Entscheidungsstichwort (Thema)

Maßnahmen zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit. persönliche Angelegenheit

 

Leitsatz (amtlich)

Kein Unfallversicherungsschutz eines Versicherten, der während einer Dienstreise bei einem auch sonst regelmäßig durchgeführten Saunabesuch verunglückt.

 

Orientierungssatz

Maßnahmen eines Versicherten, die er unternimmt, um seine körperliche und geistige dienstliche Leistungsfähigkeit aufzubringen oder zu erhalten, stehen grundsätzlich nicht mit der dienstlichen Tätigkeit in einem unmittelbaren Zusammenhang. Das Risiko der dienstlichen Leistungsfähigkeit fällt in den unversicherten eigenwirtschaftlichen Bereich.

 

Normenkette

RVO § 548 Abs 1 S 1

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 25.10.1988; Aktenzeichen L 5 U 27/88)

SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 18.01.1988; Aktenzeichen S 10 U 26/87)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um den Anspruch der Klägerinnen auf Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach ihrem am 4. Oktober 1986 verstorbenen Ehemann und Vater R.       P. (Versicherter).

Der im Jahre 1931 geborene Versicherte war bei der Firma D. B.               in O.         beschäftigt. In seiner Eigenschaft als Betriebsratsmitglied sollte er am 25. August 1986 an Besprechungen auf verschiedenen Baustellen in B.     teilnehmen. Am Sonntag, 24. August 1986, fuhr er um 6.30 Uhr mit seinem PKW in Begleitung seiner Ehefrau, der Klägerin zu 1), von seiner Wohnung in D.      nach B.    . Gegen 13.00 Uhr bezog er im P.   -Hotel in B.     ein mit Dusche und Badewanne ausgestattetes Zimmer. Kurze Zeit später besuchte er eine in der Nähe des Hotels liegende Sauna. Dazu gab der Versicherte an, als Dialysepatient neige er zu Körpergeruch. Deshalb suche er regelmäßig - dreimal wöchentlich - eine Sauna auf. Im Hinblick auf eine für 18.00 Uhr vorgesehene Vorbesprechung mit einem Kollegen im Hotel sei dieses Saunabad erforderlich gewesen. Um 14.30 Uhr hatte der Versicherte in der Sauna einen Unfall, bei dem er auf nassem Boden ausrutschte und sich eine Beckenringfraktur zuzog. Er wurde zunächst in B.     stationär behandelt und am 27. August 1986 in das Marienhospital in M.   verlegt. Dort verstarb er am 4. Oktober 1986.

Die Beklagte lehnte es ab, den Klägerinnen Hinterbliebenenleistungen zu gewähren. Sie meinte, der Besuch des privaten Saunabetriebes sei dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen. Zur gründlichen körperlichen Reinigung hätte auch ein Dusch- oder Wannenbad im Hotelzimmer ausgereicht (Bescheide vom 15. Januar 1987 und 3. Februar 1987).

Das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen hat die Beklagte verurteilt, den Klägerinnen die gesetzlichen Hinterbliebenenleistungen zu gewähren, weil der Saunabesuch nicht nur im eigenen persönlichen Interesse des Versicherten, sondern vor allem im Interesse seiner Arbeitgeberin gelegen habe. Ferner sei der Beckenbruch ursächlich für den Tod des Versicherten am 4. Oktober 1986 gewesen (Urteil vom 18. Januar 1988). Das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen (Urteil vom 25. Oktober 1988), weil das Aufsuchen der Sauna am 24. August 1986 in keinem wesentlichen inneren Zusammenhang zu der versicherten Tätigkeit gestanden habe. Eine körperliche Reinigung, die nicht am Arbeitsplatz oder in dessen unmittelbarer Nähe, sondern erst zu Hause oder - während einer Dienstreise - im Hotel vorgenommen werde, sei von überwiegend privaten, mithin unversicherten und nicht wesentlich betriebsbedingten Gründen bestimmt. Dies gelte auch für den Fall, daß das Saunabad nicht nur der Körperreinigung, sondern auch der Bekämpfung eines durch das Nierenleiden verursachten unangenehmen Körpergeruchs gedient habe.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügen die Klägerinnen die fehlerhafte Anwendung der §§ 589 Abs 1 Nrn 1 bis 3, 548 Abs 1 iVm § 539 Abs 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Entgegen der Ansicht des LSG habe das Aufsuchen der Sauna in einem wesentlichen inneren Zusammenhang zu der beruflichen Tätigkeit des Versicherten gestanden. Dieser Saunabesuch sei wegen seiner besonderen Situation als Dialysepatient im Zusammenhang mit der für den Abend des 24. August 1986 geplanten Geschäftsbesprechung in keiner Weise mit der körperlichen Reinigung und Erfrischung anderer Versicherter zu vergleichen. Nach einer über siebenstündigen Dienstfahrt mit dem Auto wäre der Versicherte nicht in der Lage gewesen, ohne das Saunabad an der für 18.00 Uhr angesetzten Geschäftsbesprechung teilzunehmen.

Die Klägerinnen beantragen,

das Urteil des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Oktober 1988 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Gelsenkirchen vom 18. Januar 1988 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerinnen zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerinnen ist nicht begründet. Den Klägerinnen stehen keine Ansprüche auf Hinterbliebenenversorgung (§§ 589 Abs 1, 590, 595 RVO) zu. Zutreffend hat das LSG entschieden, daß der Versicherte am 24. August 1986 keinen Arbeitsunfall (§ 548 Abs 1 iVm § 539 Abs 1 Nr 1 RVO) erlitten hat.

§ 548 Abs 1 Satz 1 RVO setzt voraus, daß sich ein Arbeitsunfall bei der versicherten Tätigkeit ereignet hat. Dazu ist in der Regel erforderlich, daß das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits zur versicherten Tätigkeit zu rechnen ist, und daß diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muß also eine sachliche Verbindung mit der Betriebstätigkeit und dem Beschäftigungsverhältnis bestehen, die es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSGE 63, 273 = SozR 2200 § 548 Nr 92). In dem Zeitpunkt, als er den streitigen Unfall erlitt, befand sich der Versicherte auf einer von seiner Arbeitgeberin genehmigten Dienstreise. Auf einer solchen Reise ist der Versicherte nicht schlechthin während ihrer gesamten Dauer und bei jeder Verrichtung unfallversicherungsrechtlich geschützt. Zwar hat das Bundessozialgericht (BSG) in mehreren Entscheidungen ausgeführt, daß bei Unfällen während einer Dienstreise ein innerer Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit auch außerhalb der eigentlichen dienstlichen Beschäftigung im allgemeinen eher anzunehmen sein wird als am Wohn- oder Betriebsort (BSGE 8, 48, 52; 50, 100, 101). Andererseits hat das BSG jedoch in ständiger Rechtsprechung betont, daß der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung auf einer Dienstreise nicht schon deshalb ohne weiteres gegeben ist, weil sich der Versicherte im betrieblichen Interesse außerhalb seines Beschäftigungs- und Wohnorts aufhalten und bewegen muß. Hier kommt es ebenfalls darauf an, ob die unfallbringende Betätigung jeweils mit dem Beschäftigungsverhältnis rechtlich wesentlich zusammenhängt (BSG SozR 2200 § 548 Nr 21; § 762 Nr 2; § 539 Nr 110). Auch während einer Dienstreise bieten sich nach der Lebenserfahrung zahlreiche Gelegenheiten, bei denen sich der Reisende eindeutig außerhalb einer solchen Beziehung zum Unternehmen befindet (s Urteil des Senats vom 26. Januar 1988 - 2 RU 1/87 -, USK 8820 mwN). Fehlt es bei einer zum Unfall führenden Tätigkeit des Reisenden an diesem inneren Zusammenhang, so kann der Unfallversicherungsschutz auch nicht deshalb bejaht werden, weil diese Betätigung in örtlicher und zeitlicher Hinsicht den Gesamtablauf der Geschäftsreise nicht nachhaltig beeinflußt hat (s Urteil des Senats vom 26. Juni 1970 - 2 RU 113/68 -, USK 70105). Der Versicherungsschutz entfällt somit, wenn der Reisende sich rein persönlichen, von der Betriebstätigkeit nicht mehr wesentlich beeinflußten Belangen widmet (BSG SozR 2200 § 548 Nr 21). Unter Berücksichtigung der hier gegebenen besonderen Umstände hat das LSG mit zutreffenden Erwägungen eine solche der privaten, eigenwirtschaftlichen Sphäre des Versicherten zuzurechnende Verrichtung bei dem Saunabesuch in Berlin bejaht.

Nach den unangegriffenen und deshalb gemäß § 163 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bindenden Feststellungen des LSG hatte der Versicherte, der an seinem Wohnort regelmäßig dreimal wöchentlich ein Saunabad nahm, in B.     die Sauna kurz nach seiner gegen 13.00 Uhr erfolgten Ankunft im Hotel aufgesucht, um sich zu reinigen und zu erfrischen und insbesondere um den nach seinen Angaben durch das schwere Nierenleiden entstehenden unangenehmen Körpergeruch zu bekämpfen. Eine solche Maßnahme gehört grundsätzlich zum unversicherten persönlichen Lebensbereich.

Die nicht am Arbeitsplatz, sondern zu Hause vorgenommene körperliche Reinigung gehört überwiegend in die private unversicherte Sphäre (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 481 l mwN; s Wildfeuer, SV 1968, 279). Dies gilt in der Regel auch, wenn die Reinigung während einer Dienstreise im vom Versicherten bewohnten Hotelzimmer erfolgt. Allerdings stellt auf einer Dienstreise das Hotel insgesamt für den Reisenden einen Ersatz sowohl für die eigene Häuslichkeit als auch für die Arbeitsstätte dar (s Urteil des Senats vom 26. Januar 1988 - 2 RU 1/87 -, USK 8820). Er ist deshalb auch dann versichert, wenn der Unfall auf besondere Gefahrenmomente im Bereich der auf der Dienstreise aufgesuchten Übernachtungsstätte zurückzuführen ist (BSG SozR 2200 § 539 Nr 110 mwN). Indessen entfällt dieser Versicherungsschutz in der Regel außerhalb der Übernachtungsstätte. Insoweit ist der Versicherte nicht anders zu stellen, als wenn er in seiner Freizeit an seinem Wohnort ein Saunabad aufgesucht hätte.

Nach den Feststellungen des LSG lagen bei der Sauna in B.      zudem keine besonderen gefahrbringenden Umstände vor, die in ihrer Eigenart dem Versicherten während eines normalen Verweilens am Wohn- oder Betriebsort nicht begegnet wären (s Brackmann aaO S 481 x mit Nachweisen aus Literatur und Rechtsprechung). Wie allgemein bekannt ist, besteht in jeder Sauna mit ihren Dusch-, Tauch- und Schwimmbecken eine erhöhte und latente Gefahr, auf nassem (Fliesen-)Fußboden auszurutschen und sich zu verletzen.

Auch der Umstand, daß der Versicherte das Saunabad nahm, um wegen des schweren Nierenleidens unangenehmen Körpergeruch zu bekämpfen, rechtfertigt keine andere Beurteilung des fehlenden inneren Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit. Ebenso wie die Nutzung der Freizeit zu Erholungszwecken sind Maßnahmen, die der Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit dienen (s BSGE 4, 219, 223; 23, 139, 140), eine persönliche Angelegenheit des Arbeitnehmers, die in erster Linie dem eigenen Wohl dient und von eigenen Entschließungen bestimmt wird und somit grundsätzlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen ist (BSG BG 1967, 115; BSG SozR 2200 § 548 Nr 31; Brackmann aaO S 484 o; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 548 Anm 33, 58). Das Interesse des Unternehmers an der Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers ist nicht ausreichend, um den dadurch gegebenen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit als rechtlich wesentlich ansehen zu können. Ein solches Interesse des Unternehmers besteht vielmehr auch an zahlreichen anderen Verrichtungen im Rahmen des unversicherten persönlichen Lebensbereichs - wie zB Beschaffung und Instandhaltung von Kleidung, ausreichende und gesundheitlich zuträgliche Ernährung, Beschaffung ausreichenden Wohnraums -, ohne die eine ordnungsgemäße Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis nicht möglich ist (BSGE 9, 222, 225/226). Auch die vom Versicherten an seinem Wohnort regelmäßig unternommenen Saunabesuche, die nach dem Vortrag der Klägerinnen zu seinem "normalen Lebensablauf" gehörten, geschahen in seinem eigenen Interesse, nämlich um seine Gesundheit und damit seine Erwerbsfähigkeit soweit als möglich zu erhalten. Dies sind Verrichtungen, die dem privaten und damit unversicherten Lebensbereich zuzurechnen sind (s BSG BG 1967, 115), weil, wie bereits erörtert, Maßnahmen zur Erhaltung und/oder Wiederherstellung der Gesundheit grundsätzlich dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnen sind, selbst wenn dabei betriebliche Sozialeinrichtungen in Anspruch genommen werden (Brackmann aaO S 480 o). Es entspricht dem privaten Bereich, die mit der Nierenerkrankung ohne Zweifel verbundenen Beeinträchtigungen (Neigung zu Körpergeruch) durch - nach dem Vorbringen der Klägerinnen vom LSG als geeignet unterstellten - Saunagänge zu begrenzen, um auf die - private wie berufliche - Umgebung einen gepflegten Eindruck zu machen und objektiv wie subjektiv "unauffällig" mit anderen Menschen zusammenkommen zu können. Das gilt umso mehr für das hier streitige Saunabad in Berlin, wenn nach dem Vortrag der Revision der Versicherte seine Zeitplanung bei der Anreise nach Berlin auf einen Saunabesuch exakt ausgerichtet hatte.

Richtig ist zwar der Hinweis der Revision, daß die körperliche Reinigung und Erfrischung von Dialysepatienten nicht mit der anderer Versicherter zu vergleichen ist; dies kann aber nicht generell dazu führen, daß die erforderliche Reinigung und Gesundheitspflege dem betrieblichen Bereich zugeordnet wird. Daher stehen Maßnahmen eines Versicherten, die er unternimmt, um seine körperliche und geistige dienstliche Leistungsfähigkeit aufzubringen oder zu erhalten, grundsätzlich nicht mit der dienstlichen Tätigkeit in einem unmittelbaren Zusammenhang. Das Risiko der dienstlichen Leistungsfähigkeit fällt in den unversicherten eigenwirtschaftlichen Bereich.

Die Klägerinnen können sich auch nicht auf das Urteil des Senats vom 8. Juli 1980 (- 2 RU 25/80 -, USK 80126) berufen. In diesem Ausnahmefall hatte der Senat den Versicherungsschutz auch während einer Dienstreise bei einem Duschbad im Hotelzimmer angenommen, das nach einer Anreise am Vormittag sowie einem Referat am Nachmittag und anschließenden Gesprächen erforderlich war, um sich in der kurzen, knapp einstündigen Pause für den ebenfalls der versicherten Tätigkeit dienenden Abendempfang mit den Gesprächspartnern des Nachmittags unabhängig von dem im privaten Bereich zu Hause üblichen Umfang zu erfrischen. Im vorliegenden Fall hingegen lag nach den Feststellungen des LSG ein solcher enger zeitlicher Zusammenhang zwischen betrieblicher Tätigkeit und dem Saunabesuch nicht vor. Der Versicherte war auch nicht wie in dem vom Senat entschiedenen Fall derart in Eile (zur "betrieblich bedingten Eile im Privatbereich" s Urteil des Senats vom 26. Juni 1970 - 2 RU 126/68 -, USK 70201), daß er wegen einer kurzfristigen Dienstbesprechung eine Dusche oder ein Bad im Hotel unmittelbar nach der Ankunft in B.     benötigte. Vielmehr stand hier dem Versicherten eine mehrstündige, den privaten Bedürfnissen und Interessen dienende Pause vor Aufnahme der dienstlichen Besprechung am selben Tag zur Verfügung, die er für den Saunagang nutzte.

Die Revision der Klägerinnen ist deshalb unbegründet.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1667072

NJW 1990, 70

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