Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherungsbeiträge, die für den Monat der Vollendung des 65. Lebensjahres gezahlt werden, wenn das Altersruhegeld vom Beginn des Monats an gewährt wird

 

Leitsatz (amtlich)

Wird das Altersruhegeld vom Beginn des Monats an gewährt, in dem der Berechtigte das 65. Lebensjahr vollendet hat, so bleibt ein für diesen Monat zur Rentenversicherung der Arbeiter entrichteter (Pflicht-) Beitrag bei der Rentenberechnung unberücksichtigt (Abweichung von BSG 1966-05-25 12 RJ 328/62 = SozR Nr 7 zu Art 2 § 38 ArVNG).

 

Leitsatz (redaktionell)

Das Gesetz gibt keinen Anhalt dafür, daß der Begriff "Beginn der Renten" in RVO § 1229 Abs 1 Nr 1 (AVG § 6 Abs 1 Nr 1) und RVO § 1290 (AVG § 67) in unterschiedlichem Sinne gebraucht werden kann.

Für den Beginn der Versicherungsfreiheit nach RVO § 1229 Abs 1 Nr 1 kommt es daher nur auf den Zeitpunkt an, zu dem das Altersruhegeld nach RVO § 1290 beginnt.

 

Normenkette

RVO § 1229 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1965-06-09, § 1248 Abs. 7 Fassung: 1965-06-09, § 1290 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 23. April 1969 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Rechtsstreit betrifft die Höhe eines Altersruhegeldes. Dabei geht es um die Frage, ob bei dessen Berechnung der Pflichtbeitrag für den Monat, in dem der Versicherte das 65. Lebensjahr vollendet hat, zu berücksichtigen ist, wenn die Rente schon für diesen Monat gewährt wird (§ 1229 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung - RVO -, § 1290 RVO idF des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes - RVÄndG -).

Der Kläger ist am 24. Juni 1901 geboren. Im Januar 1966 beantragte er das Altersruhegeld. Er war bis zum 20. Juli 1966 gegen Arbeitsentgelt beschäftigt, und es wurden Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung (ArV) entrichtet. Die Beklagte gewährte mit Bescheid vom 24. Juni 1966 das Altersruhegeld vom 1. Juni 1966 an. Sie legte der Rentenberechnung Pflichtbeiträge und Versicherungszeiten bis 31. Mai 1966 zugrunde. Mit der Klage begehrte der Kläger, die Beklagte solle sein Altersruhegeld unter Berücksichtigung der Zeit vom 1. bis 24. Juni 1966 als Beitragszeit neu feststellen. Das Sozialgericht (SG) Lübeck hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt; dabei hat es u.a. auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25. Mai 1966 - 12 RJ 328/62 - (SozR Nr. 7 zu Art. 2 § 38 ArVNG) Bezug genommen (Urteil vom 5. März 1968). Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen; die Revision hat es zugelassen (Urteil vom 23.April 1969). Es hat ausgeführt, der Kläger sei, da ihm das Altersruhegeld vom 1. Juni 1966 an bewilligt worden sei, von diesem Zeitpunkt an Bezieher eines Altersruhegeldes und mithin nach der eindeutigen, keiner Auslegung mehr fähigen Vorschrift des § 1229 Abs. 1 Nr. 1 RVO versicherungsfrei. Dies habe selbst nach den Darlegungen des BSG aaO zur Folge, daß schon bei der Bewilligung des Altersruhegeldes keine Beiträge mehr als wirksam entrichtet angerechnet werden könnten, die durch die bindende Bewilligung des Altersruhegeldes ungültig würden. Wenn auch mangels schon bindender Bewilligung des Altersruhegeldes noch nicht davon gesprochen werden könnte, daß die für Zeiten nach Beginn des Altersruhegeldes entrichteten Pflichtbeiträge unwirksam seien, so müßten sie doch im Rentenfeststellungsverfahren schon so behandelt werden. Andernfalls würde durch ihre Anrechnung ein Antragsteller, bei dem die Entscheidung über sein Altersruhegeld sich längere Zeit hinauszieht, ungerechtfertigt begünstigt. Das Wahlrecht des Versicherten nach § 1248 Abs. 7 RVO idF des RVÄndG ändere nichts daran, daß auch eine hiernach zu gewährende Rente den gleichen Grundsätzen hinsichtlich des Beginns unterliege wie die mit Vollendung des 65. Lebensjahres gewährte Rente. In jedem Fall sei der Bezieher nach § 1229 Abs. 1 Nr. 1 RVO vom Rentenbeginn an versicherungsfrei. Dies habe zur Folge, daß der Versicherungsträger schon bei Feststellung der Rente jene Rechtsfolge zu berücksichtigen habe, also einen Beitrag für den Monat des Rentenbeginns nicht ansetzen dürfe. Damit könne dann auch nicht der Fall eintreten, daß sich rückwirkend die Grundlage des Bescheides ändere. Die Unwirksamkeit der Beiträge mit Erstattungsanspruch nach § 1424 RVO könne für alle Beiträge nach Beginn des Altersruhegeldes nur einheitlich gelten. Bei dieser Betrachtung sei von vornherein sichergestellt, daß für den Monat des Rentenbeginns sowohl nach § 1248 Abs. 1 wie auch Abs. 7 RVO kein Beitrag angerechnet werden dürfe und die Erstattung nicht nach § 1424 Abs. 3 RVO ausgeschlossen werde. Das BSG habe mit seiner Entscheidung vom 25. Mai 1966 nur ein Ergebnis erreichen wollen, das der Gesetzgeber durch die Einführung des Satzes 3 in Art. 2 § 38 Abs. 3 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) idF des RVÄndG sanktioniert habe.

Der Kläger hat Revision eingelegt und beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Er hat sich auf die Rechtsauffassung in dem genannten Urteil des BSG vom 25. Mai 1966 berufen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligte sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II

Die Revision des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte hat ohne Gesetzesverletzung die auf die Zeit vom 1. bis 24. Juni 1966 entfallende Beitragsleistung bei der Berechnung des Altersruhegeldes nicht berücksichtigt. Der Senat hält die Rechtsauffassung des LSG zu § 1229 Abs.1 Nr. 1, § 1290 RVO (idF vor dem Inkrafttreten des Finanzänderungsgesetzes vom 21.12.1967) nach eigener Prüfung für richtig. Die Revisionsangriffe können an dem Ergebnis, zu dem das LSG gelangt ist, nichts ändern.

Nach § 1229 Abs. 1 Nr. 1 RVO sind Bezieher von Altersruhegeld versicherungsfrei "vom Rentenbeginn an". Dies bedeutet, daß für die Zeit vom Rentenbeginn an Pflichtbeiträge für sie nicht mehr entrichtet werden können; denn es fehlt die Versicherungspflicht als gesetzliche Grundlage einer Beitragsentrichtung. Ebenso können vom Beginn des Altersruhegeldes an auch keine Beiträge zur Weiterversicherung wirksam geleistet werden (§ 1233 Abs. 1 Satz 2 RVO). Eine Umdeutung solcher Beiträge, die nicht zurückgefordert werden, nach § 1422 RVO kommt deshalb nicht in Betracht. "Beginn der Renten" - die Überschrift vor § 1290 RVO - ist ein im Gesetz selbst verwendeter Rechtsbegriff. Das Gesetz gibt keinen Anhalt dafür, daß dieser Begriff in § 1229 Abs. 1 Nr. 1 und § 1290 RVO in unterschiedlichem Sinn gebraucht würde. Deshalb ist in § 1229 Abs. 1 Nr. 1 RVO unter "Rentenbeginn" kein anderer Zeitpunkt zu verstehen als derjenige, zu dem die Rente nach § 1290 RVO beginnt. Der Zeitpunkt des Beginns des Altersruhegeldes ist in § 1290 RVO und damit auch mit Wirkung für § 1229 Abs. 1 Nr. 1 RVO nach Merkmalen des materiellen Rechts bestimmt und nicht nach solchen des Verfahrensrechts, wie etwa nach dem Zeitpunkt des Eintritts der äußeren Bindung oder Rechtskraft anderer Entscheidungen. Es kommt daher für die Versicherungsfreiheit nach § 1229 Abs. 1 Nr. 1 RVO nur auf den Zeitpunkt an, zu dem das Altersruhegeld nach § 1290 RVO beginnt.

Soweit die Revision sich auf Erwägungen bezieht, die dem Urteil des Senats vom 25. Mai 1966 zugrundeliegen, betreffen sie einen anders liegenden Fall. Es handelte sich dort darum, ob der Bezieher einer umgestellten Rente mit dem Beitrag für den Monat, in dem er das 65. Lebensjahr vollendete (im Januar 1958), für "mehr als zwölf Monate" Beiträge geleistet hatte, so daß die Rente neu zu berechnen war (Art. 2 § 38 Abs. 3 ArVNG), oder ob der Beitrag für den Monat des Geburtstags unwirksam war. Es kann offen bleiben, ob der Senat in einem derartigen Fall auch künftig so entscheiden würden; denn jedenfalls treffen die Erwägungen in jenem Urteil nicht auf den vorliegenden Fall zu. Hier gilt vielmehr, was schon in jenem Urteil an anderer Stelle gesagt ist und was mit der Auffassung des LSG übereinstimmt, nämlich, daß schon bei der Bewilligung des Altersruhegeldes keine Beiträge als wirksam entrichtet angerechnet werden können, die durch die bindend werdende Bewilligung des Altersruhegeldes ungültig würden; wenn mangels bindender Bewilligung des Altersruhegeldes auch noch nicht davon gesprochen werden kann, daß die für Zeiten nach Beginn des Altersruhegeldes entrichteten Pflichtbeiträge unwirksam sind, so müssen sie doch im Feststellungsverfahren schon als unwirksame Beiträge behandelt werden. Der Versicherte, der den auf den Geburtstagsmonat entfallenden Beitrag angerechnet haben will, muß von seiner Befugnis nach § 1248 Abs. 7 RVO idF des RVÄndG den Rentenbeginn zu bestimmen, Gebrauch machen. Danach kann der Versicherte einen späteren Zeitpunkt als die Vollendung des 65. Lebensjahres als maßgebend für die Erfüllung der Voraussetzungen des Altersruhegeldes bestimmen. Das Altersruhegeld beginnt dann entsprechend später und wird einschließlich der bis dahin geleisteten Beiträge berechnet, so daß auch der für den Monat der Vollendung des 65. Lebensjahres geleistete Beitrag angerechnet werden kann. Entscheidet der Versicherte sich aber - wie der Kläger - für den Rentenbeginn im Geburtstagsmonat, so kann der im gleichen Monat geleistete Beitrag nicht mehr berücksichtigt werden.

Somit hat die Beklagte ohne Gesetzesverletzung den Beitrag für Juni 1966 nicht angerechnet, weil das Altersruhegeld am 1. Juni 1966 begonnen hat. Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers ist daher unbegründet und zurückzuweisen (§ 70 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1669326

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