Entscheidungsstichwort (Thema)

Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte. Rechtmäßigkeit von Anpassungsbescheiden. Abschmelzung oder Einfrierung iS von § 48 Abs 3 SGB 10

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist eine Verordnung, die den Wert einer Sachleistung festzusetzen hat, unvollständig oder gesetzwidrig, so muß das Gericht im Einzelfall die Lücke füllen und den zutreffenden Wert bestimmen; hierbei kann der Wert maßgebend sein, den diejenigen, "die es angeht", festlegen.

2. Verbilligte Hausbrandkohlen für Bergbaurentner sind als Bruttoeinkommen, von dem der Berufsschadensausgleich abhängt, entsprechend tariflicher Vereinbarung bis zum Wert der Energiebeihilfe zu berücksichtigen. Die Tabelle II der Anlage zu § 3 DV zu § 33 BVG ist nicht entsprechend anzuwenden.

 

Orientierungssatz

1. Anpassungsbescheide müssen für die Vergangenheit so lange als rechtmäßig angesehen werden, wie der ihnen zugrundeliegende Verwaltungsakt mit Dauerwirkung rechtsverbindlich und noch nicht zurückgenommen war (vgl BSG vom 22.6.1988 9/9a RV 46/86).

2. Zur Zulässigkeit bzw Notwendigkeit der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Rentenbescheids zum Zwecke der "Abschmelzung" bzw "Einfrierung" iS des § 48 Abs 3 SGB 10.

 

Normenkette

SGB 10 § 45 Abs 1, § 48 Abs 3; BVG § 30 Abs 3; BVG § 30 Abs 4; BVG § 30 Abs 5; BSchAV §§ 1, 9 Abs 1 S 1; BVG§33DV § 3

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 10.12.1985; Aktenzeichen L 7 V 18/85)

SG Aachen (Entscheidung vom 22.05.1985; Aktenzeichen S 7 V 86/84)

 

Tatbestand

Streitig ist die Neuberechnung des Berufsschadensausgleichs für den am 1. Dezember 1986 während des Revisionsverfahrens verstorbenen Ehemann der jetzigen Klägerin, dessen Rechtsnachfolgerin sie ist.

Der Beschädigte erhielt ab Juni 1969, nachdem er aus dem Bergbau ausgeschieden und Knappschaftsrentner geworden war, ua einen Berufsschadensausgleich nach dem Bundesversorgungsgesetz -BVG- (Bescheid vom 7. Oktober 1970). Bei der Berechnung blieb der Bezug verbilligter Hausbrandkohle für frühere Bergleute außer Ansatz, den der Rentner angegeben hatte. Ebenso wurde der Berufsschadensausgleich in späteren Anpassungsmitteilungen (ua vom 4. Dezember 1981 und 6. Juni 1983) bemessen. Nachdem die frühere Arbeitgeberin des Beschädigten im Mai 1983 mitgeteilt hatte, er beziehe 2,5 t verbilligter Hausbrandkohle, nahm der Beklagte nach entsprechendem Anhörschreiben vom 22. Juli 1983 durch Bescheid vom 19. Oktober 1983 den Bescheid vom 7. Oktober 1970 und die nachfolgenden Anpassungsbescheide, soweit der Hausbrandbezug beim Berufsschadensausgleich nicht berücksichtigt worden war, wegen Rechtswidrigkeit mit Wirkung ab 1. August 1983 zurück und begründete die Rückwirkung damit, daß der Ehemann der Klägerin seit dem Empfang des Anhörschreibens die Rechtswidrigkeit der bisherigen Regelung gekannt habe (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren -SGB X); gleichzeitig forderte der Beklagte für die Zeit vom 1. August bis 30. November 1983 einen überzahlten Betrag von 124,-- DM (4 x 31,-- DM monatlich) zurück. Während des anschließenden Klageverfahrens stellte das Versorgungsamt durch Bescheid vom 8. Februar 1984 fest, der Verwaltungsakt vom 7. Oktober 1970 und die nachfolgenden seien wegen Nichtberücksichtigung der Deputatkohle rechtswidrig, könnten aber nicht mehr zurückgenommen werden und die Bescheide vom 4. Dezember 1981 und 6. Juni 1983 seien rechtswidrig, weil in ihnen § 48 Abs 3 SGB X nicht beachtet worden sei; diese Bescheide nahm es mit Wirkung ab 1. August 1983 zurück; es stellte weiter fest, die ab 1. Juli 1983 zustehende Rente werde ab 1. Dezember 1983 weiterbezahlt und es bleibe bei der Rückforderung von 124,-- DM. Später stellte der Beklagte klar, daß damit der Bescheid vom 19. Oktober 1983 bezüglich der Rücknahme der Bescheide vom 7. Oktober 1970 bis 4. Oktober 1980 aufgehoben ist.

Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid vom 19. Oktober 1983 idF des Bescheides vom 8. Februar 1984 aufgehoben (Urteil vom 22. Mai 1985). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil teilweise bestätigt, aber für die Zeit vom 1. August bis 30. November 1983 das Bruttoeinkommen aus Hausbrandversorgung anders berechnet, im übrigen die Regelung des Beklagten bestätigt. Die Anpassungsbescheide seien wegen Verstoßes gegen die "Aussparungs"-Regelung des § 48 Abs 3 SGB X rechtswidrig, was gemäß § 45 SGB X berichtigt werden könne (Urteil vom 10. Dezember 1985).

Beide Beteiligten haben die - vom LSG zugelassene - Revision eingelegt.

Die Klägerin rügt eine Verletzung der §§ 45 und 48 Abs 3 SGB X. Die Anpassungsbescheide seien rechtmäßig gewesen; selbst wenn sie als rechtswidrig zu beurteilen sein sollten, stehe ihrer Rücknahme das Vertrauen in den Bestand der Leistungsfeststellung entgegen. Jedenfalls müßten bei einer Anrechnung von Hausbrandversorgung die eigenen Aufwendungen berücksichtigt werden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG sowie die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG, soweit darin der Bescheid vom 19. Oktober 1983 idF des Bescheides vom 8. Februar 1984 geändert worden ist, und das Urteil des SG aufzuheben sowie die Klage abzuweisen und die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Er rügt mit der Revision eine Verletzung des § 3 Abs 1 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des § 33 BVG; das LSG habe den Sachwert der verbilligten Hausbrandkohle rechtsfehlerhaft ermittelt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist erfolgreich, soweit es um die Bewertung der Sachbezüge geht, im übrigen unbegründet.

Das LSG hat zu Recht das Urteil des SG, soweit es die rückwirkenden Bescheide aufgehoben hat, bestätigt. Indes war die Klage im wesentlichen abzuweisen, soweit die Feststellung der Unrichtigkeit der rechtsverbindlichen Berufsschadensausgleichsbemessung für eine Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X (vom 18. August 1980 -BGBl I 1469, 2218-) angefochten ist. Diese Entscheidung beschränkt sich allerdings zugunsten der Klägerin auf die Berücksichtigung von Sachbezügen bis zum Wert der Energiebeihilfe.

Der Beklagte durfte durch den Bescheid vom 8. Februar 1984, der nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in das Verfahren einbezogen ist und durch den der angefochtene Bescheid vom 19. Oktober 1983 bezüglich der Rücknahme der von 1970 bis 1980 ergangenen Verwaltungsakte zurückgenommen worden ist, die Anpassungsbescheide vom 4. Dezember 1981 und 6. Juni 1983 nicht aufheben. Damit entfällt auch der Erstattungsanspruch auf überzahlte Versorgungsbezüge aus § 50 Abs 1 SGB X, und damit wird die Festsetzung des bestandskräftigen Berufsschadensausgleichs-Betrages, der ab 1. Juli 1983 gezahlt wurde, gegenstandslos. Für eine zukünftige "Abschmelzung" oder "Einfrierung" nach § 48 Abs 3 SGB X muß er entsprechend der sodann zuletzt festgestellten Höhe neu bestimmt werden.

Nach § 45 Abs 1 SGB X, der hier allein in Betracht kommenden Rechtsgrundlage, darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden. Entgegen der Auffassung des Beklagten und des LSG sind die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt.

Die Rücknahme des Bescheides vom 4. Dezember 1981 belastet allerdings die Klägerin nicht, denn aus dieser Rücknahme sind keine für sie nachteiligen Folgen entstanden. Der Bescheid vom 6. Juni 1983 durfte nicht wegen einer vom Beklagten angenommenen Rechtswidrigkeit, die darin bestanden haben soll, daß bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs § 48 Abs 3 SGB X nicht angewendet wurde, nach § 45 Abs 1 SGB X rückwirkend zurückgenommen werden. Vielmehr müssen die Anpassungsbescheide für die Vergangenheit so lange als rechtmäßig angesehen werden, wie der ihnen zugrundeliegende Verwaltungsakt mit Dauerwirkung rechtsverbindlich und noch nicht zurückgenommen war. Das hat der Senat in der Sache 9/9a RV 46/86 heute entschieden. Auf die Begründung dieses Urteils die den Beteiligten bekannt ist, wird Bezug genommen.

Gleichwohl hat die zugleich als Voraussetzung für eine künftige Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X getroffene Feststellung Bestand, daß der Verwaltungsakt vom 10. Oktober 1970 rechtswidrig ist, soweit der verbilligte Hausbrandbezug nicht als Einkommen bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs berücksichtigt wurde.

Die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 7. Oktober 1970 stellt eine anfechtbare Regelung schon deshalb dar, weil sie die Rechtsverbindlichkeit der bis Juni 1983 erteilten Bescheide für die Zukunft einschränkt. Sie hat diese Feststellungswirkung für alle späteren Anpassungen, die wegen Änderungen iS des § 48 Abs 1 SGB X zugunsten des Berechtigten vorzunehmen sein werden. Bei diesen ist dann § 48 Abs 3 SGB X anzuwenden. Das kann, nachdem dieser Rechtsstreit beendet ist, auch noch für die Zeit ab 1984 geschehen (vgl dazu BSGE 62, 103, 107 f = SozR 1300 § 48 Nr 39). Dem steht nicht entgegen, daß dann die Anpassung nur die Leistungshöhe betreffen wird, während sich die festgestellte Unrichtigkeit auf einen die Leistungshöhe bestimmenden Berechnungsfaktor bezieht. Die Zweifel, die der 4. Senat in nicht tragender Begründung in SozR 1300 § 48 Nr 33 äußerte, greifen hier nicht durch. Auch für diese häufig vorkommenden Fälle ist nach dem dargelegten Sinn und Zweck der "Abschmelzung" oder "Einfrierung" eine Feststellung der Rechtswidrigkeit zulässig und geboten, um einen Zuwachs auf der Grundlage des rechtsverbindlichen, aber inhaltlich unrichtigen Bescheides zu verhindern. Die Unrichtigkeit besteht darin, daß der Sachbezugswert nicht zum derzeitigen Einkommen gezählt wurde. Dadurch war die Differenz zwischen diesem Einkommen und dem Vergleichseinkommen und damit die Grundlage des Berufsschadensausgleiches zu hoch berechnet. Die Änderung, die zur Anpassung führen würde, ist die Erhöhung des Vergleichseinkommens und damit die Differenz, die bereits zu hoch bemessen worden ist.

Abweichend von dem Bescheid vom 8. Februar 1984 darf diese Feststellung jedoch nicht die nach Oktober 1970 erteilten Anpassungsbescheide umfassen; denn sie waren jeweils auf eine Neufeststellung entsprechend veränderten Verhältnissen beschränkt und damit nicht rechtswidrig.

Außerdem ist die von der Verwaltung ausgesprochene Feststellung der Rechtswidrigkeit der Höhe nach einzuschränken. Der Bescheid vom 7. Oktober 1970 war nur insoweit iS des § 45 Abs 1 und des § 48 Abs 3 SGB X rechtswidrig, als der Sachbezugswert - Bezug von verbilligten Hausbrandkohlen - bis zur Höhe der Energiebeihilfe nicht als Bruttoeinkommen aus früherer Erwerbstätigkeit berücksichtigt wurde. Nur in diesem Umfang beeinflußte das Bruttoeinkommen bei zutreffender Gesetzesanwendung den schädigungsbedingten Einkommensverlust und damit den Berufsschadensausgleich (§ 30 Abs 3 und 4 BVG idF vom 20. Januar 1967 -BGBl I 141, 180- / 10. Juli 1970 -BGBl I 1029-). Darüber hinaus ist bis zu der vom Beklagten festgesetzten Einkommenshöhe bei richtiger rechtlicher Bewertung kein Bruttoeinkommen anzusetzen.

Die Verordnung zur Durchführung (DV) des § 30 Abs 3 und 4 BVG (idF vom 28. Februar 1968 -BGBl I 194-, jetzt idF vom 29. Juni 1984 -BGBl I 858-/4. Juni 1985 -BGBl I 910-) bestimmte und bestimmt nicht in Erfüllung des Auftrages aus § 30 Abs 7 Buchstabe c BVG aF (jetzt § 30 Abs 9 Buchstabe c BVG), wie die verbilligte Hausbrandkohle als Bruttoeinkommen zu bewerten ist. Daß dieser Sachwert für frühere Arbeitnehmer bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs zu berücksichtigen ist, hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden; daran wird festgehalten (SozR 3100 § 30 Nr 14 sowie Urteile vom 24. März 1976 - 9 RV 102/85 - und vom 7. Oktober 1976 - 9 RV 198/75 -). Es handelt sich um Einnahmen in Geldeswert aus früherer unselbständiger Tätigkeit (§ 9 Abs 1 Satz 1 DV). Diese Einnahme muß dem Beschädigten als verfügbarer wirtschaftlicher Vorteil zugeflossen sein; nur in diesem Umfange ist er als Bruttoeinkommen zu bewerten. Unter Beachtung dieses Maßstabes ist die Lücke der DV durch richterliche Bewertung zu schließen.

Eine Bemessung nach der Sachwert-Vorschrift des § 3 DV zu § 33 BVG (idF vom 7.August 1968 -BGBl I 965-/1. Juli 1975 -BGBl I 1769-/4. Juni 1985 -BGBl I 910-), die in der Verwaltungspraxis üblich und auch in diesem Fall praktiziert worden ist, erscheint nach dem Willen der Bundesregierung ausgeschlossen; denn die DV zu § 30 Abs 3 ff BVG verweist nur eingeschränkt, ohne ähnliche Sachverhalte einzuschließen, in § 10 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 auf die DV zu § 33 BVG. Außerdem regeln deren Vorschriften Voraussetzungen der Bedürftigkeit für eine Ausgleichsrente (§§ 32, 33, 41, 47 BVG) und für ähnliche Leistungen (§§ 33a, 33b, 51 BVG), und zwar weithin nach dem Nettoprinzip, dagegen jene (DV zu § 30 Abs 3 ff  BVG) Faktoren zur Bestimmung eines auszugleichenden Schadens nach dem reinen Bruttoprinzip, beschränkt auf Arbeitseinkommen.

Aber selbst wenn man diese Bedenken außer Acht ließe, findet sich in der von der Verwaltung angewendeten Tabelle II der Anlage zu § 3 DV zu § 33 BVG kein Wert für den verbilligten Bezug von Steinkohlen, wohl für Steinkohlen ohne Eigenleistung. In solchen Fällen gilt nach Abs 2 der Einleitung zur Anlage als Bruttoeinkommen ein Betrag in Höhe der üblichen Mittelpreise des Verbrauchsorts. Dabei wäre vom Marktpreis der Aufwand abzuziehen, den der Empfänger für die Kohlen bezahlen muß (vgl auch RdSchr des BMA BABl 1983 H. 4 S. 79). Eine solche Bewertung ist für Einkommensarten in Form von Sachbezügen, die die Beiträge für die Sozialversicherung bestimmen, in § 2 der Sachbezugsverordnung (zB für 1987 idF vom 18. Dezember 1984 -BGBl I 1642, 1643-/19. Dezember 1986 -BGBl I 2657-) ausdrücklich vorgeschrieben. So ist der Beklagte nicht vorgegangen. Die mittleren Kohlenpreise für den Verbrauchsort des früheren Klägers sind nicht festgestellt worden. Allgemein veröffentlicht werden durchschnittliche Preise verschiedener Kohlenarten, getrennt nach drei Gebieten (Ruhr- und Saarrevier sowie Aachener Revier), ermittelt durch das Statistische Bundesamt. Sie ergeben zB für 1984 einen erheblich niedrigeren Durchschnittswert für den gesamten Bergbau, als der Beklagte für § 3 DV zu § 33 BVG errechnet hat (Statistisches Jahrbuch 1985 für die Bundesrepublik Deutschland, S 504).

Demnach weicht die Bewertung von Sachbezügen über die Tabelle der Anlagen zu §3 DV zu § 33 BVG zu weit von der Wirklichkeit ab, um das für § 30 BVG maßgebende Bruttoeinkommen bestimmen zu können. Allein wegen dieser unsachgemäßen Pauschalierung, die nicht von der gesetzlichen Ermächtigung in §30 BVG gedeckt wird, ist die genannte Tabelle nicht verwertbar, um den wirtschaftlichen Vorteil für den Beschädigten zu bemessen.

Zudem hat die Verwaltung unter Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 Grundgesetz) außer Acht gelassen, daß die Rentner im Unterschied zu den Arbeitnehmern, die die Hausbrandkohlen ohne eigene Beteiligung ans Haus geliefert bekommen, nach den Manteltarifverträgen für Angestellte und für Arbeiter im Steinkohlenbergbau außer dem Eigenanteil noch den Transport von der Zeche ab selbst bezahlen müssen.

Selbst wenn man von allen diesen rechtlichen Bedenken absähe, könnte die Tabelle der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden; denn sie ist in sich sachwidrig, wie ein oberflächlicher Vergleich der Bewertung verschiedener aufgeführter Waren erkennen läßt. Diese Sachwidrigkeit wird schon dadurch bedingt, daß für einzelne Gegenstände und Mengen bestimmte Punktzahlen als Berechnungsfaktor für viele Jahre festgelegt werden. Diese Faktoren werden nach einem äußerst komplizierten, nicht rechtsstaatlicher Klarheit und Überschaubarkeit genügenden Berechnungssystem ua mit Hilfe eines jährlich veränderten, der allgemeinen Einkommensentwicklung folgenden Bruttobetrages (§33 Abs 1 Satz 2 Buchstabe a BVG) in einen Geldbetrag umgerechnet (Abs 1 der Anlage zu § 3 DV zu § 33 BVG). Die Voraussetzungen dieses gekünstelten Berechnungssystems stimmten aber nicht. Die Preise der in der Tabelle aufgeführten Waren entwickeln sich nicht gleichförmig entsprechend den allgemeinen Einkommensveränderungen. Besonders auffällig sind in der Wirklichkeit nach allgemeiner Erfahrung die unterschiedlichen Preisentwicklungen für subventionierte Güter wie Steinkohle, für Heizöl, das wesentlich von Weltmarktpreisen und Steuern abhängt, und etwa für Eier, die in den letzten Jahrzehnten nach der Kaufkraft billiger geworden sind, sowie für stark reglementierte Landwirtschaftserzeugnisse sonstiger Art und für Strom, dessen Preis nach anderen Maßstäben staatlich genehmigt wird.

Als brauchbarster Anhaltspunkt für die somit gebotene richterliche Schätzung des Wertes der verbilligten Hausbrandkohlen bietet sich die Energiebeihilfe an. Diese erhalten die Knappschaftsrentner nach den Manteltarifverträgen in einer etwas geringeren Höhe als die Bergbau-Arbeitnehmer, falls sie mit Gas, Öl oder Strom heizen. Die Höhe wird jährlich durch die Tarifvertragsparteien festgelegt. Dieser Wert, der den wirklichen wirtschaftlichen Verhältnissen näher kommt als die Festsetzungen nach § 3 DV zu § 33 BVG, liegt, wie eine Stichprobenauskunft ergeben hat, beträchtlich unter dem Sachbezugswert, den die Verwaltung mit Hilfe der genannten Tabelle errechnet hat. Den Rentnern kann aber als Bruttoeinkommen nicht mehr angerechnet werden, als was sie bei frei wählbaren anderen Arten des Heizens als Zuwendung erhalten. Die Energiebeihilfe ist als Bemessungsmaßstab für Fälle dieser Art besonders deshalb geeignet, weil einzelne Rentner uU vor Jahren, falls ihnen die Berücksichtigung der Kohlebelieferung beim Berufsschadensausgleich bekannt gewesen wäre, sich auf eine andere, saubere Energieversorgung umgestellt und die Energiebeihilfe in Anspruch genommen hätten. Diese Entscheidung drängte sich ihm damals aber wegen des Vertrauens darauf, daß die verbilligten Kohlen nicht als Bruttoeinkommen bewertet werden, nicht auf.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 254

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