Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosigkeit unmittelbar vor Beginn des Grundwehrdienstes. Arbeitslosmeldung

 

Orientierungssatz

1. Für die Auslegung des Begriffes "arbeitslos" in § 168 Abs 2 Nr 3 AFG ist die für das Leistungsrecht in § 101 AFG getroffene Definition maßgebend.

2. Arbeitslos iS von § 168 Abs 2 Nr 3 AFG kann der Antragsteller auch dann sein, wenn er sich nicht arbeitslos gemeldet hat.

 

Normenkette

AFG § 101 Abs 1 S 1, § 168 Abs 2 Nr 3

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 25.11.1982; Aktenzeichen L 9 Ar 60/81)

SG Düsseldorf (Entscheidung vom 10.03.1981; Aktenzeichen S 15 Ar 77/80)

 

Tatbestand

Im Streit ist, ob der Kläger Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) hat.

Er ist im Oktober 1957 geboren und erlernte von Mitte 1973 bis Mitte 1976 den Beruf des Schmelzschweißers. Von Anfang August 1976 bis zum 15. August 1978 besuchte er eine Fachoberschule für Technik, Fachrichtung Maschinenbau. Ihm wurde die Fachhochschulreife zuerkannt. Vom 2. Oktober 1978 bis zum 31. Dezember 1979 leistete er den Grundwehrdienst. In der Zeit zwischen Schulentlassung und Wehrdienstbeginn übte er eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht aus. Inzwischen arbeitet er bei der Deutschen Bundespost.

Mit Bescheid vom 21. Februar 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 1980 lehnte die Beklagte den am 21. Dezember 1979 gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung von Alg ab. Zur Begründung gab sie an, der Kläger habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt. Er habe innerhalb der Rahmenfrist nicht hundertachtzig Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden. Die Wehrdienstzeit könne ihm nicht gemäß § 168 Abs 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) als beitragspflichtige Beschäftigung angerechnet werden. Er sei unmittelbar vor Dienstantritt nicht arbeitslos gewesen. In der Zeit vom 16. August bis 30. September 1978 habe er Urlaub gemacht und damit zu erkennen gegeben, daß er vor Beginn seines Grundwehrdienstes sich nicht zu dem Personenkreis der Arbeitnehmer gezählt habe.

Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 10. März 1981 die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Zeit nach Abschluß seines Wehrdienstes Alg nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen. Es hat die Berufung zugelassen. Die Beklagte hat von diesem Rechtsmittel erfolglos Gebrauch gemacht. Zur Begründung seines Urteils vom 25. November 1982 hat das Landessozialgericht (LSG) im wesentlichen folgendes ausgeführt: Dem Kläger stehe für die Zeit nach der Entlassung aus der Bundeswehr ab 1. Januar 1980 ein Anspruch auf Alg zu. Da die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen des § 101 Abs 1 AFG gegeben seien, gehe der Streit nur noch darum, ob der Kläger die Anwartschaftszeit von hundertachtzig Kalendertagen nach der hier maßgeblichen Vorschrift des § 104 Abs 1 Satz 1 AFG idF des 5. AFG-Änderungsgesetzes vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) dadurch erfüllt habe, daß Wehrdienstzeiten iS des § 168 Abs 2 AFG einer beitragspflichtigen Beschäftigung gleichstünden (§ 107 Satz 1 Nr 1 AFG). Dies sei der Fall, weil die Voraussetzungen des § 168 Abs 2 Nr 3 AFG vorlägen. Der Kläger habe für mehr als hundertachtzig Kalendertage aufgrund der Wehrpflicht Wehrdienst geleistet und sei unmittelbar vor Dienstantritt, nämlich in der Zeit zwischen Schulentlassung (15. August 1979) und Wehrdienstbeginn (2. Oktober 1979) arbeitslos gewesen. Er habe als Arbeitnehmer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden. Der Begriff der Arbeitslosigkeit sei im Rahmen des § 168 Abs 2 Nr 3 AFG nicht anders zu verstehen als der in der Bestimmung des § 101 Abs 1 AFG definierte. In diesem Sinne sei allein maßgebend, daß der Beschäftigungslose für die Zeit seiner voraussichtlichen faktischen Beschäftigungslosigkeit dem Kreis von Personen zuzurechnen sei, die anderenfalls eine abhängige Beschäftigung mehr als kurzzeitigen Umfanges ausüben würden. Sowohl die vor dem Besuch der Fachoberschule abgeschlossene Ausbildung des Klägers zum Schmelzschweißer als auch seine mit der Arbeitslosmeldung am 21. Dezember 1979 zum Ausdruck gebrachte Bereitschaft zur Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung böten einen Anhalt für seine Arbeitnehmereigenschaft unmittelbar vor Dienstantritt am 2. Oktober 1978. Dafür spreche auch, daß der Kläger inzwischen eine abhängige Beschäftigung bei der Deutschen Bundespost ausübe. Es könne dahinstehen, ob zukünftige Studenten nach dem Schulabschluß arbeitslos im vorstehend aufgeführten Sinne sein könnten, weil der Kläger, wie die spätere Entwicklung bestätigt habe, zunächst eine abhängige Beschäftigung habe ausüben wollen.

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie eine Verletzung des § 168 Abs 2 Nr 3 AFG rügt. Sie ist der Auffassung, für das Merkmal der Arbeitslosigkeit iS des § 168 Abs 2 Nr 3 AFG sei allein maßgebend, ob der Kläger während der Zeit der Arbeitslosigkeit dem Kreis von Personen zuzurechnen sei, die anderenfalls in dieser Zeit eine abhängige Beschäftigung von mehr als geringfügigem Umfange ausüben würden. Im konkreten Falle reichten die objektiven Gegebenheiten nicht aus, um den Kläger der Solidargemeinschaft der gegen Arbeitslosigkeit Versicherten zuzuordnen und ihn als arbeitslos iS des § 168 Abs 2 Nr 3 AFG anzusehen. Der Kläger sei lediglich in der Zeit der Ausbildung zum Schmelzschweißer Arbeitnehmer gewesen. Diesen Status habe er während des zweijährigen Fachoberschulbesuches aufgegeben. Es sei daher erforderlich für die sich anschließende Zeit, in der er bis zum Beginn des Wehrdienstes beschäftigungslos gewesen sei, glaubhaft darzulegen, daß er noch oder wieder als Arbeitnehmer beschäftigt sein wollte. Der Begriff "arbeitslos" setze zwar keine Arbeitslosmeldung beim Arbeitsamt voraus; fehle es jedoch an einer solchen Meldung, dann müsse geprüft werden, ob gleichwohl Arbeitslosigkeit vorliege. Der Kläger hätte daher glaubhaft - ggf durch Vorlage von Unterlagen - darlegen müssen, daß er sich vor Antritt des Wehrdienstes um mehr als kurzzeitige oder geringfügige Beschäftigung iS des § 8 Abs 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeine Vorschriften - (SGB IV) bemüht habe. Erst mit der am 21. Dezember 1979 erfolgten Arbeitslosmeldung habe der Kläger glaubhaft gemacht, daß er sich um eine solche Beschäftigung bemühe. Seine Meldung habe jedoch versicherungsrechtlich für die Vergangenheit keine Auswirkungen. Maßgeblich seien allein Umstände, die unmittelbar vor Antritt des Wehrdienstes liegen.

Zu diesem Ergebnis habe das LSG aufgrund seiner Entscheidungskriterien gleichfalls kommen müssen. Ob der Kläger für die Zeit seiner Beschäftigungslosigkeit dem Kreise von Personen zuzurechnen sei, die anderenfalls eine abhängige Beschäftigung mehr als kurzzeitigen Umfanges ausüben würden, sei nach Ansicht des LSG nach den Gesamtumständen zu beurteilen. Zu den Gesamtumständen gehörten neben den objektiven Gegebenheiten auch die subjektive Einstellung des Klägers. Das LSG hätte daher der Behauptung der Beklagten, der Kläger habe sich entsprechend den Angaben in seinem Leistungsantrag in "Urlaub" befunden, nachgehen müssen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. November 1982 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10. März 1981 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

Anspruch auf Alg hat gemäß § 100 AFG, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Die Beteiligten sind sich einig, daß diese Voraussetzungen bis auf die Erfüllung der Anwartschaftszeit gegeben sind. Das läßt sich auch den tatsächlichen Feststellungen des LSG entnehmen. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger auch die Anwartschaftszeit erfüllt. Die Anwartschaftszeit hat gemäß § 104 AFG (in der hier maßgeblichen Fassung vom 23. Juli 1979 - BGBl I 1189) erfüllt, wer in der Rahmenfrist hundertachtzig Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden hat. Die Rahmenfrist geht dem ersten Tage der Arbeitslosigkeit unmittelbar voraus, in dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt sind oder - was hier nicht einschlägig ist - nach § 105 AFG als erfüllt gelten. Die Rahmenfrist beträgt drei Jahre. Der Kläger war in der Zeit vom 1. Januar 1977 bis 31. Dezember 1979 zwar nicht beitragspflichtig beschäftigt. Er hat in dieser Zeit Wehrdienst geleistet und die Schule besucht. Jedoch hat er in dieser Zeit die Anwartschaftszeit dennoch erfüllt. Den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung stehen gemäß § 107 Abs 1 Nr 1 AFG Zeiten gleich, in denen der Arbeitslose als Wehr- oder Ersatzdienstleistender beitragspflichtig war (§ 168 Abs 2 AFG). Beitragspflichtig sind nach der hier allein in Betracht kommenden Nummer 3 des § 168 Abs 2 AFG ua auch Personen, die aufgrund der Wehrpflicht Wehrdienst leisten, wenn sie für länger als drei Tage einberufen worden sind und unmittelbar vor Dienstantritt arbeitslos waren. Das trifft hier zu.

In rechtlicher Hinsicht ist dem LSG darin beizupflichten, daß entgegen der von der Beklagten in den Vorinstanzen vertretenen Auffassung der Antragsteller auch dann arbeitslos sein kann, wenn er sich - wie das hier der Fall ist - nicht arbeitslos gemeldet hat. Dies folgt schon daraus, daß der Gesetzgeber in § 100 Abs 1 AFG zwischen Arbeitslosigkeit und Arbeitslosmeldung unterscheidet und hierin zwei selbständige Anspruchsvoraussetzungen sieht, die er auch in § 101 und § 105 AFG gesondert regelt. Nach § 101 Abs 1 AFG ist arbeitslos im Sinne dieses Gesetzes ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübt. Arbeitnehmer iS des § 101 AFG ist nach der Rechtsprechung des Senats (SozR 4100 § 101 Nrn 1 und 2), wer, wenn er nicht beschäftigungslos wäre, in dieser Zeit eine abhängige Beschäftigung von mehr als geringfügigem Umfange ausüben würde. Hierbei ist es nicht entscheidend, daß der Antragsteller für eine unbestimmte oder bestimmte, aber nicht unbedeutende Dauer für eine Arbeitnehmertätigkeit in Betracht kommt. Entscheidend ist allein, daß es sich nicht um eine auf Dauer angelegte Beschäftigungslosigkeit handelt, was aus dem Begriff "vorübergehend" in § 101 Abs 1 Satz 1 AFG folgt. Nicht zulässig ist es daher, jemanden, der in naher Zukunft keine Arbeitnehmertätigkeit mehr ausüben will oder wegen der bevorstehenden Einberufung zum Wehrdienst nicht mehr ausüben kann, in der Zwischenzeit jedoch arbeitsbereit ist, aber keine Beschäftigung findet, wegen des übergangslosen Einmündens der faktischen Arbeitslosigkeit in die Zugehörigkeit zu einer anderen Gruppe als die der Arbeitnehmer nicht als nur vorübergehend beschäftigungslos anzusehen.

Unerheblich ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch, daß der Kläger wegen des nahen Beginnes seines Wehrdienstes unter Umständen kein beitragspflichtiges Beschäftigungsverhältnis hätte eingehen können, etwa weil die Beschäftigung im voraus durch Vertrag auf längstens drei Monate hätte beschränkt werden müssen (§ 169 Nr 1 AFG, § 168 Reichsversicherungsordnung -RVO-, § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV in der hier maßgeblichen Fassung vom 23. Dezember 1976 - BGBl I 3845). Wie der Senat bereits entschieden hat (SozR 4100 § 101 Nr 2), ist es für die Erfüllung des Merkmals Arbeitslosigkeit nicht erforderlich, daß der Antragsteller den Willen hat, eine Beschäftigung von mehr als drei Monaten aufzunehmen. Einer solchen Auslegung steht schon entgegen, daß der Gesetzgeber - sofern er an die Beitragspflicht Rechtsfolgen knüpft - dies auch ausdrücklich bestimmt. So stellt er für die Erfüllung der Anwartschaftszeit ausdrücklich darauf ab, daß der Antragsteller für eine bestimmte Zeit in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat. Diese Auslegung, die der Senat hinsichtlich des Merkmals Arbeitslosigkeit für das Leistungsrecht getroffen hat, gilt auch für den hier maßgeblichen Fall des § 168 Abs 2 Nr 3 AFG.

Zwar geht in § 168 Abs 2 Nr 3 AFG die Definition des Begriffs "Arbeitnehmer" dahin, daß es sich um Personen handelt, die als Arbeiter oder Angestellte beitragspflichtig beschäftigt sind. Indes kann diese Definition für die Auslegung des Begriffes "arbeitslos" in § 168 Abs 2 Nr 3 AFG nicht herangezogen werden. Maßgebend ist vielmehr auch hier die für das Leistungsrecht getroffene Definition in § 101 AFG. Dies folgt schon daraus, daß es sich bei der Begriffsbestimmung in § 168 Abs 1 Satz 1 AFG um eine Sonderregelung für das Beitragsrecht handelt. Hier wird von dem allgemein gültigen Begriff des Arbeitnehmers abgewichen, der dahin geht, daß es sich um eine Person handelt, die abhängig beschäftigt ist. Hätte der Gesetzgeber gewollt, daß der Begriff Arbeitnehmer, wie er für das Beitragsrecht gilt, auch bei der Frage, wann Arbeitslosigkeit iS von § 168 Abs 2 Nr 3 AFG vorliegt, anzuwenden ist, hätte es eines entsprechenden Hinweises bedurft. Dies gilt um so mehr, als der in § 101 AFG definierte Begriff der Arbeitslosigkeit nach seinem Wortlaut "im Sinne dieses Gesetzes" grundsätzlich für den gesamten Bereich des Arbeitsförderungsgesetzes gelten soll (BSG SozR 4100 § 101 Nr 1; Hennig/Kühl/Heuer, AFG, § 101 Anm 2). Diese Auslegung steht auch mit dem mit § 168 Abs 2 AFG verfolgten Zweck im Einklang. Dieser geht dahin, daß Personen, die ihrer Wehrpflicht nachkommen oder zivilen Ersatzdienst leisten, dadurch keine versicherungsrechtlichen Nachteile erleiden sollen. Hierbei wird davon ausgegangen, daß die Betroffenen, wenn sie keinen Wehr- oder Ersatzdienst geleistet hätten, entweder eine Beschäftigung als Arbeitnehmer aufgenommen oder als Arbeitsloser Anspruch auf Alg gehabt hätten (Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, § 168 Anm 20; Krebs, Kommentar zum AFG, § 168, Anm 42).

Somit ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger in der Zeit unmittelbar vor Beginn seines Wehrdienstes arbeitslos war, wenn er vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stand. Den tatsächlichen Feststellungen des LSG, an die der Senat gemäß § 163 SGG gebunden ist, da in bezug auf sie zulässige und begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht worden sind, ist zu entnehmen, daß der Kläger während dieser Zeit dem Kreis der Arbeitnehmer zuzurechnen war. Das LSG hat die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers deshalb bejaht, weil es der Auffassung war, sowohl die vor dem Besuch der Fachoberschule abgeschlossene Ausbildung zum Schmelzschweißer als auch die mit der Arbeitslosmeldung am 21. Dezember 1979 zum Ausdruck gebrachte Bereitschaft zur Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung gäben einen Anhalt für die Arbeitnehmereigenschaft unmittelbar vor Dienstantritt am 2. Oktober 1978. Hierfür spreche auch der Umstand, daß der Kläger inzwischen eine abhängige Beschäftigung bei der Deutschen Bundespost ausübe. Außerdem hat das Berufungsgericht festgestellt, durch die spätere Entwicklung sei bestätigt worden, daß der Kläger jedenfalls zunächst eine abhängige Beschäftigung habe ausüben wollen. Diese tatsächlichen Feststellungen lassen den Schluß zu, daß der Kläger bereit war, unmittelbar vor Beginn des Wehrdienstes eine abhängige Beschäftigung aufzunehmen, wenn sich ihm eine entsprechende Gelegenheit hierzu geboten hätte. Er war mithin in dieser Zeit arbeitslos.

Die Beklagte bringt hiergegen vor, das LSG hätte seiner Behauptung, der Kläger habe sich entsprechend den Angaben in seinem Leistungsantrag in "Urlaub" befunden, nachgehen müssen. Dabei sei es unerheblich, ob sich der Kläger zuhause aufgehalten oder den Urlaub für eine Reise genutzt habe. Im Falle eines Urlaubs zwischen Schulbesuch und Wehrdienst könne grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, daß jemand dem Kreise von Personen zuzurechnen sei, die andernfalls in dieser Zeit eine abhängige Beschäftigung von mehr als geringfügigem Umfang ausüben würden. Selbst wenn die Eintragung des Klägers im untechnischen Sinne zu verstehen sei, so dokumentiere er hiermit gerade, nicht zur Versichertengemeinschaft zu gehören. Er gebe dadurch vielmehr zu erkennen, die Zeit als Freizeit genutzt und nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden zu haben. Da das LSG auf die Gesamtumstände, zu denen auch die subjektive Einstellung des Klägers gehöre, abstelle, hätte es sich auch von seinem Standpunkt aus gedrängt fühlen müssen, den subjektiven Sachverhalt zu ermitteln. Es hätte insbesondere der Frage nachgehen müssen, welche Motive den Kläger in der Zeit vom 16. August bis 30. September 1978 geleitet hätten und ihn veranlaßten, zur Zeit der Antragstellung "Urlaub" einzutragen, während er im Widerspruchsverfahren andere Überlegungen zu erkennen gegeben habe. Dieser Vortrag ist seinem Inhalt nach die Rüge einer Verletzung der in § 103 SGG normierten Amtsermittlungspflicht durch das LSG. Diese Rüge greift jedoch nicht durch. Die Beklagte hat die Tatsachen, die den Mangel ergeben, nicht wie es § 164 Abs 2 letzter Satz SGG verlangt, bezeichnet. Dies ist schon deshalb der Fall, weil sie nicht ausgeführt hat, zu welchem Ergebnis die noch anzustellenden Ermittlungen geführt hätten (BSG SozR Nr 28 zu § 164 SGG).

Hiernach kann die Revision der Beklagten keinen Erfolg haben. Das LSG hat ihre Berufung gegen das Urteil des SG zutreffend zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1659670

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