Leitsatz (amtlich)

Die Unterverpachtung eines gepachteten landwirtschaftlichen Unternehmens auf ein Jahr kann eine Abgabe iS des § 2 Abs 3 GAL darstellen, wenn der Pachtvertrag mit Ablauf der Unterpacht endet.

 

Normenkette

GAL § 2 Abs 1 Buchst c; GAL § 2 Abs 3

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 29.01.1986; Aktenzeichen L 8 Lw 4/85)

SG Dortmund (Entscheidung vom 21.03.1985; Aktenzeichen S 11 Lw 2/84)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine Unterverpachtung auf ein Jahr eine Abgabe iS des § 2 Abs 3 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) darstellt, wenn der Pachtvertrag mit Ablauf der Unterpacht endet.

Der 1917 geborene Kläger bewirtschaftete als Obsterzeuger 0,47 ha Eigenland und 1,87 ha Pachtland. Letzteres überließ er 1984 seinem Sohn Helmut zur Nutzung. Die vom Kläger gewünschte Weiterverpachtung an den Sohn noch vor dem Ablauf des Pachtvertrages am 31. März 1986 lehnte der Verpächter ab; in einem schriftlichen Zusatzvertrag zum Pachtvertrag einigten sich dann jedoch der Verpächter, der Kläger und sein Sohn dahin, daß das Pachtland für die Zeit vom 1. April 1985 bis 31. März 1986 an den Sohn unterverpachtet werde, der mit dem Kläger bestehende Pachtvertrag unwiderruflich am 31. März 1986 ende und ab April 1986 mit dem Sohn ein neuer Pachtvertrag abgeschlossen werden solle.

Den im Oktober 1982 vom Kläger gestellten Antrag auf Altersgeld lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 31. Januar 1984 ab, weil das Unternehmen bisher nicht abgegeben worden sei; der Kläger habe das Pachtland weder zurückgegeben noch für neun Jahre unterverpachtet.

Die Vorinstanzen haben die dagegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteile vom 21. März 1985 und vom 29. Januar 1986). Auch nach der Ansicht des Landessozialgerichts (LSG) steht dem Kläger aus dem genannten Grunde kein Altersgeld zu.

Durch Bescheid vom 5. Juni 1986 hat die Beklagte dem Kläger rückwirkend ab April 1986 Altersgeld bewilligt.

Mit der vom Bundessozialgericht (BSG) nur für die Zeit vom 1. April 1985 bis zum 31. März 1986 zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 2 Abs 1 Buchst c, Abs 3 GAL. Er habe die an eine Abgabe zu stellenden Anforderungen bereits durch die vereinbarte Unterpacht erfüllt, weil er dadurch die Verfügungsbefugnis über das Pachtland verloren habe.

Der Kläger beantragt, die Urteile der Vorinstanzen zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Januar 1984 zu verurteilen, ihm schon vom 1. April 1985 an Altersgeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Ihm steht ein Anspruch auf Altersgeld auch für die Zeit vom 1. April 1985 bis 31. März 1986 zu.

Bei einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 bs 1 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-), wie sie hier erhoben worden ist, haben die Gerichte nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl Meyer-Ladewig, § 54 SGG, Anm 38) auch zu prüfen, ob ein Anspruch, der bei Erlaß des angefochtenen Verwaltungsaktes noch nicht bestand, durch spätere, vor der gerichtlichen Entscheidung eingetretene Umstände begründet worden ist; dazu bedarf es entgegen der Meinung der Beklagten keines erneuten Antrages und keines neuen Verwaltungsbescheides. Das LSG hat deshalb zutreffend geprüft, ob die Unternehmensabgabe durch die Unterverpachtung mit Ablauf des 31. März 1985 vollzogen worden ist; es hat diese Frage, von der der Anspruch auf Altersgeld für die streitige Zeit allein noch abhängt, jedoch zu Unrecht verneint.

Das GAL hat die in § 2 Abs 1 Buchst c geforderte Abgabe des Unternehmens in § 2 Abs 3 GAL definiert. Nach dessen Satz 1 ist Abgabe die Übergabe eines landwirtschaftlichen Unternehmens oder ein sonstiger Verlust der Unternehmereigenschaft. Ist mit der Abgabe des Unternehmens nicht der Übergang des Eigentums verbunden, so ist nach Satz 2 die Voraussetzung der Abgabe nur erfüllt, wenn die Abgabe für einen Zeitraum von mindestens neun Jahren nach Vollendung des 65. Lebensjahres des Unternehmers unbeschadet weitergehender gesetzlicher Formvorschriften schriftlich vereinbart ist.

Zu dieser Definition hat der Senat jedoch bereits früher festgestellt, daß der Wortlaut nicht alle Abgabeformen erfaßt und daß dies insbesondere für die Abgabe durch einen Pächter gilt. So lasse sich die hier regelmäßig in Betracht kommende Rückgabe des Pachtlandes an den Verpächter nicht ohne weiteres in den Wortlaut des Gesetzes einordnen; mit ihr sei weder ein Eigentumsübergang noch eine schriftliche Überlassungsvereinbarung für neun Jahre verbunden. Gleichwohl müsse sie nach Sinn und Zweck der Vorschrift eine Abgabe darstellen. Die Unternehmensabgabe bedeute nach dem ihr zugrunde liegenden Sinn und Zweck den dauerhaften Verlust der Unternehmereigenschaft. Es müsse dem bisherigen Unternehmer verwehrt sein, aus eigener Rechtsmacht alsbald oder jederzeit die Bewirtschaftung wieder aufzunehmen und so die Unternehmereigenschaft wieder zu erlangen; für eine Abgabe sei es daher erforderlich, aber auch genügend, daß sich der bisherige Unternehmer "prinzipiell endgültig" von dem Land getrennt habe (SozR Nr 1 zu § 41 GAL 1965; SozR 5850 § 2 Nr 1, § 41 Nrn 6 und 14; Urteil vom 23. Januar 1986 - 11a RLw 10/84 -).

In diesem Sinne hatte der Kläger seine Unternehmereigenschaft bereits am 1. April 1985 endgültig verloren. Von da an hatte er mit Zustimmung des Verpächters das Pachtland bis zum 31. März 1986 schriftlich unterverpachtet. Zum 1. April 1985 stand ferner schon fest, daß mit dem Ablauf der Unterpacht ebenfalls das eigene Pachtverhältnis endet. Somit war aus damaliger Sicht gewährleistet, daß der Kläger die Bewirtschaftung des Pachtlandes weder während der Unterpacht noch danach aus eigener Rechtsmacht wieder aufnehmen konnte. Eine ordentliche Kündigung der Unterpacht kam aus den Gründen der §§ 581 Abs 2, 564 Abs 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in der damals geltenden Fassung (vgl Art 219 des Einführungsgesetzes zum BGB) nicht in Betracht.

Unerheblich ist, ob der Kläger die Unterpacht bei Vorliegen eines der gesetzlich vorgesehenen Gründe fristlos hätte kündigen können; diese Möglichkeit kann - wie bei einem Pachtvertrag - einem endgültigen Verlust der Unternehmereigenschaft nicht entgegenstehen. Das gleiche gilt für die Möglichkeit, durch spätere Vereinbarungen mit dem Sohn und/oder dem Verpächter das Unterpachtverhältnis noch vor dem 31. März 1986 zu beenden oder das Pachtverhältnis über diesen Zeitpunkt zu verlängern. Spätere Vereinbarungen dieser Art nach wirksamer Abgabe können nur zum Ruhen des Altersgeldanspruchs führen (§ 10 Abs 6 GAL).

Allerdings sollen die Abgabevorschriften des GAL nicht nur eine Bindung des bisherigen Unternehmers bewirken, sondern auch dem Schutz des Übernehmenden dienen (Urteil vom 22. Juni 1971 - 11 RLw 5/70 -, auszugsweise veröffentlicht in SozEntsch BSG X/H c8 § 1 Nr 8). Dieser soll sich auf eine langjährige Bewirtschaftung einstellen können (SozR 5850 § 41 Nr 4), was bei Abgaben ohne Eigentumsübergang grundsätzlich nur erreicht werden kann, wenn langjährige Überlassungen vereinbart werden. Deshalb fordert das Gesetz in § 2 Abs 3 Satz 2 GAL die Überlassung für eine Zeitdauer von neun Jahren. Das kann jedoch ebensowenig wie bei der Pachtrückgabe ein zureichender Grund dafür sein, hier wegen der am 1. April 1985 noch nicht auf neun Jahre gesicherten Überlassung des Landes auf den Sohn eine rechtswirksame Abgabe zu verneinen. Denn der Kläger war im Frühjahr 1985 an einer solch langen Überlassung des Pachtlandes an den Sohn aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gehindert. Das ergibt sich bereits daraus, daß seine Rechtsstellung als Pächter und gegebenenfalls Unterverpächter sich nur auf die Zeit bis zum 31. März 1986 beziehen konnte. Im Frühjahr 1985 konnte er aber ebensowenig die Rückgabe des Pachtlandes an den Verpächter rechtlich bewerkstelligen. Für eine Kündigung des Pachtvertrages vor dem Pachtende durch ihn waren die Voraussetzungen nicht gegeben (§ 581 Abs 1 iVm § 564 Abs 1 BGB), zum Abschluß eines Aufhebungsvertrages war der Verpächter nicht bereit.

Dem Kläger verblieb daher, wenn er das Pachtland schon vor Ablauf des Pachtvertrages abgeben wollte, praktisch nur der im Zusatzvertrag gewählte Weg, mit der hierauf beschränkten Zustimmung des Verpächters das Land bis zum Ablauf seines Pachtverhältnisses unterzuverpachten. Im Hinblick hierauf muß berücksichtigt werden, daß die Auslegung des § 2 Abs 3 GAL mit der Zielsetzung des GAL, den durch die Aufgabe ihres Unternehmens schutzbedürftig gewordenen Landwirten eine angemessene Altersversorgung zu verschaffen, im Einklang bleiben muß. Wie der Senat in SozR Nr 6 zu § 2 GAL 1965 bereits in anderem Zusammenhang ausgesprochen hat, ist hiernach beim Widerstreit zwischen den für die Abgabe maßgebenden sozialpolitischen und agrarpolitischen Bestrebungen die Frage, ob die Abgabevoraussetzungen erfüllt sind, letztlich nach den Verhältnissen des Unternehmers und den ihm für die endgültige Trennung von dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zu beurteilen. Daß bei der für die Landabgaberente geforderten besonderen Abgabe zum Zwecke der Strukturverbesserung ein anderer Maßstab gilt (vgl Urteil vom 25. Juni 1987 - 11a RLw 4/86 -), steht dem nicht entgegen.

Da nach alledem der Kläger das Unternehmen bereits am 1. April 1985 abgegeben hat und ihm von diesem Zeitpunkt an das Altersgeld zusteht, waren die Urteile der Vorinstanzen zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, das Altersgeld für die Zeit vom 1. April 1985 bis zum 31. März 1986 zu gewähren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Sie berücksichtigt zum einen, daß der Kläger Altersgeld in den Vorinstanzen auch für Zeiten vor dem 1. April 1985 - erfolglos - begehrt hatte und zum anderen, daß das in die Kostenentscheidung einzubeziehende Beschwerdeverfahren insoweit ebenfalls ohne Erfolg war.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1665088

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