Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 02.03.1983)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 2. März 1983 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Klägerin begehrt Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Sie ist die Witwe des im Jahre 1920 geborenen und am 19. August 1980 gestorbenen C. S. (S. sen.), der unter Mithilfe seines Sohnes einen 54 ha großen landwirtschaftlichen Betrieb mit einer Gaststätte bewirtschaftete. S. sen. bezog ua wegen einer „Bewegungseinschränkung des rechten Sprunggelenkes und Verkürzung des rechten Beines um 2 cm” eine Beschädigtenrente nach einer MdE um 50 vH.

Am 19. August 1980 zwischen 14.00 und 15.00 Uhr stellte S. jun., nachdem er gepflügt hatte, eine Zugmaschine (Trecker) mit angebautem Volldrehpflug auf einem Sandweg ab, der gegenüber dem Hof in die Straße mündet. Den Motor ließ er laufen. S. jun., der ein Glas Sprudel trinken wollte, betrat den Hof, setzte sich zu seinem Vater, der dort auf einer Bank vor dem Haus saß, unterhielt sich mit ihm und rauchte eine Zigarette. Als der Rentner B. hinzukam und sich auf die Bank setzte, um sich mit S. sen. zu unterhalten, begab sich S. jun. ins Haus. S. sen. sagte zu B., er wolle erst einmal den Motor der Zugmaschine abstellen. Daraufhin entfernte er sich. Kurz danach wurde B. auf veränderte Motorgeräusche aufmerksam und sah, daß die Zugmaschine führerlos auf die etwa 20 m entfernte Hofmauer zufuhr und dann stehenblieb. S. sen. lag (oder saß) an der Stelle am Boden, an der die Zugmaschine gestanden hatte. Nach den Feststellungen des LSG ist er bei dem Versuch, den Motor abzustellen, vom linken Hinterrad der anfahrenden Zugmaschine überrollt worden. Bei der Einlieferung ins Krankenhaus um 15.05 Uhr war er bewußtlos, um 15.30 Uhr ist er gestorben. Zur Todeszeit betrug seine Blutalkoholkonzentration (BAK) 2,41 ‰.

Die Beklagte teilte der Klägerin durch Schreiben des Geschäftsführers („i.A.”) vom 28. November 1980 ua mit: „Da Ihr Ehemann … am 19. August 1980 einen landwirtschaftlichen Arbeitsunfall erlitten hat, der noch am gleichen Tag seinen Tod zur Folge hatte, ist von uns gemäß § 589 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ein Sterbegeld … zu zahlen …”. Am 1. Dezember 1980 überwies die Beklagte 900,– DM an die Klägerin. Nach Einsicht in die Akten der Staatsanwaltschaft lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 30. Januar 1981 Entschädigungsansprüche ab: S. sen. habe keinen Arbeitsunfall erlitten. Das Abstellen des Motors sei für den landwirtschaftlichen Betrieb nicht von Wert gewesen; außerdem sei der Alkoholgenuß die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls gewesen. Den Widerspruch wies die Widerspruchsstelle der Beklagten zurück (Bescheid vom 5. August 1981).

Das Sozialgericht (SG) hat die auf Gewährung einer Witwenrente gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 24. August 1982): Für das Abstellen des Motors sei kein betrieblicher Anlaß festzustellen. Im Vordergrund habe der Wunsch des S. sen. gestanden, sich ungestört mit B. zu unterhalten. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 19. August 1980 Witwenrente zu gewähren (Urteil vom 2. März 1983). Zur Begründung hat es ua ausgeführt: Die Klägerin könne schon auf Grund des Anerkenntnisses der Beklagten im Schreiben vom 28. November 1980 Witwenrente beanspruchen. Das Schreiben weise die Merkmale eines Verwaltungsaktes auf und enthalte zwei Verfügungssätze. Außer dem Anerkenntnis des Anspruches auf Sterbegeld enthalte er die selbständige Feststellung, daß der Ehemann der Klägerin durch einen Arbeitsunfall gestorben sei. Daran sei die Beklagte auch bei der Entscheidung über die Witwenrente gebunden. Hierfür sei zwar der Hauptgeschäftsführer, der den Bescheid erlassen habe, nicht zuständig. Der schwere Mangel des Verwaltungsaktes sei jedoch nicht offensichtlich, der Verwaltungsakt daher nicht nichtig. Folge man dieser Auffassung nicht, sei der Anspruch gleichwohl begründet. S. sen. habe im Unfallzeitpunkt unter Versicherungsschutz gestanden. Mit dem Versuch, den Motor der Zugmaschine abzustellen, habe S. sen. eine seinem landwirtschaftlichen unternehmen dienende Tätigkeit verrichtet. Das Abstellen einer landwirtschaftlichen Maschine gehöre zu den Arbeiten, die ein Landwirt im Rahmen seines Betriebes auszuführen pflege, wenn der Einsatz der Maschine beendet (Feierabend) oder unterbrochen werden solle. Auf die geringe Zeitdauer und den ebenfalls geringen wirtschaftlichen Wert des Vorgangs komme es nicht an. Für die Betriebsbezogenheit des Vorganges mache es keinen Unterschied, ob nach dem Abstellen des Motors die Freizeit beginnen oder ein ungestörtes Gespräch zwischen S. sen. und B. erreicht werden sollte. Es sei auch unerheblich, daß S. sen. selbst nicht gepflügt hatte und den Motor erst nach seiner Unterhaltung mit S. jun. und vor Beginn eines Gesprächs mit B. abzustellen versuchte, obwohl er zuvor S. jun. darum hätte bitten können. Zwar sei S. sen. im Unfallzeitpunkt bei einer BAK von 2,41 ‰ in seiner Leistungfähigkeit alkoholbedingt beeinträchtigt gewesen. Der Vorgang, der zum Unfall geführt habe, erkläre sich jedoch aus der Eigenart der Maschine, S. sen. habe kein alkoholtypisches Fehlverhalten gezeigt. Eine alkoholbedingte Ursache für den Sturz lasse sich nicht feststellen.

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und trägt ua vor: Aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, das vom LSG nicht ausreichend berücksichtigt worden sei, ergebe sich, daß S. sen. bis unmittelbar vor dem Unfall nur eigenwirtschaftlich tätig gewesen sei und sich durch den laufenden Motor erst und nur deshalb gestört gefühlt habe, weil er mit B. eine private Unterhaltung führen wollte. Es hätten somit keinesfalls betriebliche Gründe den S. sen. veranlaßt, sich zu der Zugmaschine zu begeben. Im Zusammenhang mit einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit und aus privatwirtschaftlichem Beweggrund bewirke das beabsichtigte Betätigen eines Abstellhebels noch nicht das Vorliegen einer betrieblichen Tätigkeit. Jedenfalls sei die erhebliche Alkoholbeeinflussung des S. sen. die allein bestimmende Unfallursache gewesen. Zu Unrecht habe das LSG das „Sachbearbeiterschreiben” vom 28. November 1980 als Anerkenntnis in Bezug auf die Witwenrente gewertet. Dieses Schreiben habe ausschließlich die Zahlung von Sterbegeld betroffen, das möglichst beschleunigt ausgezahlt werden solle (§ 619 RVO). Es enthalte kein allgemein gehaltenes Anerkenntnis und auch keine Äußerung mit Bindungswirkung bezüglich einer Witwenrente. Für den Anspruch auf Hinterbliebenenrente seien Entscheidungen über Ansprüche auf Verletztenrente, Verletztengeld oder Sterbegeld ohne jede Wirkung. Über die Witwenrente sei vielmehr durch gesonderten Verwaltungsakt zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Oldenburg vom 24. August 1982 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist nicht begründet. Der Klägerin steht eine Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu.

Nach § 589 Abs. 1 Nr. 3 RVO ist bei Tod durch Arbeitsunfall den Hinterbliebenen eine Rente – der Witwe eine Witwenrente (§ 590 RVO) – zu gewähren. Die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung sind nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil, gegen die von der Beklagten keine Revisionsgründe vorgebracht sind (§ 163 SGG), insoweit erfüllt, als S. sen., der Ehemann der Klägerin, an den Folgen seines Unfalls am 19. August 1980 gestorben ist und zur Unfallzeit als Unternehmer Mitglied der (beklagten) landwirtschaftlichen BG und somit gegen Arbeitsunfall versichert war (s § 539 Abs. 1 Nr. 5 RVO). Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, ob der Unfall ein Arbeitsunfall (§ 548 RVO) war. Für die Prüfung, ob S. sen. den Unfall bei einer Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer, der gegen Arbeitsunfall versichert ist, erlitten hat und deshalb die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls vorgelegen haben (§ 548 iVm § 539 Abs. 1 Nr. 5 RVO), wäre allerdings kein Raum mehr, wenn die Beklagte durch ihr Schreiben an die Klägerin vom 28. November 1980 einen Arbeitsunfall – bindend (§ 77 SGG) – anerkannt hätte. Dies ist jedoch entgegen der Auffassung des LSG nicht der Fall.

Mit dem Ausspruch, daß der Klägerin Sterbegeld zu zahlen ist, erging das Schreiben vom 28. November 1980 zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung mit unmittelbarer Rechtswirkung; es ist somit ein Verwaltungsakt (s § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – –SGB X–).

Mit diesem Verwaltungsakt hat die Beklagte – zugunsten der Klägerin – über den Anspruch auf Sterbegeld entschieden (§ 589 Abs. 1 Nr. 1 RVO). Das Sterbegeld ist gegenüber der Witwenrente eine selbständige Leistung der Unfallversicherung, unabhängig davon, daß die Ansprüche auf beide Leistungen eine wesentliche Anspruchsvoraussetzung – Tod durch Arbeitsunfall – gemeinsam haben (s ua BSG SozR 1500 § 144 Nr. 2 und 4, jeweils mwN). Die materiell-rechtliche und prozessuale Selbständigkeit der beiden Ansprüche liegt auch schon darin begründet, daß die Witwenrente ausschließlich der Witwe des Versicherten zusteht, vom Sterbegeld jedoch zunächst die Kosten der Bestattung an denjenigen gezahlt werden, der die Bestattung besorgt hat, und hinsichtlich des verbleibenden Überschusses nacheinander der Ehegatte, die Kinder, die Eltern, die Geschwister bezugsberechtigt sind unter der Voraussetzung, daß sie mit dem Verstorbenen zur Zeit seines Todes in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben (§ 589 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 203 RVO). Das Sterbegeld kann danach einer anderen Person als der Witwe zustehen. Aus der Selbständigkeit der Ansprüche folgt, daß der Versicherungsträger Hinterbliebenenrente (Witwenrente) auch dann mit der Begründung ablehnen kann, der Versicherte sei nicht an den Folgen eines Arbeitsunfalls gestorben – zB auch, weil der Unfall kein Arbeitsunfall gewesen sei –, wenn der Anspruch auf Sterbegeld bereits bindend festgestellt worden ist (BSG a.a.O. mwN; s auch BSG Urteil vom 31. August 1983 – 2 RU 80/82 –).

Das Schreiben der Beklagten vom 28. November 1980, dessen Auslegung vom Revisionsgericht in vollem Umfang nachprüfbar ist (s BSGE 24, 162, 164 mwN), enthält außer der Entscheidung über das Sterbegeld nicht zugleich eine Entscheidung über die Witwenrente mit der vom LSG angenommenen Folge, daß die Beklagte an ein Anerkenntnis des „Todes durch Arbeitsunfall” gebunden wäre. Der Verwaltungsakt und die hierin getroffene Feststellung, daß der Klägerin Sterbegeld zusteht, ist zwar mit dessen Zugang bei der Klägerin bindend geworden (s BSGE 24, 162, 165 mwN; s § 39 Abs. 1 SGB X). Die Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes beschränkt sich jedoch grundsätzlich auf seinen Ausspruch, den sog Verfügungssatz; bloße Elemente der Begründung für die Entscheidung werden nicht miterfaßt (s ua BSG SozR 1500 § 77 Nr. 18, Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.–9. Auflage, S 232a III-jeweils mwN); auf die Begründung ist allerdings zurückzugreifen, wenn der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nicht eindeutig ist (BSGE 24, 162, 164, Brackmann a.a.O. S 232a IV – jeweils mwN). Hier ist der Verfügungssatz eindeutig in dem Ausspruch, daß der Klägerin Sterbegeld zu zahlen ist. Die Ausführungen über den Tod durch Arbeitsunfall sind schon nach ihrem Wortlaut („da Ihr Ehemann … einen Arbeitsunfall erlitten hat, der … seinen Tod zur Folge hatte …”) kein weiterer selbständiger Verfügungssatz, sondern als bloße Begründung der Entscheidung über die Gewährung von Sterbegeld gekennzeichnet. Selbst wenn sich die Bindungswirkung auf die den festgestellten Anspruch auf Gewährung von Sterbegeld begründenden Ausführungen erstrecken würde, bliebe die Wirkung der darin getroffenen Feststellung, daß der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls ist, auf den Anspruch auf Sterbegeld beschränkt (s auch BSG Urteil vom 31. August 1983 a.a.O. zur Bindung bei vorläufiger Fürsorge). Das Schreiben der Beklagten vom 28. November 1980 enthält keinerlei Hinweis auf eine Witwenrente, um die es im anhängigen Rechtsstreit geht. Den vom LSG zur Stützung seiner Auffassung angeführten Entscheidungen des BSG (BSGE 24, 162; Urteil vom 27. Januar 1976 – 8 RU 138/75 –; SozR 1500 § 77 Nr. 18; s auch Urteil vom 25. November 1977 – 2/8 RU 90/75 –) lagen Sachverhalte zugrunde, die sich insoweit von dem vorliegenden Fall unterschieden. Anders als hier hatten die Versicherungsträger dort in ihrem jeweiligen Bescheid (Verwaltungsakt), der im gerichtlichen Verfahren auf den Umfang der Bindungswirkung geprüft wurde, jeweils über diejenigen Leistungsansprüche entschieden und entscheiden wollen, auf die im gerichtlichen Verfahren geklagt wurde (Verletztenrente bzw – s Urteil vom 25. November 1977 a.a.O. – Geschiedenenwitwenrente). Gegen einen auf Anerkennung der wesentlichen Voraussetzungen der – über die finanzielle Belastung durch das Sterbegeld weit hinaus gehenden – Witwenrente abzielenden Erklärungswillen der Beklagten bei der Entscheidung über das Sterbegeld im Schreiben vom 28. November 1980 spricht schon die fehlende Mitwirkung des Rentenausschusses, die insoweit auch bei einem Feststellungsanspruch über das Vorliegen des Versicherungsfalles erforderlich ist (§ 1569a Abs. 1 RVO; s BSGE a.a.O.; BSG Urteil vom 31. August 1983 a.a.O.), sowie der Umstand, daß die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen waren (vgl BSGE a.a.O. S 164); die Beklagte hatte sich zunächst vergeblich um Einsicht in die Akten der Staatsanwaltschaft bemüht und diese erst nach der Absendung des Schreibens vom 28. November 1980 erreicht.

Der Witwenrentenanspruch ist aber begründet, weil der Unfall, durch den der Tod des Ehemannes der Klägerin (S. sen.) verursacht worden ist, entgegen der im angefochtenen Bescheid vom 30. Januar 1981 zum Ausdruck gebrachten und auch noch mit der Revision vertretenen Auffassung der Beklagten ein Arbeitsunfall war.

Arbeitsunfall ist nach § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der ua in § 539 RVO genannten Tätigkeit erleidet. Nach den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil hat S. sen. gegen 15.00 Uhr, nachdem er zuvor auf einer Bank vor dem Haus gesessen hatte, sich zu der etwa 20 m entfernt auf einem Sandweg abgestellten Zugmaschine begeben, um den Motor abzustellen. Der Versuch mißlang, die Maschine setzte sich vielmehr in Bewegung und S. sen. fiel zu Boden. Von dem linken Hinterrad wurde er überrollt und dabei tödlich verletzt. Die Einwendungen der Beklagten gegen die Auffassung des LSG, daß S. sen. im Unfallzeitpunkt unter Versicherungsschutz stand, greifen nicht durch. Der innere Zusammenhang der Tätigkeit mit dem Unternehmen ist hier schon dadurch gegeben, daß S. sen. eine Verrichtung an der zu seinem landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Maschine vornahm und diese Tätigkeit zu denjenigen gehört, die in landwirtschaftlichen Unternehmen üblicherweise verrichtet werden, wenn der Einsatz einer Maschine beendet oder – wie hier – unterbrochen werden soll. Da dem Unternehmer für die Art und Weise, wie er sein Unternehmen betreibt, eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zusteht (s BSG SozR 2200 § 548 Nr. 47), ist der Versicherungschutz im übrigen auch nicht auf Tätigkeiten beschränkt, die ihrer Art nach üblicherweise in Betrieben des betreffenden Gewerbezweiges verrichtet werden (s BSGE 52, 89, 90 mwN). Dem Versicherungsschutz steht weder die – kurze – Dauer noch der geringe wirtschaftliche Wert der Tätigkeit für das Unternehmen entgegen. Es ist auch unerheblich, daß S. sen. vorher nicht selbst die Maschine zum Pflügen benutzt hatte, sondern eigenwirtschaftlich tätig gewesen war. Der hier vollzogene Übergang von einer eigenwirtschaftlichen zu einer betrieblichen Tätigkeit ist nicht davon abhängig, ob anschließend die Freizeit beginnen oder ein ungestörtes Gespräch erreicht werden sollte. Selbst wenn es S. sen. darum ging, sich anschließend ohne Störung durch die Motorgeräusche mit B. zu unterhalten, was das LSG auch berücksichtigt hat, ist ausschlaggebend, daß er zu diesem Zweck gerade eine betriebliche Verrichtung in seinem Unternehmen vorgenommen hat. Die Beklagte geht dagegen von hier nicht vorliegenden Sachverhalten aus, indem sie der vom LSG und vom Senat vertretenen Auffassung entgegenhalten will, danach würde jeder, der aus einem beliebigen Grunde (etwa aus Schabernack oder Schikane, aus Verärgerung wegen des Lärms, aus Neugier oder technischem Interesse oder auch nur aus Versehen) den Motor einer Maschine abstelle, einen Arbeitsunfall in dem Betriebe erleiden, zu dem die Maschine gehöre.

Nach den vom LSG getroffenen Feststellungen (§ 163 SGG) stand S. sen. im Unfallzeitpunkt mit einer BAK von 2,41 ‰ zwar unter starkem Alkoholeinfluß. Dadurch war es zu einer Leistungseinbuße, nicht jedoch zu einem Leistungsausfall gekommen. S. sen. befand sieh nicht im Vollrausch (s dazu BSGE 48, 224, 227; BSG Urteil vom 22. Januar 1976 – 2 RU 239/73 –), bei dem auch einfache Handlungen – wie hier das Abstellen des Motors – nicht mehr zweckgerichtet hätten ausgeführt werden können. Ein alkoholtypisches Fehlverhalten bei dem Vorgang, bei dem S. sen. verunglückte, hat nicht vorgelegen. Auf Grund der von ihm getroffenen, nicht wirksam angegriffenen Feststellungen zutreffend hat das LSG die Alkoholbeeinflussung nicht als die für den Eintritt des Unfalls rechtlich allein wesentliche Ursache gewertet.

Die Revision ist danach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1062271

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