Orientierungssatz

Die Abfindung des Witwenrentenanspruchs ist nur bei der ersten Wiederheirat zu gewähren.

 

Normenkette

RVO § 1302 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23; EheG § 29 Fassung: 1946-02-20, § 37 Fassung: 1946-02-20

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 20.12.1972; Aktenzeichen L 2 J 63/72)

SG Hannover (Entscheidung vom 18.02.1972; Aktenzeichen S 7 J 188/71)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 20. Dezember 1972 aufgehoben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 18. Februar 1972 zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Verfahrens haben sich die Beteiligten nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Streitig ist, ob der Klägerin, der nach Aufhebung ihrer zweiten Ehe mit Friedrich Wilhelm W eine Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen ersten Ehemannes D. H gezahlt worden ist, bei Eingehung ihrer dritten Ehe mit Georg Z eine Abfindung für die Witwenrente zusteht. Die Klägerin hat vor ihrer zweiten Ehe keine Witwenrente nach ihrem ersten Ehemann bezogen und anläßlich ihrer zweiten Heirat auch keine Witwenrentenabfindung erhalten.

Mit Bescheid vom 2. Dezember 1970 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf eine Witwenrentenabfindung ab. Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Hannover mit Urteil vom 18. Februar 1972 abgewiesen. Das SG hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin könne keine Witwenrentenabfindung erhalten, obwohl sie bei Eingehung ihrer zweiten Ehe keine Abfindung erhalten habe, denn die ihr gezahlte Witwenrente sei rechtlich eine Witwenrente im Sinne des § 1291 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) (wiederaufgelebte Witwenrente) und keine Rente nach § 1264 RVO gewesen. Auch komme es nicht darauf an, ob die zweite Ehe geschieden oder aufgehoben worden sei, weil sich nach § 37 Abs 1 Ehegesetz (EheG) die Folgen der Aufhebung einer Ehe nach den Vorschriften über die Folgen der Scheidung bestimmten. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen mit Urteil vom 20. Dezember 1972 das Urteil des SG und den Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 1970 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine Witwenrentenabfindung zu gewähren.

Das LSG ist der Ansicht, die Funktion der Abfindung als wirtschaftliche Starthilfe für die aus allgemeinen staatspolitischen Gründen erwünschte weitere Eheschließung, durch die gleichzeitig auch eine Entlastung des Rentenversicherungsträgers eintrete, erfordere auch dann die Zahlung einer Witwenrentenabfindung, wenn diese eine dritte Ehe eingehe. Gegen das Urteil hat das LSG die Revision zugelassen.

Die Beklagte hat Revision eingelegt und beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Der Rechtsstreit bot dem damals zuständigen 12. Senat Veranlassung, dem Großen Senat des Bundessozialgerichts (BSG) die Frage vorzulegen, ob einer Witwe die Abfindung des Rentenanspruchs nur bei der ersten Wiederheirat oder auch bei jeder folgenden Eheschließung zu gewähren ist. Mit Beschluß vom 21. Juli 1977 - GS 1/76 und GS 2/76 - hat der Große Senat entschieden, daß die Abfindung des Rentenanspruchs nur bei der ersten Wiederheirat zu gewähren ist. Auf die Gründe dieses den Beteiligten zugestellten Beschlusses wird verwiesen.

II

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet.

Nach § 1302 Abs 1 RVO ist einer Witwe, die wieder heiratet, als Abfindung das 5-fache des Jahresbetrages der bisher bezogenen Rente zu zahlen. Der Große Senat des BSG hat in dieser Sache entschieden, daß einer Witwe eine Abfindung des Rentenanspruchs nur bei der ersten Wiederheirat nach dem Tode des versicherten Ehemannes zu gewähren ist. Daraus ergibt sich, daß es für die Witwenrentenabfindung nur darauf ankommt, ob es sich um die erste Wiederheirat nach dem Tode des Versicherten oder um eine weitere Wiederheirat handelt. Bei der Klägerin handelte es sich aber um die zweite Wiederheirat, denn auf der ersten Wiederheirat beruhte die aufgehobene zweite Ehe. Für die Anwendung des § 1302 RVO bei Eingehung einer dritten Ehe ist es ohne Bedeutung, ob die zweite Ehe durch eine Aufhebungsklage oder durch eine Scheidungsklage aufgelöst worden ist und ob anläßlich der ersten Wiederheirat eine Abfindung gezahlt worden ist oder nicht. Die Aufhebung löst die Ehe, ebenso wie die Scheidung, nur mit Wirkung für die Zukunft auf (§ 29 EheG), ihre Wirkungen sind den Wirkungen der Scheidung gleichgestellt (§ 37 EheG). In beiden Fällen ist bei Eingehung der zweiten Ehe zunächst davon ausgegangen worden, daß diese Ehe Bestand haben würde; in beiden Fällen hat sich diese Erwartung nicht erfüllt. In beiden Fällen hat daher auch der Gesetzgeber das Wiederaufleben der Witwenrente nach dem ersten Ehemann angeordnet. Die Abfindung dieser wiederaufgelebten Witwenrente bei Eingehung einer dritten Ehe kann in keinem Zusammenhang mit der Frage gebracht werden, ob die Gründe für die Auflösung der zweiten Ehe bereits zur Zeit der Schließung der Ehe vorgelegen haben oder ob sie erst danach im Laufe der zweiten Ehe eingetreten sind.

Da die Klägerin somit keinen Anspruch auf eine Witwenrentenabfindung hat, mußte das Urteil des LSG aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1651839

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