Leitsatz (redaktionell)

1. Zum Anspruch der KK nach RVO § 183 Abs 5 wenn der Rentenbescheid nicht mehr zugestellt werden konnte, weil der Antragsteller bereits verstorben war.

2. Stirbt der Rentenbewerber vor Erteilung des Rentenbescheides, so entbindet das den Rentenversicherungsträger nicht von seiner Verpflichtung, über den Rentenantrag zu entscheiden und der KK Kenntnis zu geben.

3. Das SG kann den Rentenversicherungsträger anstelle der Verurteilung zur Erteilung eines Bescheides zur Leistung an die KK verurteilen, wenn Beginn und Höhe der Rente bereits feststehen.

 

Normenkette

RVO § 183 Abs. 5 Fassung: 1961-07-12

 

Tenor

Die Sprungrevision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 17. Januar 1966 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Versicherte E K war seit Januar 1963 arbeitsunfähig erkrankt und erhielt von der klagenden Allgemeinen Ortskrankenkasse für die Zeit vom 29. Januar bis zum 13. Dezember 1963 Krankengeld. Am 14. August 1963 stellte sie bei der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA) Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Sie verstarb am 20. Dezember 1963. In Unkenntnis ihres Todes fertigte die Beklagte am 3. April 1964 einen Bescheid aus und bewilligte vom 1. August 1963 an Rente wegen Berufsunfähigkeit; den weitergehenden Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit lehnte sie ab. Der Bescheid vom 3. April 1964 konnte jedoch nicht zugestellt werden. Der Nachlaßverwalter ließ ihn wieder zurückgehen.

Die Klägerin hatte bereits mit Schreiben vom 3. September 1963 einen Erstattungsanspruch auf die Rentennachzahlung gemäß § 183 der Reichsversicherungsordnung (RVO) angemeldet; diesen bezifferte sie später auf 368,90 DM. Die Beklagte teilte jedoch der Klägerin mit, daß der Ersatzanspruch nicht befriedigt werden könne, weil der Rentenbewilligungsbescheid nicht habe zugestellt werden können und somit die Rente nicht bewilligt worden sei.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin begehrt, die Beklagte zu verurteilen, ihr aus der Nachzahlung für die Versicherte K im Bescheid vom 3. April 1964 zugebilligte Rente wegen Berufsunfähigkeit den Ersatzanspruch nach § 183 Abs.5 RVO in Höhe von 368,90 DM zu befriedigen. Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt: Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, daß nach dem Tode der Versicherten der Rentenantrag unerledigt sei und das Verfahren unbearbeitet bleiben müsse.

Sie habe vielmehr das Verfahren zum Abschluß zu bringen und sei dazu auch verpflichtet, wenn anspruchsberechtigte Personen (§ 1288 RVO) oder erbberechtigte Personen vorhanden seien oder wenn ein Ersatzanspruch geltend gemacht worden sei. Dieser Personenkreis habe einen Anspruch darauf, daß festgestellt werde, ob der Rentenanspruch zu Recht geltend gemacht worden sei oder nicht. Die Beklagte müsse auf alle Fälle einen Rentenbescheid erteilen. Das SG hat die Berufung zugelassen.

Die Beklagte hat gegen das Urteil mit Zustimmung der Klägerin Sprungrevision eingelegt.

Sie trägt vor: Ein Anspruch auf Rente werde gemäß § 1631 RVO nur durch einen rechtsmittelfähigen Bescheid festgestellt. Da der Versicherungsträger vor Erteilung des Bescheides nicht an die Rentenhöhe gebunden sei, könne vorher von ihrer Zubilligung keine Rede sein; auch könne der Rentenbeginn nur durch einen Bescheid festgelegt werden. Im Gegensatz zu den Sozialhilfeträgern, die die Feststellung eines Anspruchs aus der Sozialversicherung unabhängig vom Versicherten oder dessen Rechtsnachfolgern betreiben könnten, habe der Krankenversicherungsträger lediglich die Möglichkeit des § 183 Abs. 7 RVO, nämlich den Versicherten zu veranlassen, einen Rentenantrag zu stellen. Diese unterschiedliche Regelung sei auch berechtigt. Denn mit der gesetzlichen Ausgestaltung des Ersatzanspruches solle lediglich eine Doppelleistung vermieden werden. Komme es nicht zu einer Rentengewährung, gleichgültig ob aus tatsächlichen oder verfahrensrechtlichen Gründen, so bestehe kein Grund, die Leistungen der Krankenversicherung auf die Rentenversicherung abzuwälzen.

Auch aus § 1936 des Bürgerlichen Gesetzbuches lasse sich eine solche Verpflichtung des Versicherungsträgers nicht herleiten. Der Fiskus scheide als Erbe des Anspruchs aus der Rentenversicherung aus, dies ergebe sich insbesondere aus der Aufzählung der Bezugsberechtigten in § 1288 RVO.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Augsburg vom 17. Januar 1966 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Sprungrevision ist nicht begründet.

Wie der Senat in seinem Urteil vom 23. August 1967 - 3 RK 66/65 - näher dargelegt hat, ist die LVA verpflichtet, über den vom Versicherten vor seinem Tode gestellten Antrag zu entscheiden, selbst wenn keine Bezugsberechtigten nach § 1288 RVO vorhanden sind. Die klagende Krankenkasse hat durch die Zahlung von Krankengeld über den unter Umständen als Tag des Rentenbeginns infrage kommenden Zeitpunkt zumindestens eine Anwartschaft auf die Rentennachzahlung nach § 183 Abs. 3 und Abs. 5 RVO erworben. Sie kann daher von der LVA verlangen, daß diese über den Rentenantrag entscheidet, damit geklärt wird, ob ein Rentenanspruch besteht und dieser auf die Krankenkasse übergeht. Dies entspricht auch dem Grundgedanken der Vorschrift: Die Krankenkasse soll zum Ausgleich dafür, daß sie über den Rentenbeginn hinaus höhere Leistungen erbracht hat, als sie an sich verpflichtet ist, die Rente erhalten. Der Rentenversicherungsträger ist auf alle Fälle zur Leistung zur Entlastung der Krankenkasse verpflichtet, wenn ein Anspruch auf Rente gegeben ist; es darf dabei keinen Unterschied machen, daß der Versicherte inzwischen verstorben ist.

Im vorliegenden Falle hatte die beklagte LVA bereits einen Bescheid über die Bewilligung einer Berufsunfähigkeitsrente erlassen. Auch wenn dieser Bescheid nicht mehr zugestellt werden konnte, hat sie damit doch zum Ausdruck gebracht, daß ein Rentenanspruch gegeben ist, den sie auch der Höhe nach festgelegt hat. Es bestehen deshalb keine Bedenken, wenn die Klägerin hier diese Rentenbewilligung als richtig hinnimmt und auf Zahlung des ihr hiernach zustehenden Betrages klagt, statt wie in der Sache 3 RK 66/65 auf Erteilung eines Bescheides.

Da die Rente ab 1. August 1964 "zugebilligt" ist, die Klägerin aber seit dem 29. Januar 1963 Krankengeld gezahlt hat, sind die Voraussetzungen des Forderungsübergangs nach § 183 Abs. 5 RVO gegeben. Das SG hat daher die Beklagte zu Recht zur Zahlung des der Höhe nach nicht streitigen Betrags von 368,90 DM verurteilt.

Die Revision muß deshalb mit der Kostenfolge aus § 193 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324494

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge