Entscheidungsstichwort (Thema)

Entziehung der Kassenarztzulassung (Ruhen der Zulassung als Disziplinarmaßnahme der Kassenärztlichen Vereinigung). Entziehung der Kassenarztzulassung. Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Begriff der Ungeeignetheit

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen der Entziehung der Zulassung als Kassenarzt (§ 368a Abs 6 RVO).

 

Leitsatz (redaktionell)

Bevor die Kassenarztzulassung durch die Zulassungsinstanzen entzogen wird, ist zu prüfen, ob der Verstoß gegen das Kassenarztrecht ggf nicht vorrangig ausreichend durch eine Disziplinarmaßnahme der Kassenärztlichen Vereinigung nach § 368m Abs 4 RVO iVm der Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung geahndet werden kann (Höchstmaß: sechsmonatiges Ruhen der Zulassung).

 

Orientierungssatz

1. Der Begriff der gröblichen Pflichtverletzung iS des § 368a Abs 6 RVO ist iS einer verfassungskonformen Auslegung (Art 12 GG) einengend dahingehend auszulegen, daß der Kassenarzt zur Fortführung der kassenärztlichen Tätigkeit durch die von ihm begangenen Pflichtwidrigkeiten nicht mehr geeignet erscheinen darf und hierbei wiederum der Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit den unbestimmten Rechtsbegriff der "Geeignetheit" entscheidend prägt (ständige Rechtsprechung des BVerfG und BSG).

2. Ungeeignetheit als Kassenarzt iS des § 368a Abs 6 RVO liegt vor, wenn der Arzt nicht mehr geeignet erscheint, seine Pflichten weiterhin zu erfüllen, also das Vertrauensverhältnis zwischen ihm, der KÄV und den Krankenkassen derart gestört ist, daß eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr möglich erscheint. Bei der Beurteilung ist insbesondere dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen, da die Entziehung der Kassenzulassung, auch wenn die Tätigkeit als Kassenarzt selbst kein eigener Beruf iS des Art 12 GG ist, einer Einschränkung der Berufswahlfreiheit derart nahekommt, daß sie an strengen Maßstäben zu messen ist.

 

Normenkette

RVO § 368a Abs. 6; GG Art. 12; RVO § 368m Abs. 4 Fassung: 1982-12-20

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 30.10.1984; Aktenzeichen L 6 Ka 6/84)

SG Kiel (Entscheidung vom 28.03.1984; Aktenzeichen S 8 Ka 45/83)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger zu Recht die Kassenzulassung wegen erheblicher und dauernder Verstöße gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit entzogen worden ist.

Der Kläger ist seit dem 1. April 1977 in H.(H.) als praktischer Arzt niedergelassen und als Kassenarzt zugelassen. Wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise nahmen die Prüfungsinstanzen vom Quartal III/77 bis einschließlich Quartal I/83 Honorarkürzungen vor, die im RVO-Kassenbereich insgesamt 501.931,70 DM und auf dem Ersatzkassensektor 377.740,80 DM betrugen. Trotz zweier Schreiben der jeweiligen Vorsitzenden des Prüfungsausschusses und der Prüfungskommission des RVO- bzw Ersatzkassenbereichs vom 2. Dezember 1977 bzw 12. Oktober 1977, in denen der Kläger darauf hingewiesen worden war, daß seine Behandlungsweise nicht dem Gebot der Wirtschaftlichkeit entspreche, überschritt er ständig die Normwerte seiner Arztgruppe für Honorarforderungen mit Ausnahme des Quartals II/79. Zwei gegen den Kläger ergangene Widerspruchsbescheide (vom 2.1. und 10.5. 1977) enthielten den Hinweis, daß bei fortdauernder Unwirtschaftlichkeit disziplinarische Maßnahmen, die mit dem Entzug der Kassenzulassung enden könnten, nicht ausgeschlossen seien. Einladungen der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Schleswig-Holstein zur Teilnahme an einem Seminar über die kassenärztliche Honorarabrechnung im März und April 1978 war der Kläger nicht gefolgt. Mit Schreiben vom 11. Juni 1980 wies der Vorsitzende der KÄV den Kläger darauf hin, daß vorbehaltlich des Ergebnisses der Abrechnung für das 3. Quartal 1980 der Vorstand beabsichtige, Disziplinarmaßnahmen wegen anhaltender Verletzungen des Wirtschaftlichkeitsgebotes gegen ihn einzuleiten. Das anschließende Disziplinarverfahren endete mit einem Verweis für den Kläger.

Am 19. November 1981 führte der Geschäftsführer der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) I.im Beisein des Vorsitzenden der Kreisstelle der KÄV mit dem Kläger eine Unterredung, bei der dieser darauf hingewiesen wurde, daß der Entzug der Kassenzulassung beantragt werde, falls sich seine Behandlungsweise nicht spätestens bis zum Quartal I/82 so geändert habe, daß Honorarkürzungen nicht mehr erforderlich werden würden. Mit Schreiben vom 22. März 1983 beantragte der Vorsitzende der KÄV beim Disziplinarausschuß erneut die Durchführung eines Disziplinarverfahrens wegen Fortführung der unwirtschaftlichen Behandlungsweise. Gleichzeitig wies er darauf hin, daß aus diesem Grund auch die Möglichkeit einer Zulassungsentziehung erwogen werden müsse. Das Disziplinarverfahren ist bisher nicht durchgeführt worden; ab dem Quartal II/83 mußten beim Kläger keinerlei Honorarkürzungen mehr vorgenommen werden.

Mit Schreiben vom 15. März 1983 hat der Beigeladene zu 1) beim Zulassungsausschuß für Ärzte in Schleswig-Holstein beantragt, dem Kläger die Zulassung zu entziehen. Nach Anhörung des Klägers wurde dem Antrag durch Beschluß vom 15. Juni 1983 stattgegeben und dem Kläger die Kassenzulassung wegen gröblicher Verletzung seiner kassenärztlichen Pflichten entzogen. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Durch Urteil vom 18. Dezember 1984 hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) der Klage stattgegeben. Es hat ausgeführt, daß der Kläger seine kassenärztlichen Pflichten zwar dadurch, daß er über sechs Jahre hinweg gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise verstoßen habe, seine kassenärztlichen Pflichten gröblich verletzt habe. Die gröbliche Pflichtverletzung könne jedoch nur dann die Entziehung der Zulassung rechtfertigen, wenn sich aus ihr die Ungeeignetheit des Arztes für die Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung ergebe. Hierbei sei zu berücksichtigen, daß die Entziehung der Kassenarztzulassung einen so schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht des Arztes auf Berufsfreiheit (Art 12 des Grundgesetzes -GG-) darstelle, daß sie nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur als letzte Maßnahme in Betracht komme. Sie sei nur gerechtfertigt, wenn der Arzt, der die ordnungsgemäße Durchführung der kassenärztlichen Versorgung störe, nicht auf andere Weise, insbesondere durch gesetzlich, vertragsrechtlich und satzungsrechtlich vorgesehene Honorarkürzungen und Honorarabzüge sowie Belehrungen und Disziplinarmaßnahmen zu einer Aufgabe seines Fehlverhaltens veranlaßt werden könne. Eine Gesamtabwägung der Umstände führe dazu, daß die Zulassungsinstanz das Zulassungsentziehungsverfahren gegen den Kläger nicht ohne Rücksicht auf das beantragte Disziplinarverfahren hätte durchführen dürfen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit schränke nämlich das Prinzip, daß das Disziplinarwesen unabhängig von dem Verfahren der Zulassungsinstanzen sei, insoweit ein, als die Zulassungsinstanzen, die über die Eignung bzw Nichteignung des Klägers als Kassenarzt zu entscheiden hätten, zumindest den Ausgang des eingeleiteten Disziplinarverfahrens hätten abwarten müssen. Zudem wären mildere disziplinarrechtliche Mittel in Betracht gekommen.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen zu 5). Sie rügen die Verletzung materiellen Rechts und beantragen, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 18. Dezember 1984 - L 6 Ka 6/84 - aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 28. März 1984 - S 8 Ka 45/83 - zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladenen zu 1) bis 4) haben keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen konnten keinen Erfolg haben.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und das Bundessozialgericht (BSG) haben in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß wegen Art 12 GG der Begriff der gröblichen Pflichtverletzung iS des § 368a Abs 6 der Reichsversicherungsordnung (RVO) iS einer verfassungskonformen Auslegung einengend dahingehend auszulegen ist, daß der Kassenarzt zur Fortführung der kassenärztlichen Tätigkeit durch die von ihm begangenen Pflichtwidrigkeiten nicht mehr geeignet erscheinen darf (BVerfG, EuGRZ 1985, 237 ff; BVerfG, SozR 2200 § 368a RVO Nr 6; BSG USK 80102; BSGE 43, 250, 252; BSGE 34, 252, 253 f; BSG, BKK 1973, 70 ff; BSG SozR § 368a RVO Nr 24; BSGE 15, 177, 182; Spielmeyer/Schimmelpfeng-Schütte, Entwicklung des Sozialrechts, Aufgabe der Rechtsprechung, Festgabe aus Anlaß des 100jährigen Bestehens der sozialgerichtlichen Rechtsprechung, 1984, S 343, 344; Gunkel, ÄM 1983, 2401, 2402) und hierbei wiederum der Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit den unbestimmten Rechtsbegriff der "Geeignetheit" entscheidend prägt (BVerfG, EuGRZ aaO; BVerfG SozR 2200 aaO; BSG vom 19. Dezember 1984 - 6 RKa 34/83 -; BSG, USK aaO; BSGE 43, 250, 252; BSGE 34, 252, 254; BSG, BKK 1973, 70 ff; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand Dezember 1985, Anm 9 f bb zu § 368a mwN; Krauskopf/Siewert, Das Kassenarztrecht, 3. Aufl, S 65; Hoffmann, ArztR, 231 ff und 259 ff, 261; Spielmeyer/Schimmelpfeng-Schütte, aaO; Schneider, SGb 1985, 137, 142; Siewert, DOK 1975, 526). Entgegen der Ansicht des Beigeladenen zu 1) ist dieser von der Rechtsprechung entwickelte Begriff der Ungeeignetheit voll überprüfbar (Peters, aaO Anm 9 f aa zu § 368a RVO; vgl auch die oben zitierte Rechtsprechung des BSG und des BVerfG), da sich die zuständigen Zulassungsgremien hier gegenüber dem Gericht nicht auf eine besondere, einen nicht voll überprüfbaren Beurteilungsspielraum rechtfertigende Sachkunde berufen können.

Der Kläger hat in den Jahren 1977 bis 1983 Pflichtverletzungen begangen, indem er gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 368e RVO verstoßen hat. Daß ein solcher Verstoß die Entziehung der Zulassung rechtfertigen kann, ist in der Rechtsprechung anerkannt (BSGE 33, 161 ff; BSGE 34, 252 ff; Krauskopf/Siewert, aaO S 64; Koch SGb 1983, 387, 388; Krob, Der Kassenarzt 1973, 1841, 1847). Pflichtverletzungen iS von § 368a Abs 6 RVO erfordern über den objektiven Verstoß hinaus kein subjektives Verschulden des Klägers, da die Zulassungsentziehung keine Sanktion darstellt, sondern lediglich dazu dient, das System der kassenärztlichen Versorgung vor Störungen zu bewahren und damit funktionsfähig zu erhalten (BSG, USK 84122; BSG, USK 80102; BSGE 43, 250, 252; BSGE 34, 252, 253; BSG, BKK 1973, 70 ff; BSGE 10, 292, 298; Schneider, Kassenarztrecht, S 179; Krauskopf/Siewert, aaO S 66; Weissauer, DÄ 1973, 3211 ff und 3275 ff, 3276 f; Hoffmann, ArztR 1979, 231 ff und 259 ff, 261). Sowohl die Frage des Verschuldens (vgl Koch, SGb 1983, 387, 388 mwN; BSG, BKK 1973, 70, 71) wie auch die näheren Umstände, die zu den einzelnen Kürzungsbescheiden geführt haben (Koch, aaO, S 398) sind allerdings im weiteren Verlauf der Prüfung des § 368a Abs 6 RVO zu beachten und in die rechtliche Bewertung einzubeziehen; erst die subjektiven Momente lassen eine abschließende Beurteilung der Geeignetheit zu.

Ungeeignetheit als Kassenarzt iS des § 368a Abs 6 RVO liegt vor, wenn der Arzt nicht mehr geeignet erscheint, seine Pflichten weiterhin zu erfüllen (vgl etwa BVerfG, EuGRZ 1985, 237 ff und BSG, USK 80102), also das Vertrauensverhältnis zwischen ihm, der KÄV und den Krankenkassen derart gestört ist, daß eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr möglich erscheint (BSG, USK 80102; BSGE 43, 250, 252; BSG, BKK 1973, 70 ff). Bei dieser Beurteilung ist, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, insbesondere dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen (BVerfG, EuGRZ 1985, 237 ff; BVerfG SozR 2200 § 368a Nr 6; BSG vom 19. Dezember 1984 - 6 RKa 34/83 -; BSG, USK 80102), da die Entziehung der Kassenzulassung, auch wenn die Tätigkeit als Kassenarzt selbst kein eigener Beruf iS des Art 12 GG ist, einer Einschränkung der Berufswahlfreiheit derart nahekommt, daß sie an strengen Maßstäben zu messen ist (vgl BVerfGE, 11, 30 ff, 41 ff).

Der Kläger hat nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG über eine lange Zeit gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit verstoßen, obwohl er mehrfach durch verschiedene Stellen auf sein Fehlverhalten und mögliche Folgen hingewiesen worden ist. Er hat sich während eines Zeitraums von etwa sechs Jahren derart unwirtschaftlich verhalten, daß sein Honorar im RVO-Kassenbereich und auf dem Ersatzkassensektor um insgesamt mehr als 870.000,-- DM gekürzt werden mußte. Vom dritten Quartal 1977 bis zum ersten Quartal 1983 überschritt er mehrfach, und zwar sowohl im RVO-Bereich wie auch auf dem Ersatzkassensektor, die nach der Gauß'schen Normalverteilung errechnete sog doppelte mittlere Streubreite.

Damit hat der Kläger seine Pflichten als Kassenarzt derart gröblich verletzt, daß man von seiner Ungeeignetheit auszugehen hätte, wenn nicht ein geringeres Mittel als die Entziehung als ausreichend anzusehen wäre, ihn nachhaltig zur Erfüllung seiner kassenärztlichen Pflichten anzuhalten.

Die Wirksamkeit einer solchen Maßnahme als in dem genannten Sinne ausreichendes Mittel ist hier aber nicht auszuschließen. Zwar hat der Beklagte auf disziplinarische Maßnahmen keinen unmittelbaren Einfluß, jedoch besteht zwischen der Zulassungsentziehung wegen gröblicher Pflichtverletzung und der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen ein enger Zusammenhang (BSGE 15, 177, 183; BSGE 10, 292, 297; Peters, aaO, Anm 9 f bb zu § 368a; Gunkel, ÄM 1963, 2401, 2402; Weissauer, DÄ 1973, 3211 ff und 3275 ff, 3276 ff), der es nicht gerechtfertigt erscheinen läßt, Disziplinarverfahren und Zulassungsentziehungsverfahren völlig losgelöst voneinander zu beurteilen. Bei der Beurteilung, ob hier eine disziplinarische Maßnahme ausreicht, ist zu berücksichtigen, daß das LSG zu der den Senat bindenden Feststellung gelangt ist, die unwirtschaftliche Behandlungs- und Verordnungsweise des Klägers seitens der Beigeladenen zu 5) und ihrer zuständigen Gremien sei nicht immer straff und konsequent genug angegangen worden.

Bei der Schwere der Pflichtverletzungen des Klägers kommt in diesem Sinne eine Disziplinarmaßnahme nur deshalb in Betracht, weil durch § 368m Abs 4 RVO ab dem 1. Januar 1983 für die KÄV'en die Möglichkeit geschaffen worden ist, in ihren Satzungen auch die Anordnung des Ruhens der Zulassung bis zu sechs Monaten vorzusehen. Dieser gesetzlichen Ermächtigung entspricht seit dem 1. Juli 1983 § 3 Abs 9 Satz 1 der Satzung der Beigeladenen zu 5) (Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 1983, 411). Zwar datieren die Verstöße des Klägers vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung, so daß im Normalfall die verschärften Disziplinarmöglichkeiten auf die klägerischen Verfehlungen nicht angewendet werden können (Peters, aaO, Anm 7b cc zu § 368m; Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht I, 5. Aufl LZ C 690). Jedoch ergibt sich die Anwendbarkeit dieser neuen, verschärften Disziplinarmöglichkeiten hier aufgrund der besonderen Umstände des Falles. Im strafrechtlichen Bereich ist gesetzlich bestimmt, daß das mildeste Gesetz zur Anwendung kommt, wenn nach Beendigung der Tat ein Gesetz geändert wird (§ 2 Abs 2 StGB). Dieser Grundsatz muß im Rahmen des Disziplinarrechts ebenfalls zu Gunsten des Klägers Anwendung finden. Bei Weitergeltung der früheren Vorschriften hätten nach Ansicht des Senats hier wegen der Vielzahl und Schwere der Verstöße die rechtlichen Voraussetzungen einer Zulassungsentziehung vorgelegen, während der frühere disziplinarrechtliche Maßregelkatalog mit einer Höchstgeldbuße von 5.000,-- DM nicht ausgereicht hätte. Dem Disziplinarausschuß wurde nunmehr aber die Möglichkeit eröffnet, das Ruhen der Zulassung bis zu sechs Monaten anzuordnen. Aus den genannten Gründen ist die Verhängung einer solchen Maßnahme hier vorgreiflich.

Die Revisionen konnten demnach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

BSGE, 76

NJW 1987, 1509

AusR 1990, 31

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