Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anwendung der §§ 102ff SGB 10 bei Erstattung von Teilen der Gesamtvergütung

 

Leitsatz (amtlich)

Nach Zahlung der Gesamtvergütung festgestellte Honorarkürzungen wegen Unwirtschaftlichkeit oder Honorarberichtigungen begründen keinen Rückzahlungsanspruch der Krankenkasse, soweit die Gesamtvergütung nach einer Kopfpauschale oder einer Fallpauschale zu zahlen war.

 

Orientierungssatz

1. Für den Anspruch einer Krankenkasse gegen eine Kassenärztliche Vereinigung auf Erstattung von Teilen der Gesamtvergütung gelten nicht die besonderen Vorschriften der §§ 102ff SGB 10 (vgl BSG vom 21.11.1986 6 RKa 5/86 = SozR 2200 § 368f Nr 11).

2. Die plafondierte Gesamtvergütung bleibt vom Grundsatz her eine Einzelleistungsvergütung, die keine pauschal angenommene Kürzung wegen Unwirtschaftlichkeit beinhaltet.

 

Normenkette

SGB 5 § 85 Abs 2 S 2 Fassung: 1988-12-20, § 106 Abs 2 Fassung: 1988-12-20; RVO § 368f Abs 2 S 2 Fassung: 1977-06-27, § 368n Abs 5 Fassung: 1977-06-27; SGB 10 § 102 Fassung: 1982-11-04

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 07.07.1988; Aktenzeichen L 5 Ka 38/87)

SG Mainz (Entscheidung vom 05.08.1987; Aktenzeichen S 1 Ka 84/86)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Erstattung einer pauschalierten oder plafondierten Gesamtvergütung verlangen kann, soweit Honorare nachträglich aufgrund von sachlich-rechnerischen Berichtigungen oder Wirtschaftlichkeitsprüfungen gekürzt worden sind.

Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) zahlte die Beklagte in der streitbefangenen Zeit ab 1. Juli 1979 die Gesamtvergütung nach Einzelleistungen mit einer Begrenzung auf den Fallwert bis zum 30. Juni 1985 und einer Begrenzung je Mitglied in der Zeit vom 1. Juli 1985 bis zum 30. September 1987. Die Vergütung für Laborleistungen war pauschaliert. Vom 1. Oktober 1987 an wird die Gesamtvergütung von der Beklagten unabhängig von den Honorarabrechnungen der einzelnen Ärzte nach einem Kopfpauschale errechnet.

Die klagende Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) macht mit der Klage geltend, sie habe zwischen dem 1. Juli 1979 und dem 30. Juni 1984 der Beklagten wegen nachträglicher Honorarberichtigungen oder Honorarkürzungen den für die berichtigten und mithin gekürzten Leistungen gezahlten Teil der Gesamtvergütung in Höhe von 1.905,65 DM irrtümlich und ohne rechtlichen Grund erstattet. Außerdem begehrt sie die Feststellung, daß der Beklagten ab 1. Juli 1979 bei Vergütung der Laborleistungen nach einer Fallpauschale, unter bestimmten Voraussetzungen bei Berechnung der Gesamtvergütung mit einer Gesamtplafondierung sowie ab 1. Oktober 1987 für die Dauer und den Anwendungsbereich der Kopfpauschalregelung keine Erstattungsansprüche aufgrund sachlich-rechnerischer Berichtigungen oder Wirtschaftlichkeitsprüfungen auf Antrag der Krankenkassen zustehen. Sie hat vorgebracht, die plafondierte Gesamtvergütung entspreche in ihrer Auswirkung einer nicht nach Einzelleistungen berechneten Fallpauschale. Es habe sich auch schon deshalb nicht um eine Einzelleistungsvergütung gehandelt, weil Teile der Gesamtvergütung (Laborleistungen, später auch in-vitro-Leistungen) pauschaliert seien. Da ferner die Leistungen nicht mehr nach dem vereinbarten Punktwert honoriert würden, handele es sich um ein Mischsystem zwischen Einzelleistungs-und Pauschalvergütung. Bereits in der Zeit vom 1. Juli 1985 an und insbesondere ab 1. Oktober 1987 werde die Gesamtvergütung nach einer Kopfpauschale berechnet.

Die Beklagte hat geltend gemacht, die Klägerin fordere mit ihrer Klage, daß die Gesamtvergütung im Ausgangszeitraum, nach dem der Grenzbetrag bestimmt wird, einschließlich der Vergütung für unwirtschaftlich oder sachlich unrichtig abgerechnete Leistungen auch noch fortgeschrieben und prozentual erhöht würde. Das der Berechnung des Grenzbetrages zugrundeliegende Formblatt 3 werde vor der Abrechnung der KÄV mit den Krankenkassen erstellt; nachträgliche Prüf-und Berichtigungsbescheide wirkten sich nicht aus.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das LSG zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, die Beklagte fordere zu Recht, daß ihr auch bei einer plafondierten und sogar bei einer pauschalierten Gesamtvergütung nachträglich, also nach der Erstellung der Abrechnung aufgrund von rechnerischen Berichtigungen oder Wirtschaftlichkeitsprüfungen, vorgenommene Honorarabstriche bei einzelnen Ärzten ebenfalls zugute kommen müssen. In der streitbefangenen Zeit sei eine Einzelleistungsvergütung erfolgt. Ab 1. Oktober 1987 sei eine Änderung nur insofern eingetreten, als die Krankenkasse die der KÄV zur Verteilung an die Kassenärzte gezahlte Gesamtvergütung jetzt unabhängig von den Honorarabrechnungen der einzelnen Ärzte selbst errechne. Es sei kein Grund ersichtlich, daß nach dem Ergebnis einer Wirtschaftlichkeitsprüfung unrechtmäßige Leistungen nicht wieder an den zurückfließen sollen, der sie erbracht hat. Nach § 13 Abs 1 und 2 des Gesamtvertrages erfolgten Zahlungen der Krankenkasse unter dem Vorbehalt der sachlich-rechnerischen Nachprüfung. Die Frage, welche Folgen nachträgliche Honorarkürzungen und -berichtigungen für die Berechnung und Verteilung der Gesamtvergütung hätten, sei nicht zu entscheiden.

Mit der Revision macht die Klägerin geltend, das LSG habe zu Unrecht sowohl die plafondierte Gesamtvergütung einschließlich der Fallpauschale Labor als auch die Kopfpauschale als Einzelleistungsvergütung behandelt.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. Juli 1988 - L 5 Ka 38/87 - und des Sozialgerichts Mainz vom 5. August 1987 - S 1 Ka 84/86 - aufzuheben und

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.905,65 DM zu zahlen,

2. festzustellen, daß der Beklagten ab 1. Juli

1979 aus den Gesamtvergütungen aufgrund von Honorarberichtigungen und Honorarkürzungen Erstattungsansprüche nicht zustehen, soweit im Verhältnis der Klägerin zur Beklagten die Gesamtvergütungen wie folgt berechnet worden sind und werden: a) nach einer Fallpauschale für Laborleistungen; b) bis 30. Juni 1985 mit Gesamtplafondierung

insoweit, als die Höhe der Berichtigungs- und Kürzungsbeträge den Differenzbetrag nicht überschritten hat, um den die Einzelleistungsberechnung bis auf den Plafond zu kürzen war;

c) bis 30. September 1987 mit Gesamtplafondierung

durch eine Kopfpauschalregelung;

d) ab 1. Oktober 1987 für die Dauer und den

Anwendungsbereich der Kopfpauschalregelung.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet, soweit sie die Leistungsklage und die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses in der Zeit bis zum 30. September 1987 betrifft. Hinsichtlich der Klage auf Feststellung des Nichtbestehens des Rechtsverhältnisses betreffend die pauschaliert vergüteten Laborleistungen sowie betreffend die Gesamtvergütung in der Zeit ab 1. Oktober 1987 hat die Revision dagegen Erfolg.

1. Mit Recht hat das LSG die Berufung der Klägerin, soweit sie die Leistungsklage betrifft, zurückgewiesen. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung der 1.905,65 DM zu. Sie hatte diesen Betrag der Beklagten gezahlt, um deren Anspruch auf Rückgewähr eines Teils der Gesamtvergütung zu erfüllen. Die Rückforderung der Beklagten war mit Honorarkürzungen wegen sachlich-rechnerischer Berichtigung oder aufgrund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung in der Zeit zwischen dem 1. Juli 1979 und dem 30. Juni 1984 begründet worden. Entgegen der Meinung der Klägerin haben die Vereinbarungen der Gesamtvertragspartner diesem Anspruch nicht entgegengestanden. Die Klägerin mußte die 1.905,65 DM an die Beklagte zahlen und kann sie nicht zurückverlangen.

Der von der Klägerin erhobene Erstattungsanspruch wird aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitet. Danach ist es geboten, daß Leistungen, die eines rechtlichen Grundes entbehren, zurückzuerstatten sind. Im einzelnen ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in allen Fällen anzuerkennen, in denen im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht worden sind; für den Anspruch der Krankenkasse gegen die KÄV auf Erstattung von Teilen der Gesamtvergütung gelten nicht die besonderen Vorschriften der §§ 102 ff Sozialgesetzbuch, Verwaltungsverfahren - SGB X - (BSGE 61, 21 = SozR 2200 § 368f Reichsversicherungsordnung -RVO- Nr 11). Die Leistung der Beklagten, um die es im vorliegenden Fall geht, ist derjenige Teil der Gesamtvergütung, der auf unwirtschaftliche oder berichtigte Leistungen der Ärzte entfällt. Die Beklagte hat die Gesamtvergütung für die von der Klägerin abgerechneten bestimmten einzelnen Leistungen der Ärzte nach der Zahl der dafür im Bewertungsmaßstab nach § 368g Abs 4 RVO bestimmten Punkte und dem vereinbarten Punktwert gezahlt.

Wie das LSG festgestellt hat, hat bis zum 30. Juni 1985 eine Begrenzung auf den Fallwert und danach eine Begrenzung je Mitglied stattgefunden. Soweit diese Feststellung eine Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen darstellt, handelt es sich um eine Anwendung von Landesrecht. Der Senat ist daran gebunden, denn die Klägerin hat in ihrer Revisionsbegründung nicht dargelegt, daß für andere Bundesländer inhaltlich übereinstimmende Vereinbarungen geschaffen worden seien und dies bewußt und gewollt um der Rechtseinheit willen geschehen sei (vgl BSGE 56, 45, 50). Auch hat sie keine Verletzung von Bundesrecht bei der Auslegung der Vereinbarungen behauptet. Die vom LSG festgestellte Begrenzung bedeutet, wie die Klägerin selbst einräumt, daß die nach Einzelleistungen berechnete Gesamtvergütung bei Überschreitung des Fallwerts plafondiert wurde. Zu Unrecht bestreitet die Klägerin, daß es sich auch unter Berücksichtigung dieser Regelung um eine Einzelleistungsvergütung gehandelt hat. Der Erstattungsanspruch ist nicht wegen der Plafondierung der Gesamtvergütung ausgeschlossen. Nach den vertraglichen Vereinbarungen wurde der der Plafondierung unterliegende Teil der Gesamtvergütung gekürzt, wenn ein nach der Abrechnung in einem vergangenen Zeitraum ermittelter Grenzbetrag um einen bestimmten Prozentsatz überschritten wurde. Die hier streitigen Leistungen der Ärzte sind in Quartalen erbracht worden, in denen es zu einer solchen Überschreitung gekommen ist. Entscheidend ist aber, daß die Einzelleistungen des Leistungs- (Abrechnungs-)Quartals mit ihren Punkten und Punktwerten in die Abrechnung eingegangen und Bemessungsgrundlage für die Gesamtvergütung gewesen sind. Solange der Grenzbetrag nicht überschritten wurde, sind sie auch von der Beklagten vergütet worden. Die Überschreitung des Grenzbetrages änderte nichts daran, daß die Gesamtvergütung für die einzelnen Leistungen zu zahlen war. Auch nach und trotz der Überschreitung wurde sie nach den einzelnen anerkannten ärztlichen Leistungen im Abrechnungsquartal berechnet. Die Berechnungsgrundlage wurde nicht geändert. Aus der Plafondierung hat sich lediglich eine geringere Vergütung pro Leistung, also ein geringerer Punktwert ergeben. Dies ist zwar im Gesamtvertrag und seinen Anlagen nicht ausdrücklich bestimmt worden. Dazu bestand auch kein Anlaß. Den Vereinbarungen kann aber nichts darüber entnommen werden, daß im Fall einer Überschreitung der Pauschale sich der Rechtsgrund der Gesamtvergütung von einer Einzelleistungs- zu einer Pauschalvergütung ändern sollte.

Die Klägerin behauptet ferner selbst nicht, daß es sich bei der Plafondierung um eine Kürzung wegen pauschal angenommener Unwirtschaftlichkeit gehandelt habe. Dagegen spricht schon die Art der Berechnung des Grenzbetrages. In dem dafür maßgebenden Betrag des früheren Quartals sind nämlich Kürzungen aufgrund von Wirtschaftlichkeitsprüfungen auf Antrag der Krankenkassen nicht berücksichtigt. Der Grenzbetrag enthält also auch Vergütungen für unwirtschaftliche Leistungen.

Unzutreffend ist die Meinung der Klägerin, die plafondierte Gesamtvergütung entspreche in ihren Auswirkungen einer Fallpauschale. Bei einer nach § 368f Abs 2 RVO aF (§ 85 Abs 2 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung -SGB V-) vorgesehenen Fallpauschale wird die Gesamtvergütung nach einem Betrag pro Behandlungsfall ermittelt. Zur Bestimmung der Höhe der Gesamtvergütung werden die im Abrechnungszeitraum erbrachten Einzelleistungen nicht herangezogen. Die Krankenkasse zahlt einen Betrag pro Fall. Für die Höhe der Gesamtvergütung ist unerheblich, ob der einzelne Arzt oder die Ärzte insgesamt viel oder wenig geleistet, wirtschaftlich oder unwirtschaftlich behandelt haben. Das Risiko, welche Art und wieviele Leistungen im Behandlungsfall zu erbringen sind, liegt bei der KÄV und jedenfalls nicht bei den Krankenkassen. Der Berechnungsmodus, der für die im vorliegenden Fall streitigen Abrechnungen vereinbart war, unterscheidet sich davon wesentlich. Hier werden die einzelnen Leistungen nach den im Bewertungsmaßstab nach § 368g Abs 4 RVO aF (§ 87 SGB V) bestimmten Punkten vergütet. Die Kasse zahlt auch im Fall der Überschreitung des Grenzbetrages nicht einen unabhängig von den Punktzahlen für die Einzelleistungen ermittelten Betrag pro Fall. Vielmehr ergibt sich die Höhe der Gesamtvergütung aus der Zahl der Punkte für die Einzelleistungen multipliziert mit dem vereinbarten Punktwert ggf abzüglich des Unterschiedsbetrages zum niedrigeren Grenzbetrag. Die vom LSG festgestellte Begrenzung auf den Fallwert bedeutet keine Berechnung der Gesamtvergütung nach Fallpauschalen.

Der Rechtsgrund für die Zahlung des streitigen Teils der Gesamtvergütung ändert sich schließlich nicht dadurch, daß mit der Gesamtvergütung auch die Pauschale für die Laborleistungen abgegolten wird und diese in den Grenzbetrag eingeht. Ob sich durch die Multiplikation die Höhe des für die Vergütung der übrigen Leistungen zur Verfügung stehenden Betrages ändern kann, ist unerheblich. Jedenfalls bleibt es für die kurativen Leistungen (ohne pauschalierte Laborleistungen) bei der Einzelleistungsvergütung.

Die streitigen 1.905,65 DM gehören in diesen Bereich. Sie waren wegen des fehlenden Rechtsgrundes der Beklagten zu erstatten.

2. a) Der Feststellungsantrag ist zulässig. Soweit die Klägerin diesen Antrag in der Revisionsinstanz neu formuliert hat, handelt es sich nicht um eine unzulässige Klagänderung (§ 168 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Der Anspruch der Klägerin (§ 123 SGG) ging bereits in den Vorinstanzen dahin, festzustellen, daß ab 1. Juli 1979 die Gesamtvergütung, soweit sie nach einer Pauschale berechnet oder plafondiert worden ist, nicht aufgrund von sachlich-rechnerischen Berichtigungen oder Wirtschaftlichkeitsprüfungen auf Antrag oder Widerspruch der Krankenkasse oder ihrer Verbände gekürzt werden könne.

b) Der Antrag ist hinsichtlich der Feststellung des Rechtsverhältnisses für die Zeit bis zum 30. September 1987 unbegründet, soweit er nicht die Laborleistungen betrifft. Dies gilt zunächst für den Zeitraum bis zum 30. Juni 1985. Insoweit folgt aus der Begründung der Entscheidung über den Leistungsantrag, daß Honorarkürzungen wegen sachlich-rechnerischer Unrichtigkeit oder nachträglicher Feststellung der Unwirtschaftlichkeit eine Kürzung des Anspruchs auf die Gesamtvergütung nach sich ziehen.

c) Aber auch in der folgenden Zeit bis zum 30. September 1987 waren Rechtsgrund der Gesamtvergütung die einzelnen abgerechneten Leistungen. Nach den Feststellungen des LSG ist es beim Grundprinzip der Einzelleistungsvergütung geblieben, bei dem die notwendigen ärztlichen Leistungen - in Punkten festgestellt - einzeln vergütet werden. Daran hat die Begrenzung der Gesamtvergütung je Mitglied nichts geändert. Der Senat ist an diese Feststellungen des LSG und die Auslegung der - landesrechtlichen - Vereinbarungen gebunden. Aus einem Verstoß gegen allgemeine Auslegungsgrundsätze bei der Anwendung der Vereinbarungen würde sich keine Verletzung revisiblen Rechts herleiten lassen (vgl BSGE 55, 115, 116 f).

d) Begründet ist die Revision hinsichtlich des Begehrens auf Feststellung, daß der Beklagten vom 1. Juli 1979 an aufgrund von Honorarberichtigungen oder Honorarkürzungen keine Erstattungsansprüche zustehen, soweit die Gesamtvergütung nach einer Fallpauschale für Laborleistungen berechnet wird. Das LSG hat allerdings ausgeführt, die Pauschalierung der Vergütung für Labor-und in-vitro-Leistungen könne am Grundprinzip der Einzelleistungsvergütung nichts ändern. Im Zusammenhang kann dies aber nur bedeuten, daß die übrigen, nicht pauschalierten Leistungen trotz der Pauschalierung eines Teils der Gesamtvergütung als Einzelleistungen vergütet werden. Die Feststellung gilt dagegen nicht für die pauschalierten Leistungen selbst. Bei einer Fallpauschale, um die es hier geht, ergibt sich die Gesamtvergütung aus der Summe der abgerechneten Behandlungsausweise multipliziert mit einem im Gesamtvertrag vereinbarten Fallpauschalbetrag (Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht, 5. Aufl Anm C 356). Die Fallpauschale wurde nach den Werten des entsprechenden Vorjahrsquartals, nämlich aus der Summe der Punktzahlen für die Laborleistungen multipliziert mit dem Laborpunktwert und dividiert durch die Zahl der ambulanten kurativen Fälle berechnet. Der Vorjahresbetrag ergab unter Beachtung eines vereinbarten Koeffizienten die Pauschale des Abrechnungsquartals. Bei dieser Berechnung wird die Vergütung nicht für einzelne von den Ärzten erbrachte Leistungen gezahlt. Einzelne Leistungen, deren Unwirtschaftlichkeit festgestellt oder die berichtigt worden sind, sind nicht Rechtsgrund für die Zahlung der Gesamtvergütung, denn die Gesamtvergütung wird nicht für einzelne Leistungen gezahlt. Welche Leistungen die Ärzte im Leistungs- (Abrechnungs-)Quartal erbracht haben, ist für den Anspruch auf die Gesamtvergütung unerheblich. Deren Höhe wird bei Vereinbarung einer Fallpauschale unabhängig davon bestimmt, ob die Ärzte im Abrechnungszeitraum viel oder wenig geleistet haben, ob die Leistungen wirtschaftlich oder unwirtschaftlich waren. Welche Punktzahlen die Ärzte bei der KÄV abrechnen, spielt keine Rolle. Deshalb können mit einer Fallpauschale keine einzelnen Leistungen von Ärzten ohne rechtlichen Grund vergütet werden. Die vom LSG erwähnte Bestimmung des § 13 Abs 1 und 2 des Gesamtvertrags erfaßt nur Berichtigungen, die den Rechtsgrund der Zahlungen berühren.

Auch die Überlegung der Beklagten, die Klägerin fordere mit ihrer Klage, daß Beträge aus Unwirtschaftlichkeit oder sachlicher Unrichtigkeit im Ausgangszeitraum auch noch fortgeschrieben und prozentual erhöht würden, begründet keinen Erstattungsanspruch. Ob etwa der Bestimmung des § 368f Abs 3 RVO aF (§ 85 Abs 3 SGB V) ein Hinweis darauf zu entnehmen ist, daß bei der Vereinbarung der Gesamtvergütung die Wirtschaftlichkeit der Leistungen jedenfalls berücksichtigt werden muß, kann dahingestellt bleiben. Die Bestimmung mag dahin zu verstehen sein, daß bei der Vereinbarung der Gesamtvergütung stets die Werte eines Ausgangszeitraums und dann die Veränderungen der in Satz 2 genannten Komponenten - Grundlohnsumme, aufzuwendende Arbeitszeit, gesetzliche oder satzungsmäßige Leistungsausweitungen - zu berücksichtigen sind. Damit wäre entscheidend, welche Werte des Ausgangszeitraums zugrunde zu legen sind. Es mag sein, daß die Vertragspartner des Gesamtvertrages von bereinigten Werten ausgehen und insbesondere das Ergebnis von Wirtschaftlichkeitsprüfungen berücksichtigen müssen. Auch wenn dies zutreffen sollte, kann aber die Kasse jedenfalls nicht Erstattung von Teilen der Gesamtvergütung wegen Berichtigungen oder Wirtschaftlichkeitsprüfungen im Leistungs- (Abrechnungs-)Zeitraum verlangen. Allenfalls kann der Landesverband einen nach den genannten Überlegungen zweifelhaften Vertrag kündigen (§ 368h Abs 2 RVO/§ 89 Abs 1 Satz 2 SGB V).

Allerdings findet auch im jeweiligen Vertragszeitraum eine Wirtschaftlichkeitsprüfung statt. Das Honorar des einzelnen Arztes wird, soweit er unwirtschaftliche Leistungen erbracht hat, gekürzt, die Kürzung schlägt aber nicht auf die Gesamtvergütung durch. Damit werden indessen nicht etwa Zweck und Funktion der Wirtschaftlichkeitsprüfung verfehlt, die auch in den Fällen der Gesamtvergütung nach einer Kopf- oder Fallpauschale vorgeschrieben ist (§ 368n Abs 5 RVO aF, § 106 SGB V). Die Rechtsposition der Krankenkassen und ihrer Verbände bei dieser Prüfung leitet sich nämlich nicht daraus her, daß sie unberechtigte Forderungen gegen sich selbst bzw die im Einzelfall betroffene Mitgliederkasse des Verbandes abwehren dürfen. Vielmehr haben sie ein übergreifendes rechtlich geschütztes Interesse an der Überwachung der Wirtschaftlichkeit (BSGE 60, 69, 71). Bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung geht es auch darum, das kassenärztliche Versorgungssystem funktionsfähig zu erhalten.

e) Begründet ist die Revision auch, soweit der Feststellungsantrag die Zeit vom 1. Oktober 1987 an betrifft. Nach den Feststellungen des LSG war von diesem Tag an die Vergütung in Form von Kopfpauschalen vereinbart. Die in § 368f Abs 2 Satz 2 RVO aF (§ 85 Abs 2 Satz 2 SGB V) vorgesehene Berechnung der Gesamtvergütung nach einer Kopfpauschale bedeutet eine Vergütung pro Kopf der durchschnittlichen Mitgliederzahl der Kasse im Leistungsquartal multipliziert mit einem im Gesamtvertrag vereinbarten Kopfpauschalbetrag (Heinemann/Liebold, aaO Anm C 349; Methner WzS 1988, 298). Diese Vergütung wurde nach ausdrücklicher Feststellung des LSG von der Beklagten unabhängig von den Honorarabrechnungen der Ärzte errechnet. Rechtsgrund der Zahlungen der Beklagten sind wie bei der Fallpauschale nicht die einzelnen Leistungen. Der Rechtsgrund fehlt nicht, wenn einzelne Leistungen nicht notwendig oder wenn sie falsch abgerechnet sind. Ein Erstattungsanspruch ist nicht gegeben.

Aus allen diesen Gründen hat die Revision teilweise Erfolg. Die Kostenentscheidung wird auf § 193 SGG gestützt.

 

Fundstellen

BSGE, 1

AusR 1991, 14

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