Leitsatz (amtlich)

1. Die Verjährung für Ersatzansprüche der KK gegen die Versorgungsverwaltung gemäß BVG § 21 Abs 2 S 2 beginnt nicht erst mit Ablauf des Jahres, in dem die gesamte Heil- oder Krankenbehandlung endgültig abgeschlossen ist, sondern bereits mit Ablauf des Jahres, in dem die Krankenkassen Leistungen ("Teilleistungen") im Rahmen der ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben erbracht haben.

2. Zur Frage der unzulässigen Rechtsausübung bei der Erhebung der Einrede der Verjährung.

 

Leitsatz (redaktionell)

Unterbrechung der Verjährung des Anspruchs auf Kostenersatz nach BVG § 19:*

1. Der Beginn und die Unterbrechung der Verjährung von Ansprüchen der Krankenkasse auf Ersatz, ihrer Leistungsaufwendungen für Kriegsbeschädigte (BVG § 19) richtet sich mangels einer speziellen Regelung im BVG nach den Vorschriften der BGB §§ 198 ff, 208 ff.

2. Das Recht zur Erhebung der Einrede der Verjährung kann verwirkt sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die die Geltendmachung der Einrede der Verjährung dem Partner gegenüber als illoyal erscheinen lassen; das ist zB dann der Fall, wenn der Schuldner die Verjährung arglistig oder sonstwie rechtswidrig herbeigeführt oder den Gläubiger gerade durch sein bisheriges Verhalten von einer rechtzeitigen Erhebung der Klage abgehalten hat.

3. Eine durch Anerkennung unterbrochene Verjährung (BGB § 208) beginnt gemäß BGB § 217 unmittelbar nach Beendigung der Unterbrechung, also unmittelbar nach Abgabe des Anerkenntnisses. Dies gilt auch dann, wenn die ursprüngliche Verjährung gemäß BGB § 201 erst mit dem Schluß des Kalenderjahres beginnt. Die gleiche Folgerung muß für BVG § 21 Abs 2 S 2 gezogen werden.

4. Hat die Versorgungsbehörde den Ersatzanspruch der Krankenkasse nach Beginn der Verjährungsfrist anerkannt, so wird die 2jährige Verjährungsfrist unterbrochen, mit der Maßgabe, daß die neue Verjährung unmittelbar nach der Beendigung der Unterbrechung beginnt. Die Anerkennung des Ersatzanspruchs der Krankenkasse vor Beginn der Verjährungsfrist hat nur deklaratorische Bedeutung und unterbricht die Verjährung nicht.

 

Normenkette

BVG § 21 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1964-02-21; BGB § 242 Fassung: 1896-08-18, §§ 198, 208, 217; BVG § 19

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Januar 1976 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der mit der Klage geltend gemachte Ersatzanspruch für den von der Klägerin an den Beschädigten im Jahre 1971 ausgezahlten Einkommensausgleich verjährt ist.

Der 1916 geborene Beschädigte Karl A., der bei der Klägerin pflichtversichert war, bezog gemäß Bescheid der Versorgungsverwaltung vom 17. Mai 1951 ua wegen einer im Sinne der Verschlimmerung anerkannten Lungenobergeschoßtuberkulose eine Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 vH. In dem Neufeststellungsbescheid vom 22. Juni 1972 wurde eine reaktivierte produktiv-exsudative Lungenoberfeldtuberkulose im Sinne der Verschlimmerung anerkannt und die MdE auf 100 vH festgesetzt. Der Beschädigte war deswegen ab 11. Mai 1971 arbeitsunfähig erkrankt. Vom 15. Juni bis 2. Juli und erneut ab 30. August 1971 wurde A. stationär behandelt. Am 20. Januar 1972 wurde er auf sein Drängen aus dem Krankenhaus nach Hause entlassen, blieb jedoch weiterhin arbeitsunfähig.

Bereits im Juli 1971 hatte die Klägerin bei dem Versorgungsamt Koblenz einen Ersatzanspruch gemäß § 21 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) wegen Zahlung von Einkommensausgleich angemeldet. Mit den Schreiben vom 10. August 1971, 14. Dezember 1971 und 12. Juni 1972 bestätigte das Versorgungsamt die Zahlung bzw Weitergewährung des Einkommensausgleichs durch die Klägerin und fügte jeweils hinzu: "Der Ersatzanspruch wird anerkannt".

Im Verlaufe des Jahres 1972 ging die Zuständigkeit für A. von dem Versorgungsamt Koblenz auf das Versorgungsamt Landau/Pfalz über. Mit Schreiben vom 15. Februar 1973 übersandte die Klägerin dem Versorgungsamt Landau den Kostennachweis über Ersatzansprüche gemäß § 19 BVG im 4. Vierteljahr des Rechnungsjahres 1972. Hierin ist als Einkommensausgleich bzw als Krankengeld für den Beschädigten A. für die Zeit vom 22. Juni 1971 bis 21. Oktober 1972 ein Betrag von 13.490,75 DM ausgewiesen. Da eine Abrechnung bzw Zahlung nicht erfolgte, erinnerte die Klägerin mit den Schreiben vom 7. November 1973, 29. Januar 1974 und 25. März 1974 an die alsbaldige Erledigung der noch offenstehenden Kostenforderungen. Mit Schreiben vom 2. April 1974 teilte darauf das Versorgungsamt Landau der Klägerin mit, infolge Durchführung von Sonderarbeiten und derzeitiger Beurlaubung des für die Bearbeitung des Kostenersatzes zuständigen Sachbearbeiters werde sich die abschließende Bearbeitung noch bis etwa Ende des Monats verzögern. Das Schreiben schließt mit den Worten: "Wir wären Ihnen daher sehr dankbar, wenn Sie sich bis dahin gedulden würden". Nach erneuter Mahnung der Klägerin vom 22. August 1974 erwiderte das Versorgungsamt schließlich mit Schreiben vom 27. August 1974, die von der Klägerin geltend gemachte Forderung an Krankengeld für die Zeit vom 22. Juni bis 31. Dezember 1971 in Höhe von 5.901,30 DM sei verjährt; für diesen Zeitraum werde daher Kostenersatz abgelehnt. Für die Zeit vom 1. Januar bis 21. Oktober 1972 erkannte das Versorgungsamt den Kostenersatz an und rechnete entsprechend ab.

Am 24. September 1974 hat die Klägerin Klage erhoben, mit welcher sie Kostenersatz für das im Jahre 1971 gezahlte Krankengeld in Höhe von 5.901,30 DM begehrte. Das Sozialgericht (SG) Koblenz hat das beklagte Land durch Urteil vom 30. Mai 1975 verurteilt, der Klägerin den strittigen Betrag von 5.901, 30 DM zu zahlen; die Berufung wurde zugelassen. Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat die Berufung des beklagten Landes durch Urteil vom 27. Januar 1976 zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Ersatzforderung der Klägerin sei zur Zeit der Klageerhebung am 24. September 1974 überhaupt noch nicht verjährt gewesen. Der Beginn der Verjährung bestimme sich nach § 21 Abs 2 Satz 2 BVG allein danach, wann die Heil- oder Krankenbehandlung "durchgeführt" worden sei. Eine Heilbehandlung sei erst durchgeführt, sobald die entsprechende Behandlung endgültig abgeschlossen sei. Das sei hier frühestens am 20. Januar 1972 geschehen. Die zweijährige Verjährungsfrist habe demnach erst mit Ablauf des Jahres 1972 begonnen und sei bei Klageerhebung noch nicht abgelaufen gewesen. Allerdings müsse bei dieser Auslegung des § 21 Abs 2 Satz 2 BVG in Kauf genommen werden, daß der Verjährungsbeginn bei einer sich über Jahre erstreckenden Erkrankung sehr weit hinausgeschoben werde.

Dieses Urteil wurde dem Beklagten am 23. Februar 1976 zugestellt, der hiergegen am 27. Februar 1976 Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist am 21. Mai 1976 begründet hat.

Mit der Revision rügt der Beklagte die Verletzung materiellen Rechts, und zwar des § 21 Abs 2 Satz 2 BVG sowie der im Rahmen dieser Vorschrift anwendbaren §§ 208, 201 und 217 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Er macht dazu geltend, entgegen der Auffassung des LSG trete der Verjährungsbeginn für Ersatzansprüche der Krankenkassen nach §§ 19 und 20 BVG nicht erst mit Abschluß der gesamten Behandlungsmaßnahmen, sondern bereits mit Abgabe eines Anerkenntnisses im Sinne von § 208 BGB für die aufgrund einer Teilbehandlung entstandenen Kosten während eines bestimmten Zeitraumes ein. Der Begriff "durchführen" werde vom Gesetzgeber nicht im Sinne einer endgültigen Erledigung, sondern überwiegend im Sinne der Vornahme von Tat- und Rechtshandlungen verstanden. Nur diese Auslegung entspreche dem Sinn und Zweck der kurzen Verjährungsfrist des § 21 Abs 2 Satz 1 BVG. Letztlich spreche gegen die Richtigkeit des Berufungsurteils die Tatsache, daß die Erstattungsansprüche der Klägerin wegen des bis Ende 1971 gezahlten Krankengeldes Gegenstand von Anerkenntnissen im Sinne des § 208 BGB gewesen seien. Mit dem Zustandekommen dieser Anerkenntnisse (vom 10. August und 14. Dezember 1971) habe eine neue Verjährungsfrist von zwei Jahren zu laufen begonnen, die spätestens im Dezember 1973 abgelaufen gewesen sei.

Der Beklagte und Revisionskläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Januar 1976 sowie das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 30. Mai 1975 aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte beantragt,

die Revision des Landes Rheinland-Pfalz als unbegründet zurückzuweisen.

Sie meint, hinsichtlich der Verjährung des Kostenersatzes nach § 19 BVG sei von der Einheit des Leistungsfalles (Versicherungsfalles) auszugehen. Im übrigen sei der Ablauf der Verjährung durch Anerkenntnis im Sinne von § 208 BGB unterbrochen worden. Schließlich sei der Einwand der Verjährung als unzulässige Rechtsausübung aufzufassen, da die Versorgungsverwaltung nach den Gesamtumständen des Falles für die Klägerin einen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen habe, daß sie auf die Einrede der Verjährung verzichten werde.

 

Entscheidungsgründe

Die vom LSG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist von dem Beklagten frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Die Revision ist daher zulässig (§ 169 SGG); sie erweist sich jedoch als unbegründet.

Nach § 21 Abs 2 BVG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Januar 1967 - BGBl I S 141 - und den danach ergangenen Änderungen) verjähren die Ersatzansprüche der Krankenkassen gegen die Versorgungsverwaltung nach den §§ 19 und 20 BVG in zwei Jahren. Nach Satz 2 dieser Vorschrift beginnt die Verjährung mit Ablauf des Jahres, in dem die Heil- oder Krankenbehandlung "durchgeführt worden ist", frühestens jedoch mit der Anerkennung des Versorgungsanspruchs. Im vorliegenden Fall war der Versorgungsanspruch des A. - nämlich die beiderseitige Lungenobergeschoßtuberkulose - bereits mit Bescheid vom 17. Mai 1951 anerkannt worden. Bei dem Bescheid vom 22. Juni 1972 handelte es sich lediglich um eine Neufeststellung (§ 62 Abs 1 BVG), die sich aus der Reaktivierung (Verschlimmerung) der bereits anerkannten Lungentuberkulose ergab. Der Beginn der Verjährungsfrist ist dadurch nicht auf das Ende des Jahres 1972 verlegt worden. Entscheidend kommt es demnach auf die "Durchführung" der Heilbehandlung an.

Der Senat vermag sich der vom LSG vertretenen Auffassung, daß die Verjährung der Ersatzansprüche gemäß § 21 Abs 2 Satz 2 BVG erst mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem eine ununterbrochene Heilbehandlung endgültig zum Abschluß gekommen ist, nicht anzuschließen. Dem LSG ist zwar zuzugeben, daß der Wortlaut des Gesetzes ("... durchgeführt worden ist") auf den Abschluß der Heilbehandlung hinzudeuten scheint. Bei dieser Wortinterpretation muß jedoch beachtet werden, daß der Begriff "durchführen" nicht nur in § 21 Abs 2 BVG, sondern auch an anderer Stelle im Gesetz, insbesondere in § 18 c Abs 2 BVG, verwendet wird. Zu dem Begriff "durchführen" in der letztgenannten Vorschrift hat der erkennende Senat bereits wiederholt ausgesprochen (vgl BSGE 32, 150; 37, 235), daß damit lediglich bestimmt werden soll, bei welchen, grundsätzlich von der Versorgungsverwaltung zu gewährenden Leistungen (§ 10 BVG) zunächst die Krankenkassen im Auftrag und in Vollmacht der Versorgungsbehörde tätig werden sollen (vgl demgegenüber § 18 c Abs 1 und 3 BVG). Das "Durchführen" zielt also nicht "auf einen gewissen Erfolg oder ein Ende hin" (vgl Bl 11 des LSG-Urteils), sondern bezieht sich im Gegenteil auf die schnelle und zügige Einleitung und Abwicklung der Heilbehandlungsmaßnahmen, die wegen der größeren Ortsnähe und des bestehenden Kassenarztsystems (vgl §§ 368 ff RVO) den Krankenkassen übertragen worden sind.

Der Beklagte weist zu Recht darauf hin, daß die vom LSG vertretene Auffassung dazu führen müßte, daß bei langjährigen Behandlungsfällen unter Umständen erst nach fünf oder zehn Jahren die Verjährungsfrist zu laufen beginnen könnte. Bei Dauerbehandlungsfällen würde sich das auffällige Ergebnis ergeben, daß die daraus resultierenden Ersatzansprüche niemals der Verjährung unterliegen würden. Eine derartige Auslegung würde dem Zweck, den der Gesetzgeber mit der Einführung der zweijährigen Verjährungsfrist der Ersatzansprüche - zunächst nur nach § 19 BVG, dann auch nach § 20 BVG (vgl 2. NOG vom 21. Februar 1964, BGBl I S 85) - verfolgt hat, eindeutig zuwiderlaufen. Die durch das 5. Änderungsgesetz zum BVG vom 6. Juni 1956 (BGBl I S 463) eingefügte Verjährungsvorschrift beruht auf dem Grundgedanken, daß die Ersatzansprüche zwischen Versorgungsbehörde und Krankenkassen binnen zwei Jahren abzuwickeln sind und deshalb in zwei Jahren verjähren (vgl BSG SozR BVG § 21 Nr 1). Die kurze Verjährungsfrist von zwei Jahren ist gerade deshalb eingeführt worden, um das Abrechnungsverfahren zwischen den Beteiligten zu intensivieren und zu beschleunigen (vgl BSGE 32, 21 = SozR BVG § 21 Nr 3). Diese Zielsetzung wird im übrigen durch § 21 Abs 1 BVG bestätigt, wonach die Krankenkassen den Ersatzanspruch nach § 20 spätestens einen Monat nach Ausstellung des Bundesbehandlungsscheines (vgl § 18 b BVG), bei Gewährung von Übergangsgeld spätestens einen Monat nach dessen erster Anweisung bei der Versorgungsbehörde vorläufig anmelden sollen.

Mit der durch das 1. NOG eingefügten Bestimmung, daß die Verjährung mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem die Heilbehandlung durchgeführt worden ist, sollte lediglich der Beginn der kurzen Verjährungsfrist einheitlich auf den Ablauf des Kalenderjahres verlegt werden, weil hier - wie bei den Geschäften des täglichen Lebens (§ 201 BGB) - "eine gleiche Interessenlage besteht" und ständige Kontrollen etwa ablaufender Verjährungsfristen vermieden werden sollten (vgl BT-Drucks. III/1239 S 25). Diese Gesetzesänderung sollte daher nicht - wie das LSG meint - zu einem vereinfachten Abrechnungsverfahren in der Weise führen, daß nach Abschluß der gesamten Behandlungsmaßnahmen einheitlich sämtliche Ersatzansprüche abgerechnet werden, weil erst dann endgültig der Umfang der entstandenen Kosten feststeht, sondern sollte die Krankenkassen von einer ständigen Überprüfung der mit den getätigten Aufwendungen laufend beginnenden Verjährungsfrist befreien. Das ergibt sich zweifelsfrei aus dem Hinweis auf die § 201 BGB entsprechende Interessenlage; maßgebend ist auch dort der "Schluß des Jahres", und zwar für sämtliche in einem Kalenderjahr entstandenen Ansprüche. Auch Art I § 45 Abs 1 des am 1. Januar 1976 in Kraft getretenen Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil (SGB 1) stellt für die Verjährung von den Ersatzansprüchen vergleichbaren Erstattungsansprüchen auf den Ablauf des Jahres ab, in dem die Erstattungsansprüche entstanden sind (vgl Art I § 43 Abs 3 iVm § 45 Abs 4 und 1 SGB 1).

Nach den Verwaltungsvorschriften (VV) zu § 19 BVG (siehe dort Nr 4) haben die Krankenkassen den Kostenersatz vierteljährlich, spätestens drei Monate nach Ablauf des Kalendervierteljahres, in dem die Behandlung gewährt worden ist, bei den Verwaltungsbehörden anzufordern. Dies gilt nach der ausdrücklichen Regelung des Satzes 2 auch für Behandlungsfälle, die sich über mehrere Vierteljahre erstrecken. Diese (verwaltungsmäßige) Regelung für das Abrechnungsverfahren läßt gleichfalls erkennen, daß bei langfristigen Behandlungsfällen gerade nicht der Abschluß der Behandlung abgewartet werden darf, sondern daß vierteljährliche Zwischenrechnungen zu erteilen sind. Im Zusammenhang mit § 21 Abs 1 BVG bedeutet diese Regelung, daß das gesamte Abrechnungsverfahren beschleunigt und jeweils "auf dem Laufenden" gehalten werden soll. Sie müßte ihren Sinn verlieren, wenn sie zwar für die Anforderung des Kostenersatzes gelten, der Beginn der Verjährung (§ 21 Abs 2 Satz 2 BVG) aber davon unberührt bleiben soll. Das wird besonders deutlich, wenn die Durchführung der Behandlung in der Gewährung von Krankengeld besteht. Denn dabei handelt es sich um wiederkehrende Leistungen, die jeweils wöchentlich erbracht (vgl § 186 iVm § 210 RVO) und somit unabhängig von der Gesamtdauer der Behandlung gewährt bzw "durchgeführt" werden. Die Auffassung des Senats, daß für den Verjährungsbeginn nicht auf den endgültigen Abschluß des Behandlungsfalles als maßgebliches Ereignis, sondern auf die von den Krankenkassen erbrachten Leistungen abzustellen ist, wird schließlich dadurch bestätigt, daß § 20 BVG idF des 7. Anpassungsgesetzes vom 9. Juni 1975 (BGBl I S 1321) seinem neugefaßten Wortlaut nach nicht mehr auf die "Durchführung" von Heil- und Krankenbehandlung sowie Einkommensausgleich abstellt, sondern auf die von den Krankenkassen erbrachten Leistungen.

Diesem Ergebnis steht auch das Urteil des erkennenden Senats vom 6. Februar 1973 (10 RV 189/72) nicht entgegen. Abgesehen davon, daß dieser Entscheidung ein anderer Sachverhalt zugrunde lag, hat der Senat in den Entscheidungsgründen gerade nicht auf den Abschluß der gesamten Behandlung, sondern auf die in den einzelnen Jahren ("1964 bzw 1965") erbrachten Leistungen abgestellt. Die Klage war jedoch so spät erhoben worden (Dezember 1968), daß der Senat sich auf den Ausspruch beschränken konnte, daß die Ersatzansprüche "spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 1967" verjährt waren.

Die zweijährige Verjährungsfrist der Ersatzansprüche wegen der hier streitigen, im Jahre 1971 erbrachten Geldleistungen begann daher mit Ablauf dieses Jahres zu laufen. Dem steht nicht entgegen, daß der Beklagte der Klägerin wiederholt (zunächst mit den Schreiben vom 10. August und 14. Dezember 1971) mitgeteilt hatte, "der Ersatzanspruch wird anerkannt". Bei diesen Schreiben handelte es sich nicht um konstitutive Schuldanerkenntnisse im Sinne des § 781 BGB - mit der Folge, daß die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB von 30 Jahren maßgebend wäre -, sondern um deklaratorische Anerkenntnisse im Sinne des § 208 BGB, durch die das Bestehen der Ersatzansprüche lediglich bestätigt werden sollte. Davon gehen auch die Beteiligten im Revisionsverfahren aus. Den genannten Schreiben kommt insoweit keine besondere Bedeutung zu; die Verjährung konnte dadurch nicht unterbrochen werden, weil die Verjährungsfrist, wie bereits dargelegt, für die im Jahre 1971 entstandenen Forderungen erst mit Ablauf dieses Jahres zu laufen begann.

Anders ist jedoch das Schreiben vom 12. Juni 1972 zu beurteilen. Mit diesem Schreiben hat der Beklagte nicht nur die Ersatzansprüche für die "über den 30.1.1972 hinaus" erbrachten Kassenleistungen, sondern auch für die weiter zurückliegende Zeit anerkannt. Das ergibt sich aus dem Gesamtinhalt dieses Schreibens, insbesondere der darin ausgesprochenen Bezugnahme auf das Anerkenntnis vom 14. Dezember 1971. Mit dem Anerkenntnis vom 12. Juni 1972 ist die zweijährige Verjährungsfrist unterbrochen worden (§ 208 BGB). Gemäß § 217 BGB - der hier entsprechend anzuwenden ist - beginnt die neue Verjährung unmittelbar nach der Beendigung der Unterbrechung. Dies gilt auch dann, wenn die ursprüngliche Verjährung - wie in den Fällen der kurzen Verjährungsfrist von zwei bzw vier Jahren (§§ 196, 197 BGB) - gemäß § 201 BGB erst mit dem Schluß des Kalenderjahres beginnt (vgl RGZ 120, 355, 361). Die gleiche Folgerung muß für § 21 Abs 2 Satz 2 BVG gezogen werden, der nach seinem Gestaltungswillen der bürgerlich-rechtlichen Regelung über die kurze Verjährungsfrist (zwei Jahre, ähnlich § 196 BGB; Beginn mit Ende des Kalenderjahres, ähnlich § 201 Satz 1 BGB) angeglichen ist (vgl BSGE 25, 73; 25, 136). Die Verjährungsfrist begann daher - mangels einer anderslautenden gesetzlichen Regelung - unmittelbar nach Abgabe des Anerkenntnisses vom 12. Juni 1972 neu zu laufen und lief am 12. Juni 1974 ab. Zugunsten der Klägerin ist damit jedoch nichts gewonnen, da die Klage erst am 24. September 1974 erhoben ist.

Die Klägerin hatte zwar mit den Schreiben vom 7. November 1973 und 29. Januar 1974 an die alsbaldige Erledigung der noch offenstehenden Kostennachweise erinnert. Eine Antwort der Versorgungsverwaltung ist jedoch in dem hier interessierenden Fall des Beschädigten A. nicht erfolgt, ein erneutes Anerkenntnis nicht abgegeben, eine weitere Unterbrechung der Verjährung nicht eingetreten (vgl BSGE 32, 21). Mit Schreiben vom 25. März 1974, also noch innerhalb der bis zum 12. Juni 1974 laufenden Verjährungsfrist, hat die Klägerin jedoch die alsbaldige Erledigung erneut "in Erinnerung gebracht". Das Antwortschreiben der Versorgungsverwaltung vom 2. April 1974 enthält zwar kein erneutes Anerkenntnis, durch das die Verjährung wiederum unterbrochen (§ 208 BGB) und eine weitere Verjährungsfrist von zwei Jahren in Lauf gesetzt worden wäre (§ 217 BGB). Jedoch mußte die Klägerin durch dieses Schreiben in den Glauben versetzt werden, daß sich die abschließende Bearbeitung lediglich aus verwaltungsinternen Schwierigkeiten bei der Versorgungsverwaltung - Zuständigkeitswechsel, Durchführung von "Sonderarbeiten", Beurlaubung des zuständigen Sachbearbeiters - noch einige Zeit verzögern würde und daß deshalb gerichtliche Schritte vor Ablauf der Verjährungsfrist nicht erforderlich seien. Die von der Versorgungsverwaltung gebrauchte Formulierung - "Wir wären Ihnen daher sehr dankbar, ..." - war geeignet, die Klägerin zu besonderem Entgegenkommen zu veranlassen, und läßt, insbesondere im Zusammenhang mit den bereits früher abgegebenen Anerkenntnissen, auch nicht andeutungsweise erkennen, daß die daraufhin unterlassene Einleitung des Klageverfahrens (§ 209 BGB) zum Verlust der Ersatzansprüche führen könnte. Wenn der Beklagte entgegen seiner Zusage vom 2. April 1974 die Abrechnung gleichwohl nicht durchgeführt, sondern weiter verzögert und alsdann mit Schreiben vom 27. August 1974 die Einrede der Verjährung erhoben hat, so muß dieses Verhalten als rechtsmißbräuchliche Ausnutzung einer formellen Rechtsposition angesehen werden.

Zwar steht auch einem öffentlich-rechtlichen Leistungsträger grundsätzlich das Recht zu, die Einrede der Verjährung zu erheben (vgl BSGE 20, 262, 265; Urteil des Senats vom 6. Februar 1973 - 10 RV 189/72 -). Der erkennende Senat hat jedoch bereits wiederholt ausgesprochen, daß dieses Recht dann verwirkt sein kann, wenn besondere Umstände vorliegen, die die nunmehrige Geltendmachung der Einrede der Verjährung dem Partner gegenüber als illoyal erscheinen lassen (vgl BSGE 32, 21, 28; Urteil vom 5. Dezember 1972 - 10 RV 441/72 -; Urteil vom 6. Februar 1973 aaO). Das ist zB dann der Fall, wenn der Schuldner die Verjährung arglistig oder sonstwie rechtswidrig herbeigeführt oder den Gläubiger gerade durch sein Verhalten von einer rechtzeitigen Klageerhebung abgehalten hat. Letzteres trifft hier zu. Im Gegensatz zu dem vom Senat am 14. Oktober 1970 (BSGE 32, 21) entschiedenen Fall hatte der Beklagte niemals zu erkennen gegeben, daß er Ersatz für die geltend gemachten Heilbehandlungskosten nicht leisten wolle, sondern er hatte den Ersatzanspruch wiederholt und vorbehaltslos anerkannt. Zwar hatte die Versorgungsverwaltung auf die Schreiben vom 15. Februar 1973 (Übersendung der Kostennachweise), 7. November 1973 und 29. Januar 1974 nicht reagiert, so daß die Klägerin Veranlassung zu besonderer Sorgfalt bei der Fristüberwachung hatte. Das bereits erwähnte Antwortschreiben der Versorgungsverwaltung vom 2. April 1974 - auf die erneute Mahnung vom 25. März 1974 - mußte jedoch nach Formulierung und Inhalt bei der Klägerin den Eindruck erwecken, daß der Beklagte die bereits vor mehr als zwei Jahren angemeldeten Ersatzansprüche nach Behebung der bei ihm bestehenden verwaltungsinternen Schwierigkeiten befriedigen werden und mit der Erhebung der Einrede der Verjährung nicht zu rechnen sei. Selbst unter Berücksichtigung der strengen Anforderungen, die im Hinblick auf die kurze Verjährungsfrist des § 21 Abs 2 Satz 2 BVG an die Verwirkung des Rechts, die Verjährung geltend zu machen, zu stellen sind, kann das Verhalten des Beklagten rechtlich nicht gebilligt werden. Die von ihm erhobene Einrede der Verjährung muß als unzulässige Rechtsausübung angesehen werden und ist daher nicht geeignet, dem Ersatzanspruch der Klägerin eine Leistungsverweigerung entgegenzusetzen.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen erweisen sich daher im Ergebnis als zutreffend; die Revision des Beklagten ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 227

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