Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung eines Leistungsantrags

 

Orientierungssatz

Der Antrag auf Bewilligung einer Berufsausbildungsbeihilfe ist als Antrag auf die Leistungen aufzufassen, die dem Antragsteller anläßlich seiner Teilnahme zustehen, denn wer zu einem bestimmten Sachverhalt Leistungen beantragt, will damit im Zweifel die für ihn günstigsten Ansprüche geltend machen, die ihm gegen den Leistungsträger zustehen - hier: Übergangsgeld - (vgl BSG 16.8.1973 3 RK 94/72 = BSGE 36, 120 = SozR Nr 61 zu § 182 RVO). Das gilt insbesondere bei dem gleichen Zweck dienenden Leistungen, von denen jeweils nur eine gewährt werden kann.

 

Normenkette

SGB 1 § 16 Fassung: 1975-12-11, § 17 Abs 1 Nr 1 Fassung: 1975-12-11

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 05.12.1983; Aktenzeichen L 1 Ar 2/83)

SG Koblenz (Entscheidung vom 08.11.1982; Aktenzeichen S 9 Ar 31/82)

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Übergangsgeld (Übg) anstelle von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB), und zwar noch für die Zeit vom 26. Mai 1975 bis 31. Dezember 1976.

Der 1956 geborene Kläger, der gehörlos und sprachbehindert ist, durchlief vom 26. Mai 1975 bis 12. März 1977 in einem Berufsförderungswerk eine Ausbildung als Teilkonstrukteur. Die Beklagte übernahm die beim Berufsförderungswerk entstehenden Kosten, auch für Unterkunft und Verpflegung, die sie direkt mit dem Werk abrechnete, und gewährte dem Kläger zusätzlich 298,-- DM monatlich (260,-- DM für den Lebensunterhalt, 38,-- DM für eine Familienheimfahrt) als BAB, und zwar bis zum 30. April 1976 durch Bescheid vom 24. Juli 1975 und aufgrund eines Weiterbewilligungsantrages für die Zeit danach durch Bescheid vom 1. Juni 1976. Einen Widerspruch erhob der Kläger gegen die Bescheide nicht, die jeweils mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehen waren.

Im Oktober 1981 beantragte der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des erkennenden Senats vom 13. Mai 1981 - 7 RAr 27/80 - (SozR 4100 § 59 Nr 2 = Breithaupt 1982, 150) erfolglos, ihm rückwirkend anstelle der BAB Übg zu gewähren (Bescheid vom 26. November 1981, Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 1982).

Die Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen (Urteil vom 8. November 1982). Nach Einlegung der vom SG zugelassenen Berufung hat die Beklagte dem Kläger (unter Anrechnung erhaltener 624,04 DM) für die Zeit vom 1. Januar bis 12. März 1977 nachträglich Übg von 41,57 DM kalendertäglich gewährt (Bescheid vom 15. Juni 1983). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung und die Klage gegen den Bescheid vom 15. Juni 1983 zurückgewiesen (Urteil vom 5. Dezember 1983).

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, für die noch streitige Zeit sei die Gewährung von Übg anstelle von BAB gemäß § 44 Abs 4 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) ausgeschlossen. Es könne offen bleiben, ob der am 6. Mai 1975 gestellte Antrag nur auf BAB gerichtet gewesen sei, weil der Kläger mit Schreiben seines Vaters vom 27. Mai 1975 ausdrücklich Anspruch auf entsprechende Rehabilitationsleistungen erhoben habe. Ebenfalls komme es nicht darauf an, ob die Beklagte 1975 und 1976 mit der Gewährung von BAB den Antrag des Klägers auf Übg abgelehnt habe. Entscheidend sei, daß dem Kläger zu Unrecht BAB bewilligt und infolgedessen kein Übg gewährt worden sei. Die Rücknahme der rechtswidrigen, den Kläger im Ergebnis belastenden Bewilligungen der BAB setze nach § 44 Abs 1 SGB X keine förmliche Ablehnung des tatsächlich zustehenden Übg voraus. Die Vorschrift gelte auch, wenn ein Anspruch nicht erfüllt werde, weil der Leistungsträger eine den Anspruch ausschließende andere niedrigere Leistung gewähre, wie das hier der Fall gewesen sei. Die Beklagte sei daher berechtigt und verpflichtet, auch ohne förmliche Ablehnung des Übg die Bewilligungen der BAB nach § 44 Abs 1 SGB X zurückzunehmen, soweit sie die mit der Falschbewilligung verbundene Belastung des Klägers nicht noch erhöhe. Die Beseitigung dieser Bewilligungen habe jedoch nicht zur Folge, daß dem Kläger das Übg in vollem Umfange nachzuzahlen sei. Die Nachzahlungsmöglichkeit sei nach § 44 Abs 4 SGB X auf längstens vier Jahre vor dem hierauf gerichteten Antrag beschränkt, und zwar unabhängig davon, ob der Anspruch verjährt sei. Die Beklagte habe dem Kläger mit Bescheid vom 15. Juni 1983 daher alles gewährt, was ihm noch zustehe.

Der Kläger rügt eine Verletzung des § 44 SGB X, der §§ 40, 56 Abs 3 Nr 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) und der Rechtsgrundsätze über Inhalt und Wirkungen von Verwaltungsakten. Es entspreche verwaltungsrechtlichen Grundsätzen, daß Leistungsansprüche nur insoweit verbraucht seien, als über sie in verbindlicher Form durch Bescheid entschieden worden sei. Entschieden habe die Beklagte nur über die fehlerhaft gewährte BAB. Über das von der allgemein gehaltenen Antragstellung des Klägers gleichfalls umfaßte Begehren auf Übg sei unstreitig nicht entschieden worden. Die Beklagte sei daher verpflichtet, diese Unterlassung nachzuholen und ab Antragstellung über den Anspruch des Klägers auf Übg zu entscheiden. Diese Verpflichtung der Beklagten werde nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Kläger nur eine der beiden Leistungen, also nur BAB oder Übg erhalten könne. Angesichts der großen Fülle der gesetzlichen Rehabilitationsleistungen könne grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daß die nur einseitige Entscheidungsmöglichkeit der Verwaltung dem Antragsteller stets bekannt sei. Von einer Verwaltungsentscheidung über das Übg könnte daher nur dann ausgegangen werden, wenn die Beklagte dies in dem Bescheid zum Ausdruck gebracht hätte. Dies habe zur Folge, daß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X nur bezüglich der unrichtigen Bewilligung der BAB erfüllt sei, nicht aber im Hinblick auf die unterbliebene Entscheidung über das beantragte Übg. Damit entfalle gleichzeitig die Nachzahlungsbegrenzung des § 44 Abs 4 SGB X.

Der Kläger beantragt,

die ergangenen Urteile sowie den Bescheid vom 26. November 1981 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 1982 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 15. Juni 1983 zu verurteilen, dem Kläger auch für die Zeit vom 26. Mai 1975 bis 31. Dezember 1976 Übg unter Anrechnung der bereits gezahlten BAB zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für im Ergebnis zutreffend. Allerdings sei zu beachten, daß die Aufhebung rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakte in bezug auf Leistungen nach dem AFG in § 152 Abs 1 AFG abschließend geregelt sei. Hiernach sei ein Verwaltungsakt abweichend von § 44 Abs 1 SGB X lediglich für die Zukunft zurückzunehmen. Da eine Rücknahme für die Vergangenheit ausscheide, komme es für den noch streitigen Anspruch auf die Frage der Anwendbarkeit des § 44 Abs 4 SGB X nicht an. Der Bescheid vom 15. Juni 1983 sei demnach nicht rechtens. Soweit die Revision geltend mache, daß über die Anträge auf Rehabilitationsleistungen nicht mit der Wirkung bindend entschieden worden sei, daß andere Leistungen als die BAB abgelehnt würden, werde auf das angefochtene Urteil und auf BSGE 36, 120 verwiesen, wonach der eine nachrangige Leistung gewährende Bescheid die Ablehnung der vorrangigen Leistung enthalte. Dies müsse insbesondere dann gelten, wenn es sich bei beiden Leistungen um solche handele, die zum Lebensunterhalt bestimmt seien, wie das hier der Fall sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Leistung von Übg für die Zeit vom 26. Mai 1975 bis 31. Dezember 1976 steht der durch Art I des Gesetzes vom 18. August 1980 (BGBl I 1469) eingeführte § 44 Abs 4 SGB X entgegen, auch wenn dem Kläger für seine Ausbildung im Berufsförderungswerk statt BAB Übg hätte gewährt werden müssen. Mit den Bescheiden vom 24. Juli 1975 und 1. Juni 1976 ist nämlich nicht, wie die Revision meint, lediglich über BAB entschieden worden, sondern umfassend über die Leistungen, die dem Kläger anläßlich seiner beruflichen Ausbildung im Berufsförderungswerk nach Arbeitsförderungsrecht zur Auszahlung an ihn noch bewilligt werden sollten.

Der Kläger hat zwar für seine Anträge die ihm von der Beklagten hierfür ausgehändigten Formulare "Antrag auf Bewilligung/Weiterbewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe" benutzt und demgemäß formell lediglich BAB beantragt. Diese Anträge sind jedoch nach den Umständen des Falles als Anträge auf die Leistungen aufzufassen, die dem Kläger anläßlich seiner Teilnahme an der beruflichen Ausbildung im Berufsförderungswerk zustehen. Denn wer zu einem bestimmten Sachverhalt Leistungen beantragt, will damit im Zweifel die für ihn günstigsten Ansprüche geltend machen, die ihm aus diesem Sachverhalt gegen den Leistungsträger zustehen (BSGE 36, 120, 121 = SozR Nr 61 zu § 182 RVO; BSG SozR 3900 § 40 Nr 12). Das gilt insbesondere bei dem gleichen Zweck dienenden Leistungen, von denen jeweils nur eine gewährt werden kann. Dementsprechend hat der Senat entschieden, daß Arbeitslosengeld (Alg) auch beantragt haben kann, wer das Formular "Antrag auf Arbeitslosenhilfe" ausgefüllt und eingereicht hat (BSG Breithaupt 1979, 732, 735; BSGE 49, 114, 115 f = SozR 4100 § 100 Nr 5; Urteil vom 22. August 1984 - 7 RAr 12/83 -, zur Veröffentlichung vorgesehen); aus dem gleichen Grund schließt der Antrag auf Alg im allgemeinen den Antrag auf Arbeitslosenhilfe ein (BSG SozR Nr 7 zu § 177 AVAVG aF; BSGE 44, 164, 166 f = SozR 4100 § 134 Nr 3). Dafür, daß der Kläger mit seinen Anträgen sein Leistungsbegehren irgendwie hätte beschränken wollen, sind keine Anhaltspunkte vorhanden. Abgesehen davon, daß schon die BAB eine umfassende Leistung ist, bei deren Bemessung grundsätzlich jeder ausbildungsbedingte Bedarf berücksichtigt wird, hat der Vater des Klägers anläßlich der Abgabe der von ihm und seiner Ehefrau geforderten Unterschriften, Erklärungen und Bescheinigungen die Beklagte darauf hingewiesen, daß sein Sohn Anspruch auf Leistungen nach dem Rehabilitationsangleichungsgesetz habe. Da die Träger von Sozialleistungen darauf hinzuwirken haben, daß jeder Berechtigte die ihm zustehende Sozialleistung umfassend erhält (vgl für das seit dem 1. Januar 1976 geltende Recht § 17 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil -), war die Beklagte verpflichtet, umfassend zu prüfen, welche Leistungen sie bei dem ihr unterbreiteten Sachverhalt nach materiellem Recht zu erbringen hatte. Die Prüfung hatte sich daher auch darauf zu erstrecken, ob neben den Kosten der Maßnahme und der im Zusammenhang mit der Teilnahme an der Maßnahme erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten Übg oder lediglich die - grundsätzlich alle Bedürfnisse berücksichtigende - BAB zu gewähren war, die im allgemeinen zu geringeren für den Lebensunterhalt zur Verfügung stehenden Zahlungen führt. Unter Berücksichtigung dieser Zusammenhänge ist der Bescheid vom 24. Juli 1975, der der bis zum Urteil des Senats vom 13. Mai 1981 - 7 RAr 27/80 - vertretenen Rechtsauffassung der Beklagten entsprach, daß in Fällen wie dem vorliegenden kein Anspruch auf Übg entsteht und nur BAB in Betracht kommt, von Rechts wegen dahin zu verstehen, daß auf den Antrag des Klägers neben den 260,-- DM monatlich für den Lebensunterhalt, den 36,-- DM monatlich für eine Familienheimfahrt und den im Bescheid erwähnten beim Berufsförderungswerk entstehenden Kosten, die die Beklagte direkt mit dem Werk abrechnete, keine weitere Leistungen, also auch keine weiteren Leistungen für den Lebensunterhalt gewährt werden. Nichts anderes gilt für den Bescheid vom 1. Juni 1976.

Die vom Kläger nicht mit dem gegebenen Widerspruch angegriffenen Bescheide sind somit gemäß § 77 SGG für den Kläger bindend geworden, als sie höhere Leistungen für die Rehabilitation versagt haben, mithin auch, soweit kein Übg gewährt worden ist.

Die Beklagte hat die Versagung des Übg durch den Übg gewährenden Bescheid vom 15. Juni 1983 inzident mit Wirkung vom 1. Januar 1977 aufgehoben; für die Zeit vom 26. Mai 1975 bis 31. Dezember 1976 ist die Bindungswirkung der Bescheide vom 24. Juli 1975 und 1. Juni 1976 unberührt geblieben. Die Bindungswirkung läßt sich auch nicht mit der Folge durchbrechen, daß dem Kläger noch Übg für die hier streitige Zeit vom 26. Mai 1975 bis 31. Dezember 1976 gewährt werden könnte. Das folgt aus § 44 SGB X und dem diese Vorschrift ergänzenden § 152 Abs 1 AFG (in der Fassung des Gesetzes vom 18. August 1980, BGBl I 1469). Der § 44 SGB X ist zwar erst am 1. Januar 1981 in Kraft getreten, die Vorschrift ist jedoch gemäß Art II § 40 Abs 2 Sätze 1 und 2 des Gesetzes vom 18. August 1980 anzuwenden, wenn nach dem 31. Dezember 1980 ein vor dem 1. Januar 1981 erlassener Verwaltungsakt aufgehoben wird. Die Vorschrift findet daher auch Anwendung, wenn Leistungen für die Vergangenheit streitig sind und der bestandskräftige Verwaltungsakt, der gegebenenfalls aufzuheben ist, wie hier vor dem 1. Januar 1981 erlassen worden ist (vgl BSGE 54, 223 = SozR 1300 § 44 Nr 3; BSGE 55, 87, 88 = SozR 1300 § 44 Nr 4). Die Ausnahmevorschrift des Art II § 40 Abs 2 Satz 3 des Gesetzes vom 18. August 1980 betrifft, wie das LSG zutreffend entschieden hat, Verwaltungsakte in der Sozialversicherung und greift hier deshalb nicht Platz.

Zwar hat der Gesetzgeber durch § 44 SGB X nunmehr grundsätzlich einen Anspruch auf Rücknahme eines Verwaltungsaktes eingeräumt, auch nachdem der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, daß bei Erlaß des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Während nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X die Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit zu erfolgen hat, ist gemäß § 152 Abs 1 AFG in diesen Fällen abweichend von § 44 Abs 1 SGB X der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Dies hat zur Folge, daß der Kläger keinen Rechtsanspruch auf Rücknahme der Bescheide hat, soweit sie höhere Leistungen versagt haben. Die Leistungsversagung betraf die Jahre 1975 bis 1977 und damit nur noch die Vergangenheit, als der Kläger die Beklagte bat, ihm anstelle der BAB Übg zu gewähren.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Aufhebung rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakte in bezug auf Leistungen nach dem AFG in § 152 Abs 1 AFG dergestalt abschließend geregelt ist, daß in diesen Fällen eine Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit auch nicht im Wege des Ermessens von Rechts wegen zulässig ist, wie die Beklagte in ihrer Revisionserwiderung meint und deshalb ihre eigene nachträgliche Übg-Bewilligung für 1977 für nicht rechtens hält (vgl dazu jedoch Krebs, Komm zum AFG, § 152 RdNr 4, Mai 1983; Eckert ua, Gemeinschaftskommentar zum AFG, § 152 RdNr 4, September 1982; Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, § 152 Anm 2b, November 1983; Gagel in Gagel, Komm zum AFG, § 152 RdNr 30; Vöcking in Hauck/Haines, Komm zum SGB X/1,2, § 44 RdNr 38; s ferner die Begründung zu Art II § 2 des Entwurfs eines Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren -, BT-Drucks 8/2034 S 37). Denn da der Kläger mit seiner Klage nicht eigentlich auf die Rücknahme der Bescheide für die Vergangenheit abzielt, sondern mit ihr die Gewährung des Übg für 1975 und 1976 erstrebt, käme es auf diese Frage (und gegebenenfalls die weitere, ob die Beklagte hinsichtlich der hier streitigen Zeit eine Ermessensentscheidung getroffen hat) nur an, wenn der Kläger nach einer Aufhebung der Bescheide mit Wirkung vom 26. Mai 1975 die Bewilligung von Übg für die Zeit vom 26. Mai 1975 bis 31. Dezember 1976 erreichen könnte. Das ist indes nach § 44 Abs 4 SGB X nicht der Fall. Nach dieser Vorschrift werden, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist, Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des SGB, zu denen auch das AFG gehört (Art II § 1 Nr 2 des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl I 3015), längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Erfolgt, was hier einschlägig ist, die Rücknahme auf Antrag, so wird der Zeitpunkt der Rücknahme vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Antrag gestellt worden ist (§ 44 Abs 4 Satz 3 SGB X). Da der Kläger den Antrag 1981 gestellt hat, sind daher Leistungen für die Zeit vor dem 1. Januar 1977 selbst dann nicht zu erbringen, wenn die Beklagte die Bescheide vom 24. Juli 1975 und 1. Juni 1976 gänzlich aufheben würde, soweit mit ihnen höhere Rehabilitationsleistungen abgelehnt worden sind.

Die Revision muß daher ohne Erfolg bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1655869

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