Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallfolge (hier: Mangelnde Selbstbeobachtung infolge Hirnschädigung) verhindert rechtzeitige Diagnose einer zum Tode führenden Krankheit (hier: Boeck'sche Granulomatose)

 

Leitsatz (amtlich)

Der Tod ist auch dann durch den Arbeitsunfall verursacht, wenn die zum Tode führende unfallunabhängige Erkrankung wegen der Unfallfolgen nicht oder verspätet erkannt worden und der Tod dadurch 1 Jahr früher eingetreten ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist ein Verletzter wegen einer unfallbedingten Wesensänderung hilfloser im Ausdruck und gleichgültiger gegenüber sich selbst geworden, so kann nach allgemeiner Erfahrung als sicher angesehen werden, daß der Verletzte zunehmend die Fähigkeit verloren hat, durch eine angemessene Selbstbeobachtung und präzise Beschreibung seiner Beschwerden zu ihrer richtigen Diagnostizierung beizutragen.

2. Der Tod ist somit auch dann durch Arbeitsunfall verursacht, wenn eine zum Tode führende Boeck'sche Granulomatose (Befall von Lunge, Herzmuskel und Leber) wegen einer unfallbedingten Hirnkontusion mit der Folge von Hirnleistungsschwäche und Wesensänderungen nicht oder verspätet erkannt worden und der Tod dadurch ein Jahr früher eingetreten ist.

 

Normenkette

RVO § 589 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. Februar 1975 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat den Klägern auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Kläger sind die Ehefrau und die Kinder des am 13. Juli 1930 geborenen und am 19. Dezember 1969 verstorbenen Bauhilfsarbeiters und Eisenbiegers Eugen G. Dieser war am 2. Oktober 1959 aus mehreren Meter Höhe von einem Baugerüst gestürzt und hatte sich dadurch einen Schädelbruch sowie eine Hirnkontusion, eine traumatische Mittelohrentzündung, eine Kompressionsfraktur des 4. Halswirbelkörpers, Rippenserienbrüche und eine Ellenbogenluxationsfraktur zugezogen. Infolge der Hirnkontusion hatte sich eine Hirnleistungsschwäche und eine Wesensänderung entwickelt. Außerdem war im Laufe der Zeit eine erhebliche Gewichtszunahme eingetreten. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) stellte die Beklagte zunächst mit 60 v.H. fest.

Im Juli 1964 berichtete der behandelnde Neurologe, der Ehemann der Klägerin zu 1) klage über regelmäßig auftretende petit-mal-Anfälle und über sehr starke Gewichtszunahme. Die Beklagte veranlaßte daraufhin Untersuchungen durch einen Neurologen, der im August 1964 und 1965 einen unveränderten Befund feststellte, jedoch zu einer stationären Beobachtung riet.

Im Februar 1966 stellte der Hausarzt eine zunehmende Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Ehemannes der Klägerin zu 1) fest. Der Ehemann der Klägerin zu 1) befand sich daraufhin vom 6. Juni bis zum 15. September 1966 in stationärer Kurbehandlung im Hirnverletztenheim in Bad H. In einem Gutachten vom Oktober 1966 führten die Ärzte des Hirnverletztenheims aus, es bestünde der Verdacht, daß die Anfälle und die Fettsucht auf einer schweren diencephalen Regulationsstörung beruhten. Allerdings wären insoweit zur Klärung noch internistische Untersuchungen notwendig gewesen, die man jedoch nicht mehr habe vornehmen können, weil sich der Ehemann der Klägerin zu 1) trotz wiederholten Zuredens der Ärzte und seiner Ehefrau nicht zu weiterer Beobachtung habe entschließen können, vielmehr wegen Heimwehs immer mehr auf Entlassung gedrängt habe. Aufgrund einer stationären Beobachtung in der Nervenklinik der Universität H kamen die Ärzte in ihrem Gutachten vom Januar 1967 zu der Beurteilung, es bestünden keine Anhaltspunkte für diencephale Regulationsstörungen; die Anfälle seien funktionell bedingt. Die Fettsucht sei teils konstitutionell, teils durch die seelischen Veränderungen infolge der Hirnschädigung hervorgerufen worden. Sie schätzten die MdE nunmehr auf insgesamt 70 v.H. Die Beklagte holte ferner ein Gutachten von dem Leiter der Abteilung für Endokrinologie der Medizinischen Universitäts-Poliklinik H ein. Auch er sah eine Stammhirnschädigung als Ursache der Gewichtszunahme als ausgeschlossen an und wertete die unfallbedingte Wesensänderung neben konstitutioneller Veranlagung als wesentliche Mitursache der Fettleibigkeit. Die Beklagte gewährte dem Ehemann der Klägerin zu 1) daraufhin wegen Verschlimmerung der Unfallfolgen mit Wirkung vom 6. Februar 1967 Verletztenrente nach einer MdE um 70 v.H.

Nach dem Tode des Ehemannes der Klägerin zu 1) im Dezember 1969 führte Frau Prof. Dr. S eine Sektion durch. In einem neuropathologischen Zusatzgutachten kam Prof. Dr. Gerd P (Direktor des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie, M) zu dem Ergebnis, es könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, daß die am Gehirn bestehenden Unfallfolgen keine direkte Todesursache gewesen seien.

Prof. Dr. S führte in ihrem Gutachten vom 2. November 1970 aus, die anatomische Untersuchung habe ergeben, daß sich beim Ehemann der Klägerin zu 1) in den letzten Jahren eine unfallunabhängige Boeck'sche Granulomatose entwickelt habe. Diese Krankheit habe vor allem die Lunge, den Herzmuskel und die Leber befallen. Der Ehemann der Klägerin zu 1) sei am Versagen des schwer veränderten Herzmuskels gestorben. Hätte sich diese Erkrankung bei einem Menschen ohne einen solchen vorangegangenen Unfall entwickelt, hätten die Symptome zu einer vollständigen inneren Untersuchung geführt, um nach der Ursache dieses Erscheinungsbildes zu suchen.

Mit Bescheid vom 25. November 1970 gewährte die Beklagte der Klägerin zu 1) eine einmalige Witwenbeihilfe und lehnte die Bewilligung von Rente mit der Begründung ab, der Tod des Ehemannes der Klägerin zu 1) sei keine Folge des Arbeitsunfalls.

Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 25. Juni 1971 die Beklagte zur Zahlung von Witwen- und Waisenrente, Sterbegeld und Überbrückungshilfe verurteilt. Das SG hat den Unfall des Ehemannes der Klägerin zu 1) neben der Boeck'schen Erkrankung als eine gleichwertige Ursache seines Todes angesehen, da ohne den Unfall die behandelnden Ärzte sich veranlaßt gesehen hätten, nach einer anderen Ursache für die Beschwerden und Ausfallerscheinungen zu forschen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 13. Februar 1975 zurückgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt: Die Sachverständigen stimmten darin überein, daß der Ehemann der Klägerin zu 1) an einem Versagen des schwer veränderten Herzmuskels gestorben sei und die krankhaften Veränderungen des Herzmuskels mit Wahrscheinlichkeit durch die Boeck'sche Granulomatose verursacht worden seien. Die Sachverständigen seien auch darüber einig, daß die B'sche Granulomatose keine Folge der durch den Unfall verursachten krankhaften Veränderungen gewesen sei. Das LSG habe in Übereinstimmung mit Prof. Dr. B und Prof. Dr. S jedoch die Überzeugung gewonnen, ohne die Unfallfolgen wäre die Boeck'sche Granulomatose bei Lebzeiten des Ehemannes der Klägerin zu 1) entdeckt und behandelt worden. Das LSG stimme mit Prof. Dr. B und Prof. Dr. V/Dr. B überein, daß mit Rücksicht auf den in der Praxis so unterschiedlichen Verlauf der B'sche Granulomatose nicht mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne, daß der Ehemann der Klägerin zu 1) geheilt worden wäre. Abzuwägen bleibe aber, ob mit Prof. Dr. B als wahrscheinlich anzusehen sei, daß bei Erkennen der Granulomatose durch eine entsprechende Behandlung der Eintritt des Todes um mindestens ein Jahr hätte verzögert werden können. Der Senat folge insoweit dem Sachverständigen Prof. Dr. B und bejahe die Wahrscheinlichkeit, daß ohne den Unfall durch eine entsprechende Therapie der Eintritt des Todes um wenigstens ein Jahr hätte hinausgeschoben werden können.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt. Sie rügt, das LSG sei unter Verstoß gegen § 128 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) der Auffassung der Sachverständigen Prof. Dr. V und Dr. B nicht gefolgt, die Boeck'sche Granulomatose wäre beim Ehemann der Klägerin zu 1) auch ohne Unfallfolgen nicht entdeckt worden. Das LSG habe zu Unrecht den Bedenken die Erwägung entgegengehalten, daß solch ein junger Mann wie der Versicherte und seine Angehörigen eine ärztliche Untersuchung verlangt hätten, wenn er plötzlich von Fieber und im Laufe der Zeit wegen der zunehmenden Veränderungen an Herz und Lunge von sich steigernden Atembeschwerden befallen worden wäre; in diesem Fall hätte auch eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Entdecken der Ursache bestanden. Diese Schlußfolgerung sei jedoch nicht zwingend, sie erscheine vielmehr geradezu als ein Verstoß gegen § 128 Abs. 1 SGG. Das LSG habe außerdem gegen den klaren Akteninhalt verstoßen. Es habe Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten mit dem Bewiesensein seiner Annahme verwechselt, der Tod des Ehemannes der Klägerin zu 1) sei durch die Unfallfolgen mindestens ein Jahr früher eingetreten. Prof. Dr. B habe die Feststellung von Prof. Dr. S von der Wahrscheinlichkeit der Heilbarkeit der Krankheit widerlegt. Es bestehe nach der Auffassung von Prof. Dr. B dafür, daß der Verstorbene bei rechtzeitigem Erkennen der Erkrankung hätte geheilt werden können, keinerlei Sicherheit. Hinsichtlich des um ein Jahr früheren Eintritt des Todes durch den Unfall habe Prof. Dr. B nur eine denkbare, aber nicht wahrscheinliche Möglichkeit aufgezeigt.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil und das Urteil des SG vom 25. Juni 1971 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die zulässige Revision ist nicht begründet.

Hinterbliebenenrente, Sterbegeld und Überbrückungshilfe sind bei Tod durch Arbeitsunfall zu gewähren (s. § 589 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 RVO). Das LSG hat zutreffend entschieden, daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall des Ehemannes der Klägerin zu 1) und dessen Tod besteht.

Der Ehemann der Klägerin zu 1) ist, wie den tatsächlichen Feststellungen des LSG zu entnehmen ist, allerdings nicht an einer Krankheit gestorben, die Folge des Arbeitsunfalls war. Der Arbeitsunfall braucht jedoch nicht die alleinige Ursache des Todes gewesen zu sein. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen ihm und dem Tod besteht nach der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätsnorm auch, wenn der Arbeitsunfall in kausaler Konkurrenz mit einer unfallunabhängigen Krankheit den Tod herbeigeführt hat, sofern das Unfallereignis eine wesentliche Bedingung des Todes war. Es ist dabei u.a. rechtlich unerheblich, ob die kausale Konkurrenz darin besteht, daß zwei selbständige Leiden - ein unfallbedingtes und ein unfallunabhängiges - gemeinsam jedes auf seine Weise oder gemeinsam durch Schwächung des Körpers den Tod bedingt haben, oder ob die Unfallfolge ein bestehendes unfallunabhängiges Leiden verschlimmert und dadurch den Tod mitbewirkt hat (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. bis 8. Aufl., S. 488 q; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., § 548 Anm. 28; Dorin, Kompass 1965, 186, 188). Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG haben die Unfallfolgen den Tod des Ehemannes der Klägerin zu 1) nicht auf diese Weise gemeinsam mit dem unfallunabhängigen Leiden herbeigeführt. Die Unfallfolgen haben nicht neben der B Granulomatose den Gesundheitszustand des Ehemannes der Klägerin zu 1) beeinträchtigt und dadurch den Tod mit herbeigeführt. Sie haben auch nicht die B Granulomatose verschlimmert.

Dennoch hat das LSG mit Recht einen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Tod des Ehemannes der Klägerin zu 1) angenommen. Eine Unfallfolge hat den Tod des Verletzten auch mitverursacht, wenn sie durch ihre Auswirkungen zwar nicht ein unfallunabhängiges Leiden verschlimmert hat, wegen ihr aber eine Behandlung der unfallunabhängigen Erkrankung überhaupt nicht oder eine an sich erfolgversprechende Behandlung erst zu spät durchgeführt werden kann (s. zur KOV Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen, Ausgabe 1973, S. 14, 16). Gleiches muß gelten, wenn die Unfallfolge die rechtzeitige Diagnose einer unfallunabhängigen Krankheit verhindert und dadurch den Tod mitverursacht hat (ebenso zur KOV: Bayer. LSG Bayer. Amtsbl. 1963 S. B 73, 75). Das LSG hat unter Berücksichtigung der gesamten Auswirkungen der Unfallfolgen festgestellt, daß ohne die Folgen des Arbeitsunfalls die Boeck'sche Granulomatose wahrscheinlich noch bei Lebzeiten des Ehemannes der Klägerin zu 1) entdeckt worden wäre. Es hat seine Feststellung u.a. auch darauf gestützt. daß der Ehemann der Klägerin zu 1) vor dem Unfall ein quicklebendiger munterer junger Mann gewesen ist. Werde solch ein junger Mann plötzlich von Fieber und im Laufe der Zeit wegen der zunehmenden Veränderungen an Herz und Lunge von sich steigernden Atembeschwerden befallen, so hätten er und seine Angehörigen mit Sicherheit wegen dieser Symptome eine ärztliche Untersuchung veranlaßt. Man hätte ärztlicherseits angesichts der in jungen Jahren so unerwarteten Veränderungen mit Nachdruck nach der Ursache geforscht. Es hätte dann auch eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Entdecken der Ursache bestanden. Bei dem Ehemann der Klägerin zu 1) seien dagegen schon Symptome so beschaffen gewesen, daß sie zwanglos durch die Unfallfolgen, insbesondere durch die unfallbedingte Wesensänderung und die darauf beruhende Antriebsverarmung und Schwerfälligkeit zu erklären gewesen seien. Bedenke man schließlich noch, daß der Ehemann der Klägerin zu 1) wegen der unfallbedingten Wesensänderung auch hilfloser im Ausdruck und gleichgültiger gegen sich selbst geworden sei, so müsse nach allgemeiner Erfahrung als bewiesen angesehen werden, daß der Ehemann der Klägerin zu 1) zunehmend die Fähigkeit verloren habe, durch eine angemessene Selbstbeobachtung und präzise Beschreibung seiner Beschwerden zur richtigen Diagnostizierung seines Leidens beizutragen. Die Revision meint, diese Schlußfolgerungen seien nicht zwingend, sie erschienen ihr vielmehr geradezu als ein Verstoß gegen § 128 Abs. 1 SGG. Dieses Vorbringen enthält jedoch keine formgerechte Verfahrensrüge, weil aus ihr schon nicht zu erkennen ist, weshalb die Schlußfolgerung nicht zwingend und vor allem worin der Verstoß gegen § 128 Abs. 1 SGG zu erblicken ist. Es ist darüber hinaus darauf hinzuweisen, daß das Berufungsgericht seine Feststellungen nicht nur auf diese Umstände, sondern auch auf die Gutachten von Prof. Dr. B und Prof. Dr. S gestützt hat. Die Revision meint ebenfalls zu Unrecht, das LSG sei entgegen der Auffassung von Prof. Dr. B davon ausgegangen, die Boeck'sche Granulomatose wäre bei rechtzeitigem Erkennen heilbar gewesen. Das LSG hat sich insoweit jedoch nicht dem Gutachten von Prof. Dr. S angeschlossen. Es hat, wie die Ausführungen auf Seite 10 des Urteils eindeutig ergeben, nicht angenommen, der Ehemann der Klägerin zu 1) wäre bei rechtzeitiger Diagnose der Boeck'schen Granulomatose wahrscheinlich geheilt worden. Das LSG hat nicht festgestellt, daß die unfallunabhängige Krankheit des Ehemannes der Klägerin zu 1) erst durch die verspätete Diagnose einen tödlichen Verlauf genommen hat. Dadurch ist aber der Kausalzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und dem Tod des Ehemannes der Klägerin zu 1) nicht ausgeschlossen. Leidet ein Unfallgeschädigter an einer vom Arbeitsunfall unabhängigen Krankheit, bei deren Art und Verlauf mit seinem zeitlich bestimmbaren Ableben zu rechnen ist, so bildet der Unfall eine wesentliche Bedingung und damit Ursache für den Tod des Verletzten, wenn die Unfallfolgen den Tod um mindestens etwa ein Jahr beschleunigt haben (s. BSG 12, 247, 253; 25, 49, 50; Brackmann aaO S. 488 q I; Lauterbach aaO § 589 Anm. 2 Buchst. f mit weiteren Nachweisen; Watermann, Ordnungsfunktionen von Kausalität und Finalität in Recht, 1968, S. 112). Daraus folgt für die hier maßgebende Fallgestaltung, daß ein Kausalzusammenhang zwischen den Unfallfolgen und dem Tod des Verletzten besteht, wenn die unfallunabhängige Krankheit zwar auch bei rechtzeitiger Diagnose zum Tod geführt hätte, aber der Tod durch die unfallbedingte verspätete Feststellung der unfallunabhängigen Krankheit ein Jahr früher eingetreten ist. Dies hat das LSG, gestützt auf das Gutachten von Prof. Dr. B, bejaht und dabei ausreichend dargelegt, weshalb es sich der gegenteiligen Auffassung von Prof. Dr. V/Dr. B nicht angeschlossen hat. An diese tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gebunden, da hiergegen die Revision keine begründete Revisionsrüge erhoben hat (vgl. BSG 15, 85, 88). Die Revision trägt insoweit lediglich vor, das LSG habe Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten mit dem Bewiesensein seiner Annahme verwechselt. Eine formgerechte Rüge eines wesentlichen Verfahrensmangels ist dies nicht. Die in der Revisionsbegründung unmittelbar danach folgenden Ausführungen beruhen auf dem Irrtum, daß das LSG davon ausgegangen sei, die Boeck'sche Granulomatose wäre wahrscheinlich heilbar gewesen, wenn sie rechtzeitig erkannt worden wäre. Das LSG ist jedoch, wie bereits in anderem Zusammenhang dargelegt, nicht dieser Auffassung. Die Revision zeigt im übrigen lediglich auf, daß sie ein anderes Beweisergebnis für zutreffend erachtet. Die weiteren Ausführungen der Revision zur Beweislast sind unerheblich, weil das LSG aufgrund der tatsächlichen Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt ist, ein Kausalzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und dem Tod des Ehemannes der Klägerin zu 1) sei gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 273

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