Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherungsschutz beim Bau eines Familienheims

 

Leitsatz (amtlich)

Der Unfallversicherungsträger ist im Rahmen des RVO § 539 Abs 1 Nr 15 grundsätzlich an die Entscheidung der zuständigen Stelle über die Steuerbegünstigung des Bauvorhabens gebunden. Dies gilt auch dann, wenn die vor dem Unfall beantragte Steuerbegünstigung erst nach dem Unfall, aber aufgrund der auch im Zeitpunkt des Unfalls bestehenden Sach- und Rechtslage durch Bescheid anerkannt wurde (Weiterführung von BSG 1968-06-27 2 RU 294/67 = BSGE 28, 134).

 

Orientierungssatz

Hinsichtlich der Wirkungen der Anerkennung der Steuerbegünstigung durch die zuständige Stelle ist der Bauherr, der vor dem Unfall die Anerkennung der Steuerbegünstigung beantragt, die zuständige Stelle darüber jedoch noch nicht entschieden hat, nicht schlechter zu stellen als der Bauherr, bei dem die zuständige Stelle über den Antrag auf Steuerbegünstigung bereits vor dem Unfall positiv entschieden hat. Andernfalls müßte der Bauherr doch bis zu der Entscheidung der zuständigen Stelle warten, um nicht später bei Eintritt eines Unfalles einer negativen Entscheidung des Unfallversicherungsträgers hinsichtlich der Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung ausgesetzt zu sein.

 

Normenkette

RVO § 539 Abs. 1 Nr. 15 Fassung: 1963-04-30

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 10.08.1977; Aktenzeichen L 3 U 12/77)

SG Koblenz (Entscheidung vom 13.10.1976; Aktenzeichen S 8 U 87/76)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. August 1977 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Der Kläger erlitt am 10. September 1975 bei Bauarbeiten an seinem Eigenheim einen Unfall.

Die Kreisverwaltung A hatte dem Kläger vor dem Unfall zu einer Änderung der Baupläne geraten, damit die für die Steuerbegünstigung zulässige Wohnfläche nicht überschritten werde. Der Kläger wies daraufhin - ebenfalls vor dem Unfall - einen ursprünglich als Kinderzimmer vorgesehenen Raum im Obergeschoß als kellermäßig eingerichteten Hobbyraum aus. Auf Anfrage des Beklagten teilte die Kreisverwaltung A zunächst mit, die Voraussetzungen für die Anerkennung als steuerbegünstigte Wohnung hätten bei dem Bauvorhaben im Unfallzeitpunkt nicht vorgelegen, weil die gesetzlich vorgeschriebene Wohnflächengrenze von 156 qm erheblich überschritten werde.

Der Beklagte lehnte Entschädigungsansprüche des Klägers ab, weil es sich nicht um ein steuerbegünstigtes Bauvorhaben gehandelt habe. Mit dem Widerspruch legte der Kläger einen Bescheid der Kreisverwaltung A vom 29. Oktober 1975 über die Anerkennung des Bauvorhabens als steuerbegünstigt vor.

Nach Beiziehung der Bauunterlagen wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zwar habe der Kläger einen zunächst als zweites Kinderzimmer vorgesehenen Raum in der Größe von 23,76 qm jetzt als kellermäßig eingerichteten Hobbyraum ausgewiesen. Diese Änderung rechtfertige jedoch keine andere rechtliche Beurteilung der Wohnfläche und damit der Steuerbegünstigung, auch wenn die Kreisverwaltung den Bau als steuerbegünstigt anerkannt habe.

Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 13. Oktober 1976 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Unfall des Klägers sei kein Arbeitsunfall im Sinne des § 539 Abs 1 Nr 15 der Reichsversicherungsordnung (RVO), da nach der Wohnflächenberechnung die Voraussetzungen für die Anerkennung des Bauvorhabens als steuerbegünstigt nicht gegeben seien. Der Beklagte sei nicht gebunden an den Bescheid vom 29. Oktober 1975, in dem die Kreisverwaltung nachträglich ohne Änderung der Baupläne zu einer anderen Wohnflächenberechnung gekommen sei.

Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 10. August 1977 das Urteil des SG und den Bescheid des Beklagten aufgehoben und den Beklagten verurteilt, den Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 10. September 1975 zu entschädigen. Es hat ausgeführt: Es stehe fest, daß die tatsächlichen Verhältnisse, die zu der späteren Anerkennung der Wohnung als steuerbegünstigt geführt haben, im Unfallzeitpunkt bereits vorhanden waren; denn auf den ursprünglichen Antrag hin habe die Baubehörde dem Kläger zu einer Änderung des Bauplanes geraten. Diese vom Kläger vor dem Unfall vorgenommene Änderung habe zur Anerkennung des Bauvorhabens als steuerbegünstigte Wohnung durch die Kreisverwaltung A geführt. Die Entscheidung darüber, ob ein Bauvorhaben öffentlich gefördert oder steuerbegünstigt werde, obliege den zuständigen Baubehörden. Die durch die zuständigen Stellen ausgesprochene Anerkennung als öffentlich geförderter oder steuerbegünstigter Wohnungsbau gestalte das Rechtsverhältnis zwischen dem antragstellenden Bürger und der öffentlichen Hand und schaffe einen Tatbestand mit Bindungswirkung auch für andere Behörden.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt. Er trägt vor: Die Anerkennung des Bauvorhabens des Klägers als öffentlich geförderter bzw steuerlich begünstigter Wohnungsbau binde nur die Finanzbehörden und die Finanzgerichte, nicht die Träger der sozialen Unfallversicherung. Diese hätten vielmehr das Vorliegen der Voraussetzungen für § 539 Abs 1 Ziff 15 RVO und damit auch die Frage, ob die unfallbringende Tätigkeit im Rahmen beabsichtigter Schaffung geförderten oder steuerbegünstigten Wohnungsbaus geschehen sei, selbständig zu prüfen und zu entscheiden. Der Kläger habe von Anfang an den Bau einer übergroßen, die Steuerbegünstigung ausschließenden Wohnung geplant und diesen Plan aufrechterhalten. Er habe lediglich ein Zimmer im Obergeschoß der zuständigen Behörde gegenüber auf deren Anregung hin als kellerartigen Hobbyraum ausgewiesen. Die zuständige Kreisverwaltung habe demnach wissentlich rechtswidrig bzw im Wissen um seine Rechtswidrigkeit den Bescheid erteilt, nachdem sie selbst mit Schreiben vom 26. September 1975 die ihrem späteren Bescheid entgegenstehende Rechtsauffassung mitgeteilt hatte. Der Verwaltungsakt der Kreisverwaltung A leide daher an einem besonders schwerwiegenden Fehler, der bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig sei. Deshalb sei dieser Bescheid nichtig.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Koblenz vom 13. Oktober 1976 zurückzuweisen,

hilfsweise,

die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (s § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die zulässige Revision ist insoweit begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist der Kläger bei Bauarbeiten an seinem Eigenheim verunglückt. Der Versicherungsschutz gemäß § 539 Abs 1 Nr 15 RVO ist jedoch außerdem davon abhängig, daß durch das Bauvorhaben öffentlich geförderte oder - was hier allein in Betracht kommt - steuerbegünstigte Wohnungen geschaffen werden sollen. Ob das Bauvorhaben im Unfallzeitpunkt den Voraussetzungen für eine Steuerbegünstigung entsprochen hat, bildet somit eine Vorfrage für die Entscheidung über den Versicherungsschutz bei Selbsthilfearbeiten am Bau eines Familienheims (vgl allgemein zum Begriff der Vorfrage Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-8. Aufl, S. 190 k IV B mit weiteren Nachweisen). Vorfragen werden grundsätzlich von den für die Hauptfrage zuständigen Verwaltungsstellen oder den zur Entscheidung über die Hauptfrage angerufenen Gerichten mitentschieden (s Brackmann aaO S. 190 k V). Der Senat hat demgemäß bereits in seinem Urteil vom 27. Juni 1968 (BSGE 28, 134, 135; s auch BSG SozR Nr 21 zu § 539 RVO und Urteil vom 25. August 1971 - 2 RU 207/68 - und das Urteil des 8. Senats des BSG vom 28. Oktober 1976 - SozR 2200 § 539 Nr 27) entschieden, daß der Unfallversicherungsschutz für die beim Bau eines steuerbegünstigten Familienheimes im Rahmen der Selbsthilfe Tätigen davon abhängt, daß das Bauvorhaben im Unfallzeitpunkt den Voraussetzungen für die spätere Anerkennung entsprochen hat; wann die Steuerbegünstigung beantragt oder durch Bescheid anerkannt wurde, ist unerheblich. Ist keine bindende Entscheidung der zuständigen Stelle über die Steuerbegünstigung ergangen, so haben der Unfallversicherungsträger und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit im Rahmen des Verfahrens über die Feststellung des Unfallversicherungsschutzes selbständig zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Steuerbegünstigung des Bauvorhabens erfüllt sind.

Die Steuerbegünstigung des Bauvorhabens des Klägers hat die zuständige Stelle jedoch festgestellt. Diese Entscheidung ist zwar erst nach dem Unfall ergangen; sie beruht aber auf den bereits im Unfallzeitpunkt bestehenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen. Nach den Feststellungen des LSG hatte der Kläger bereits vor dem Unfall seine Baupläne geändert und einen Raum im Obergeschoß als kellermäßig eingerichteten Hobbyraum ausgewiesen sowie die geänderten Baupläne bei der Kreisverwaltung eingereicht. Von dem Grundsatz, daß die Verwaltungsstelle und die Gerichte Vorfragen selbständig zu entscheiden haben, bestehen jedoch nicht nur die in Einzelvorschriften ausdrücklich festgelegten Ausnahmen (s Brackmann aaO S. 190 k VI). Es ist darüber hinaus in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, daß grundsätzlich eine Bindung nicht nur bei rechtsgestaltenden, sondern bei allen Verwaltungsakten anderer Stellen anzunehmen ist, es sei denn, daß der Verwaltungsakt nichtig ist (vgl ua RGZ 162, 181, 191; 168, 129, 137; BGHZ 24, 386, 392; 48, 239, 241; BGHSt 19, 334, 337; Brackmann aaO S. 190 k VII mit weiteren zahlreichen Nachweisen; Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl, 1977, § 40 Rdn 25 ff; Kopp, VwGO, 3. Aufl, 1977, § 40 Anm 6 und § 121 Anm 2; Merk, Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Bd, 1962, § 5 II S. 118 ff; Redeker/v. Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl, 1975, § 40 Rdn 36 und § 121 Rdn 9; Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 6. Aufl, 1971, § 34 II, S. 164 und § 46 III 2 S. 204). Nach dieser Auffassung, der auch der Senat weiterhin folgt, kann es demnach dahinstehen, ob die Entscheidung der für die Steuerbegünstigung zuständigen Stelle rechtsgestaltend ist; denn selbst wenn dies nicht der Fall ist, sind die Unfallversicherungsträger und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit grundsätzlich an den Verwaltungsakt über die Anerkennung oder Ablehnung der Steuerbegünstigung auch bei der Entscheidung über den Unfallversicherungsschutz gebunden (aA wohl Bensemann, BG 1974, 478, 479 und 1975, 113).

Sinn und Zweck des § 539 Abs 1 Nr 15 RVO bestätigen, daß auch bei Anwendung dieser Vorschrift eine Bindung an den Verwaltungsakt der für die Entscheidung über die Steuerbegünstigung zuständigen Stelle besteht. Für Selbsthilfearbeiten an einem Bauvorhaben im Sinne des § 539 Abs 1 Nr 15 RVO verrichtenden Personen kann die Entscheidung über die Steuerbegünstigung hinsichtlich des Unfallschutzes gleiche oder sogar größere Bedeutung haben als für die zu erwartende Steuerersparnis. So kann vor allem für Personen mit niedrigeren und mittleren Einkommen, die auf Selbsthilfearbeiten besonders angewiesen sind, der Versicherungsschutz bei diesen Arbeiten sich nicht nur bei ganz schweren Verletzungen, wie zB Querschnittslähmungen, sondern auch schon bei anderen größeren dauernden Unfallfolgen finanziell wesentlich stärker auswirken als die Steuerbegünstigung. Deshalb muß ein Bauherr, der bei einem als steuerbegünstigt anerkannten Bauvorhaben Selbsthilfearbeiten erbringt, auch hinsichtlich des Versicherungsschutzes nach § 539 Abs 1 Nr 15 RVO auf die von ihm wesentlich mit aus diesem Grunde angestrebte und vor dem Unfall erreichte Anerkennung der Steuerbegünstigung durch die zuständige Stelle vertrauen können. Dies führt aber dazu, daß der Unfallversicherungsträger nicht nachträglich für den Versicherungsschutz davon ausgehen darf, die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung lägen entgegen der Anerkennung durch die zuständige Stelle nicht vor. Der Kläger konnte allerdings im Zeitpunkt des Unfalles noch nicht auf eine bereits ausgesprochene Anerkennung der Steuerbegünstigung durch die zuständige Stelle vertrauen. Der Senat hat jedoch bereits in seinem Urteil vom 25. August 1971 (2 RU 207/68) ua ausgeführt, daß dies keine andere Beurteilung rechtfertigt. Anderenfalls würde dies in der Praxis bedeuten, daß ein Bauherr, welcher sein Bauvorhaben in Selbsthilfe ausführen will, nach Erteilung der Baugenehmigung nicht mit dem Bau beginnen könnte, sondern - um den Unfallversicherungsschutz nicht zu verlieren - damit warten müßte, bis die nach § 83 Abs 1 des 2. Wohnungsbaugesetzes vom 27. Juni 1956 (BGBl I 523 - idF bis zum 31. März 1976 - II. WoBauG) zuständige Behörde, welche zur Durchführung ihres Verfahrens die von der Bauaufsichtsbehörde genehmigten Bauzeichnungen benötigt, die Anerkennung der Wohnung als steuerbegünstigt ausgesprochen hat. Eine solche, gerade für einen nicht mit ausreichenden Finanzierungsmitteln ausgestatteten Bauherrn sich bei ständig steigenden Baupreisen besonders nachteilig auswirkende zeitliche Verzögerung des Baubeginns wird, wie der Senat auch schon früher näher dargelegt hat (BSGE 28, 134, 135), vom Gesetz nicht gefordert. Diese Erwägungen rechtfertigen es auch hier, hinsichtlich der Wirkungen der Anerkennung der Steuerbegünstigung durch die zuständige Stelle den Bauherrn, der vor dem Unfall die Anerkennung der Steuerbegünstigung beantragt, die zuständige Stelle darüber jedoch noch nicht entschieden hat, nicht schlechter zu stellen als den Bauherrn, bei dem die zuständige Stelle über den Antrag auf Steuerbegünstigung bereits vor dem Unfall positiv entschieden hat. Anderenfalls müßte der Bauherr doch bis zu der Entscheidung der zuständigen Stelle warten, um nicht später bei Eintritt eines Unfalles einer negativen Entscheidung des Unfallversicherungsträgers hinsichtlich der Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung ausgesetzt zu sein.

Die Ansicht, daß der Unfallversicherungsträger an die nach dem Unfall ergangene Entscheidung der für die Anerkennung eines Bauvorhabens als steuerbegünstigt zuständigen Stelle gebunden ist, wenn diese Stelle aufgrund der im Unfallzeitpunkt vorhandenen Umstände und aufgrund unveränderter Rechtslage die Steuerbegünstigung anerkannt hat, vermeidet divergierende Entscheidungen dieser Stelle und des Unfallversicherungsträgers über die Steuerbegünstigung. Dabei ist zu beachten, daß die Anerkennung als steuerbegünstigte Wohnung gemäß § 82 II. WoBauG abgesehen von dem wohl seltenen Fall, daß - wie hier - ein lediger Bauherr das Bauvorhaben durchführt, hinsichtlich der im Regelfall wesentlichen Wohnflächengrenzen erhebliche Ausnahmemöglichkeiten eröffnet (s § 82 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 II. WoBauG), die schon ausgehend von der unterschiedlichen Interessenlage nicht selten zu unterschiedlichen Entscheidungen der zuständigen Stelle und des Unfallversicherungsträgers führen könnten und auch würden. Zu vermeidende unterschiedliche Entscheidungen in diesem Sinne kommen allerdings nur in Betracht, wenn - was hier stets vorausgesetzt wurde - die nach dem Unfall ergangene Entscheidung der zuständigen Stelle aufgrund der im Unfallzeitpunkt vorhandenen tatsächlichen Umstände und aufgrund gleicher Rechtslage ergangen ist.

Bei diesen Fallgestaltungen besteht auch eine hinreichende Gewähr dafür, daß der Unfallversicherungsschutz nicht nach Eintritt des Unfalles manipuliert werden kann (vgl hierzu bereits BSGE 28, 134, 136; BSG Urteil vom 25. August 1971 - RU 207/68). Hat der Bauherr erst nach dem Unfall die Baupläne geändert und ist die Steuerbegünstigung aufgrund dieser Änderung anerkannt worden, hat der Unfallversicherungsträger selbständig zu prüfen und zu entscheiden, ob aufgrund der hiervon abweichenden tatsächlichen Umstände vor dem Unfall die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung gegeben waren. Insoweit liegt dann eine Entscheidung der zuständigen Stelle im Sinne des II. WoBauG über denselben tatsächlichen Sachverhalt und aufgrund gleicher Rechtslage nicht vor.

In Rechtsprechung und Schrifttum (s die oben angeführten Nachweise) ist allerdings ebenfalls anerkannt, daß eine Bindung an nichtige Verwaltungsakte anderer Verwaltungsstellen nicht besteht. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Verwaltungsakt der Kreisverwaltung A vom 29. Oktober 1975 jedoch nicht nichtig. Es bedarf auch in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung, ob die Kreisverwaltung A zu Recht davon ausgegangen ist, daß es sich bei dem betreffenden Raum im Obergeschoß des Wohnhauses des Klägers um einen Hobbyraum handelt und daß ein im Wohnbereich gelegener Hobbyraum jedenfalls dann bei der Wohnflächenberechnung außer Ansatz bleibt, wenn das Haus nicht unterkellert ist. Selbst wenn die Kreisverwaltung A mit ihrer Auffassung im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) stehen sollte (s BVerwG ZMR 1974, 62; vgl auch Fischer-Diskau/Pergande/Schwender, Wohnungsbaurecht, Bd 4, Zweite Berechnungs-VO § 42 Anm 9; Schade/Schubart, Wohnungsbaurecht, Anhang 3, II. BVO § 42 Anm 6), würde der Verwaltungsakt dadurch lediglich rechtswidrig, nicht aber nichtig sein. Es kann deshalb ebenfalls dahinstehen, ob die zitierte Entscheidung des BVerwG und die Nachweise im Schrifttum auch die Fälle betreffen, in denen das Wohnhaus nicht unterkellert ist. Für die Behauptung der Revision, die Kreisverwaltung A habe den Verwaltungsakt vom 29. Oktober 1975 bewußt unrichtig erlassen, sind - unabhängig davon, ob dies allein zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führen würde - den tatsächlichen Feststellungen des LSG und auch dem Vorbringen des Beklagten in den Tatsacheninstanzen keine Anhaltspunkte zu entnehmen.

Das LSG ist somit im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß der Beklagte an die Entscheidung der zuständigen Stelle über die Steuerbegünstigung des Bauvorhabens des Klägers gebunden ist.

Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist aber nicht zu entnehmen, ob die Selbsthilfe des Klägers nach Art und Umfang für die Finanzierung seines Bauvorhabens erhebliche Bedeutung hatte (vgl BSGE 28, 122, 126). Das LSG hat bisher nicht festgestellt, daß der durch den Wert der Selbsthilfe gegenüber den üblichen Unternehmerkosten ersparte Betrag wenigstens 1,5 vH der Gesamtkosten des Bauvorhabens gedeckt hat (BSG aaO S. 127). Zum Nachholen der hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen war der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das LSG zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1654193

BSGE, 258

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