Entscheidungsstichwort (Thema)

Kürzung der Vergütung für Laborleistungen. Honorarbegrenzung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Honorarverteilungsmaßstab darf Regelungen enthalten, mit denen die Menge der Laborleistungen begrenzt werden soll.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Zuwachs an Vergütungen für Laborleistungen kann über Empfehlungsvereinbarung, Gesamtvertrag und Honorarverteilungsmaßstab begrenzt werden.

2. Unzulässig ist eine schematische Begrenzung bei den ärztlichen Grundleistungen; derartige Begrenzungen bleiben der Wirtschaftlichkeitsprüfung vorbehalten.

3. Zulässig ist es, wenn zur Begrenzung des Zuwachses an Laborleistungen die über den Gruppendurchschnitt hinausgehenden Mehranforderungen gekürzt werden.

 

Orientierungssatz

Die Honorarbegrenzung ist nach dem Durchschnitt der Fachgruppe, die sich aus Ärzten mit gleicher Spezialisierung der Tätigkeit zusammensetzt zu berechnen. Dabei ist es sachgerecht, auch bei Gruppen, deren Tätigkeitsbereich sich teilweise überschneidet, von den Berufsbezeichnungen auszugehen und nicht auf die tatsächlichen Schwerpunkte der einzelnen Praxis abzustellen.

 

Normenkette

RVO § 368f Abs. 1 Fassung: 1955-08-17, § 368g Abs. 1 Fassung: 1977-06-27, § 368n Abs. 5 Fassung: 1977-06-27

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 08.03.1982; Aktenzeichen L 6 Ka 1/81)

SG Kiel (Entscheidung vom 26.11.1980; Aktenzeichen S 8 Ka 19/80)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte aufgrund ihres Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) das Honorar des Klägers für Laborleistungen in den Quartalen II und III/1977 kürzen durfte.

Nach § 11 Abs 1 Buchst l des für das Jahr 1977 von der Beklagten festgesetzten HVM wurden Laborleistungen mit folgender Begrenzung vergütet:

1 aa) Jeder Kassenarzt erhält im Rahmen seiner Anforderungen für Laborleistungen für jeden Behandlungsfall vorweg einen Betrag, der dem Falldurchschnitt seiner Fachgruppe aus dem entsprechenden Abrechnungsquartal des Vorjahres zuzüglich 4 vH entspricht. Kassenärzte, die darüber hinausgehende Mehranforderungen geltend machen, erhalten diese in dem Verhältnis zugeteilt, wie durch Minderanforderungen anderer Kassenärzte der betreffenden Arztgruppe weitere Mittel für Laborleistungen aufgrund der Honorarvereinbarungen mit den Landesverbänden der Schleswig-Holsteinischen RVO-Kassen zur Verfügung stehen.

Der Kläger ist praktischer Arzt und als Kassenarzt zugelassen. Für das Quartal II/1977 rechnete er gegenüber der Beklagten Laborkosten in Höhe von 14.441,-- DM ab. Bei 2.009 Behandlungsfällen ergaben sich pro Fall Laborkosten von 7,18 DM. Damit lag der Kläger um 3,86 DM über dem um 4 vH erhöhten Fachgruppendurchschnitt des Quartals II/1976 der Abrechnungsgruppe "Land III", in der sämtliche Allgemeinärzte und praktischen Ärzte der Hamburger Landkreise zusammengefaßt sind. Die Mehranforderungen von 3,86 DM pro Fall konnten aus Minderanforderungen anderer Kassenärzte der Fachgruppe mit 53,34 vH zugeteilt werden - im Fall des Klägers mit 2,059 DM. Insgesamt kürzte die Beklagte das Honorar des Klägers für Laborleistungen um 5.512,81 DM (Bescheid vom 13. Oktober 1977; Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 1977). In gleicher Weise kürzte die Beklagte das Honorar des Klägers für Laborleistungen im Quartal III/1977 um insgesamt 1.835,80 DM (Bescheid vom 11. Januar 1978; Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 1978).

Das Sozialgericht (SG) hat die gegen die Kürzungsbescheide gerichteten Klagen abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und ausgeführt, die streitigen Honorarkürzungen ergäben sich aus dem HVM. In der für das Jahr 1977 geltenden Fassung verstoße die streitige Bestimmung nicht gegen höherrangiges Recht. Sie entspreche insbesondere der gesetzlichen Ermächtigung des § 368f Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Allerdings komme als Ermächtigungsgrundlage nicht § 368f Abs 1 Satz 5 RVO in Betracht, denn die Beklagte habe mit der streitigen Bestimmung nicht die übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Kassenarztes verhüten, sondern die Zahl der Laborleistungen generell verringern wollen. Die Ermächtigung dafür ergebe sich aus § 368f Abs 1 Sätze 2-4 RVO. Danach sei die Beklagte berechtigt, bei nicht ausreichender Gesamtvergütung die Honorarforderungen aller Ärzte gleichmäßig zu kürzen oder eine Honorarminderung erst eintreten zu lassen, wenn das Honorar insgesamt oder für einzelne Bereiche ärztlicher Leistungen eine bestimmte Grenze übersteige. Zwar seien bei der Verteilung der Gesamtvergütung Art und Umfang der Leistungen des Kassenarztes zugrunde zu legen (§ 368f Abs 1 Satz 4 RVO). Diese Vorschrift werde aber im streitigen HVM berücksichtigt, indem die Beklagte darin vom vereinbarten Bewertungsmaßstab ausgehe. Dem Auftrag der Ermächtigungsnorm widerspreche es nicht, wenn je nach dem Umfang der Leistungen des Kassenarztes eine mehr oder minder große Kürzung vorgenommen werde, denn die Beklagte dürfe mit der Verteilung der Gesamtvergütung auch Ziele verfolgen, die über die rein rechnerische Aufteilung des vorhandenen Geldes auf die anerkannten Honorarforderungen hinausgehe. Insbesondere sei es Aufgabe der Beklagten, die ärztliche Versorgung unter Berücksichtigung des jeweiligen Standes der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie der Möglichkeiten der Rationalisierung und Modernisierung zur Verfügung zu stellen (§ 368 Abs 3 und Abs 4 RVO). Der HVM verstoße nicht gegen Art 12 des Grundgesetzes (GG), denn er solle durch eine medizinisch vertretbare Leistungsbeschränkung die Finanzierbarkeit des kassenärztlichen Versorgungssystems in der Zukunft sicherstellen. Dieses Ziel habe die Beklagte insbesondere nicht mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 368n Abs 4 und 5 RVO erreichen können. Die Beeinträchtigung der Berufsfreiheit durch den streitigen HVM sei nicht schwerwiegend. Schließlich berücksichtige er auch ausreichend die Unterschiede, die typischerweise innerhalb einer Berufsgruppe bestehen. Der Kläger könne nicht mit Internisten verglichen werden. Von fehlender Berücksichtigung der Unterschiede innerhalb der Gruppe der Allgemeinärzte könne hier keine Rede sein. Der HVM differenziere durchaus zwischen Praxen, in denen einer größeren Zahl von Patienten Laborleistungen erbracht werden, und Ärzten, die nur bei wenigen Patienten Laborleistungen erbringen. Schließlich habe sich die Beklagte bei dieser erstmaligen generellen Honorarbegrenzung mit gröberen Typisierungen begnügen dürfen.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, § 368f Abs 1 Sätze 2 bis 4 RVO ermächtige die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) nicht, einzelne Arten von Leistungen je nach der Zulassung des jeweiligen Arztes unterschiedlich zu vergüten. Es sei willkürlich, daß der Kläger, der praktisch wie ein Internist mit entsprechenden Labortätigkeiten praktiziere, nicht daran gemessen werde, wie seine Praxis in Jahrzehnten gewachsen sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 8. März 1982 und des Sozialgerichts Kiel vom 26. November 1980 sowie die angefochtenen Bescheide aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Mit zutreffender Begründung hat das LSG die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig.

Aufgrund des für das Jahr 1977 geltenden HVM hat die Beklagte die Abrechnungen des Klägers auf dem Laborsektor rechtmäßig gekürzt. Der streitige HVM ist ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Feststellungen des LSG machen auch deutlich, daß die einzelnen Kassenärzte sich vor dem streitigen Quartal II/1977 rechtzeitig auf die neue Regelung einstellen konnten.

Inhaltlich ergibt sich die Rechtmäßigkeit des HVM allerdings nicht aus § 368f Abs 1 Satz 5 RVO. Der HVM hat nicht zum Ziel, eine übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Kassenarztes zu verhüten. Die Beklagte will nicht die Honorarforderungen derjenigen Ärzte kürzen, die eine übermäßige Praxistätigkeit ausüben, und will nicht dadurch die Qualität der ärztlichen Versorgung fördern (vgl BSGE 22, 218, 220; SozR 2200 § 368f RVO Nr 8). Deshalb ist es auch nicht Zweck der Regelung, möglichst vielen Kassenärzten einen angemessenen Anteil an der Gesamtvergütung zu sichern (vgl BSGE 22, 218, 221; SozR aaO).

Die streitige Regelung des HVM entspricht dem Auftrag der Beklagten, nach § 368f Abs 1 Sätze 2-4 die Gesamtvergütung unter die Kassenärzte zu verteilen und dabei Art und Umfang der Leistungen des Kassenarztes zugrunde zu legen. Die RVO gilt im vorliegenden Fall für das Quartal II/1977 in der zuletzt durch das Krankenversicherungsweiterentwicklungsgesetz vom 28. Dezember 1976 (BGBl I 3871) geänderten Fassung. Für das Quartal III/1977 ist die Fassung durch das hinsichtlich der hier einschlägigen Bestimmungen am 1. Juli 1977 in Kraft getretene Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz vom 27. Juni 1977 (BGBl I 1069) anzuwenden.

Der HVM der Beklagten für das Jahr 1977 entspricht insbesondere der Vorschrift des § 368f Abs 1 Satz 4 RVO. Der Verteilung nach § 11 HVM liegt, wie das LSG festgestellt hat, der vereinbarte Bewertungsmaßstab (BMÄ) zugrunde; dh für jede Leistung wird der im Maßstab vereinbarte Wert angesetzt. Dies gilt auch für die Mehranforderungen, die über den Falldurchschnitt der Arztgruppe zuzüglich 4 vH hinausgehen. Die Kürzung bei diesen Mehranforderungen ändert nichts daran, daß jede einzelne Leistung nach dem Bewertungsmaßstab und damit unter Zugrundelegung von Art und Umfang der Leistungen - wenn auch nur im Verhältnis zu den noch zur Verfügung stehenden Mitteln - vergütet wird.

Der Bestimmung des § 368f Abs 1 Satz 4 RVO kann nicht etwa die Forderung entnommen werden, daß die Leistungen nach ihrem Umfang und ihrer Art gleichmäßig vergütet werden müßten, so daß die KÄVen von den Abrechnungen entsprechend dem BMÄ für alle Leistungen nur einheitliche prozentuale Abschläge machen dürften. Die Ermächtigungsnorm des § 368f Abs 1 Sätze 2-4 läßt vielmehr auch eine je nach Wert der insgesamt pro Fall abgerechneten Positionen unterschiedliche Honorierung der einzelnen Leistungen zu - wie im vorliegenden Fall. Deshalb werden sogar Begrenzungen der Vergütung in bestimmten Leistungsgruppen auf Höchstbeträge für zulässig angesehen (Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht, 4. Aufl Stand Januar 1976, Anm 5 zu § 368f = S I 27m; LSG Celle ÄM 1956, 395). Zulässig ist die Begrenzung jedenfalls mit der Modalität wie im vorliegenden Fall, daß die den Höchstbetrag übersteigenden Anforderungen nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, sondern nur in einem Verhältnis zu der zur Verfügung stehenden Gesamtvergütung vergütet werden.

Anstelle des Ziels einer gleichmäßigen Honorierung der einzelnen Leistungen durfte die Beklagte die Verteilung auch nach anderen Zwecken und Zielen ausrichten. Die Vorschrift des § 368f Abs 1 Satz 4 besagt lediglich, daß Art und Umfang der Leistungen zugrunde zu legen, nicht daß sie einziger Maßstab für die Verteilung sind.

Der streitige HVM ist nach den mit ihm verfolgten Zwecken und Zielen durch die Ermächtigungsnorm gerechtfertigt. Im Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 1977 hat die Beklagte darauf hingewiesen, daß die Begrenzung der überdurchschnittlichen Laborleistungen sich aus den bestehenden Gesamtverträgen mit den Landesverbänden der gesetzlichen Krankenkassen in Schleswig-Holstein ergäben, die ihrerseits aufgrund von Bundesempfehlungsvereinbarungen geschlossen worden seien. Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Laborleistungen waren in den Jahren vor 1976 überproportional angestiegen (Muschallik, DÄBl 1976, 1345, 1353). In der Empfehlungsvereinbarung vom 27. April 1976 erklärten deshalb die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Bundesverbände der Orts-, Betriebs-, Innungs- und landwirtschaftlichen Krankenkassen, der Zuwachs der Gesamtvergütung für Laboratoriumsleistungen als für die Vermehrung der Ausgaben primär ursächlicher Faktor solle für die Jahre 1976 und 1977 auf jeweils 4 vH begrenzt werden. Die Steigerung der Aufwendungen für Laboruntersuchungen werde damit auf eine Größenordnung beschränkt, die eine Berücksichtigung der berechtigten Ansprüche der Versicherten auf eine umfassende Diagnostik und Teilnahme an der medizinischen Fortentwicklung auch in Zukunft unter Beachtung des ökonomisch Vertretbaren ermögliche (DÄBl 1976, 1274). Der Empfehlungsvereinbarung vom 27. April 1976 lag die Erkenntnis zugrunde, daß die Entwicklung des Leistungsvolumens auf dem Laborsektor von den Ärzten durch den Zusammenschluß zu Laborgemeinschaften und durch die Einführung einer gezielten Stufendiagnostik beeinflußt werden könnten (Muschallik aaO, 1348; dazu auch Fiedler DÄBl 1976, 1361, 1362).

Die der Empfehlungsvereinbarung folgenden Gesamtverträge mußten deshalb darauf ausgerichtet sein, die Zuwächse der Vergütung für Labortätigkeiten zu kürzen. Auch soweit das mittelbar eine Begrenzung der Menge der ärztlichen Leistungen nach sich zog, waren die Verträge rechtmäßig. Wenn die Krankenkassen die Gesamtvergütung für die "gesamte kassenärztliche Versorgung" entrichten, dann wird durch die vertragliche Regelung auch die Menge der Leistungen erfaßt. Zu verweisen ist auch darauf, daß die als alternative Methode für die Bemessung der Gesamtvergütung zulässige Kopfpauschale auf den durchschnittlichen Jahresbedarf eines Versicherten an kassenärztlichen Leistungen abstellt, ihrer Bestimmung also die Menge der Leistungen zugrunde liegen muß (Töns DOK 1976, 509, 512). Es entspricht aus diesem Grunde den Vorschriften der RVO, wenn Gesamtverträge sich zum Ziel setzen, die Menge der ärztlichen Leistungen zu begrenzen. Die entsprechende durch Gesamtverträge gebotene Ausrichtung des HVM kann deshalb nicht rechtswidrig sein.

Ihre Aufgabe, entsprechend den auf der Empfehlungsvereinbarung beruhenden Gesamtverträgen Mehranforderungen an Laborleistungen aufzufangen, haben die KÄVen verschieden gelöst. Der Beklagten ging es bei ihrer Lösung darum, den Zweck der Empfehlungsvereinbarung voll zu erreichen, dh den Zuwachs an Laborleistungen zu begrenzen und gleichzeitig ihr Ziel zu verwirklichen, nämlich den Zuwachs im Rahmen einer Zuwachsrate von 4 vH zu halten (Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 1977, Heft 1 S 15). Die Zielsetzung des HVM 1977 läßt insoweit jedenfalls keine Rechtsverletzung erkennen.

Die Einwände des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit des HVM greifen nicht durch. Mit dem streitigen HVM hat die Beklagte sich allerdings nur pauschal auf die Begrenzung des Zuwachses an Laborleistungen beschränkt. Beim einzelnen Arzt wird nicht davon ausgegangen, wie hoch seine Anforderungen pro Fall im letzten Jahr gelegen hatten. Sein Honorar für Laborleistungen wird vielmehr nach dem Durchschnitt der Arztgruppe bemessen. Damit wird erreicht, daß nur eine nach Durchschnittswerten ermittelte Zahl von Laborleistungen voll vergütet wird, während der Arzt für Mehranforderungen nur ein Honorar nach dem Verhältnis der noch zur Verfügung stehenden Mittel erhält. Der HVM begrenzt die Menge der voll zu vergütenden Leistungen und verweist den einzelnen Arzt darauf, daß er entweder keine weiteren Leistungen erbringt oder im Hinblick auf die größere Menge der Leistungen von den Möglichkeiten der Verbilligung durch Rationalisierung Gebrauch macht. Ohne weiteres rechtfertigt diese zweite Möglichkeit die Herabsetzung der Vergütung. Soweit aber dem einzelnen Arzt zugemutet wird, daß er die Menge seiner Leistungen einschränkt, ist dies durch das Gebot der Sicherstellung einer wirtschaftlichen Versorgung gedeckt - wie dargelegt.

Der HVM verstößt nicht deshalb gegen Vorschriften der RVO, weil er Elemente einer pauschalen Wirtschaftlichkeitsprüfung enthält. Nach § 368n Abs 5 RVO werden zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit der kassenärztlichen Versorgung im einzelnen besondere Ausschüsse errichtet. Diese Überwachung läßt keine rechnerisch schematische Honorarbegrenzung zu, sondern verlangt eine individuelle Prüfung der Kassenpraxis unter Berücksichtigung ihrer Besonderheiten daraufhin, ob das Wirtschaftlichkeitsgebot beachtet ist. Deshalb hat der Senat einen HVM mit einer Begrenzung des Honorars für Grundleistungen als ungültig angesehen. Er hat dazu ausgeführt, offensichtlich habe die KÄV mit der Begrenzung erreichen wollen, daß die den Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen in § 368n Abs 5 RVO übertragene Aufgabe im allgemeinen überflüssig werde. Damit habe die KÄV zwei Aufgaben miteinander verquickt, die durchaus verschieden seien und nach der Eigenart ihrer Zielsetzung auch unterschiedliche Methoden verlangten. Die Überwachung der Wirtschaftlichkeit im einzelnen erfordere zu ihrer Bewältigung umfassendes ärztliches Wissen und sei deshalb den Prüfungs- und Beschwerdeausschüssen vorbehalten. Mit der schematischen Honorarbegrenzung bei den Grundleistungen, die ohne Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten der kassenärztlichen Praxis durchgeführt werde, greife die KÄV dem Prüfungsverfahren in unzulässiger Weise voraus (BSGE 26, 177, 180f).

Der § 11 Abs 1 Ziff 1 Buchst aa) des HVM der Beklagten für das Jahr 1977 enthält keine derartige schematische Honorarbegrenzung und ist nicht dazu bestimmt, die Wirtschaftlichkeitsprüfung im allgemeinen überflüssig zu machen. Begrenzt wird nur das Honorar für die über den Durchschnitt hinausgehenden Mehranforderungen. Das Honorar für die Laborleistungen bis zum Betrag des Falldurchschnitts im Vergleichszeitraum wird nicht gekürzt. Ferner hat die beklagte KÄV mit der streitigen Vorschrift nicht erreichen wollen, daß die Wirtschaftlichkeitsprüfung im allgemeinen überflüssig wird. Sämtliche Honorarforderungen für Laborleistungen bis zur Höhe des Falldurchschnitts und darüber hinaus können unabhängig von der Begrenzung durch den HVM im Verfahren nach § 368n Abs 5 RVO überprüft werden. Anders als bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung brauchte deshalb die KÄV die Eigenart der einzelnen Praxis bei einer derartigen Fallbegrenzung nicht zu berücksichtigen (Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht, 4. Aufl Stand Oktober 1974 Anm 5 zu § 368f = S I 27m).

Die Regelung des § 11 Abs 1 Ziff 1 Buchst aa) des streitigen HVM verstößt nicht gegen die Verfassung und insbesondere nicht gegen Art 12 GG. Der Schutzbereich dieser Bestimmung wird allerdings auch durch solche Regelungen berührt, die infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs stehen und - objektiv - eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen (BSG SozR RVO § 368f Nr 4 S AA 3). Soweit der HVM auf eine mengenmäßige Begrenzung der Laborleistungen abzielt, ist eine derartige Tendenz erkennbar. Der streitige HVM begrenzt die Freiheit der Berufsausübung aber jedenfalls in zulässiger Weise. Grundsätzlich ist es nicht ausgeschlossen, daß die in Art 12 GG geschützte Freiheit der Berufsausübung durch einen HVM zulässig begrenzt wird (BVerfGE 33, 171, 184; s auch BSG SozR 2200 § 368f RVO Nr 8). Die gesetzliche Ermächtigung in den obengenannten Vorschriften der RVO ist auch hinreichend bestimmt, wenn berücksichtigt wird, daß es hier nicht um eine absolute Begrenzung der Laborleistungen geht, sondern um eine Kürzung des Honorars entsprechend der noch zur Verfügung stehenden Gesamtvergütung. Die Ermächtigungsnorm des § 368f Abs 1 Sätze 2 bis 4 RVO und ebenso die darauf beruhende Kürzungsregelung bleiben auch materiell- rechtlich noch innerhalb der verfassungsrechtlich einzuhaltenden Grenzen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die strittige Regelung keinen besonders schwerwiegenden Eingriff darstellt und daß es entgegen dem irreführenden Ausdruck "Honorarverteilungsmaßstab" nicht eigentlich um die Kürzung eines dem Arzt vertragsrechtlich zustehenden Honoraranspruchs geht, sondern um die Verteilung einer Gesamtvergütung, die im Rahmen eines für den Arzt vorteilhaften öffentlich-rechtlichen Sozialsystems auf gesetzlicher Grundlage festgesetzt wird (vgl BVerfGE 33, 171, 185).

Das von der Beklagten verfolgte Ziel, den Zuwachs der Kosten für Laborleistungen zu begrenzen, ist nicht so geartet, daß es vernünftigerweise keine Grundlage für normative Maßnahmen abgeben könnte. Die Einsparung von Kosten, die die Krankenkassen belasten, hat sich der Gesetzgeber in vielen Regelungen zur Aufgabe gemacht; in § 368g Abs 1 RVO ist die Vergütung der Kassenärzte ausdrücklich auf eine angemessene Größe beschränkt. Wie das LSG zutreffend dargelegt hat, ist der HVM auch geeignet und erforderlich, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Der Honoraranstieg für Laborleistungen wird auf 4 vH begrenzt. Mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung hätte dieses Ziel nicht erreicht werden können. Schließlich wird auch bei der gesamten Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt. Zutreffend hat das LSG den Eingriff durch den HVM nicht als schwerwiegend angesehen. Das Gewicht des Gemeinwohls, dem die Regelung dient, ist eindeutig erheblich größer.

Berufsausübungsregelungen müssen ferner die Unterschiede berücksichtigen, die typischerweise innerhalb der betroffenen Berufsgruppe bestehen, da anderenfalls Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG verletzt sein kann (BVerfGE 33, 171, 188). Nach der Ansicht des Klägers hätte er entsprechend der tatsächlichen Gestaltung seiner Praxis mit der Gruppe der Internisten verglichen werden müssen, für die ein höherer Falldurchschnitt gegeben sei. Der streitige HVM, der bei der Honorarbegrenzung nur nach Fachgruppen unterscheidet, verstößt indessen auch insoweit nicht gegen die Verfassung. Wenn der HVM nicht innerhalb der Fachgruppe differenziert, so besteht dafür ein sachlich einleuchtender Grund. Besonderheiten des "Krankenguts" der einzelnen Praxis berücksichtigt der HVM insofern, als vorweg und bis zur Höhe des Falldurchschnitts der Arztgruppe die Laborleistungen für jeden Behandlungsfall vergütet werden. Wie das LSG festgestellt hat, wird damit unterschieden zwischen Praxen, in denen einer größeren Zahl von Patienten Laborleistungen erbracht werden, und Ärzten, die bei nur wenigen Patienten Laborleistungen erbringen. Durch den Vergleich mit den Allgemeinärzten wird der Kläger also nur insoweit benachteiligt, als er in Fällen, in denen überhaupt Laborleistungen notwendig sind, im einzelnen mehr Leistungen erbringt als der Durchschnitt der Fachgruppe. Der HVM berücksichtigt auch insoweit die besonderen Verhältnisse der einzelnen Praxis.

Andererseits konnte der Kläger nicht verlangen, daß bei der Honorarbegrenzung darauf abgestellt wurde, wie seine Praxis in Jahrzehnten gewachsen war. Es ist mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar, daß die Beklagte nicht ohne weiteres die Abrechnungen des einzelnen Arztes in der Vergangenheit als Ausgangspunkt für die Begrenzung hingenommen hat. Damit wären jüngere Ärzte, die erstmalig Laborleistungen abrechnen, völlig unberücksichtigt geblieben, und sachlich gebotene Ausweitungen der Labortätigkeit von Ärzten, die insoweit bisher unter dem Durchschnitt gelegen hatten, blockiert worden. Die Beklagte hatte deshalb einleuchtende Gründe, wenn sie sich bei der Honorarbegrenzung an Durchschnittswerten orientierte. Dabei bot sich die Berechnung nach dem Durchschnitt der Fachgruppe an, die sich aus Ärzten mit gleicher Spezialisierung der Tätigkeit zusammensetzte. Sachgerecht ist es schließlich, wenn die Beklagte auch bei Gruppen, deren Tätigkeitsbereich sich teilweise überschneidet, von den Berufsbezeichnungen ausgeht und nicht auf die tatsächlichen Schwerpunkte der einzelnen Praxis abstellt. Der Kläger ist nicht als Internist zugelassen und kann nicht verlangen, bei der Honorarverteilung als Internist behandelt zu werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts läßt der Gleichheitsgrundsatz dem Normgeber einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfGE 33, 171, 189). Er braucht deshalb nicht alle tatsächlichen Verschiedenheiten der Lebensverhältnisse zu berücksichtigen; der Gleichheitssatz ist nur verletzt, wenn der Normgeber tatsächliche Ungleichheiten außer acht läßt, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen und deren Nichtbeachtung mangels einleuchtender Gründe als willkürlich zu beurteilen wäre. Beim streitigen HVM ist das nicht der Fall, zumal da es sich um eine erstmalige generelle Honorarbegrenzung handelt, die nur für ein Jahr gelten sollte. Das in der Regel typische Merkmal der Tätigkeit des Allgemeinarztes liegt darin, daß er sich nicht vorwiegend einem bestimmten Fachgebiet zuwendet, während der Facharzt auf sein Gebiet beschränkt ist. Schließlich wäre eine Regelung, die auf die tatsächliche Ausrichtung der Praxis abstellt, höchst unpraktikabel.

Aus allen diesen Gründen ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1661835

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