenschaft als Volksdeutscher zurückzuführen, wäre damit zwar eine Beurteilung des Falles im Sinne der allgemeinen Auslegung des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG (vgl. etwa BSG 4, 234 ff, BSG 11.6.1964 - 8/11 RV 100/62 = KOV 1965, 17 Nr. 1571 = VersorgB 1964, 114 Nr. 115) möglich, der Ermessensspielraum des BMA bei seiner gemäß § 64 e Abs. 1 BVG zu fassenden Entschließung würde hierdurch aber keineswegs erweitert. Vielmehr müßte dann sogar u.U. eine Einengung dieses Spielraums deshalb befürchtet werden, weil von jugoslawischer Seite eine solche Handhabung des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG mißbilligt werden könnte; das aber könnte dazu führen, daß eine Versorgung von Opfern der Partisanenaktionen schlechthin unterbunden wird.

Sonach sind die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen rechtmäßig. Das dieser Auffassung entgegenstehende Berufungsurteil ist aufzuheben und das klagabweisende erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1649510

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