Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 12.09.1995; Aktenzeichen L 14 Ar 6/95)

 

Tenor

Auf die Revisionen der Klägerin und der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 12. September 1995 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Die Revision betrifft die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 15. Dezember 1993 bis 24. Januar 1994 und die Rückforderung der für diesen Zeitraum erbrachten Leistungen iH von 1.670,00 DM.

Aufgrund ihrer Arbeitslosmeldung und Antragstellung am 13. Mai 1993 bezog die Klägerin von der Beklagten ab diesem Tage Alg. Wegen eines Auslandsaufenthaltes wurde die Zahlung zum 27. September 1993 beendet und nach erneuter Meldung der Klägerin am 15. Oktober 1993 von diesem Tag an Alg wiederbewilligt (Bescheid vom 22. Oktober 1993).

Im Wege eines Datenabgleichs erhielt die Beklagte im Januar 1994 davon Kenntnis, daß die Klägerin am 14. Dezember 1993 eine Beschäftigung als Raumpflegerin aufgenommen hatte. Im Arbeitsvertrag war eine unbefristete Beschäftigung mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden vereinbart worden. Nach dem ersten Arbeitstag war die Klägerin nicht mehr zur Arbeit erschienen und hatte ab 15. Dezember 1993 auch kein Arbeitsentgelt mehr erhalten. Die Arbeitgeberin hatte das Arbeitsverhältnis am 16. Dezember 1993 zum 18. dieses Monats gekündigt. Im Anhörungsverfahren erklärte die Klägerin, sie habe nur am 14. Dezember 1993 für vier Stunden gearbeitet und das Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt, weil sie von dem Entgelt nicht habe leben können.

Die Beklagte hob die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 14. Dezember 1993 bis 24. Januar 1994 mit der Begründung auf, die Klägerin sei mehr als kurzzeitig tätig gewesen und habe die Tätigkeit nicht angezeigt. Das in dieser Zeit gezahlte Alg forderte sie iH von 1.718,40 DM zurück (Bescheid vom 15. März 1994). Der Widerspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom April 1994, ohne Angabe des Tagesdatums). Ergänzend verwies die Beklagte darauf, daß die Klägerin sich nach Beendigung der Beschäftigung erst am 25. Januar 1994 erneut persönlich beim Arbeitsamt (ArbA) gemeldet habe.

Das Sozialgericht (SG) hat die Aufhebung der Bewilligung und die Rückforderung von Alg auf den 14. Dezember 1993 beschränkt und im übrigen den angefochtenen Bescheid aufgehoben (Urteil vom 15. November 1994). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und den angefochtenen Bescheid insoweit aufgehoben, als darin die Aufhebung der Bewilligung und die Rückforderung von Alg für die Zeit ab 19. Dezember 1993 verfügt worden ist. Im übrigen ist die Berufung zurückgewiesen und die weitergehende Klage abgewiesen worden (Urteil vom 12. September 1995). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, eine Aufhebung der Leistungsbewilligung habe wegen einer nachträglich eingetretenen wesentlichen Änderung nur für die Zeit vom 14. bis 18. Dezember 1993 erfolgen dürfen. Die Klägerin habe in diesem Zeitraum in einem mehr als kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Deshalb sei die Beklagte berechtigt gewesen, die Alg-Bewilligung ab 14. Dezember 1993 rückwirkend aufzuheben. Durch das „Merkblatt für Arbeitslose” sei die Klägerin ausdrücklich auf ihre Pflicht hingewiesen worden, die Aufnahme der Erwerbstätigkeit anzuzeigen. Entweder habe sie diese Anzeigepflicht in positiver Kenntnis verletzt oder sich zumindest grob fahrlässig verhalten, indem sie das Merkblatt nicht sorgfältig gelesen und sich nicht über ihre Pflichten beim Bezug von Sozialleistungen sachkundig gemacht habe. Ab 19. Dezember 1993 sei die Aufhebung dagegen nicht zulässig gewesen. Ab diesem Zeitpunkt habe keine Änderung in den wesentlichen Verhältnissen mehr vorgelegen. Die Klägerin sei ab diesem Zeitpunkt wieder arbeitslos und verfügbar gewesen. Auch habe sie die Anwartschaftszeit erfüllt. Die weiteren Anspruchsvoraussetzungen der Arbeitslosmeldung und der Antragstellung habe sie bereits bei ihren Vorsprachen am 13. Mai und 15. Oktober 1993 erfüllt. Die Wirkungen der früher erfolgten Arbeitslosmeldung im Sinne einer Tatsachenerklärung seien nicht entfallen. Insoweit hätte es entweder einer vorhergehenden Leistungsaufhebung oder einer entsprechenden Erklärung der Klägerin bedurft. Vorliegend sei die Funktion der Meldung, die Beklagte in die Lage zu versetzen, durch Vermittlungsbemühungen die Arbeitslosigkeit möglichst bald zu beenden, für den strittigen Zeitraum nicht beeinträchtigt worden.

Beide Beteiligten haben Revision eingelegt.

Mit ihrer Revision trägt die Klägerin vor, eine Aufhebung der Leistungsbewilligung habe auch für die Zeit vom 15. bis 18. Dezember 1993 nicht erfolgen dürfen. Es komme nicht auf den formalen Bestand des Arbeitsverhältnisses an. Entscheidend sei, daß sie am 14. Dezember 1993 lediglich einen Arbeitsversuch unternommen und ab 15. Dezember 1993 dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung gestanden habe, so daß ab diesem Zeitpunkt eine Änderung in der Situation gegenüber der Zeit vor dem 14. Dezember 1993 nicht mehr bestanden habe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG abzuändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG insgesamt (auch für die Zeit vom 15. bis 18. Dezember 1993) zurückzuweisen und im übrigen die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des LSG und des SG abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen, ferner die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie rügt eine Verletzung der §§ 100 und 105 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) iVm § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Sie trägt vor, die bei erstmaligem Eintritt der Arbeitslosigkeit vorgenommene Arbeitslosmeldung entfalte Wirksamkeit nur für diesen eingetretenen Versicherungsfall bis zu dessen Beendigung durch eine Beschäftigungsaufnahme. Bei jeder erneut eintretenden Arbeitslosigkeit habe die Arbeitslosmeldung erneut zu erfolgen, um wieder Alg beziehen zu können.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revisionen sind zulässig. Dies ist im Ergebnis auch für die Revision der Klägerin anzunehmen, obwohl ihre Revisions- und Revisionsbegründungsschrift weder einen ausdrücklichen Revisionsantrag enthalten noch die angeblich verletzte Rechtsnorm bezeichnen. Dem Erfordernis eines bestimmten Revisionsantrags (§ 164 Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) ist jedoch noch genügt, weil sich der Revisionsbegründung entnehmen läßt, daß die Klägerin Wiederherstellung des SG-Urteils begehrt (vgl zum Antragserfordernis: BSG SozR 1500 § 164 Nrn 8 und 10). Auch bezüglich der verletzten Rechtsnorm läßt sich der Revisionsbegründung hinreichend deutlich entnehmen, daß die Klägerin rügen will, das LSG habe die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Leistungsbewilligung zu Unrecht gemäß § 48 Abs 1 SGB X für die Zeit vom 15. bis 18. Dezember 1993 bejaht (vgl zur Bezeichnung der verletzten Norm: BSG SozR 1500 § 162 Nr 12 mwN).

Die Revisionen sind im Sinne der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 15. März 1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides von April 1994, soweit die Beklagte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 15. Dezember 1993 bis 24. Januar 1994 aufgehoben und das in dieser Zeit gezahlte Alg (1.718,40 DM abzüglich des auf den 14. Dezember 1993 fallenden Zahlbetrages von 48,40 DM = 1.670,00 DM) zurückgefordert hat. Der 14. Dezember 1993 ist dagegen nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. Dies folgt schon aus der eingeschränkten Antragstellung durch die Klägerin im Revisionsverfahren, mit der sie die bereits im Berufungsverfahren entstandene Rechtslage berücksichtigt hat. Der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung, der allerdings nicht dem einer Entscheidung über eine Anfechtungsklage entspricht, ist dahin auszulegen, daß das SG die Klage für den 14. Dezember 1993 abgewiesen hat. Da nur die Beklagte, nicht aber die Klägerin Berufung eingelegt hat, ist das Urteil des SG bezüglich dieses Tages rechtskräftig, der angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsbescheid insoweit also bestandskräftig geworden.

In der Sache ergeben die Entscheidungsgründe des LSG zwar eine Verletzung der §§ 100, 105 AFG, soweit das LSG für die Zeit vom 19. Dezember 1993 bis 24. Januar 1994 das Erfordernis einer erneuten Arbeitslosmeldung verneint und der Anfechtungsklage stattgegeben hat. Gleichwohl kann sich die Entscheidung für diesen Zeitraum aus anderen Gründen als richtig erweisen. Insoweit reichen jedoch die vom LSG getroffenen Feststellungen nicht für eine abschließende Bewertung der Frage aus, ob die subjektiven Aufhebungsvoraussetzungen vorgelegen haben. Dies gilt im Ergebnis auch für den Aufhebungs- und Erstattungszeitraum vom 15. bis 18. Dezember 1993, für den das LSG die Anfechtungsklage abgewiesen hat.

Die materiell-rechtliche Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Leistungsbewilligung beurteilt sich – jedenfalls nach den bisherigen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) – nach § 48 SGB X, ggf iVm § 152 Abs 3 AFG (idF des Art 1 Nr 50 des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms ≪1. SKWPG≫ vom 21. Dezember 1993 – BGBl I 2353). Nach § 48 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (Satz 1). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Satz 2 Nr 2). Die Bestimmung des § 152 Abs 3 AFG modifiziert § 48 SGB X wie folgt: Liegen die in § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vor, ist dieser mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben.

Die Wiederbewilligung von Alg ab 15. Oktober 1993 erfolgte durch einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl hierzu etwa BSG SozR 4100 § 138 Nr 25; BSGE 66, 134, 136 = SozR 3-4100 § 138 Nr 1). Die erforderliche wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die bei seinem Erlaß (Bescheid vom 22. Oktober 1993) vorgelegen haben, ist darin zu erblicken, daß die Voraussetzungen für die Gewährung von Alg ab 14. Dezember 1993 entfallen sind. Ab diesem Zeitpunkt stimmte die Leistungsbewilligung mit dem materiellen Recht nicht mehr überein (§ 100 Abs 1 AFG). Hiernach hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim ArbA arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Diese Anspruchsvoraussetzungen waren am 14. Dezember 1993 – jedenfalls teilweise – nicht mehr gegeben. Aufgrund ihrer Beschäftigungsaufnahme war die Klägerin jedenfalls an diesem Tag nicht mehr verfügbar (§ 103 AFG) und entgegen ihrer Auffassung insbesondere auch nicht mehr arbeitslos (§§ 101, 102 AFG).

Arbeitslos ist ua, wer nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübt (§ 101 Abs 1 Satz 1 AFG). Kurzzeitig ist eine Beschäftigung, die auf weniger als 18 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch Arbeitsvertrag beschränkt ist (§ 102 Abs 1 Satz 1 AFG). Entgegen der Auffassung der Klägerin beurteilt sich das Merkmal der Kurzzeitigkeit nicht nach ihrer tatsächlichen Inanspruchnahme, also hier nicht nach dem am 14. Dezember 1993 nur für vier Stunden erfolgten Arbeitseinsatz, sondern nach den vertraglichen Vereinbarungen und der bei vorausschauender Betrachtung zu erwartenden Inanspruchnahme (BSG SozR 3-4100 § 102 Nr 1). Nach den Feststellungen des LSG hat die Klägerin aufgrund des mit ihrem Arbeitgeber geschlossenen Arbeitsvertrages am 14. Dezember 1993 eine unbefristete Beschäftigung aufgenommen, deren wöchentliche Arbeitszeit sich auf 20 Stunden belief. Diese Feststellungen hat die Klägerin nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsgründen angegriffen, so daß sie den Senat binden (vgl § 163 SGG). Nach der vorzunehmenden vorausschauenden Betrachtung handelte es sich um eine mehr als kurzzeitige Beschäftigung, auch wenn die Klägerin sie bereits nach einem Tag wieder aufgab.

Ein für die Klägerin günstigeres Ergebnis läßt sich auch nicht aus ihrem Vorbringen herleiten, es habe sich lediglich um einen Arbeitsversuch gehandelt. Sollte die Klägerin insoweit die Rechtsfigur des sog mißglückten Arbeitsversuchs in die rechtliche Bewertung einbeziehen wollen, scheitert deren Anwendung bereits daran, daß die Beschäftigung nach eigenen Erklärungen der Klägerin im Anhörungsverfahren nicht aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig abgebrochen worden ist, sondern wegen des für sie unzureichenden Verdienstes. Darüber hinaus ist das Rechtsinstitut des mißglückten Arbeitsversuchs, das in der Krankenversicherung entwickelt und dort inzwischen nicht mehr unumstritten ist, nicht ohne weiteres auf das Leistungsrecht des AFG zu übertragen, schon weil dieses Recht wesentlich an den faktischen Verhältnissen ausgerichtet ist (vgl hierzu die Parallelentscheidung des Senats vom selben Tage – 7 RAr 14/96 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Maßgebend ist insoweit, daß die Klägerin am 14. Dezember 1993 eine Beschäftigung aufgenommen und ausgeübt hat, die nach ihrer vertraglichen Gestaltung und bei vorausschauender Betrachtung die Kurzzeitigkeitsgrenze überstieg. Damit war sie ab diesem Tag – zunächst – weder arbeitslos noch verfügbar. Darüber hinaus hat ihre (zuletzt zum 15. Oktober 1993 erfolgte) Arbeitslosmeldung (§ 105 AFG) mit der Beschäftigungsaufnahme ihre Wirksamkeit verloren. Dies ergibt sich aus dem Wesen der Arbeitslosmeldung.

Schon den Überschriften des Ersten und Zweiten Unterabschnitts des Vierten Abschnitts des AFG ist zu entnehmen, daß die Gewährung von Alg und Arbeitslosenhilfe (Alhi) der Absicherung des Risikos der Arbeitslosigkeit dient „Leistungen der Arbeitslosenversicherung”). Demgemäß bezieht sich die Arbeitslosmeldung, die materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung und Tatsachenerklärung zugleich ist (BSGE 60, 43, 45 = SozR 4100 § 105 Nr 2; BSG SozR 1300 § 28 Nr 7; Hennig/Kühl/Heuer/Henke, Komm zum AFG, Stand Juni 1996, § 100 Anm 5 und § 105 Rzn 6 ff), nicht allein auf die Vermittlungstätigkeit der Beklagten; sie dient zumindest auch der Anzeige des Eintritts des Leistungsfalles der Arbeitslosigkeit. Dies bedeutet einerseits, daß eine nicht der Wahrheit entsprechende Arbeitslosmeldung (Arbeitslosmeldung trotz bestehenden Beschäftigungsverhältnisses) als unwirksam anzusehen sein dürfte (BSG, Urteil vom 14. Dezember 1995 – 11 RAr 75/95 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, und Urteil vom 21. März 1996 – 11 RAr 93/95 –, unveröffentlicht, jeweils mwN). Dies führt andererseits dazu, daß sich die Arbeitslosmeldung (im Fall tatsächlich eintretender Arbeitslosigkeit) in ihrer Wirkung auf die Dauer der tatsächlich eingetretenen Arbeitslosigkeit beschränkt. Aus diesem Grund bedarf es im Anschluß an eine die Arbeitslosigkeit ausschließende Beschäftigung – entgegen der Ansicht des LSG – nicht einer sog Gegenerklärung „negativen Arbeitslosmeldung”), um eine frühere Arbeitslosmeldung hinfällig zu machen. Vielmehr ist in einem solchen Fall ein Leistungsanspruch erst (wieder) gegeben, wenn alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, darunter die Arbeitslosmeldung. Darauf hat der erkennende Senat für den Bereich der Alhi bereits in seiner Entscheidung vom 21. Juli 1977 – 7 RAr 132/75 – hingewiesen (BSGE 44, 164, 173 = SozR 4100 § 134 Nr 3). Ob in Fällen der vorliegenden Art – anders als im zitierten Fall – uneingeschränkt auch ein neuer Leistungsantrag zu fordern ist, läßt der Senat ausdrücklich offen; denn darauf kommt es nicht an, wenn schon die erforderliche Arbeitslosmeldung fehlt.

Demgemäß kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf § 151 Abs 2 AFG aF (= § 151 AFG in der ab 21. Mai 1996 geltenden Fassung; vgl Art 4 und 6 Abs 1 des Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 2. Mai 1996 – BGBl I 656) berufen. Danach darf die Leistung, wenn die Entscheidung über die Bewilligung einer laufenden Leistung ganz aufgehoben worden ist, von neuem nur gewährt werden, wenn sie erneut beantragt ist. Diese Regelung bezieht sich schon ihrem Wortlaut nach lediglich auf den Leistungsantrag; sie trifft keine Aussage zum Fortbestand einer Arbeitslosmeldung im Fall einer die Arbeitslosigkeit beendenden Beschäftigung. Deshalb steht auch das Urteil des erkennenden Senats vom 17. März 1981 – 7 RAr 20/80 – (DBlR Nr 2529 zu § 151 AFG) zur vorerwähnten Rechtsauffassung des Senats nicht in Widerspruch. Denn es betrifft einerseits den vorübergehenden Wegfall der Verfügbarkeit (nicht der Arbeitslosigkeit) und andererseits die Frage, inwieweit im Anschluß daran gemäß § 151 Abs 2 AFG aF ein neuer Leistungsantrag erforderlich ist, nicht aber die Erforderlichkeit erneuter Arbeitslosmeldung im Zusammenhang mit dem Eintritt eines neuen Leistungsfalles bzw erneuter Arbeitslosigkeit.

Die dargelegte Rechtssituation ist nicht so unbillig, wie die Klägerin anzunehmen scheint; denn sie gewährleistet, daß derjenige, der den ihm gesetzlich auferlegten Mitteilungspflichten nicht nachkommt, nicht anders als derjenige behandelt wird, der seinen Pflichtenkreis ordnungsgemäß wahrnimmt.

Zwischenzeitlich hat sich der 11. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) der Ansicht des erkennenden Senats sowohl für den Bereich des Alg (Urteil vom 14. Dezember 1995, aaO) als auch für den Bereich der Alhi (Urteil vom 21. März 1996, aaO) angeschlossen. Dies bestärkt den erkennenden Senat in der Überzeugung, an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten.

Vorliegend ist jedenfalls bis zum Ablauf des 24. Januar 1994 kein erneuter Leistungsfall eingetreten. Zwar ist die Klägerin noch im Dezember 1993 wieder arbeitslos geworden und war möglicherweise auch wieder verfügbar; es kann jedoch offenbleiben, ob Arbeitslosigkeit und Verfügbarkeit bereits am 15. Dezember 1993 oder – wegen des vom LSG angenommenen Fortbestandes des Beschäftigungsverhältnisses bis zum 18. Dezember 1993 – erst am 19. Dezember 1993 oder noch später wieder vorgelegen haben. Darauf kommt es nicht an; denn für einen neuen Leistungsanspruch fehlt es jedenfalls an einer erneuten Arbeitslosmeldung. Diese erfolgte nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG nicht vor dem 25. Januar 1994. Damit fehlte für den streitigen Zeitraum ab 15. Dezember 1993 jedenfalls eine wesentliche Voraussetzung für die Wiedergewährung von Alg.

Ist sonach in den tatsächlichen Verhältnissen, die im Zeitpunkt der Alg-Bewilligung vorgelegen haben, am 14. Dezember 1993 eine wesentliche Änderung eingetreten, die sich bis zum 24. Januar 1994 fortgesetzt hat, ist für die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Alg-Bewilligung entscheidungserheblich, ob am 14. Dezember 1993 in der Person der Klägerin die oben zu § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X genannten Voraussetzungen verwirklicht waren. Die Aufnahme der Zwischenbeschäftigung zum 14. Dezember 1993 ist eine wesentliche Änderung, die die Klägerin hätte anzeigen müssen (§ 60 Abs 1 Nr 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB I≫). Ob sie insoweit auch die subjektiven Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligung erfüllt hat, also ihre gesetzliche Mitteilungspflicht vorsätzlich oder jedenfalls grob fahrlässig verletzt hat, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Hierzu hat das LSG keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen getroffen. Allein der Hinweis, die Klägerin habe ihre Anzeigepflicht in positiver Kenntnis oder zumindest grob fahrlässig verletzt, indem sie das „Merkblatt für Arbeitslose” nicht sorgfältig gelesen und sich nicht über ihre Pflichten sachkundig gemacht habe, ist nicht ausreichend. Insoweit hat das LSG nicht den im Rahmen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X zu beachtenden subjektiven Sorgfaltsmaßstab angelegt (vgl hierzu etwa BSG, Urteile vom 25. April 1990 – 7 RAr 20/89 – und 14. September 1995 – 7 RAr 14/95 –, beide unveröffentlicht; Hauck/Haines, SGB X/1, 2, Stand August 1995, § 45 Rz 23, § 48 Rz 21). Das LSG wird nunmehr insbesondere festzustellen haben, ob die Klägerin fähig und in der Lage gewesen ist, die entsprechenden Informationen im Merkblatt zu verstehen und ihr Verhalten daran auszurichten.

Der Prüfung dieser Voraussetzung ist das LSG nicht etwa deshalb enthoben, weil der angefochtene Bescheid für den 14. Dezember 1993 bestandskräftig geworden ist. Denn die Bindungswirkung dieses Bescheides erstreckt sich nur auf seinen Verfügungssatz, nicht auf die ihn tragenden Gründe (BSGE 46, 236, 237 = SozR 1500 § 77 Nr 29 mwN; Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 77 Rz 5b). Sollte das LSG bei seiner neuen Entscheidung – wie im Urteil vom 12. September 1995 – zu dem Ergebnis gelangen, daß § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X verwirklicht und ein atypischer Fall (vgl dazu BSGE 59, 111, 114 ff = SozR 1300 § 48 Nr 19; BSG SozR 1300 § 48 Nr 22 und SozR 3-4100 § 103 Nr 9) nicht gegeben ist, kann offenbleiben, ob der angegriffene Bescheid seine Rechtfertigung in § 48 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB X allein oder in § 48 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB X iVm § 152 Abs 3 AFG findet. Der Senat hält es deshalb nicht für tunlich (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), zur Anwendbarkeit des § 152 Abs 3 AFG auf Fälle der vorliegenden Art schon jetzt eine abschließende Bewertung vorzunehmen. Sollten die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X zu verneinen sein, ist an eine Prüfung auch der Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X zu denken. Sollte das LSG andererseits zu einer Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils gelangen, könnte sich, um Mißverständnissen vorzubeugen, eine Neufassung des Tenors dieser Entscheidung anbieten.

Das LSG wird des weiteren darauf zu achten haben, ob für einen Teil des streitigen Aufhebungszeitraums nicht § 48 SGB X, sondern § 45 SGB X die einschlägige Rechtsgrundlage abgibt. Diese Frage könnte sich stellen, falls die Beklagte nach Eintritt der hier maßgeblichen Änderung (14. Dezember 1993) durch weitere Bescheide eine Neufeststellung der Leistungsbewilligung vorgenommen haben sollte. Zu einer solchen Prüfung besteht schon im Hinblick auf das Inkrafttreten der neuen Leistungsverordnung für das Jahr 1994 Anlaß. Darüber hinaus spricht viel dafür, daß zum 1. Januar 1994 eine Dynamisierung des Arbeitsentgelts mit einer entsprechenden Änderung der Leistungsbewilligung vorgenommen worden ist. Die insoweit fehlenden Feststellungen hat das LSG nachzuholen. Sollte es sich bei dem Änderungsbescheid um einen typischen Dynamisierungsbescheid handeln, fände allerdings weiterhin § 48 SGB X Anwendung. Denn dann wären durch die Beklagte nicht die Grundlagen der Anspruchsberechtigung überprüft und neu festgestellt worden; vielmehr wäre nur die Leistungshöhe den geänderten Verhältnissen angepaßt worden. In einem solchen Fall ist für die Frage der wesentlichen Änderung der Verhältnisse auf den Ausgangsbescheid, hier also auf den Wiederbewilligungsbescheid vom 22. Oktober 1993, zurückzugreifen (BSG SozR 1300 § 45 Nr 37; BSG DBlR Nr 3841a zu § 48 SGB X; vgl auch BSG, Urteil vom 9. Mai 1996 – 7 RAr 48/95 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, und Urteil vom 9. Mai 1996 – 7 RAr 42/95 –, unveröffentlicht). Das gleiche dürfte gelten, soweit ein Änderungsbescheid allein in Anwendung der neuen Leistungsverordnung ergangen ist.

Schließlich wird das LSG über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174468

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