Leitsatz (amtlich)

1. Zum Begriff der Selbsthilfe iS des RVO § 539 Abs 1 Nr 15 gehört es nicht, daß sie im Finanzierungsplan des Bauvorhabens (2. WoBauG § 36 Abs 1) vorgesehen ist.

2. Eine Selbsthilfe, die nach Art und Umfang für die Finanzierung des Bauvorhabens keine erhebliche Bedeutung hat, begründet den nach RVO § 539 Abs 1 Nr 15 beitragsfreien Versicherungsschutz nicht. Der durch den Wert der Selbsthilfe gegenüber den üblichen Unternehmerkosten ersparte Betrag muß in der Regel wenigstens 1,5 % der Gesamtkosten des Bauvorhaben decken.

 

Normenkette

RVO § 539 Abs. 1 Nr. 15 Fassung: 1963-04-30; WoBauG 2 § 36 Abs. 1 Fassung: 1961-08-01

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 16. Juni 1967 wird aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Die Klägerinnen sind die Hinterbliebenen des am 31. Mai 1964 gestorbenen Bankkaufmanns E (Z.). Dieser wurde am 28. Mai 1964 von einem tödlichen Verkehrsunfall betroffen.

Die Eheleute Z. hatten im Jahre 1961 mit der Firma B und F GmbH in H einen Kaufanwartschaftsvertrag über den Erwerb eines Reiheneigenheims abgeschlossen. Das Eigenheim sollte nach Entrichtung der Kaufsumme von ca. 59.500 DM schlüsselfertig an die Käufer übergeben werden. Bei dem Bauvorhaben handelte es sich um ein nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (Wohnungsbau- und Familienheimgesetz) in der damals geltenden Fassung vom 1. August 1961 (BGBl I 1121) - II. WoBauG - mit öffentlichen Mitteln gefördertes Kaufeigenheim. Nach dem Finanzierungsplan hatten sich die Eheleute Z. zu einer Eigenleistung von 3.900 DM in Geld verpflichtet. Der Bau des Kaufeigenheims wurde im Juli 1964 fertiggestellt. Im Laufe der Durchführung des Baues hatte Z. verschiedene Arbeiten an dem Bau selbst verrichtet. Der tödliche Unfall ereignete sich, als Z. zur Vornahme solcher Arbeiten zur Baustelle unterwegs war.

Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 26. Januar 1965 die Entschädigungsansprüche mit der Begründung ab, Z. sei nicht im Rahmen der Selbsthilfe gem. § 539 Abs. 1 Nr. 15 der Reichsversicherungsordnung (RVO) tätig gewesen und könne daher auch nicht auf dem zum Unfall führenden Weg nach § 550 RVO unter Versicherungsschutz gestanden haben.

Mit der Klage hiergegen haben die Klägerinnen geltend gemacht, Z. habe durch seine nach mündlicher Absprache mit dem Bauträger geleistete eigene Mithilfe beim Bau dazu beigetragen, während der Bauzeit eingetretene Kostensteigerungen zu decken; dadurch seien ca. 12.000 DM erspart worden.

Das Sozialgericht (SG) Hamburg hat die Klage abgewiesen. Es ist der Ansicht, Z. habe keine Arbeitsleistungen erbracht, welche der Durchführung des Bauvorhabens gedient hätten; seine Mithilfe sei nicht notwendig gewesen, um das Eigenheim zu erstellen, da dieses auch ohne sie an die Eheleute Z. schlüsselfertig übergeben worden wäre.

Die Berufung der Klägerinnen gegen dieses Urteil hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 16. Juni 1967 zurückgewiesen. Zur Begründung ist u. a. ausgeführt: Der für die Begriffsbestimmung der Selbsthilfe im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO maßgebende § 36 des II. WoBauG sei vor allem nach dessen sozialpolitischem Zweck auszulegen. Auszugehen sei davon, daß den für die Errichtung des Eigenheims notwendigen öffentlichen Mitteln eine angemessene Eigenleistung des Bauherrn bzw. des diesem bei einem Kaufeigenheim gleichstehenden Bewerbers zur Deckung der Gesamtkosten des Baues gegenüberstehen solle. Eigenleistung durch Selbsthilfe, die ein Finanzierungsmittel sei, liege vor, wenn das erforderliche Eigenkapital nicht ausreiche und ohne sie das Eigenheim nicht errichtet werden könnte. Dieser ursächliche Zusammenhang bedinge, daß die Selbsthilfeleistung von vornherein in dem bestimmten Umfang sichergestellt und ihr Wert im Finanzierungsplan mit dem Betrag eingesetzt werde, der gegenüber den üblichen Kosten der Unternehmerleistung erspart werde. Zu einer derartigen Leistung hätten sich die Eheleute Z. jedoch nicht verpflichtet. Der Begriff der Selbsthilfe sei nicht nur dem Abs. 2 des § 36 des II. WoBauG zu entnehmen, sondern werde durch die miteinander korrespondierenden Absätze 1 bis 3 dieser Vorschrift bestimmt und abgegrenzt. Nur derjenige Selbsthelfer, der allen diesen Vorschriften, vor allem auch dem Abs. 1 genüge, könne bei seiner Tätigkeit bei dem Bau des Familienheims für sein der Gesamtheit zugute kommendes Verhalten nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO beitragsfrei gegen Arbeitsunfälle versichert sein. Dieses Ergebnis folge auch aus der Rechtsentwicklung.

Das LSG hat die Revision zugelassen. Das Urteil ist den Klägerinnen am 6. Juli 1967 zugestellt worden. Sie haben gegen das Urteil am 4. August 1967 Revision eingelegt und diese am 31. August 1967 wie folgt begründet: Das LSG habe § 36 des II. WoBauG unrichtig angewandt. Zum Begriff der Selbsthilfe gehöre es nicht, daß sie in dem Finanzierungsplan ausgewiesen werde; ausschlaggebend sei, daß Z. zu dem Personenkreis gehört habe, dem durch den öffentlich geförderten Wohnungsbau habe geholfen werden sollen. Allein deshalb sei er auch schutzwürdig im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO gewesen. Die Arbeiten, welche Z. habe aufnehmen wollen, als er sich auf dem unfallbringenden Weg befand, hätten auch eine solche Selbsthilfe dargestellt. Er habe am Fußboden im Spitzboden des Hauses schaffen wollen. Diese Arbeit habe im Finanzierungsplan noch gar nicht vorgesehen werden können, da sie ursprünglich nicht geplant gewesen sei. Erst nachträglich habe sich herausgestellt, daß ein solcher Fußboden nach den baupolizeilichen Vorschriften habe angelegt werden müssen. Überdies könne der Versicherungsschutz schon deshalb nicht davon abhängen, daß die Selbsthilfearbeiten im Finanzierungsplan mitaufgenommen wären, weil sie - ob mit oder ohne Aufnahme - dieselbe manuelle Tätigkeit erforderten und für die Errichtung des Baues ein und dieselbe Bedeutung hätten. Die zusätzlichen Arbeiten Z. s seien mit etwa 12.000 DM zu veranschlagen. Irgendein besonderes Interesse daran, daß die fraglichen Arbeiten Z. s außerhalb des Finanzierungsplans hätten laufen sollen, habe niemand gehabt. Es wäre auch mit der grundsätzlichen Erweiterung des Versicherungsschutzes durch § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO nicht zu vereinbaren, diesen Versicherungsschutz in der vom LSG praktizierten Weise wieder einzuschränken. Zu verlangen, daß die Selbsthilfearbeiten im Finanzierungsplan erschienen, liefe darauf hinaus, den Versicherungsschutz von einem förmlichen Erfordernis abhängig zu machen. Es könne auch der Fall eintreten, daß neben Selbsthilfearbeiten, die im Finanzierungsplan eingetragen sind, weitere Eigenarbeiten von gleicher Bedeutung für den Bau ausgeführt werden müßten. Diese letzteren Arbeiten vom Versicherungsschutz auszuschließen, wäre nicht verständlich. Schließlich könnten auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Ausstattung des Bauvorhabens Bedenken gegen den Versicherungsschutz hergeleitet werden; es handele sich um ein relativ einfach ausgestattetes Eigenheim des Z.

Die Klägerinnen beantragen,

die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Klägerinnen aus Anlaß des tödlichen Unfalles ihres Ehemannes und Vaters Leistungen aus der Unfallversicherung nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Z. habe es nicht nötig gehabt, bei der Errichtung des Kaufeigenheims selbst mit Hand anzulegen; denn der Bau hätte ihm schlüsselfertig übergeben werden müssen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

II

Die Revision ist zulässig. Sie hatte auch insofern Erfolg, als das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen war.

Die Entscheidung über den Anspruch der Klägerinnen auf Hinterbliebenenentschädigung hängt davon ab, ob Z., der im Zeitpunkt seines tödlichen Unfalls zur Baustelle seines Kaufeigenheims unterwegs war, um an dem Bau mitzuhelfen, hierbei im Rahmen der Selbsthilfe nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 Satz 1 RVO tätig geworden wäre. Das LSG hat dies mit der Begründung verneint, es könne sich bei der beabsichtigten Arbeitsleistung Z. s schon deshalb nicht um eine solche Selbsthilfe gehandelt haben, weil sie nicht im Finanzierungsplan des Bauvorhabens vorgesehen gewesen sei. Diese Auffassung ist nach der Meinung des erkennenden Senats nicht zu billigen. Das LSG hat den Begriff der Selbsthilfe im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO verkannt. Es ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß nach Satz 3 dieser Vorschrift für die Bestimmung des Begriffs der Selbsthilfe § 36 des II. WoBauG in der Fassung vom 1. August 1961 (BGBl I 1121) maßgebend ist. Daß dieses Gesetz nicht mehr in dieser Fassung, sondern in der vom 1. September 1965 (BGBl I 1617) gilt, ist für die Beurteilung des vorliegenden Streitfalles unerheblich, da sich die Vorschriften, soweit sie hierfür in Betracht kommen, insbesondere § 36, nicht geändert haben. Der Begriff der Selbsthilfe ist allerdings im Gesetz weder in dieser Vorschrift noch an einer anderen Stelle definiert (vgl. Linthe in BG 1956, 388). Da es sich aber im vorliegenden Streitfall um ein im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau errichtetes Familienheim handelt und daher insoweit nach § 3 Abs. 2 a des II. WoBauG § 36 gilt, hat das LSG auf jeden Fall zu Recht diese Vorschrift der erforderlichen Klarstellung des umstrittenen Begriffs der Selbsthilfe zugrunde gelegt. Es hat jedoch der in Abs. 1 des § 36 enthaltenen Regelung eine Bedeutung beigemessen, die weder mit ihrem Wortlaut noch mit ihrem Sinngehalt in Einklang zu bringen ist.

Bei einem im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau errichteten Familienheim muß der Bauherr, dem bei einem Kaufeigenheim der Bewerber gleichsteht (§ 36 Abs. 4), durch eine eigene Leistung zur Finanzierung des Bauvorhabend beitragen (§§ 34 und 35). Diese Eigenleistung darf er nach § 36 ganz oder teilweise durch Selbsthilfe erbringen. Danach ist die Selbsthilfe eine echte Eigenleistung im Sinne der §§ 34 und 35 (vgl. Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Komm. z. II. WoBauG, Bd. I S. 477 Anm. 3 zu § 36). Die Eigenleistung dient der Deckung der Gesamtkosten des Bauvorhabens. Erst wenn die Beteiligung des Bauherrn an dieser Kostendeckung gesichert ist, dürfen die öffentlichen Mittel bewilligt werden. Die Bewilligungsstelle muß sich also vor der Hergabe solcher Mittel durch entsprechende Beweisunterlagen vergewissern, daß die Eigenleistung auch wirklich erbracht wird. Das bereitet bei Finanzierungsmitteln, die in der Form von Bargeld, Darlehen, Lieferung von Baustoffen u. ä. geleistet werden, im allgemeinen keine Schwierigkeit. Anders verhält es sich jedoch bei der Selbsthilfe. Hier ist der an sich schon bei der Stellung des Antrags auf die öffentliche Bauförderung fällige Nachweis wegen der erst künftig zu erbringenden Leistung naturgemäß nicht in der Form möglich wie bei den angeführten anderen Eigenleistungen. Da aber auch insoweit die Bewilligungsstelle nicht auf einen entsprechenden Nachweis verzichten kann, ist in Abs. 1 des § 36 des II. WoBauG eine gesetzliche Regelung getroffen worden, welche den Interessen der Bewilligungsstelle wie des Bauherrn gleichermaßen gerecht wird. Nach dieser Regelung gilt die Zusage des Bauherrn, die Eigenleistung ganz oder teilweise durch Selbsthilfe zu erbringen, als sichergestellt, wenn nach der schriftlichen Erklärung eines Betreuungsunternehmens oder der Gemeinde die Gewähr besteht daß die Selbsthilfe in dem im Finanzierungsplan vorgesehenen Umfang geleistet wird. Auf diesen lediglich in einer Erleichterung des Nachweises der versprochenen Selbsthilfe bestehenden Zweck beschränkt sich die Regelung. Eine weitergehende Bedeutung ist ihr entgegen der Ansicht des LSG auch nicht nach dem Sinnzusammenhang mit dem Inhalt der Absätze 2 und 3 des § 36 zu entnehmen. Ein solcher Zusammenhang besteht zwar zweifellos; aus ihm läßt sich jedoch keine Bestimmung des Begriffs der Selbsthilfe herleiten. In Abs. 2 ist lediglich eine - nicht erschöpfende - Erläuterung dieses Begriffs gegeben; nach ihr gehören zur Selbsthilfe die Arbeitsleistungen, die zur Durchführung eines Bauvorhabens von dem Bauherrn selbst, von seinen Angehörigen oder von anderen unentgeltlich und auf Gegenseitigkeit erbracht werden; Abs. 3 bestimmt, daß der Wert der Selbsthilfe mit dem Betrag als Eigenleistung anzuerkennen ist, der gegenüber den üblichen Kosten der Unternehmerleistung erspart wird. Diesen Regelungen, einschließlich der in Abs. 1, ist gemeinsam, daß sie den Begriff der Selbsthilfe - möglicherweise auf Grund des allgemeinen Sprachgebrauchs (vgl. Linthe in BG 1956, 388) - als gegeben voraussetzen und keine ihn bestimmenden Merkmale enthalten. Demzufolge kann es, da auch aus § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO nichts Gegenteiliges herzuleiten ist, nicht zum Begriff der Selbsthilfe im Sinne dieser Vorschrift gehören, daß sie im Finanzierungsplan des Bauvorhabens vorgesehen ist.

Die gegenteilige Auffassung des LSG wäre überdies auch nicht mit dem sozialpolitischen Zweck der Selbsthilfe als Eigenleistung vereinbar. Denn im öffentlichen Interesse liegt es, die Bauförderungsmaßnahmen denjenigen Personen zugute kommen zu lassen, die mit ihrer Muskelkraft stärker als finanzielle Leistungen dies vermögen, eine innere Verbundenheit mit dem durch Selbsthilfe geschaffenen Familienheim begründen (Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender aaO S. 474 Anm. 1 zu § 36). Gerade diesem Zweck dient vornehmlich die Einführung des beitragsfreien Versicherungsschutzes. Es hieße, diesen Zweck außer acht zu lassen, wenn der Versicherungsschutz mit der auf ein bloß formales Argument hinauslaufenden Begründung des angefochtenen Urteils auszuschließen wäre.

Hinzu kommt, daß sich nach einem im Recht der Sozialversicherung allgemein anerkannten Grundsatz die Beurteilung der Voraussetzungen für den Versicherungsschutz in erster Linie nach der Gestaltung der tatsächlichen Verhältnisse richtet. Hierfür kommt es bei der Frage, was unter dem Tätigwerden im Rahmen der Selbsthilfe nach § 539 RVO zu verstehen ist, nicht auf die im Finanzierungsplan festgelegten vertraglichen Vereinbarungen, sondern auf die beim Bau des Familienheims in Wirklichkeit erbrachte tätige Mithilfe des Bauherrn oder der ihn beim Bau unentgeltlich unterstützenden Personen an. Die Gründe, die einen Bauherrn veranlassen können, bei der Ausführung des Bauvorhabens durch Selbsthilfe mitzuwirken, sind nicht so eng mit der Planung des Baues verbunden, daß sie schon zu deren Zeit vorhanden sein müßten. Wie auch die Gegebenheiten des vorliegenden Falles zeigen, kann es sich erst während der Durchführung des Baues herausstellen, daß dessen Finanzierung eine zusätzliche Eigenleistung notwendig macht. Dies kann auf eine Steigerung der im Finanzierungsplan vereinbarten Baukosten zurückzuführen sein, welche der Bauherr nicht durch Kapitalleistung abzufangen; wohl aber durch eigene Mithilfe bei den der Durchführung des Bauvorhabens dienenden Arbeitsleistungen auszugleichen in der Lage ist. Solche Mehrkosten können auch durch unvorhergesehene technisch notwendig gewordene Bauarbeiten entstehen, z. B. weil der Baugrund stärker befestigt werden muß oder besondere Stützarbeiten unerläßlich sind. Auch eine solche eigene Mitarbeit des Bauherrn stellt eine Eigenleistung durch Selbsthilfe im Sinne des § 36 des II. WoBauG dar. Sie dient der Deckung der Gesamtkosten des Bauvorhabens und ist ebenso wie die von vornherein im Finanzierungsplan vorgesehene Selbsthilfe geeignet, den mit ihr vom Gesetzgeber beabsichtigten besonderen Zweck zu erfüllen, nämlich stärker als finanzielle Leistungen es vermögen, eine innere Verbundenheit des Bauherrn mit dem durch eigenes Mitschaffen errichteten Familienheim zu begründen, vor allem wenn auch weitere Familienangehörige am Bau mithelfen (vgl. Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender aaO S. 474 Anm. 1 zu § 36). Um den Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO begründen zu können, ist es hiernach erforderlich, aber auch genügend, daß die Selbsthilfe in dem dargelegten Sinne für die Durchführung des Bauvorhabens ursächlich ist. Sie muß nicht mangels ausreichenden Eigenkapitals der einzige Weg sein, auf dem es möglich wäre, den geplanten Bau durchzuführen. Im Rahmen des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaues muß es dem Bauherrn vielmehr freistehen, die Eigenleistung ganz oder teilweise in der Form der Selbsthilfe zu erbringen, auch wenn sie ihm durch Kapitalaufwand möglich wäre (a. A. Lauterbach, UV, 3. Aufl., Bd. 1 S. 154 Anm. 93 zu § 539 RVO).

Als Selbsthilfearbeiten im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO kommen schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift nur Tätigkeiten in Betracht, die reine Bauarbeiten sind und im allgemeinen von Betrieben des Bauhaupt- oder Baunebengewerbes ausgeführt werden und den Bauunternehmern obliegen (vgl. Schöppner in Die Gemeindeunfallversicherung 1963, 89, 91; Vollmar in Die Sozialversicherung 1967, 280, 283).

Derartige Arbeiten vermögen den Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO jedoch nicht zu begründen, wenn die vorgesehene Selbsthilfe ihrem Werte nach (§ 36 Abs. 3 des II. WoBauG) im Verhältnis zu den Gesamtkosten des Bauvorhabens keine erhebliche Bedeutung hat. Da die Selbsthilfe eine echte Eigenleistung ist, deren Funktion beim Bau eines Familienheims die Mitfinanzierung des Bauvorhabens ist, kommt es für die Frage, ob und wann sie einen den Versicherungsschutz begründenden Umfang hat, auf ihren Finanzierungseffekt für das Bauvorhaben an. Die Beantwortung dieser Frage kann zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, wenn es an einem allgemein gültigen Maßstab für die Abgrenzung dieses Umfangs fehlt. Im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung und der dadurch gewährleisteten Rechtssicherheit ist es daher geboten, nach einer von objektiven Merkmalen bestimmten Grenze zu suchen, unterhalb derer eine Tätigkeit im Rahmen der Selbsthilfe nicht mehr als in dem vorstehenden Sinn erheblich erachtet werden kann. Hierfür bietet sich nach der Meinung des erkennenden Senats eine vergleichbare Grenzziehung in der Konkretisierung dessen an, was nach §§ 34 bis 36 des II. WoBauG als angemessene Eigenleistung erforderlich ist. Diese Konkretisierung haben, da sie dem Gesetz selbst nicht zu entnehmen ist, die Länder in ihren Wohnungsbauförderungsbestimmungen (WFB) vorgenommen. Sie haben vorgeschrieben, was als "angemessene Leistung" anzusehen ist, und zwar ausgedrückt in einem Prozentsatz der Gesamtkosten des Bauvorhabens. Als Regel sollen nach den Bestimmungen der meisten Länder 15 v. H. dieser Kosten gelten, im Freistaat Bayern 20 v. H.; die unterste Grenze ist mit 10 v. H. dieser Kosten festgesetzt (vgl. Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender aaO S. 434 Anm. 1 zu § 34).

In diesen Bestimmungen der Länder ist ein brauchbarer Ansatzpunkt für eine Konkretisierung auch des für den Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO erforderlichen Mindestumfangs der Selbsthilfe zu sehen. Dabei geht der erkennende Senat von dem annähernden Mittelwert der Länderregelungen, nämlich von 15 v. H., aus. Daß jedoch dieser Prozentsatz nicht ohne weiteres übernommen werden kann, ergibt sich bereits aus den §§ 34 bis 36 des II. WoBauG. Denn nach diesen Vorschriften kann die erforderliche Eigenleistung auch nur teilweise durch Selbsthilfe erbracht werden. Dieses Ergebnis wird noch unterstrichen durch die unterschiedliche Interessenlage, die für die Funktion der Selbsthilfe einerseits als Voraussetzung für die öffentliche Bauförderung und andererseits als ein den Versicherungsschutz begründendes Tatbestandsmerkmal bestimmend ist. Wäre der Versicherungsschutz von der Leistung einer Selbsthilfe in demselben Mindestbetrag der Gesamtkosten des Bauvorhabens abhängig, der für die Bewilligung der öffentlichen Mittel erforderlich ist, verlöre § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO weitgehend seine praktische Bedeutung. Die Schutzbedürftigkeit nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO betrifft nämlich, wie keiner näheren Erörterung bedarf, auch diejenigen, die - z. B. als Rentner - nach einem langen Arbeitsleben sich mit ihren Ersparnissen und zusätzlicher eigener Mithilfe ein Familienheim schaffen wollen und die ihre herabgesetzte körperliche Leistungsfähigkeit durch eine finanzielle Eigenleistung ausgleichen müssen. Es gilt jedoch, betragsmäßig den Grenzwert der Selbsthilfe zu finden, von dem an diese für die Finanzierung des Bauvorhabens nicht mehr erheblich ist. Den praktischen Bedürfnissen, deren Beachtung bei einer solchen Grenzziehung Vorrang hat, wird in der Regel am ehesten ein Betrag gerecht, der sich in einem Zehntel des vorstehend angeführten Ausgangswertes von 15 v. H. der Gesamtkosten des Bauvorhabens ausdrückt. Hiernach liegt eine den Versicherungsschutz nach § 539 Abs. 1 Nr. 15 begründende Selbsthilfe im allgemeinen nicht vor, wenn der Wert der eigenen Arbeitstätigkeit weniger als 1,5 v. H. der Gesamtkosten des Bauvorhabens beträgt. Diese Grenzziehung dürfte alle bei der Anwendung dieser Vorschrift erwägenswerten Interessen gebührend berücksichtigen.

Die Entscheidung über den Versicherungsschutz des Verunglückten Z. hängt sonach von tatsächlichen Feststellungen ab, welche das LSG bei seiner Rechtsauffassung zwar nicht in Betracht zu ziehen brauchte, deren Erheblichkeit sich jedoch aus den vorstehend dargelegten rechtlichen Gesichtspunkten ergibt. Dem LSG obliegt es nunmehr, diese Feststellungen zu treffen. Das Bundessozialgericht konnte daher in der Sache nicht selbst entscheiden. Das angefochtene Urteil mußte somit aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

BSGE, 122

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