Leitsatz (amtlich)

Die Berufung ist nach SGG § 146 ausgeschlossen, wenn der Kostenträger der Kriegsopferversorgung gegen einen Träger der Rentenversicherung einen nach BVG § 71a aF auf sich übergeleiteten Rentenanspruch für einen abgelaufenen Zeitraum geltend macht.

 

Normenkette

SGG § 146 Fassung: 1958-06-25; BVG § 71a Fassung: 1955-01-19

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 18. Mai 1966 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Witwe H hatte im Oktober 1959 von der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA) die Gewährung sowohl der Versichertenrente aus ihrer eigenen Versicherung als auch der Witwenrente aus der Rentenversicherung ihres verstorbenen Ehemannes beantragt. Außerdem hatte sie die Bewilligung der Witwenrente aus der Kriegsopferversorgung begehrt. Das Versorgungsamt zeigte der Beklagten zu dem Aktenzeichen des "Invalidenrentenantrags" an, daß nach § 71 a des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) aF der Rentenanspruch insoweit auf den Versorgungsträger übergegangen sei, als die Versorgungsbezüge im Hinblick auf die andere Leistung gemindert würden oder wegfielen. Die Beklagte beachtete diesen Forderungsübergang bei Zahlung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Witwenrente zahlte sie jedoch - einschließlich eines aufgelaufenen Nachzahlungsbetrages - voll aus. Dazu kam es, weil die Akte über die Hinterbliebenenrente keine Mitteilung von dem Forderungsübergang an die Versorgungsverwaltung enthielt.

Mit der Klage verlangt der Kläger (Versorgungsfiskus) die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 581,- DM. Das ist der Betrag, der, wie der Kläger meint, rechtmäßigerweise ihm zugestanden hätte und der nicht an die inzwischen verstorbene Witwe H hätte ausgehändigt werden dürfen.

Das Sozialgericht (SG) Hannover hat der Klage mit Urteil vom 29. Oktober 1965 stattgegeben. Es hat die Berufung nicht ausdrücklich zugelassen, sondern in der dem Urteil angefügten Rechtsmittelbelehrung ausgeführt, das Rechtsmittel sei zulässig. Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat durch Urteil vom 18. Mai 1966 die Berufung als unzulässig verworfen. Seines Erachtens betrifft das Rechtsmittel nicht eine Ersatz- oder Erstattungsstreitigkeit im Sinne des § 149 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), sondern die Rente für einen - mit dem Tode der Berechtigten - abgelaufenen Zeitraum und damit einen Streitgegenstand, für den nach § 146 SGG das Rechtsmittel ausgeschlossen sei. Als Ersatz- oder Erstattungsstreitigkeiten sieht das LSG die Fälle an, in denen ein Verwaltungsträger für einen anderen öffentlichen Leistungsträger oder an seiner Stelle mit oder ohne Auftrag tätig geworden ist und in denen die gesetzliche Lastenverteilung einen unmittelbaren Ausgleich zwischen den beteiligten Kostenträgern erheischt. Hier aber - so hat das LSG ausgeführt - erhebe die Versorgungsverwaltung keine Ersatzforderung, sondern den - in der Person der Rentenberechtigten entstandenen und kraft Gesetzes auf den Versorgungsfiskus übergegangenen - Rentenanspruch. Dieser Forderungsübergang diene zwar wirtschaftlich dazu, dem Kläger den Ersatz für die überzahlte Ausgleichsrente zu verschaffen. Damit ändere sich aber nichts an der Rechtsnatur des geltend gemachten Rentenanspruchs.

Die beklagte LVA hat die - von dem LSG zugelassene - Revision eingelegt und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Sie meint, das Klagebegehren finde in diesem Falle - nicht anders als bei anderen Ersatzstreitigkeiten - nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich seine Grundlage in dem Ausgleichsbestreben der Versorgungsverwaltung. Der Rentenanspruch sei nur das Zugriffsobjekt für den Versorgungsträger. Daraus lasse sich aber kein taugliches Kriterium für die rechtliche Qualifizierung des Streitgegenstandes herleiten. Hinzu komme, daß § 149 SGG im Verhältnis zu § 146 SGG anerkanntermaßen als Spezialnorm aufzufassen und deshalb vorrangig anzuwenden sei.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die Revision ist unbegründet.

Die Zulässigkeit der Berufung richtet sich nach § 146 SGG, wonach das Rechtsmittel ausgeschlossen ist, wenn der Rechtsstreit um Rente für eine abgelaufene Zeit geführt wird. Das trifft hier zu. Der Kläger nimmt die Witwenrente für diejenige begrenzte Bezugszeit in Anspruch, in der er zuviel an Versorgungsleistungen erbracht hat. Die Versorgungsleistungen waren in geringerer Höhe, als tatsächlich bewirkt, zu zahlen. Das stellte sich hinterher heraus, nachdem die Witwenrente aus der Rentenversicherung rückwirkend bewilligt worden war. Diese Leistung beeinflußte die Höhe der Versorgungsleistung. Aus diesem Grunde hat die Versorgungsverwaltung gemäß § 71 a BVG aF die Rentenforderung in entsprechendem Umfang auf sich übergeleitet. Mit dem Übergang des Rentenrechts ist der Kläger in die Gläubigerstellung eingerückt, die vorher die Rentenberechtigte innehatte. Zu dieser Gläubigerstellung gehören - zumindest regelmäßig - auch die besonderen mit dem materiellen Recht verbundenen prozessualen Möglichkeiten und Befugnisse (vgl. §§ 401, 404, 412 BGB, § 835 der Zivilprozeßordnung). Das gilt ebenfalls für die Beschränkung des Rechtsmittels gemäß § 146 SGG. Eine abweichende Beurteilung wäre nur angebracht und geboten, wenn die Wirkung des § 146 SGG an die Person des ursprünglichen Gläubigers des Rentenanspruchs, nämlich des Versicherten oder eines Hinterbliebenen, geknüpft wäre. Es ist indessen nicht zu erkennen, daß der Gesetzgeber für den Fall des Forderungsübergangs nach § 71 a BVG aF eine Abweichung von der Regel gewollt hätte.

Für diese Entscheidung ist es unerheblich, ob der mit der Klage verfolgte Anspruch den Begriffen des Ersatz- oder Erstattungsanspruchs unterzuordnen oder ihnen wesensverwandt ist. Selbst wenn diese Frage zu bejahen und deshalb § 149 SGG in Betracht zu ziehen wäre, so bliebe im vorliegenden Falle § 146 SGG zu beachten. § 149 SGG unterbindet die Berufung bei Ersatz- und Erstattungsstreitigkeiten zwischen Behörden sowie Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts, wenn der Beschwerdewert 500,- DM nicht übersteigt. Welche Rechtsfolge hingegen bei Überschreiten dieses Beschwerdewerts einzutreten hat, ist in § 149 SGG nicht beantwortet. Für diesen Bereich möglicher Sachverhalte hat es bei dem Grundsatz des § 143 SGG und bei seinen Ausnahmen gemäß den §§ 144 bis 148 SGG sein Bewenden. Das wird deutlich, wenn man § 149 SGG mit dem durch § 224 Abs. 3 Nr. 1 SGG aufgehobenen § 1778 RVO vergleicht. In jener früheren Vorschrift (Abs. 2) war die Zulässigkeit des Rechtsmittels für Ersatz- und Erstattungsansprüche, die im Fünften Buch der Reichsversicherungsordnung geordnet sind, ausdrücklich eröffnet. § 149 SGG trifft dagegen für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels in Ersatz- und Erstattungsstreitigkeiten eine Sonderregelung nur, soweit sich der Streit innerhalb der Grenze von 500,- DM hält.

Die in BSG 13, 94, 95 hinsichtlich eines nach § 290 Abs. 3 des Lastenausgleichsgesetzes übergegangenen Rentenanspruchs zum Ausdruck gekommene abweichende Ansicht des erkennenden Senats wird nicht aufrechterhalten.

Das LSG hat soweit zutreffend § 146 SGG angewendet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2373481

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