Leitsatz (amtlich)

Macht eine Krankenkasse den nach RVO § 183 Abs 3 S 2 auf sie übergegangenen Rentenanspruch des Versicherten gegen den Träger der Rentenversicherung geltend, so handelt es sich um eine Streitigkeit in Angelegenheiten der Rentenversicherung; SGG § 146 ist daher anzuwenden.

 

Normenkette

SGG § 146 Fassung: 1953-09-03; RVO § 183 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1961-07-12

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13.Januar 1967 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 6. April 1965 als unzulässig verworfen wird.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der am 20. Januar 1965 verstorbene Dreher H Sch wurde am 15. Juli 1963 arbeitsunfähig und bezog von der Klägerin (Innungskrankenkasse) vom 16. Juli 1963 bis zum 19. Juli 1964 Krankengeld, zeitweilig auch Hausgeld. Auf seinen Antrag vom 9. September 1963 bewilligte ihm die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) mit Bescheid vom 31. März 1964 rückwirkend ab 1. Juli 1963 Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Gegen den Rentenbescheid hat der Versicherte Klage erhoben und Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Juli 1963 verlangt. Daraufhin hat die Beklagte den angefochtenen Bescheid durch einen neuen Bescheid vom 6. Juli 1964 ersetzt, mit dem sie dem Versicherten rückwirkend ab 1. Juli 1963 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährte. Am 24. August 1964 überwies die Beklagte der Klägerin von der einbehaltenen Nachzahlung (1.698,20 DM) 1.309,80 DM, d.h. den Unterschiedsbetrag zwischen Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrente, und überwies die restlichen 388,40 DM dem Versicherten. Die Klägerin verlangte aber von der Beklagten die volle Befriedigung ihres Anspruchs, was die Beklagte jedoch ablehnte.

Die Klägerin hat daraufhin Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte zur "Erstattung" von 1.787,40 DM zu verurteilen. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und in der Rechtsmittelbelehrung ausgeführt, die Berufung sei zulässig. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Das Rechtsmittel sei nicht nach § 146 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgeschlossen, auch wenn es sich bei dem übergegangenen Anspruch um Rente für einen bereits abgelaufenen Zeitraum gehandelt habe. Durch diesen Forderungsübergang werde zwar die Rechtsnatur des Anspruchs nicht geändert, jedoch müsse § 146 SGG auf solche Streitigkeiten beschränkt werden, die unmittelbar das Versicherungsverhältnis zwischen Versicherten und Rentenversicherungsträger berührten. Wenn aber der Anspruch auf Rente auf die Krankenkasse übergegangen sei, so müsse er unabhängig von seiner materiellen Rechtsnatur nach dem System der Berufungsausschlußgründe prozessual zu den Ersatzstreitigkeiten im Sinne von § 149 SGG gerechnet werden. Da der Beschwerdewert 500,- DM übersteige und der erhobene Anspruch mehr als 13 Wochen betreffe (§ 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG), sei die Berufung zulässig.

Den Anspruch der Klägerin hat es für unbegründet erachtet und die Revision zugelassen.

Ihre Revisionsrügen betreffen die sachlich-rechtliche Auffassung des LSG.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG Baden Württemberg vom 13. Januar 1967 und das Urteil des SG Mannheim vom 6. April 1965 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, 1.787,40 DM an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II

Die Revision mußte zurückgewiesen werden.

Bei einer zugelassenen Revision hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung zulässig war (BSG 2,225, 226 ff). Das war nicht der Fall, weil sie nach § 146 SGG ausgeschlossen war. Das Urteil des SG vom 6. April 1965 betraf einen Rentenanspruch für einen abgelaufenen Zeitraum, nämlich vom 1. Juli 1963 bis zum 19. Juli 1964. Diese Vorschrift ist auch dann anwendbar, wenn wie hier die Krankenkasse einen nach § 183 Abs. 3 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) auf sie übergegangenen Anspruch gegen den Träger der Rentenversicherung geltend macht, nicht aber § 149 SGG. Der Senat hat in seinem Urteil vom 18. Dezember 1963 - 3 RK 29/63 - (in den Entscheidungen des Bundessozialgerichts - BSG - 20, 135, insoweit nicht veröffentlicht) zur Frage der Zulässigkeit der Sprungrevision in derartigen Streitigkeiten ausgeführt, daß Gegenstand des Rechtsstreits die Rentenansprüche des Versicherten seien, welche die Allgemeine Ortskrankenkasse unter dem Gesichtspunkt des gesetzlichen Forderungsübergangs gegenüber der beklagten LVA geltend mache. Es handele sich dabei um Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen für Zeiträume bis zu 13 Wochen (drei Monate), bei denen die Berufung nach § 144 Abs. 1 SGG ausgeschlossen wäre, wenn nicht das SG die Berufung im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 150 Nr. 1 SGG zugelassen hätte; es beständen daher gegen die Zulässigkeit der von der Allgemeinen Ortskrankenkasse eingelegten Sprungrevision keine Bedenken (§ 161 SGG; BSG 1,69).

Des weiteren hat der 4. Senat in seinem Urteil vom 27. April 1967 - 4 RJ 295/66 - unter Aufgabe seiner entgegenstehenden Rechtsprechung in BSG 13, 94 ausgesprochen, daß die Berufung nach § 146 SGG ausgeschlossen sei, wenn der Träger der Kriegsopferversorgung gegen den Träger der Rentenversicherung einen nach § 71a des Bundesversorgungsgesetzes aF auf sich übergeleiteten Rentenanspruch für einen abgelaufenen Zeitraum geltend mache. Begründet hat der Senat seine Ansicht damit, daß mit dem Übergang des Rentenrechts der Kläger in die Gläubigerstellung eingerückt sei, die vorher die Rentenberechtigte innehatte. Zu dieser Gläubigerstellung gehörten - zumindest regelmäßig - auch die besonderen mit dem materiellen Recht verbundenen prozessualen Möglichkeiten und Befugnisse (vgl. §§ 401, 404, 412 BGB, § 835 der Zivilprozeßordnung). Das gelte ebenfalls für die Beschränkung des Rechtsmittels gemäß § 146 SGG. Eine abweichende Beurteilung wäre nur angebracht und geboten, wenn die Wirkung des § 146 SGG an die Person des ursprünglichen Gläubigers des Rentenanspruchs, nämlich des Versicherten oder eines Hinterbliebenen, geknüpft wäre; das sei aber nicht der Fall.

Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Auch bei § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO handelt es sich um einen Rentenanspruch, der kraft Gesetzes auf die Krankenkasse übergegangen ist, nicht aber um einen Erstattungsanspruch zwischen Versicherungsträgern. Durch diesen Übergang ändert sich nicht die Natur des übergegangenen Anspruchs; vielmehr tritt der neue Berechtigte in vollem Umfange in die Rechtsstellung des bisherigen Berechtigten ein. Dies gilt auch für die Anwendung der Berufungsausschließungsgründe. Im übrigen ist auch kein innerer Grund dafür ersichtlich, die prozessuale Rechtsstellung der Beteiligten verschieden zu gestalten, je nachdem, ob der Versicherte oder die Krankenkasse den Rentenanspruch geltend macht. § 146 SGG ist daher anzuwenden.

Das Urteil des SG vom 6. April 1965 betraf einen Rentenanspruch für einen abgelaufenen Zeitraum. Die Berufung war deshalb nach § 146 SGG ausgeschlossen.

Die Berufung ist auch nicht nach § 150 Nr. 2 SGG statthaft. Denn die - falsche - Rechtsmittelbelehrung des SG, die Berufung sei zulässig, stellt keine Zulassung der Berufung dar (BSG 2, 121).

Die Revision der Klägerin muß daher mit der Maßgabe zurückgewiesen werden, daß die Berufung gegen das Urteil des SG als unzulässig verworfen wird.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2365082

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