Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitgegenstand. Einschränkung. Beschränkung. Unterhaltsgeld. Kurzarbeitergeld. Bezug. Vorbezug. Beitrittsgebiet. Dynamisierung. Anpassung. Dynamisierungsstichtag. Anpassungstag. Sonderregelung. Arbeitsentgelt. Bemessungsentgelt. Bemessungszeitraum. Lohnausfallprinzip. Lohnentwicklung. Verknüpfung. Gleichbehandlung. Gleichbehandlungsgebot

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Beschränkung des Streitgegenstandes bei sogenannten Dynamisierungsbescheiden (§ 112a AFG).

2. Hat der Teilnehmer an einer Bildungsmaßnahme im Beitrittsgebiet zunächst Kurzarbeitergeld aufgrund der Sonderregelung des § 63 Abs. 5 S 7 AFG DDR weiterbezogen und nach Wegfall dieser Leistung Unterhaltsgeld erhalten, bestimmt sich der Dynamisierungsstichtag für das Unterhaltsgeld nach dem letzten Tag des vorangegangenen Kurzarbeitergeldbezugs.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; AFG § 44 Abs. 7, §§ 68, 112a; AFG DDR § 63 Abs. 5 S. 5; AFG DDR § 63 Abs. 5 S. 7; SGB X § 44 Abs. 1, § 48 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 11.05.1994; Aktenzeichen L 2 Ar 9/94)

SG Halle (Saale) (Urteil vom 24.11.1993; Aktenzeichen S 3 Ar 28/93)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 11. Mai 1994 und das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 24. November 1993 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen,

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die Beklagte unter Vorverlegung des Anpassungstages der Klägerin zu einem früheren Zeitpunkt (2. März 1992) ein erhöhtes Unterhaltsgeld (Uhg) zu gewähren hat.

Die Klägerin war seit 1971 bei den Leuna-Werken in Leuna/Sachsen-Anhalt beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete am 31. Dezember 1992. Bis zum 31. Dezember 1991 bezog sie über ihren Arbeitgeber Kurzarbeitergeld (Kug), zuletzt iH von 222,00 DM wöchentlich (ausgefallener Stundenlohn 10,42 DM).

Auf Antrag förderte die Beklagte die Teilnahme der Klägerin an der Bildungsmaßnahme „Datenverarbeitung/Kaufmann” in der Zeit vom 4. März 1991 bis 6. März 1993. Für die Zeit ab 1. Januar 1992 bewilligte sie Uhg anstelle des bisherigen Kug. Der Berechnung legte sie ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 420,00 DM (Stundenlohn 10,42 DM, tarifliche wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden), eine Nettolohnersatzquote von 73 vH und die Leistungsgruppe A zugrunde. Anstelle des daraus an sich resultierenden wöchentlichen Leistungssatzes von 220,20 DM gewährte sie der Klägerin den Betrag von 222,00 DM weiter (Bescheid vom 8. April 1992).

Am 22. Mai 1992 beantragte die Klägerin eine Überprüfung des Bescheides vom 8. April 1992. Sie machte geltend, bei einem Weiterbezug des Kug über den 1. Januar 1992 hinaus hätten die zu diesem Zeitpunkt erfolgten Lohnerhöhungen auch zu einer Erhöhung des Kug geführt. Da dessen Bezug zum 31. Dezember 1991 eingestellt und das Uhg ab 1. Januar 1992 nicht dynamisiert gezahlt worden sei, sei sie von den gesetzlichen Anpassungen ausgeschlossen worden.

Zum 1. Juli 1992 nahm die Beklagte unter Hinweis auf § 112a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) eine Dynamisierung des Bemessungsentgelts auf gerundete 480,00 DM vor und bewilligte ein Uhg iH von 246,00 DM wöchentlich (Bescheid vom 7. Juli 1992, Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 1992). Den zuvor gestellten Überprüfungsantrag wies sie zurück (Bescheid vom 4. September 1992, Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 1992).

Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid vom 4. September 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 1992 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, das Bemessungsentgelt zum 1. Januar 1992 in gesetzlicher Höhe zu dynamisieren (Urteil vom 24. November 1993). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgerichts (LSG) das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin unter Abänderung der angefochtenen Bescheide höheres Uhg nach einem Dynamisierungsstichtag 2. September 1991 mit Wirkung ab 2. März 1992 zu gewähren. Die weitergehende Klage ist abgewiesen und die Berufung der Beklagten im übrigen zurückgewiesen worden. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Bescheid vom 8. April 1992 enthalte zwar keine Festsetzung des Dynamisierungsstichtages, jedoch habe er bindend die Höhe der Leistung ab 1. Januar 1992 unter Berücksichtigung eines Bemessungsentgelts von 420,00 DM festgelegt. Dieser Bescheid könne nur über § 44 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) abgeändert werden. Er sei rechtswidrig weil Dynamisierungsstichtag der 2. September 1991 sei. Zwar sei dies nicht der letzte Tag vor Eintritt in die Maßnahme, da dies bereits der 2. März 1991 gewesen sei. Jedoch ergebe sich dieser Stichtag aus den halbjährlichen Anpassungszeiträumen im Beitrittsgebiet. Diese Festlegung folge aus dem Regelungszusammenhang und dem Zweck des § 63 Abs. 5 Sätze 7 bis 9 des AFG der Deutschen Demokratischen Republik (AFG-DDR) vom 22. Juni 1990 (GBl I 403) in der hier geltenden Fassung, weil danach Leistungsbezieher wie die Klägerin so zu behandeln seien, als ob sie seit Beginn der Maßnahme fortlaufend Uhg erhalten hätten. Die Klägerin habe demzufolge ab 2. März 1992 Anspruch auf Zahlung eines angepaßten Uhg nach einem erhöhten Bemessungsentgelt.

Im Revisionsverfahren hat die Klägerin ihre Klage auf Anfechtung des ersten Dynamisierungsbescheides vom 7. Juli 1992 und ihr Begehren auf eine Vorverlegung der ersten Anpassung des Uhg auf den 2. März 1992 beschränkt.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 63 Abs. 5 AFG-DDR und des § 44 SGB X. Sie ist der Auffassung, die von ihr zum 1. Juli 1992 vorgenommene Anpassung sei nicht zu beanstanden. Mit dem 31. Dezember 1991 sei der Anspruch der Klägerin auf Kug entfallen. Bei der Berechnung des ab 1. Januar 1992 bestehenden Anspruchs auf Uhg sei als Bemessungsentgelt das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, nach dem zuletzt das Kug bemessen worden sei. In diesen Fällen falle der Bemessungszeitraum auf den letzten Tag des Kug-Bezugs. Daraus ergebe sich vorliegend als Dynamisierungsstichtag der 31. Dezember 1991.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Berufungsurteil hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch der Dynamisierungsbescheid vom 7. Juli 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 1992, nachdem die Klägerin ihre Klage ausdrücklich auf Anfechtung dieses Bescheides beschränkt und erklärt hat, sie mache lediglich die Vorverlegung der ersten Anpassung auf den 2. März 1992 geltend.

In der Sache hat die Beklagte mit Bescheid vom 7. Juli 1992 zutreffend eine erstmalige Dynamisierung des Arbeitsentgelts und eine entsprechende Erhöhung des Uhg zum 1. Juli 1992 vorgenommen. Entgegen der Auffassung des LSG konnte diese Anpassung nicht auf den 2. März 1992 vorverlegt werden. Die vom Senat insoweit vorzunehmende rechtliche Überprüfung beschränkt sich wegen Besonderheiten, die bei der Anfechtung von Dynamisierungsbescheiden zu beachten sind, allein auf die vorbezeichnete Rechtsfrage, dh der Senat brauchte nicht – wie bei sonstigen Höherstreitigkeiten (vgl hierzu BSG SozR 3-4100 § 59 Nr. 5) – alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu überprüfen.

Der Bescheid vom 7. Juli 1992 ist – entgegen der Auffassung des LSG – nicht als Rücknahme- und Ersetzungsbescheid iS des § 44 SGB X, sondern als Änderungsbescheid iS des § 48 Abs. 1 SGB X anzusehen. Die nach § 112a AFG vorgenommene „Dynamisierung” ist die wesentliche nachträgliche rechtliche Änderung, die zur Abänderung des bindend festgesetzten Leistungsbetrages berechtigt. Der Bescheid vom 7. Juli 1992 hat den Ausgangsbescheid vom 8. April 1992 im Verfügungssatz nur insoweit abgeändert, als er der Klägerin ab 1. Juli 1992 ein wöchentliches Uhg iH von 246,00 DM anstelle von 222,00 DM zuerkannt hat. Nur hinsichtlich des Mehrbetrages von wöchentlich 24,00 DM und des Zeitpunktes der Abänderung hat er eine neue, eigenständige Regelung getroffen.

Hieraus allein würde jedoch rechtlich noch keine Prüfungseinschränkung folgen. Im Leistungsrecht des AFG wird nicht der – bindend festgesetzte – Leistungsbetrag selbst dynamisiert, sondern das Arbeitsentgelt, das der Leistungsberechnung zugrunde liegt. Die Festsetzung des Arbeitsentgelts ist als bloßes Berechnungselement grundsätzlich nicht Bestandteil des Verfügungssatzes, wird mithin entgegen der Auffassung des LSG nicht von dessen Bindungswirkung erfaßt (BSG SozR 4100 § 112 Nr. 23 mwN; BSG SozR 4100 § 136 Nr. 4). Die Überprüfung des im Ausgangsbescheid zugrunde gelegten Arbeitsentgelts ist deshalb nicht bereits aus Rechtsgründen ausgeschlossen (vgl dagegen zu den Anpassungen des Leistungsbetrages im Bereich der Kriegsopferversorgung BSG SozR 1300 § 45 Nr. 37).

Vorliegend ergibt sich eine eingeschränkte Überprüfung jedoch aus den Besonderheiten des Dynamisierungsbescheides und dem Begehren der Klägerin. Mit einem solchen Bescheid trifft die Beklagte üblicherweise eine Entscheidung allein unter Berücksichtigung derjenigen Elemente, die die wesentliche Änderung iS von § 48 Abs. 1 SGB X begründen. Dazu gehören der Dynamisierungsfaktor und – ausgehend von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt – der sich aus dem dynamisierten Arbeitsentgelt anhand der einschlägigen Leistungsverordnung ergebende neue Leistungsbetrag, ferner der Dynamisierungsstichtag und der ihm entsprechende Tag der Anpassung (Anpassungstag). Auch im vorliegenden Fall hat die Beklagte – wie sich aus dem Vorspann des Dynamisierungsbescheides ergibt – nur eine derart eingeschränkte Prüfung vorgenommen.

Bringt ein Leistungsempfänger – wie hier die Klägerin – unmißverständlich zum Ausdruck, daß er einen solchen Bescheid allem wegen der dort getroffenen Änderungen anficht, gibt er zu erkennen, daß er den Streitgegenstand entsprechend beschränkt sehen möchte, nämlich auf die Prüfung, ob ihm eine höhere Leistung zu einem anderen – früheren – Zeitpunkt und/oder nach einem anderen Dynamisierungsfaktor zusteht und ob der festzusetzende Zahlbetrag der jeweiligen AFG-Leistungsverordnung zutreffend entnommen worden ist. Eine darüber hinausgehende Prüfung hat das Gericht dann nicht mehr vorzunehmen. Ob etwas anderes gilt, wenn der Ausgangsbescheid (hinsichtlich des Grundes oder der Höhe der Leistung) selbst rechtswidrig ist und deshalb hinsichtlich des neuen Zahlbetrages § 48 Abs. 3 SGB X zu beachten wäre, kann offenbleiben. Hier ergibt sich schon kein höherer Betrag aus der beschränkten Prüfung.

Entgegen der Auffassung des LSG ist Dynamisierungsstichtag – wie die Beklagte zutreffend angenommen hat – der letzte Tag des Kug-Bezuges und nicht der letzte Tag vor Eintritt in die Maßnahme. Es trifft nicht zu, daß Leistungsberechtigte wie die Klägerin hinsichtlich der Dynamisierung so zu behandeln seien, als ob sie ab Eintritt in die Maßnahme fortlaufend Uhg bezogen hätten. Dafür bietet das Gesetz keinen Anhalt.

Maßgebend für den Leistungsbezug der Klägerin sind vorübergehende Sonderregelungen gewesen, die für Kug-Bezieher im Beitrittsgebiet in § 63 Abs. 5 AFG-DDR idF durch den Einigungsvertrag (EinigVtr) Anlage II Kap VIII E III Nr. 1 Buchst b, bb und durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung arbeitsförderungsrechtlicher und anderer sozialrechtlicher Vorschriften vom 21. Juni 1991 (BGBl I 1306) getroffen worden sind. Danach hat die Klägerin während der Bildungsmaßnahme zunächst anstelle von Uhg erhöhtes Kug bezogen. Dies beruhte auf der Sonderregelung des § 63 Abs. 5 Satz 7 AFG-DDR, wonach Kurzarbeitern, die die Voraussetzungen für die Gewährung von Uhg nach § 44 Abs. 2 AFG erfüllten, gleichwohl nicht Uhg, sondern Kug zu zahlen war, allerdings in Höhe des Uhg bzw der für das Uhg maßgeblichen Nettolohnersatzquote (hier 73 vH). Bereits der Wortlaut (Kug „anstelle” von Uhg; Bezugnahme auf § 68 Abs. 4 Nrn 1 und 2 AFG, also auf Berechnungsvorschriften des Kug, nicht jedoch des Uhg), aber auch die Zahlung über den Arbeitgeber, zeigen, daß es sich bei dieser Leistung sachlich um Kug handelte. Dies ist auch vom LSG nicht in Zweifel gezogen worden. Anspruch auf Uhg hatte die Klägerin gemäß § 63 Abs. 5 Satz 9 Teilsatz 1 AFG-DDR erstmals ab 1. Januar 1992, nachdem die nur bis zum 31. Dezember 1991 geltende Sonderregelung des Satzes 7 nicht weiter verlängert worden war.

Für die Anpassung dieses Uhg gilt § 112a AFG, allerdings nur „entsprechend”, und zwar ua mit der Maßgabe, daß das für den Dynamisierungsstichtag maßgebende Ende des Bemessungszeitraums iS von § 112a AFG dem Ende des Kug-Bezugs entspricht. Dies ergibt Sich ebenfalls aus den Sonderregelungen des AFG-DDR.

§ 63 Abs. 5 Satz 9 Teilsatz 4 AFG-DDR verweist insoweit ua auf § 44 Abs. 7 AFG aF (seit dem 1. Januar 1993: Abs. 8), wonach die Vorschriften des Vierten Abschnitts über das Arbeitslosengeld (Alg) entsprechend gelten, soweit die Besonderheiten des Uhg nicht entgegenstehen. Von dieser Verweisung wird auch § 112a AFG erfaßt, der auf das „normale” Uhg iS von § 44 AFG (vgl BSG SozR 4100 § 44 Nr. 19) und damit grundsätzlich auch auf das Uhg iS von § 63 Abs. 5 Satz 9 AFG-DDR entsprechend anzuwenden ist.

Nach § 112a AFG in der bis zum 30. Juni 1992 geltenden aF durch Art. 7 des Gesetzes vom 6. Oktober 1989 (BGBl I 1822) erhöhte sich das für die Bemessung des Alg (bzw des Uhg) maßgebende Arbeitsentgelt jeweils nach Ablauf eines Jahres seit dem Ende des Bemessungszeitraums (Anpassungstag) um den Vomhundertsatz, um den die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung zuletzt vor diesem Zeitpunkt nach dem jeweiligen Rentenanpassungsgesetz angepaßt worden sind (Satz 1). Die zum 1. Juli 1992 in Kraft getretene Gesetzesneufassung (Anpassung nach Maßgabe der Veränderung der Bruttolohn- und -gehaltssumme je durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer, die der Feststellung des aktuellen Rentenwerts zugrunde liegt beruht auf Art. 35 Nr. 9 des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGB I 2261 vgl zu dessen Inkrafttreten Art. 85 Abs. 8) und ist Folge von Änderungen im Rentenrecht (Umstellung auf nettolohnbezogene Rentenanpassungen). Sie sichert im Leistungsrecht des AFG weiterhin die bruttolohnbezogene Dynamisierung. Inhaltlich ist damit die bisherige Regelung des § 112a Satz 1 AFG fortgeschrieben worden.

Bestimmt sich nach § 112a Satz 1 AFG der Anpassungstag nach dem „Ende des Bemessungszeitraums” kann sich dies in Fällen der vorliegenden Art. nicht auf das Ende das Bemessungszeitraums iS des § 112 Abs. 2 Satz 1 AFG beziehen, obwohl § 112a Satz 1 AFG erkennbar auf diese Regelung abstellt. Dem steht die Sonderregelung im § 63 Abs. 5 Satz 9 Teilsatz 3 AFG DDR entgegen die insoweit eine Besonderheit das Uhg iS des § 44 Abs. 7 AFG darstellt und eine vom „Regelfall” abweichende Feststellung des Dynamisierungsstichtages gebietet.

In § 63 Abs 5 Satz 9 Teilsatz 3 AFG-DDR hat der Gesetzgeber für den hier betroffenen Personenkreis bestimmt, daß bei einem Vorbezug von Kug Bemessungsentgelt für das Uhg dasjenige Arbeitsentgelt ist, nach dem "zuletzt" das Kug bemessen worden ist. Das bedeutet, daß sich das Bemessungsentgelt nicht nach dem im Bemessungszeitraum des § 112 Abs 2 Satz 1 AFG erzielten Arbeitsentgelt bestimmt, also nach einem Entgelt, das immer vor Entstehung des Anspruchs erzielt sein muß, sondern nach demjenigen, das zuletzt dem Kug zugrunde gelegt worden ist. Dann aber ist Dynamisierungsstichtag der letzte Tag des Kug-Bezuges. Denn nach dem in § 112a Satz 1 AFG festgelegten Grundsatz ist der Anpassungstag untrennbar mit dem für die Leistung maßgeblichen Arbeitsentgelt verknüpft (BSG SozR 4100 § 136 Nr 4 ≪S 18≫). Demzufolge bestimmt in Fällen der vorliegenden Art das Ende des Kug-Zeitraums zugleich den Dynamisierungsstichtag. Diese Auslegung steht mit Zweck und Systematik der genannten Sonderregelungen in Einklang.

Die Regelung in § 63 Abs 5 Satz 7 AFG-DDR, nach der - bis zum 31. Dezember 1991 - Kug "anstelle" von Uhg gezahlt worden ist, rechtfertigt es nicht, den betreffenden Teilnehmerkreis allein hinsichtlich der Dynamisierung so zu stellen, als ob er bereits ab Maßnahmebeginn Uhg bezogen hätte. Die abweichende Auffassung des LSG läßt den genannten Grundsatz des § 112a Satz 1 AFG außer acht. Wäre - wie das LSG meint - als Dynamisierungsstichtag der letzte Tag vor Maßnahmebeginn zugrunde zu legen, müßte konsequenterweise auch auf ein vor Maßnahmebeginn erzieltes Arbeitsentgelt zurückgegriffen werden. Zwar wäre dann eine frühere Dynamisierung des Arbeitsentgelts möglich, jedoch immer nur auf der Grundlage eines länger zurückliegenden, und zwar bei Kurzarbeit-Null eines evtl vor Einführung der Kurzarbeit erzielten Entgelts (vgl hierzu BSGE 74, 96, 98 f = SozR 3-4100 § 112 Nr 17). Demgegenüber ermöglicht die in § 63 Abs 5 Satz 9 Teilsatz 3 AFG-DDR getroffene Sonderregelung, ein bis Ende 1991 aktualisiertes Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, allerdings mit der Folge, daß dieses Entgelt auch die zeitliche Festlegung des Dynamisierungsstichtags bestimmt. Die vom LSG in Widerspruch zum aufgezeigten Grundsatz vorgenommene Trennung von Arbeitsentgelt und Dynamisierungsstichtag könnte dagegen - zeitweise - einen unzulässigen zweifachen Dynamisierungseffekt bewirken.

Anders als das Alg und das "normale" Uhg wird nämlich das Kug nicht in bestimmten Zeitabständen entsprechend der allgemeinen Lohnentwicklung (Lohnveränderung je durchschnittlich beschäftigten Arbeitnehmer) nach § 112a AFG dynamisiert (§ 70 AFG verweist nicht auf § 112a AFG). Vielmehr bemißt sich das Kugnach dem jeweils konkret ausgefallenen Arbeitsentgelt (§ 68 Abs. 1 und 2 AFG). Dieses Lohnausfallprinzip gewährleistet, daß die aktuelle Lohnentwicklung in die Leistungsbemessung einfließt, der Kug-Bezieher also fortlaufend an den Lohnsteigerungen in seinem Betrieb teilnimmt. Eine derart „konkret-betriebsbezogene” Dynamisierung schließt eine gleichzeitige „allgemeine” Dynamisierung aus; denn diese kommt typischerweise nur in Betracht, wenn ein der Leistungsbemessung zugrunde gelegtes Arbeitsentgelt während des Leistungsbezugs nicht mehr an der Lohnentwicklung teilgenommen hat.

Die vom Gesetzgeber getroffene Lösung, nämlich während der Bildungsmaßnahme zunächst Kug und erst nach Wegfall dieser Leistung Uhg zu gewähren, entsprach der Interessenlage in den neuen Bundesländern. Die Teilnehmer blieben zunächst Arbeitnehmer ihres Betriebes (vgl insoweit auch §§ 63 Abs. 5 Satz 6 und 65 Abs. 1 Satz 2 AFG-DDR) und haben als solche während des fortlaufenden Kug-Bezugs an der konkreten Lohnentwicklung teilgenommen; lediglich als zusätzlichen Anreiz für die Bereitschaft, sich einer (häufig unumgänglichen) Weiterqualifizierung zu unterziehen, haben sie ein erhöhtes Kug erhalten. Durch die bewußte Weiterzahlung von Kug während der Bildungsmaßnahme und die hieran anknüpfende Sonderregelung des § 63 Abs. 5 Satz 9 Teilsatz 3 AFG-DDR konnte der Bemessung des – wie hier – erstmals ab 1. Januar 1992 zu zahlenden Uhg ein aktuelles Arbeitsentgelt zugrunde gelegt werden, das im Hinblick auf die betriebliche Lohnentwicklung im Beitrittsgebiet regelmäßig höher gewesen sein dürfte, als ein evtl. schon längere Zeit vor Anspruchsentstehung erzieltes (ggf allgemein dynamisiertes) Entgelt. Dies hat dann aber wegen der untrennbaren Verknüpfung von Arbeitsentgelt und Dynamisierungsstichtag zur Folge, daß das Ende des Kug-Bezuges den Stichtag bestimmt.

Dieses Auslegungsergebnis verstößt nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz, Eine Gleichbehandlung des Personenkreises des § 63 Abs. 5 Satz 9 AFG-DDR mit sonstigen Uhg-Empfängern ist bereits dadurch gewährleistet, daß bei allen der Grundsatz des § 112a Satz 1 AFG zur Anwendung kommt, nämlich daß der Anpassungstag untrennbar mit dem für die Leistungsberechnung maßgeblichen Arbeitsentgelt verknüpft ist. Zum anderen kann davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber – jedenfalls unter Berücksichtigung der gerade bei der Regelung von Massentatbeständen verfassungsrechtlich zulässigen Typisierung und Generalisierung – für den genannten Personenkreis des AFG-DDR eine regelmäßig günstigere, jedenfalls nicht ungünstigere Regelung als bei sonstigen Anspruchsberechtigten iS des § 44 Abs. 2 AFG getroffen hat.

Die von der Beklagten zum 1. Juli 1992 vorgenommene Neufestsetzung des Uhg entspricht insgesamt den hier zu beachtenden Kriterien. Aufgrund der weiteren Sonderregelung in § 249c Abs. 13 Satz 2 AFG (in der bis zum 31. Dezember 1993 geltenden Fassung) verkürzt sich der Jahreszeitraum des § 112a Satz 1 AFG entsprechend den Rentenanpassungen im Beitrittsgebiet auf ein halbes Jahr, so daß der erste Anpassungstag der 1. Juli 1992 ist mit der Folge, daß die Beklagte zutreffend eine Dynamisierung des Arbeitsentgeltes und eine entsprechende Erhöhung des Uhg zu diesem Zeitpunkt vorgenommen hat. Hierbei hat sie ferner das im Bescheid vom 8. April 1992 zugrunde gelegte wöchentliche Bemessungsentgelt von 420,00 DM zutreffend mit einem Dynamisierungsfaktor von 1,13906 auf 480,00 DM erhöht (vgl § 249c Abs. 13 Satz 3 AFG iVm der Dritten AFG-Anpassungsverordnung vom 23. Juni 1992 ≪BGBl I 1169≫) und der Tabelle in der Anlage 1 zur Verordnung vom 19. Dezember 1991 (BGBl I 2239) über die Leistungssätze ua des Uhg für das Jahr 1992 den neuen Leistungssatz von 246,00 DM entnommen.

Nach alledem mußte die Revision der Beklagten Erfolg haben und die Klage unter Aufhebung der instanzlichen Entscheidungen abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

SozSi 1997, 317

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