Leitsatz (amtlich)

Das Versicherungsverhältnis nachzuversichernder Personen und damit auch die Nachversicherungspflicht dieser Personen entstehen mit dem Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung, sofern die Versicherungsfreiheit ihren Grund darin gehabt hat, daß Anwartschaft auf Ruhegeld und Hinterbliebenenversorgung gewährleistet gewesen ist. Beiträge, die nach RVO § 1242a idF der Verordnung vom 1945-03-17 (RGBl 1 1945, 41) nachzuentrichten sind, sind nach dem Beitragssatz zu berechnen, der zur Zeit des Entstehens der Nachversicherungspflicht gilt; das zur Zeit der Beschäftigung geltende Recht ist nur für die Frage maßgebend, in welchen Zeiträumen an sich Versicherungspflicht bestanden hätte, nicht aber für die Höhe der nun nachzuentrichtenden Beiträge.

 

Normenkette

RVO § 1242a Fassung: 1945-03-17; AVG § 18 Fassung: 1945-03-17

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 22. März 1955 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Vom 1. Juni 1944 bis 12. Januar 1951 beschäftigte die Beklagte die Krankenschwester .... Die Beklagte entrichtete keine Beiträge zur AV. für sie, weil ihre Anwartschaft auf Ruhegeld und Hinterbliebenenversorgung gewährleistet war. Als die Krankenschwester ... ohne Versorgung aus dem Dienst der Beklagten ausgeschieden war, entrichtete diese nachträglich an die Landesversicherungsanstalt Hansestadt Hamburg, dem damals zuständigen Versicherungsträger, Beiträge zur Angestelltenversicherung in Höhe von 5,6 % des gezahlten Entgelts für die Zeit vom 1. Juni 1944 bis 31. Mai 1949 und in Höhe von 10 % des gezahlten Entgelts für die Zeit vom 1. Juni 1949 bis 12. Januar 1951. Dem Verlangen der Landesversicherungsanstalt, nachträglich Beiträge in Höhe von 10 % des Entgelts für die gesamte Beschäftigungszeit zu entrichten, kam die Beklagte nicht nach; sie bestritt, daß die Vorschrift des § 8 des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes (SVAG) vom 17. Juni 1949 (WiGBl. Seite 99), die den Beitragssatz in der Angestelltenversicherung auf 10 % des Entgelts erhöhte, für alle nachzuentrichtenden Beiträge maßgebend sei.

Auf Antrag der Beklagten (§ 194 AVG) entschied der Vorsitzende des Versicherungsamts Hamburg am 7. Februar 1953, die Beiträge seien für die Zeit vom 1. Juni 1944 bis 31. Mai 1949 nur in Höhe von 5,6 % des gezahlten Entgelts nachzuentrichten.

Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin als nunmehr zuständiger Versicherungsträger Beschwerde beim Oberversicherungsamt Hamburg ein. Nach Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes ging die Sache auf das Sozialgericht Hamburg über; von diesem wurde der nunmehr als Klage behandelte Antrag der Klägerin durch Urteil vom 1. Juni 1954 abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin erließ das Landessozialgericht Hamburg am 22. März 1955 folgendes Urteil:

"Das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. Juni 1954 und die Entscheidung des Vorsitzenden des Versicherungsamts Hamburg vom 7. Februar 1953 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, für die Krankenschwester ... auch für die Zeit vom 1. Juni 1944 bis 31. Mai 1949 10 % des ihr gezahlten Entgelts als Beitrag zur Angestelltenversicherung an die Klägerin zu entrichten. Die Parteien haben einander Kosten nicht zu erstatten. Die Revision ist zugelassen."

Dieses Urteil wurde der Beklagten am 25. April 1955 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 16. Mai 1955, beim Bundessozialgericht eingegangen am 17. Mai 1955, legte sie dagegen Revision ein und beantragte, das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führte sie aus, sie rüge Verletzung der §§ 8, 21 Abs. 1 SVAG, des § 1 Abs.6 AVG in Verbindung mit § 1242a RVO in der Fassung der 1. Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversicherung vom 17. März 1945 (RGBl. I Seite 41) und des Art.3 Abs.1 GG durch das Landessozialgericht. Es sei zwar richtig, daß die Pflicht zur Nachzahlung der Beiträge im Zeitpunkt des Ausscheidens der nachzuversichernden Arbeitnehmer entstehe; hiermit sei jedoch, wie das Sozialgericht in seinem Urteil vom 1. Juni 1954 mit Recht ausgeführt habe, die Nachversicherungsschuld nur dem Grunde nach festgestellt, es sei damit aber nicht zugleich auch die Höhe der nachzuentrichtenden Beiträge hinsichtlich der Beitragsklassen und -sätze für die vorangegangenen Beschäftigungszeiten bestimmt; eine Sonderregelung, wie sie z.B. die Verordnung über den Übertritt aus versicherungsfreier in versicherungspflichtige Beschäftigung vom 13. Februar 1924, RGBl. I, Seiten 62, 172, 255, eingeführt habe, sei nicht erlassen worden. In den Entscheidungen des Reichsversicherungsamts (RVA) Nr.3018, A.N. 1927 Seite 27, und Nr. 3043, A.N. 1927 Seite 268, von denen in dem Urteil des Landessozialgerichts die Rede sei, sei über die Höhe nachzuentrichtender Beiträge im Falle einer Änderung der Beitragshöhe während der Beschäftigungszeit nichts gesagt; lediglich das Urteil des Landesversicherungsamts Württemberg-Baden vom 23. Januar 1952, Breithaupt 1952, S.625, dem sich das Landessozialgericht angeschlossen habe, treffe den vorliegenden Fall. Durch die §§ 8 und 21 Abs.1 SVAG seien die Beiträge nicht rückwirkend, sondern nur mit Wirkung vom 1. Juni 1949 ab, dem Tage des Inkrafttretens des SVAG, auf 10 % des Entgelts erhöht worden; die Beklagte sei deshalb mit Grund der Auffassung, daß für die Zeit vor dem 1. Juni 1949 der erhöhte Beitrag von 10 % des Entgelts nicht verlangt werden könne. § 1242 a RVO wolle auch nur, daß rückwirkend der Tatbestand hergestellt werde, der ohne die Versicherungsfreiheit bestanden hätte; hätte aber im vorliegenden Fall keine Versicherungsfreiheit bestanden, so wären für die Zeit vom 1. Juni 1944 bis 31. Mai 1949 nur Beiträge in Höhe von 5,6 % des gezahlten Entgelts entrichtet worden. Wenn in § 1242 a Abs.1 gesagt sei, es seien für die Personen, die aus einer versicherungsfreien Beschäftigung ausscheiden, Beiträge nachzuentrichten "für die Zeit, während der sie sonst versicherungspflichtig gewesen wären", so sei dies ein Hinweis darauf, daß die Höhe der Beiträge nach den rechtlichen Verhältnissen in dem nachträglich mit Beiträgen zu belegenden Zeitraum zu beurteilen sei, es fehle eine innere Rechtfertigung dafür, einen Beitrag von 10 % des Entgelts für eine Zeit zu fordern, in der für die übrigen Versicherten die Beiträge nach § 6 der Lohnabzugsverordnung vom 24.4.1942, RGBl.I S.252, nur in Höhe von 5,6 % des Entgelts entrichtet worden seien. Die Ansicht des Landessozialgerichts verstoße gegen den auch für die juristischen Personen geltenden Gleichheitsgrundsatz des Art.3 Abs.1 GG.

Die Klägerin beantragte, die Revision zurückzuweisen. Zur Begründung führte sie aus, das Urteil des Landessozialgerichts sei wohl begründet; was die Beklagte dagegen vorbringe, könne diese Begründung nicht erschüttern; insbesondere sei von dem Landessozialgericht mit Recht dargelegt worden, daß es sich bei der Nachversicherung um ein Versicherungsverhältnis eigener Art handele, das erst im Zeitpunkt des Ausscheidens ohne Versorgung entstehe; so habe außer dem Landesversicherungsamt Württemberg-Baden auch das Landessozialgericht Baden Württemberg in dem Urteil vom 28. Oktober 1954, III AJ 38/54, und das Bayerische Landesversicherungsamt in dem Urteil vom 19. April 1951, Breithaupt 1951, S.827, entschieden. § 1242a RVO behandele nicht im Wege der Fiktion die Nachzuversichernden als von Anfang an versicherungspflichtig; die Vorschrift regele vielmehr ein Versicherungsverhältnis eigener Art. Von einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes könne keine Rede sein, da es sich hier nicht um die unterschiedliche Behandlung gleicher Tatbestände handele; die Nachversicherung sei ein Sondertatbestand, der mit der sonstigen Pflichtversicherung nicht verglichen werden könne.

II

Die Revision, die das Landessozialgericht zugelassen hat, ist rechtzeitig und formrichtig eingelegt. Sie ist auch rechtzeitig begründet; sie ist deshalb zulässig.

Die Revision ist jedoch nicht begründet.

Streitig ist allein, wie im Falle der Nachversicherung die Beiträge zu berechnen sind : ob nach den Vorschriften, die zur Zeit der Entstehung der Nachversicherungspflicht gelten, oder nach den Vorschriften, die während der versicherungsfreien und nun nachzuversichernden Beschäftigungszeiten jeweils gegolten hatten, soweit nicht etwa vom Gesetz für bestimmte Zeiten Besonderes vorgeschrieben ist.

Wie die Beteiligten und die Vorinstanzen in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des RVA und dem Schrifttum annehmen, wird durch die Verpflichtung zur Nachentrichtung von Beiträgen ein neues Versicherungsverhältnis begründet; es werden nicht etwa die zunächst versicherungsfreien Beschäftigungszeiten nachträglich in versicherungspflichtige umgewandelt. Das Versicherungsverhältnis und damit auch die Verpflichtung zur Nachentrichtung der Beiträge entstehen mit dem Ausscheiden aus der versicherungsfreien Beschäftigung. Nach diesem Zeitpunkt richten sich aber auch, wie das Landessozialgericht mit Recht ausführt, Höhe und Fälligkeit der Beiträge, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Nach den Verhältnissen während der an sich versicherungsfreien, nun der Nachversicherung zugrunde zu legenden Beschäftigungszeiten richtet sich dagegen, für welche Zeiträume Beiträge zu entrichten sind und welches Entgelt der Beitragsberechnung zu grunde zu legen ist, wenn und soweit das Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes vorschreibt. Weder die geltenden Vorschriften noch die Entwicklung des Rechts der Nachversicherung sprechen für die Auffassung der Revisionsklägerin und des Sozialgerichts, es solle durch die Nachversicherung nur rückwirkend der Zustand hergestellt werden, der ohne die Versicherungsfreiheit bestanden hätte; deswegen seien die Beiträge zu entrichten, die jeweils während der versicherungsfreien Zeiten gegolten hätten, wenn nicht etwa Versicherungsbeiträge rückwirkend geändert oder die Höhe der für vergangene Zeiten zu entrichtenden Beiträge besonders geregelt worden seien. Das ergibt sich schon aus der Verordnung über den Übertritt aus versicherungsfreier in versicherungspflichtige Beschäftigung oder umgekehrt vom 13. Februar 1924 (RGBl. I S.62), mit der die Nachversicherung in die deutsche Rentenversicherung erstmalig eingeführt worden ist. Danach sind für die Zeiten der versicherungsfreien Beschäftigung "Beitragsmarken der Gehaltsklassen zu verwenden, welchen die versicherungsfreien Personen im Falle ihrer Versicherungspflicht angehören würden", d.h. also: nunmehr angehören würden und nicht etwa zur Zeit der versicherungsfreien Beschäftigung angehört hätten. Nur für die Zeit bis zum Schluss des Jahres 1923 ist - ohne Rücksicht auf die Höhe des früheren Entgelts - vorgeschrieben, daß Beiträge der Gehaltsklasse A zu entrichten seien. Damit wird vor allem für jene Zeit ein bestimmtes Entgelt unterstellt und darauf der neue Beitragssatz verwendet.

Diese Vorschriften sind bei der Neufassung des AVG vom 28. Mai 1924 als § 18 in das Gesetz übernommen worden. Sie wurden erstmals geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 28. Juli 1925 (RGBl. I S. 157). Diese Vorschrift ersetzt mit Wirkung vom 1. Juli 1925 an die Gehaltsklasse A durch die Gehaltsklasse C. Sie setzt damit vor allem an die Stelle des bisher für die Zeiten vor dem 1. Januar 1924 angenommenen Entgelts ein wesentlich höheres Entgelt. Auf diese Änderung bezieht sich die vom Landessozialgericht erwähnte Grundsätzliche Entscheidung des RVA vom 1. Februar 1927 Nr. 3043, AN. 1927 S. 268. Nach dieser Entscheidung kam es für die Frage, ob für die Zeit bis zum 31. Dezember 1923 die nachzuentrichtenden Beiträge in der Klasse A oder in der Klasse C zu entrichten seien, nur darauf an, ob die Nachversicherungspflicht vor oder nach dem 1. Juli 1925 entstanden ist. In den Fällen des § 18 AVG entstehe die Nachzahlungspflicht des Arbeitgebers in dem Zeitpunkt, in welchem der Angestellte ohne einen Anspruch auf Ruhegeld aus dem versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis bei dem Arbeitgeber ausscheide, auch wenn der Angestellte unmittelbar oder später in ein anderes versicherungsfreies Verhältnis übertrete. Diesen Grundsatz hat derselbe Senat des RVA in der Grundsätzlichen Entscheidung Nr. 3044 vom selben Tage (AN 1927 S. 270) wiederholt; er hat ihn aber dahin ergänzt, daß mangels ausdrücklicher anderer Vorschriften im übrigen die durch das Gesetz vom 28. Juli 1925 neu eingeführten Beitragssätze nach Maßgabe dieses Gesetzes auch für die Nachversicherungsbeiträge nach § 18 AVG gälten. Nach diesen beiden Entscheidungen war für die Zeiten bis zum 31. Dezember 1923 die Beitragsklasse A zugrunde zu legen, wenn die Nachversicherungspflicht vor dem 1. Juli 1925 eingetreten war, sonst die Klasse C; die Beitragssätze richteten sich nach dem vor dem Gesetz vom 28. Juli 1925 geltenden Recht, dagegen waren in beiden Klassen die höheren Beitragssätze des neuen Gesetzes zu zahlen, wenn der Beitrag erst nach dem 10. September 1925 entrichtet wurde, weil die Vorschrift in Art. V Nr. 5 seines Abschnitts A für die Nachversicherungspflicht nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden war. Daraus ergibt sich als Auffassung des RVA, daß es für die Bemessung der Beiträge zur Nachversicherung allein darauf ankommt, welches Recht im Zeitpunkt der Entstehung der Nachversicherungspflicht gilt oder etwa später auch mit Wirkung für die schon entstandene Versicherungspflicht eingeführt wird.

An dieser Regelung hat auch das Gesetz vom 29. März 1928 (RGBl. I S. 117) nichts geändert. Die Fassung, daß "für die Zeit, während der sie sonst versicherungspflichtig gewesen wären", Beiträge zu entrichten seien, besagt nicht, daß die Beitragssätze jener Zeit zugrunde zu legen seien, sondern betont nur den schon in der Rechtsprechung aufgestellten Grundsatz, daß die Versicherungsfreiheit nicht rückwirkend fortfalle, sondern daß die Versicherungspflicht neu entsteht (vgl. auch die Grundsätzliche Entscheidung des RVA Nr. 3469 v. 28.2.1929, AN 1929 S. IV 273). Für dieses neuentstandene Versicherungsverhältnis ist das bei seiner Entstehung geltende Recht maßgebend, weil das frühere Recht ja nicht mehr gilt. Nur für die Frage, welche Zeiten der Berechnung der Beiträge zugrunde zu legen sind, wird geprüft, ob diese "an sich versicherungspflichtig gewesen wären" oder ob diese z.B. wegen Überschreitung der Jahresarbeitsverdienstgrenze (§§ 1 Abs.3, 3 AVG) an sich versicherungsfrei gewesen wären. Für die Zeiten vor dem 1. Januar 1924 ist dabei ohne Rücksicht auf das jeweilige Gehalt die nun geltende Gehaltsklasse C maßgebend. Für die späteren Zeiten die dem jeweiligen Gehalt nun entsprechende Gehaltsklasse. Der Wortlaut ist gegenüber der ursprünglichen Fassung geändert, er hat aber denselben rechtlichen Gehalt.

Die Zweite Verordnung über den Lohnabzug vom 24. April 1942 (RGBl.I S.242) hatte weder den § 18 AVG noch § 1242 a RVO geändert. Die Nachversicherung konnte deswegen nur in den nach der Lohnabzugs-VO noch weiter geltenden Beitragsklassen durchgeführt werden. Die VO vom 17. März 1945 stellte die ganze Berechnungsweise der Beiträge auch für die Nachversicherung um und legte für die Zeit vor dem 1. Januar 1924 einen Grundlohn von 150 RM monatlich zugrunde. Die Fassung "die Beiträge sind auch für die Zeit vor dem 1. Juli 1942 nach den für die versicherungspflichtigen Arbeiter nach diesem Zeitpunkt maßgebenden Vorschriften zu entrichten" ist dadurch bedingt, daß die Lohnabzugs-VO in der Pflichtversicherung für die Zeiträume vor dem 1. Juli 1942 das Markenverfahren beibehalten hatte, auch wenn die Beiträge erst nach dem Inkrafttreten der VO entrichtet wurden. Mit der VO vom 17. März 1945 sind für die Nachversicherung sowohl die Berechnungsweise der Pflichtversicherung als auch ihr Beitragssatz übernommen worden. Dieser Beitragssatz ist durch das SVAG von 5,6 % auf 10 % erhöht worden, und zwar in der AV vom 1. Juni 1949 an. Für die Nachversicherungspflicht wurden keine besonderen Vorschriften getroffen. Soweit also die Pflicht zur Nachversicherung am 1. Juni 1949 oder später eingetreten ist, gilt für die gesamten nachzuversichernden Beschäftigungszeiten der Beitragssatz von 10 v.H., solange dieser Satz nicht etwa durch spätere Vorschriften geändert wird. Dieselbe Rechtsauffassung vertritt das Landesversicherungsamt Württemberg-Baden in seiner Grundsätzlichen Entscheidung Nr.14 vom 23.Januar 1952, Breithaupt 1952 S. 625, und im Ergebnis auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand vom 15.8.1954, Band II, S.620, 624 a, 625; Erlaß des BAM vom 22.7.1952, BABl. 1952, S.442; Köhler, Nachversicherungsrecht, 1953, S.114, 115; Verbandskommentar zur RVO, 5. Aufl., S.54, 55, and.Ans. dagegen Koch-Hartmann, Komm. zum AVG, 2. Aufl., S.250, Anm.5 zu § 18 AVG.

Die angefochtene Entscheidung des Landessozialgerichts in Hamburg beruht daher nicht auf unrichtiger Anwendung der §§ 8, 21 Abs.1 SVG, 1 Abs.6 AVG in Verb. mit § 1242 a RVO in der Fassung der Ersten Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversicherung vom 17. März 1945 (RGBl. I S.41). Sie verstößt aber auch nicht etwa - wie die Beklagte meint - gegen den in Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes aufgestellten Gleichheitsgrundsatz, weil für von vornherein versicherungspflichtige Beschäftigungszeiten die jeweils geltenden, u.U. niedrigeren Versicherungsbeiträge zu entrichten gewesen seien. Die Beklagte verkennt, daß die Sozialversicherung nicht nur von den Grundsatz der Leistung und Gegenleistung beherrscht wird, sondern daß dazu der Ausgleich der Wagnisse und die Solidarität der Versicherten tritt. In allen diesen Punkten unterscheiden sich aber Pflichtversicherung und Nachversicherung: Bei der Nachversicherung entgehen z.B. dem Versicherungsträger und damit der Gemeinschaft der Versicherten die Zinsen für die Versicherungsbeiträge während der ganzen Dauer der versicherungsfreien Beschäftigung, und es fallen ihm auch die Gewinne nicht zu, die er macht, wenn Versicherungspflichtige aus der Beschäftigung ausscheiden, ohne daß aus ihren Beiträgen Ansprüche auf Leistung oder Rückerstattung entstehen. Die Pflichtversicherung beginnt mit dem Eintritt in die Beschäftigung, die Pflicht zur Nachversicherung mit dem Ausscheiden aus der Beschäftigung. Pflichtversicherung und Nachversicherung sind weder rechtlich noch wirtschaftlich gleiche Tatbestände; wenn sie verschieden geregelt werden, wird der Gleichheitsgrundsatz nicht verletzt. Insoweit ist das Verhältnis der Pflichtversicherung zur Nachversicherung ebenso zu beurteilen, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 7. Juli 1955, NJW 1955, S. 1270 = JZ 1955, S.579 = "Die Angestelltenversicherung", Mitt. der BfA, Jahrgang 2, Nr.8, S.183 ff das Verhältnis der Pflichtversicherung zur freiwilligen Versicherung beurteilt hat. Die Entscheidung des LSG beruht also auch nicht auf einer Verletzung des Art.3 Abs.1 des GG.

Die Revision muß deshalb als unbegründet zurückgewiesen werde (§ 170 Abs.1 SGG).

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 193 Abs.1 und 4 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2373454

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