Entscheidungsstichwort (Thema)

Tod des Versicherten. Lebenszeitverkürzung

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Maßstab der Lebenszeitverkürzung um ein Jahr setzt voraus, dass der Zeitpunkt des Todes allein auf Grund der vorhandenen unfallunabhängigen Krankheit mit Wahrscheinlichkeit absehbar war. Der Maßstab kommt dann zur Anwendung, wenn die rechtlich wesentliche Kausalität der Unfallfolgen nicht bereits aus anderen Gründen feststeht oder abzulehnen ist.

 

Normenkette

SGB VII § 63 Abs. 1

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22.11.2005 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Tod des Versicherten auf Grund der Folgen des Unfalls vom 18.05.1962 eingetreten ist.

Der 1924 geborene Versicherte, Testfahrer bei der Firma A., erlitt am 18.05.1962 einen Arbeitsunfall, als er sich im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit beim Einfahren eines Pkw überschlug. Diagnostiziert wurden eine Gehirnerschütterung, eine mehrfache Prellung der Lendenmuskulatur, ein Verdacht auf Knochenabriss am vierten Lendenwirbelkörper (LWK) und eine Kontusion des Rückenmarkes.

Die Beklagte stellte als Unfallfolgen ein inkomplettes Querschnittssyndrom mit einer Erschlaffung bzw. teilweisen Lähmung beider Beine und Gefühlstörungen von der Gürtellinie abwärts, Störungen der Blasen- und Sexualfunktion, geringe Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule, Geh- und Stehbehinderung sowie glaubhafte Beschwerden fest und bewilligte zunächst eine Dauerrente nach einer MdE von 40 (Bescheid vom 27.01.1964, Bescheid vom 22.11.1962 prüfen). Nicht als Unfallfolge wurde unter anderem ein Bluthochdruck anerkannt. Ab 14.01.1963 erhöhte sie die MdE auf 50 auf Grund der Schwere der Schädigungen auf chirurgischem Fachgebiet. Nach hinzugetretenen unfallbedingten neurogenen Blasenentleerungsstörungen und Harnwegsinfekten erhöhte die Beklagte die MdE ab 02.10.1978 auf 60 v.H. und ab 09.10.1981 als Folge der fortschreitenden Gehbehinderung auf 80 v.H., da dem Versicherten die Fortbewegung nur noch mit Hilfe eines Rollstuhles möglich war. Ab dem 12.08.1987 erhöhte die Beklagte die MdE auf 100 auf Grund weiter zugenommener Geh- und Sitzbehinderung, Veränderungen im Bereich des vierten LWK und eines erhöhten Blasenauslasswiderstandes.

Am 09.03.2000 verstarb der Versicherte im Klinikum I. . Er wurde dort am 08.03.2000 stationär aufgenommen, nachdem die Urinproduktion bei bekannter chronischer Herz- und Niereninsuffizienz kontinuierlich nachgelassen hatte.

Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte ein Vorerkrankungsverzeichnis der A. Betriebskrankenkasse I., Befundberichte des Dr. S., Arzt für Allgemeinmedizin, vom 12.06.2000, des Dr. M., Facharzt für Urologie, vom 07.06.2000, und des Dr. H., Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, vom 13.06.2000 mit Fremdbefunden hinsichtlich der bestehenden koronaren Drei-Gefäßerkrankung mit Zustand nach Bypass-Operation am 29.06.1994 und der Einsetzung eines Einkammer-Herzschrittmachers am 31.07.1995 und dessen Ersetzung am 20.06.1997 durch einen Zweikammer-Herzschrittmacher sowie die Unterlagen des Klinikums I. hinsichtlich der stationären Aufenthalte des Klägers vom 14.11.1997 bis 27.11.1997 und vom 13.12.1999 bis 31.12.1999 (globale kardiale Dekompensation) bei und holte ein Gutachten des Prof. Dr. B., Pathologe, vom 05.12.2001 ein.

Prof. Dr. B. stellte nach Obduktion fest, der Versicherte sei an einer akuten koronariellen Insuffizienz mit akuten Herzrhythmusstörungen verstorben. Der langjährig bekannte Bluthochdruck hätte zu einer ausgeprägten sklerotischen Einengung besonders der Herzkranzarterien mit Minderdurchblutung und Sauerstoffmangel des Herzmuskels und zu einer Narbenbildung geführt. Eine Verbesserung der Durchblutung des Herzmuskels sei zunächst durch operative Gefäßumgehungen (Bypässe) wieder hergestellt worden, die aber dann zum großen Teil ebenfalls wieder durch sklerotische Veränderungen hochgradig eingeengt gewesen seien. Die Veränderungen des Herzens im Rahmen des Bluthochdrucks und der Koronarsklerose hätten zu so schwerwiegenden Rhythmusstörungen des Herzens geführt, dass ein elektrischer Impulsgeber (Herzschrittmacher) eingesetzt hätte werden müssen. Letztendlich habe das Missverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und Sauerstoffangebot im Herzmuskel (koronarielle Insuffizienz) zum Tode geführt. Der Versicherte sei an den Folgen des Bluthochdrucks und der ausgeprägten arteriosklerotischen Veränderungen der Herzkranzarterien verstorben. Der Bluthochdruck und die dadurch entstandenen Organveränderungen seien nicht als Folge des Unfalls zu werten. Die durch den Arbeitsunfall bedingte Querschnittslähmung könne nicht als Ursache für die Entstehung der allgemeinen Arteriosklerose angesehen werden, auch die Bedeutung einer wesentlichen Teilursache komme ihr nicht zu. Der Tod sei durch den Unfall und seine Folgen nicht wesentlich früher eingetreten, als es auf Grund des bestehenden, unf...

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