Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschäftigungsverhältnis. Arbeitsverhältnis. Befristung. Lösung, vorzeitige. zwölfwöchige Sperrzeit. Arbeitslosigkeit, Dauer der herbeigeführten. besondere Härte. Regelsperrzeit, Halbierung der. Zeitpunkt, maßgebender. Übermaßverbot. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Hätte das Arbeitsverhältnis ohne das Verhalten des Arbeitslosen innerhalb von zwölf Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet, so ist regelmäßig eine besondere Härte mit der Folge anzunehmen, daß die Sperrzeit sechs Wochen umfaßt (Fortführung von BSGE… = SozR 3-4100 § 119a Nr 2).

 

Normenkette

AFG § 119 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 119a Nr. 1

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 09.01.1995; Aktenzeichen L 7 Ar 103/93)

SG Itzehoe (Urteil vom 08.09.1993; Aktenzeichen S 3 Ar 153/92)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 9. Januar 1995 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob eine zwölf- statt einer sechswöchigen Sperrzeit eingetreten ist.

Der 1948 geborene Kläger übte seinen erlernten Beruf als Elektroinstallateur in jeweils kurzen Beschäftigungsverhältnissen aus. Aufgrund einer Beschäftigung vom 30. Mai 1988 bis 12. Oktober 1990 (als Montierer von Sicherheitsgurten) hatte er ab 5. Januar 1991 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) von 364 Leistungstagen erworben. Vom 15. bis 22. Mai 1991 war er (als Elektroinstallateur) für die Firma F…. tätig. Das Beschäftigungsverhältnis endete durch Kündigung des Arbeitgebers. Vom 24. bis 26. Juli 1991 arbeitete der Kläger für die Firma S…. Nach Angaben des Klägers fand auch dieses Beschäftigungsverhältnis seine Beendigung durch Kündigung des Arbeitgebers. Zwischen den genannten Beschäftigungsverhältnissen (und bis zum 4. März 1992) bezog der Kläger zeitweise Alg, so daß er zuletzt über einen Restanspruch von 99 Leistungstagen verfügte. Ab 2. März 1992 nahm er durch Vermittlung der Beklagten bei der Firma T… ein Beschäftigungsverhältnis auf. Dieses sollte ausweislich des Arbeitsvertrages vom 5. März 1992 vom 2. März bis 2. Juni 1992 dauern; der Kläger sollte während dieses Zeitraumes einen Bruttostundenlohn von 16.01 DM erhalten. Am 26. März 1992 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis fristlos. Die Beklagte bewilligte Alg ab 19. Juni 1992 (Bescheid vom 16. April 1992). Außerdem stellte sie den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit (27. März bis 18. Juni 1992) mit dem Hinweis fest, die von der Firma T…. als Helfer angebotene Beschäftigung sei zur Aktualisierung der vorhandenen Kenntnisse erforderlich und in Anbetracht der langjährigen und jeweils nur für kurze Zeiträume unterbrochenen Arbeitslosigkeit zumutbar gewesen; überdies habe der Stundenlohn mit 16,01 DM über dem tariflichen Arbeitsentgelt eines Elektroinstallateurs gelegen; während des genannten Zeitraumes ruhe der Alg-Anspruch; die Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Sperrzeit auf sechs Wochen seien nicht gegeben (Bescheid vom 28. April 1992; Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 1992). Mit seiner Klage begehrte der Kläger, der aufgrund eigener Bemühungen ab 4. Mai 1992 ein neues Beschäftigungsverhältnis eingegangen war, Alg (ohne Berücksichtigung einer Sperrzeit) bis zur Aufnahme seiner Beschäftigung zu gewähren. Das Sozialgericht (SG) hat nach Einholung einer eidesstattlichen Auskunft des letzten Arbeitgebers die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 8. September 1993). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Klägers den Gerichtsbescheid des SG vom 8. September 1993 und den Bescheid der Beklagten vom 28. April 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 1992 dahin geändert, daß lediglich eine sechswöchige Sperrzeit (beginnend mit dem 27. März 1992) eingetreten sei, und im übrigen die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 9. Januar 1995).

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Berufung habe Erfolg, soweit der Eintritt einer Sperrzeit von mehr als sechs Wochen, also über den 7. Mai 1992 hinaus, festgestellt worden sei. Indes sei insoweit ein Leistungsanspruch nicht gegeben, weil der Kläger ab 4. Mai 1992 wieder in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Der Alg-Anspruch sei im Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung (27. März 1992) noch nicht erschöpft gewesen. Doch habe er wegen Eintritts einer Sperrzeit von sechs Wochen (27. März bis 7. Mai 1992) geruht. Die Voraussetzungen für den Eintritt der Regelsperrzeit von zwölf Wochen (27. März bis 18. Juni 1992) seien erfüllt (§ 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1, § 119a Nr 1 Arbeitsförderungsgesetz ≪AFG≫). Das Beschäftigungsverhältnis sei durch Kündigung des Klägers mit Ablauf des 26. März 1992 beendet worden. Dadurch habe der Kläger zumindest grob fahrlässig seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt; denn er habe keine konkreten Aussichten auf einen Anschlußarbeitsplatz gehabt. Zwar habe er ab 4. Mai 1992 durch eigene Bemühungen erneut eine Arbeitsstelle gefunden. Jedoch habe er im Zeitpunkt der Kündigung Aussicht weder auf diesen noch auf einen anderen Arbeitsplatz gehabt. Ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses habe ihm nicht zur Seite gestanden. Die Tätigkeit bei der Firma T… habe ihn nach seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten nicht überfordert. Ebensowenig habe die Beschäftigung als Helfer einen wichtigen Grund abgegeben. Im Recht der Arbeitslosenversicherung gebe es keinen Schutz in dem Sinne, daß ein sozialer Abstieg ausgeschlossen sei. Vielmehr orientiere sich die Zumutbarkeit einer Beschäftigung an den Verhältnissen des Arbeitsmarktes. Die bis zum 2. Juni 1992 befristete Tätigkeit sei seitens der Firma T… als Qualifizierungszeit gedacht gewesen, in der sich der Kläger für eine Dauerbeschäftigung als Elektroinstallateur habe empfehlen können. Allerdings habe die Sperrzeit wegen Vorliegens einer besonderen Härte (§ 119 Abs 2 Satz 1 AFG) nicht zwölf, sondern sechs Wochen betragen. Dies folge daraus, daß die vom Kläger verursachte Arbeitslosigkeit lediglich fünfeinhalb Wochen (27. März bis 3. Mai 1992) gedauert habe und durch die Aufnahme einer vom Kläger selbst gesuchten neuen Arbeit beendet worden sei. Einzuräumen sei, daß der Umfang verursachter Arbeitslosigkeit für Eintritt und Dauer einer Sperrzeit grundsätzlich unerheblich sei. Doch werde das sog Übermaßverbot verletzt, wenn bei Arbeitslosigkeit von weniger als sechs Wochen eine Sperrzeit von zwölf Wochen eintrete. Auch die Dauer des der Versichertengemeinschaft entstehenden Schadens gehöre, wie der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) in SozR 4100 § 119 Nr 24 zu entnehmen sei, zu den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen. Dies entspreche im übrigen der in § 119 Abs 2 Satz 2 AFG zum Ausdruck gekommenen Zielsetzung.

Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung des § 119 Abs 1, Abs 2 Satz 1 und 2 Nr 1 iVm § 119a AFG. Durch die Einfügung des § 119 Abs 2 Satz 2 AFG (zum 1. Januar 1986) werde den vom BSG zum Übermaßverbot geäußerten Vorbehalten (BSG SozR 4100 § 119 Nr 24) Rechnung getragen. Seither trete die pauschalierte Sperrzeit unabhängig davon ein, wann der Arbeitslose sich arbeitslos melde und Leistungen beantrage. Ein direkter Zusammenhang zwischen Sperrzeitdauer und verursachter Arbeitslosigkeit bestehe nicht (BSGE 64, 47, 50 f = SozR 4100 § 138 Nr 22). Ebensowenig hänge der Eintritt einer Sperrzeit von einem Schaden der Versichertengemeinschaft ab (BSG, Urteil vom 28. Juni 1990 – 7 RAr 124/89 –, unveröffentlicht). Allein maßgebend sei die Verursachung des ersten Tages der Arbeitslosigkeit (§ 101 AFG), nicht etwa der fiktive Eintritt einer später ohnehin beginnenden Arbeitslosigkeit (BSGE 67, 26 = SozR 3-4100 § 119 Nr 3). Der vorliegende Fall unterscheide sich auch von dem, der dem Urteil des Senats vom 9. Februar 1995 – 7 RAr 34/94 – (zur Veröffentlichung vorgesehen) zugrunde gelegen habe. Während dort das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet habe, ohne eine Sperrzeit geendet hätte, könne eine Abkürzung des Beschäftigungsverhältnisses von mehr als neun Wochen, wie sie hier vom Kläger vorgenommen worden sei, nicht zu einer entsprechenden Herabsetzung der Sperrzeit führen. Schließlich müsse unberücksichtigt bleiben, daß die Arbeitslosigkeit des Klägers nur fünfeinhalb Wochen (27. März bis 3. Mai 1992) gedauert habe. Denn die Dauer einer Sperrzeit werde bereits bei Feststellung ihres Eintritts abschließend pauschaliert. Eine mögliche Beendigung der Arbeitslosigkeit dürfe nicht abgewartet werden. Andernfalls sei eine unverzügliche und endgültige Entscheidung über den Leistungsanspruch nicht möglich, und es bleibe ungewiß, ob der Leistungsanspruch ggf erloschen sei oder nicht (§ 119 Abs 3 AFG).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG abzuändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG in vollem Umfang zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das zweitinstanzliche Urteil für zutreffend und erwidert, es gehe bei der Sperrzeit nicht um Strafe, sondern um eine Interessenabwägung zwischen den Belangen des Arbeitslosen und der Versichertengemeinschaft. Die Dauer der verursachten Arbeitslosigkeit gehöre zu den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen. Es sei unverhältnismäßig, wenn die Dauer der Sperrzeit die Dauer der selbst verschuldeten Arbeitslosigkeit deutlich überschreite. Deshalb sei die Dauer der Sperrzeit in Fällen, in denen sich die Dauer der Arbeitslosigkeit nicht von vornherein bestimmen lasse, zunächst vorläufig festzusetzen. Vorliegend habe der Kläger die Dauer der Arbeitslosigkeit durch eigenen Bemühungen auf fünfeinhalb Wochen und damit auf weniger als die Hälfte der Regelsperrzeit (§ 119a AFG) verkürzt. Das rechtfertige die Anwendung der Härteklausel (§ 119 Abs 2 Satz 1 AFG), wodurch – ähnlich wie in der Senatsentscheidung vom 9. Februar 1995, aaO – zugleich den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes Rechnung getragen werde.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 28. April 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 1992 (§ 95 SGG) noch insoweit, als die Beklagte darin den Eintritt einer Sperrzeit auch für die Zeit vom 8. Mai bis 18. Juni 1992 festgestellt hat. Im übrigen, dh für die vorangehenden sechs Wochen (27. März bis 7. Mai 1992), ist das zweitinstanzliche Urteil, da der Kläger Revision nicht eingelegt hat, rechtskräftig geworden (§ 141 Abs 1 SGG). Richtige Klageart war die vom Kläger erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG). Die bloße Kassation des angefochtenen Bescheides reichte, weil die Beklagte Alg erst ab 19. Juni 1992 bewilligt hatte (Bescheid vom 16. April 1992), nicht aus (BSGE 66, 94 f = SozR 4100 § 119 Nr 36; BSGE 71, 256 f = SozR 3-4100 § 119 Nr 7, insoweit nicht abgedruckt; BSG, Urteil vom 9. Februar 1995 – 7 RAr 34/94 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).

Die grundsätzlich statthafte Berufung (§ 143 SGG) war nicht gemäß § 144 SGG in der ab 1. März 1993 geltenden Fassung (vgl Art 8 Nr 5, 14 Abs 1 und 15 Abs 1 des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 – BGBl I 50) ausgeschlossen. Denn sie betraf, weil der Kläger Alg für die Zeit vom 27. März bis 3. Mai 1992 (31 Wochentage) begehrte und der tägliche Leistungssatz knapp 50,00 DM ausgemacht hätte, eine Geldleistung von mehr als 1.000,00 DM (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG nF).

In der Sache richtet sich die Frage, ob der angegriffene Bescheid für den umstrittenen Zeitraum (8. Mai bis 18. Juni 1992) mit der Rechtslage in Einklang steht, nach § 119 AFG (hier anwendbar idF des Art 1 Nr 25 des Gesetzes zur Änderung des AFG und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand vom 20. Dezember 1988 – BGBl I 2343). Danach gilt ua: Hat der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und hat er dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben, so tritt eine Sperrzeit von acht Wochen ein (Abs 1 Satz 1 Nr 1). Die Sperrzeit beginnt mit dem Tage nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit (Abs 1 Satz 2). Während der Sperrzeit ruht der Anspruch auf Alg (Abs 1 Satz 3). Würde eine Sperrzeit von acht Wochen für den Arbeitslosen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten, so umfaßt die Sperrzeit vier Wochen (Abs 2 Satz 1). Die Sperrzeit umfaßt zwei Wochen in einem Falle des Abs 1 Satz 1 Nr 1, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von vier Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte (Abs 2 Satz 2 Nr 1). Gemäß § 119a AFG (hier anzuwenden idF des § 1 Abs 2 Buchst a des Gesetzes zur Verlängerung beschäftigungsfördernder Vorschriften ≪Beschäftigungsförderungsgesetz 1990 – BeschFG 1990≫ vom 22. Dezember 1989 – BGBl I 2406), gilt bei Sperrzeiten nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG, die in der Zeit vom 1. Januar 1985 bis 31. Dezember 1995 eintreten, § 119 AFG ua mit folgenden Maßgaben: Die Dauer der Sperrzeit nach Abs 1 Satz 1 beträgt zwölf Wochen, die Dauer nach Abs 2 Satz 1 sechs Wochen (Nr 1). Vorliegend kann offenbleiben, ob die Voraussetzungen für den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit nach den vorerwähnten Bestimmungen verwirklicht sind. Denn wegen Vorliegens einer besonderen Härte ist keinesfalls eine Sperrzeit von zwölf, sondern von längstens sechs Wochen eingetreten.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen der besonderen Härte (§ 119 Abs 2 Satz 1, § 119a Nr 1 AFG) können, wie vom BSG bereits entschieden, von den Gerichten in vollem Umfang nachgeprüft werden; der Beklagten ist kein Ermessen eingeräumt (BSGE 44, 71, 81 = SozR 4100 § 119 Nr 3; BSGE 48, 109, 114 = SozR 4100 § 119 Nr 8; BSG SozR 4100 § 119 Nr 32; BSGE 64, 202, 207 = SozR 4100 § 119 Nr 34; BSG, Urteil vom 28. Juni 1990 – 7 RAr 124/89 –, unveröffentlicht).

Dem Gesetzeswortlaut zufolge beurteilt sich die Frage, ob sich die Regelsperrzeit wegen Vorliegens einer besonderen Härte (§ 119 Abs 2 Satz 1, § 119a Nr 1 AFG) auf die Hälfte reduziert, allein nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen; außerhalb des Sperrzeittatbestandes liegende sowie nach Eintritt des die Sperrzeit begründenden Ereignisses eintretende Umstände können grundsätzlich keine Berücksichtigung finden (BSGE 64, 202, 208 = SozR 4100 § 119 Nr 34). Auf den vorliegenden Fall bezogen, bedeutet das: Die Tatsache, daß die vom Kläger verursachte Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer von ihm selbst gesuchten Arbeit beendet worden ist und nur fünfeinhalb Wochen gedauert hat (27. März bis 3. Mai 1992), vermag entgegen der Ansicht des LSG nicht die Annahme einer besonderen Härte zu begründen.

Dies wird mittelbar durch § 119 Abs 2 Satz 2 Nr 1 AFG bestätigt. Ihm läßt sich entnehmen, daß jedenfalls ein direkter Zusammenhang zwischen Sperrzeitdauer und Dauer der verursachten Arbeitslosigkeit nicht besteht (BSGE 64, 47, 50 f = SozR 4100 § 138 Nr 22). Vor allem muß sich bereits im Zeitpunkt des die Sperrzeit begründenden Ereignisses (§ 119 Abs 1 Satz 2 AFG) der Umfang der eintretenden Sperrzeit feststellen lassen. Die gegenteilige Ansicht wäre mit erheblicher Rechtsunsicherheit verbunden. Denn dann könnte erst bei Aufnahme einer neuen Tätigkeit festgestellt werden, ob und ggf in welchem Umfang eine Sperrzeit eingetreten ist.

Anderes hat jedoch in den Fällen zu gelten, in denen ein ohnehin auslaufendes oder befristetes Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet wird, sich mithin bereits bei Eintritt der Sperrzeit der Umfang der verursachten Arbeitslosigkeit übersehen läßt. In solchen Fällen kann eine besondere Härte, die eine Halbierung der Regelsperrzeit rechtfertigt, daraus resultieren, daß sich der Eintritt der Regelsperrzeit im Hinblick auf die für ihren Eintritt maßgebenden Tatsachen objektiv als unverhältnismäßig erweist (BSG SozR 4100 § 119 Nr 32; Eckert in Gemeinschaftskomm, Stand August 1995, § 119 Rz 87; Niesel in Niesel, Komm zum AFG, 1995, § 119 Rz 75). Ein solcher Fall liegt hier vor. Das ergibt sich aus der Gesamtsystematik der Sperrzeit-Vorschriften.

Nach dem Konzept des Gesetzgebers wird die Härteregelung des § 119 Abs 2 Satz 1 AFG durch eine weitere Härteregelung ergänzt, die Vorbehalten Rechnung trägt, die der Senat in seiner Entscheidung vom 12. Dezember 1984 – 7 RAr 49/84 – (BSG SozR 4100 § 119 Nr 24) unter Hinweis auf das Übermaßverbot zu erkennen gegeben hat. Diese zweite Härteklausel (§ 119 Abs 2 Satz 2 AFG) kommt zum Tragen, wenn ein kurzfristiges oder auslaufendes Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet wird (Nr 1) oder eine befristete Arbeit nicht angenommen oder nicht angetreten wird (Nr 2). In solchen Fällen, in denen die Dauer der verursachten Arbeitslosigkeit von vornherein feststeht, soll sich die Dauer der Sperrzeit in einem vernünftigen Verhältnis verkürzen. Dabei werden solche Arbeitsverhältnisse als kurzfristig angesehen, die ohne das Verhalten des Arbeitslosen innerhalb von vier Wochen geendet hätten bzw bis zu vier Wochen befristet waren. In diesen Fällen, in denen die vom Arbeitslosen herbeigeführte Arbeitslosigkeit nicht länger als vier Wochen (halbe Sperrzeit) dauert, wird eine – auf die Hälfte der Regeldauer verkürzte – Sperrzeit von vier Wochen für nicht angemessen erachtet; sie beträgt vielmehr unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes pauschal nur zwei Wochen und entspricht damit einem Viertel der Regeldauer der Sperrzeit (vgl BT-Drucks 10/3923 S 24 zu Nr 23 ≪§ 119≫). Derselbe Gedanke beansprucht, wie der Senat in seinem Urteil vom 9. Februar 1995, aaO, unter Hinweis auf die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes (Art 20 Abs 3 Grundgesetz) hervorgehoben hat, bei den Sperrzeiten nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG Gültigkeit, die in der Zeit vom 1. Januar 1985 bis 31. Dezember 1995 (nunmehr: 31. Dezember 2000) eintreten und – statt acht Wochen – zwölf Wochen betragen, auch wenn dies im Wortlaut des § 119a AFG nicht unmittelbar Ausdruck gefunden hat. Das besagt: In einem Fall des § 119a Nr 1 AFG, in dem die Regeldauer der Sperrzeit auf zwölf Wochen verlängert ist, umfaßt die Sperrzeit – ungeachtet der Anwendung auch des § 119 Abs 2 Satz 2 Nr 1 AFG – längstens drei Wochen (ein Viertel der Regeldauer), wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen (aber mehr als vier Wochen) nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohnehin geendet hätte.

Der vorliegende Fall weicht zwar von der vorgenannten Fallgestaltung ab. Denn das Arbeitsverhältnis des Klägers hätte nicht innerhalb von sechs, sondern erst innerhalb von rund neuneinhalbe Wochen (27. März bis 2. Juni 1992) nach dem Ereignis geendet, das die Sperrzeit begründete (26. März 1992). Doch greifen auch im vorliegenden Fall – unter Heranziehung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes sowie des Umstandes, daß § 119 Abs 2 Satz 2 AFG nicht abschließenden Charakter hat (Hennig/Kühl/Heuer/Henke, Komm zum AFG, Stand August 1995, § 119 Anm 19 Abs 2) – im Rahmen der allgemeinen Härteklausel (§ 119 Abs 2 Satz 1, § 119a Nr 1 AFG) dieselben Überlegungen wie zu § 119 Abs 2 Satz 2 Nr 1 iVm § 119a Nr 1 AFG Platz. Sie führen zu dem Ergebnis, daß in Fällen vorzeitiger Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, das ohnehin (ohne den Eintritt einer Sperrzeit) innerhalb von zwölf Wochen (aber mehr als sechs Wochen) nach dem sperrzeitbegründenden Ereignis geendet hätte, regelmäßig eine besondere Härte mit der Folge anzunehmen ist, daß die Dauer der Sperrzeit sechs Wochen umfaßt.

Dies gebietet sich angesichts des Umstandes, daß der Versichertengemeinschaft – von vornherein absehbar – nur ein verhältnismäßig geringer (zusätzlicher) Schaden entsteht (so wohl auch Eckert, aaO, § 119 Rz 87), vor allem aber wegen der mit der Sperrzeit einhergehenden Minderung der Dauer des Alg-Anspruchs (§ 110 Satz 1 Nr 2 AFG). Sie beläuft sich in Sperrzeitfällen, die bis zum 31. Dezember 1992 eintreten, im allgemeinen auf die Tage der Sperrzeit nach § 119 AFG (§ 110 Satz 1 Nr 2 Halbs 1 AFG idF des Art 1 Nr 21 Buchst a bb des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, aaO), in Sperrzeitfällen ab 1. Januar 1993 im allgemeinen auf die Tage der Sperrzeit nach § 119 AFG, in Fällen einer Sperrzeit von acht Wochen nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG mindestens jedoch auf ein Viertel der Anspruchsdauer, die dem Arbeitslosen bei erstmaliger Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, zusteht (§ 110 Satz 1 Nr 2 Halbs 1 idF des Art 1 Nr 28 Buchst b des Gesetzes zur Änderung von Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992 ≪BGBl I 2044≫; vgl aber die Übergangsregelung des § 242 m Abs 6 AFG). Das sind Folgesanktionen, die im Zusammenhang mit der Feststellung einer Sperrzeit und der Frage einer besonderen Härte mit zu bedenken sind. Zwar beruht die Sperrzeitregelung des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG, wie der Senat mehrfach herausgestellt hat, auf dem Grundgedanken, daß sich die Versichertengemeinschaft gegen Risikofälle wehren muß, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat (BSGE 67, 26, 29 = SozR 3-4100 § 119 Nr 3; BSG, Urteil vom 9. Februar 1995, aaO). Ist die herbeigeführte Arbeitslosigkeit jedoch relativ kurz, wovon regelmäßig auszugehen ist, wenn sie nur einen Zeitraum bis zur Dauer der Regelsperrzeit (acht bzw zwölf Wochen) umfaßt, so verkürzt sie sich – unbeschadet der günstigeren Rechtsfolgen aus § 119 Abs 2 Satz 2 AFG – unter dem Aspekt der besonderen Härte auf (vier bzw) sechs Wochen. Deshalb steht in Fällen der vorliegenden Art in Fortentwicklung des Senatsurteils vom 9. Februar 1995, aaO, nur der Eintritt einer sechswöchigen Sperrzeit mit der vom Gesetzgeber vorgegebenen allgemeinen Härteregelung und den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes in Übereinstimmung.

Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, daß in Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis nach mehr als (acht bzw) zwölf Wochen nach Eintritt des die Sperrzeit begründenden Ereignisses ohnehin geendet hätte, eine Anwendung der allgemeinen Härteklausel unter anderen Gesichtspunkten nicht ausgeschlossen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 61

NZA 1997, 344

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