Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 05.11.1991)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 5. November 1991 wird zurückgewiesen. Die Anschlußrevision des Klägers wird als unzulässig verworfen, soweit sie die Anrechnung von Beitragszeiten außerhalb des Zeitraums vom 1. Oktober 1952 bis zum 31. Dezember 1956 betrifft. Im übrigen wird die Anschlußrevision des Klägers zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist die Höhe des dem Kläger seit Juni 1987 gewährten Altersruhegeldes (ARG) wegen Vollendung des 65. Lebensjahres, im einzelnen, ob

  1. die Zeit vom 9. Mai 1945 bis zum 30. September 1948 ungekürzt als Beitragszeit,
  2. die Zeit vom 1. Oktober 1952 bis zum 31. Dezember 1956 als Beitragszeit unter Zuordnung zur Leistungsgruppe 2 der Anlage 1 B zu § 22 des Fremdrentengesetzes (FRG) und
  3. die Zeit vom 1. Januar 1957 bis zum 31. August 1966 mit dem Wert der Leistungsgruppe 2 der og Anlage anzurechnen sind.

Der im Mai 1922 im Sudetenland geborene Kläger, Inhaber des Vertriebenenausweises A, reiste im Juli 1969 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach dem Besuch von Volksschule, Bürgerschule und landwirtschaftlicher Ackerbauschule war er 1939/1940 landwirtschaftlicher Praktikant und von 1941 bis zum 8. Mai 1945 im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb tätig. Vom 1. Oktober 1945 bis zum 31. Dezember 1956 war er selbständiger Landwirt, seit Januar 1952 als Mitglied einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) vom Typ I. Vom 1. Januar 1957 bis zum 31. Dezember 1961 war er bei der LPG als Leitender Buchhalter, anschließend bis zum 31. August 1967 als Hauptbetriebswirt (Hauptökonom) beschäftigt, sodann bis zu seiner Ausreise als Fachlehrer an einer technischen landwirtschaftlichen Fachoberschule. Von Januar 1952 bis Ende 1956 erledigte er buchhalterische Arbeiten für seine LPG und nahm jeweils im Winter an einmonatigen Buchführungskursen teil. 1961 schloß er ein einjähriges Studium an der landwirtschaftlichen Mittelschule für Funktionäre der sozialistischen Betriebe der Landwirtschaft, Fachbereich Ökonomie, mit der Qualifikation „Techniker-Ökonom” erfolgreich ab. Nach einem fünfjährigen Fernstudium an der landwirtschaftlichen Hochschule in Brünn erlangte er am 8. September 1966 die Hochschulqualifikation im Fach Betrieb und Ökonomie der landwirtschaftlichen Produktion und die Berechtigung, den Titel „Ingenieur” zu führen.

In dem streitigen Bescheid vom 24. November 1987, mit dem die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) ARG ab Juni 1987 bewilligte, sowie mit den streitigen Neufeststellungsbescheiden vom 5. Februar 1988 und vom 1. Juni 1988, alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 1988 und mit dem während des Klageverfahrens ergangenen Neufeststellungsbescheid vom 3. März 1989 lehnte die BfA ab, die og streitigen Zeiten in dem vom Kläger begehrten Umfang anzurechnen.

Das Sozialgericht (SG) Frankfurt/Main hat die Klage insoweit abgewiesen (Urteil vom 17. Juli 1989). Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG geändert und die Beklagte verurteilt, die Zeit vom 1. Oktober 1952 bis zum 31. Dezember 1956 als Beitragszeit unter Zuordnung der Leistungsgruppe 3 der Anlage 1 B zu § 22 FRG ungekürzt anzurechnen, und die Berufung des Klägers im übrigen zurückgewiesen (Urteil vom 5. November 1991). Das Berufungsgericht ist folgender Ansicht: Die Zeit vom 9. Mai 1945 bis zum 30. Mai 1948 könne nicht als Beitragszeit nach § 15 FRG berücksichtigt werden, weil sie erstmals durch das tschechoslowakische Sozialversicherungsgesetz Nr 121/1975 (Gesetzblatt der CSSR – Sb – vom 12. November 1975) nachträglich als – beitragslose – Beitragszeit anerkannt worden ist, die Einbeziehung also erst nach Ablauf des streitigen Zeitraums erfolgt sei (Hinweis auf Bundessozialgericht ≪BSG≫ in: SozR 5050 § 15 Nr 11). Hingegen sei der Zeitraum vom 1. Oktober 1952 bis zum 31. Dezember 1956, in welchem der Kläger als selbständiger Landwirt die nach tschechoslowakischem Recht vorgeschriebenen Abgaben zur Rentenversicherung lückenlos entrichtet habe, ungekürzt als Beitragszeit anzurechnen. Nach tschechoslowakischem Recht habe in dieser Zeit kein sozialrechtliches „Sondersystem” für selbständige Landwirte bestanden. Auch nach dem Umbau der Rentenversicherung im Jahre 1952 (Hinweis auf § 6 Abs 3 des Gesetzes Nr 102/1951 Sb) habe nur ein Versicherungsträger die Nationalversicherung für die abhängig Beschäftigten und die selbständig Tätigen durchgeführt. Die Leistungen der Altersversorgung hätten in allen Fällen den Durchschnittsverdienst als generelle Bemessungsgrundlage gehabt. Die Abweichungen zwischen der Altersversicherung selbständiger Bauern und Genossenschaftsbauern von den Regelungen der allgemeinen gesetzlichen Versicherung für abhängig Beschäftigte im Blick auf die Gestaltung des Beitrags- und Leistungsrechts reichten für die Annahme einer berufsständigen Sondereinrichtung noch nicht aus. Diese Beitragszeit sei wie diejenige bis zum 8. September 1966 nach der Leistungsgruppe 3 der Anlage 1 B zu § 22 FRG in der bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung zu bewerten. Unter Beachtung des Stufenverhältnisses der Leistungsgruppen zueinander (Hinweis auf BSG SozR Nr 4 zu § 22 FRG), des Berufsgruppenkatalogs und der hierzu vorrangigen Definitionen der Leistungsgruppen (Hinweis auf BSG SozR 5050 § 22 Nr 11; SozR Nrn 4 und 5 zu § 22 FRG) sei nicht zu beanstanden, daß der Kläger erst mit dem Abschluß des fünfjährigen Fernstudiums am 8. September 1966, damit aber schon vor Vollendung des 45. Lebensjahres, in die Leistungsgruppe 2 der og Anlage eingestuft worden sei. Die für diese Leistungsgruppe ua erforderlichen „besonderen Erfahrungen” könnten angesichts des beruflichen Werdeganges des Klägers für einen früheren Zeitpunkt nicht festgestellt werden. Das LSG hat im Urteilsausspruch verlautbart: „Die Revision wird zugelassen.” In der Begründung hierfür heißt es: „Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (Nr 2 der Entscheidungsgründe) zugelassen (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).”

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision eine Verletzung von § 15 Abs 2 FRG. Sie meint, für die Zeit ab Januar 1952 sei in der Tschechoslowakei durch die Einführung der Sonderversicherung der Selbständigen bei der „Zentral-Nationalversicherungsanstalt” ein „Sondersystem” der sozialen Sicherheit iS von § 15 Abs 2 FRG begründet worden, das nicht nach § 15 Abs 3 FRG in der bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung durch Rechtsverordnung anerkannt worden sei. Das LSG habe verkannt, daß seit 1952 zwischen den freiberuflich tätigen Schriftstellern und Künstlern einerseits, die weiter dem System der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung angehört hätten, und den sonstigen Selbständigen andererseits zu unterscheiden sei. Diese seien zwar auch weiterhin beim „Träger” der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung verblieben. Jedoch sei ihre soziale Sicherung nach besonderen beitrags- und leistungsrechtlichen Vorschriften außerhalb der allgemeinen Arbeitnehmerversicherung durchgeführt worden (§§ 16 ff der Reg-VO Nr 46/1952, §§ 19 ff der Reg-VO Nr 56/1956 iVm der Kundmachung Nr 67/1957, Kundmachung Nr 105/1964, §§ 98 ff der Kundmachung Nr 128/1975 zum Gesetz Nr 121/1975). Das LSG habe sich zwar für seine Auffassung auf das Urteil des 4. Senats des BSG (SozR 5050 § 15 Nr 7) gestützt, nach dem es für das Bestehen eines Sondersystems nicht auf die unterschiedliche Gestaltung des Beitrags- oder/und Leistungsrechts der einem Sicherungssystem unterliegenden Versicherten, sondern entscheidend auf ihren Zusammenschluß in einem organisatorisch selbständigen System ankomme. Damit sei jedoch unzulässigerweise das Problem auf die einfache Formel: „System” = „Träger” reduziert worden. Die bloße organisatorische Zugehörigkeit des Klägers zur tschechoslowakischen Nationalversicherungsanstalt reiche jedoch für die Ablehnung eines Sondersystems nicht aus. Daß ein solches seit 1952 bestanden habe, ergebe sich aus dem Wortlaut der og tschechoslowakischen Rechtsquellen, den strukturellen Änderungen im Beitrags- und Leistungssystem sowie der unterschiedlichen Finanzierung (Hinweis auf §§ 1, 6, 11 des Gesetzes Nr 76/1952; §§ 21, 30 der Reg-VO Nr 56/1956; § 17 der Reg-VO Nr 46/1952). Die Renten der Selbständigen seien teilweise unter völlig anderen Voraussetzungen als die Arbeitnehmerrenten gewährt worden (Hinweis auf: §§ 18, 19 der Reg-VO Nr 46/1952; §§ 22, 23 der Reg-VO Nr 56/1956; §§ 62, 63 des Gesetzes Nr 99/1948; §§ 9, 12 ff des Gesetzes Nr 55/1956, alle in Sb). Die Renten seien auch unterschiedlich berechnet worden (Hinweis auf § 20 der Reg-VO Nr 46/1952; § 24 der Reg-VO Nr 56/1956; §§ 71 ff des Gesetzes Nr 99/1948; §§ 8, 10 ff, 14 ff des Gesetzes Nr 55/1956). Insgesamt sei die Absicht des tschechoslowakischen Gesetzgebers erkennbar, den sozialen Schutz der Selbständigen auf einem wesentlich niedrigeren Gesamtniveau außerhalb des allgemeinen Arbeitnehmersystems zu regeln. Für die Annahme getrennter Systeme sprächen auch die Koordinierungsvorschriften, welche die Zusammenrechnung von Beitragszeiten im Arbeitnehmer- und im Selbständigensystem vorgesehen sowie die Frage geregelt hätten, aus welchem System im Rentenfall eine Gesamtleistung zu erbringen sei (Hinweis auf § 21 der Reg-VO Nr 46/1952). Nach § 6 Abs 3 Buchst b des Gesetzes Nr 101/1964 iVm § 9 der Durchführungsverordnung (DVO) zu diesem Gesetz seien frühere Zeiten der Versicherung als Selbständiger dann im allgemeinen Arbeitnehmersystem angerechnet worden, wenn nach Beendigung der Selbständigentätigkeit eine bestimmte Beschäftigungszeit als Arbeitnehmer zurückgelegt worden sei; anderenfalls seien die Arbeitnehmerzeiten im Sicherungssystem der Selbständigen angerechnet worden. Die Beklagte trägt vor, hiermit habe sie den Beweis erbracht, daß der Kläger im streitigen Zeitraum einem besonderen Sicherungssystem für Selbständige angehört habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 5. November 1991 abzuändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 17. Juli 1989 in vollem Umfang zurückzuweisen und die Anschlußrevision des Klägers zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen,

ferner im Wege der Anschlußrevision,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 5. November 1991 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger höheres Altersruhegeld unter ungekürzter Anrechnung der Zeiten vom 9. Mai 1945 bis zum 30. September 1948 sowie vom 1. Oktober 1952 bis zum 31. Dezember 1956 als Beitragszeiten unter Zuordnung zur Leistungsgruppe 2 der Anlage 1 B zu § 22 FRG, ferner unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe 2 auch für die Zeit ab 1. Januar 1957 bis zum 31. August 1966 zu gewähren.

Die Revision der Beklagten sei unbegründet, weil sie sich auf nicht revisibles Recht stütze. Das LSG habe mit Bindungswirkung für das Revisionsgericht (Hinweis auf § 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) das tschechoslowakische Recht geprüft und mit dem Ergebnis gewürdigt, daß die beitrags- und leistungsrechtlichen Vorschriften für Selbständige kein Sondersystem begründet hätten. Da das LSG die Revision ohne Einschränkung zugelassen habe, sei die Anschlußrevision auch im Blick auf die Anrechnung der streitigen Zeiten vor 1952 und nach 1956 statthaft. Die Zeit vom 9. Mai 1945 bis zum 30. September 1948 sei als Beitragszeit ungekürzt anzurechnen, weil sie aufgrund des Gesetzes Nr 128/1975 nach tschechoslowakischem Recht als Beitragszeit angerechnet würde. Dies habe das deutsche Recht, dem ähnliche Rechtsgestaltungen nicht fremd seien, hinzunehmen. Schon die Zeit ab Oktober 1952, erst recht die von Januar 1957 bis August 1966, sei nach der Leistungsgruppe 2 der Anlage 1 B zu § 22 FRG anzurechnen. Der Kläger habe schon aufgrund des Praktikantenverhältnisses und der Tätigkeit auf dem elterlichen Hof seine landwirtschaftlichen Kenntnisse so vervollständigt, daß er ab 1952 in der Leistungsgruppe 2 der og Anlage einzustufen sei, zumal er schon seit 1945 Aufgaben als Buchhalter in der Landwirtschaft wahrgenommen und sich laufend fortgebildet habe. Der Kläger hat im Blick auf die mit seiner Anschlußrevision zunächst gleichfalls streitig gestellte Anerkennung der Monate September 1969 und März 1971 als Ausfallzeiten der Arbeitslosigkeit mit Schriftsatz vom 28. September 1992 die Hauptsache für erledigt erklärt, weil die Beklagte diese Zeiten anerkannt habe.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Entscheidung des LSG, die Zeit vom 1. Oktober 1952 bis zum 31. Dezember 1956 sei ungekürzt als Beitragszeit anzurechnen, ist nicht zu beanstanden.

Gemäß § 15 Abs 1 Satz 1 FRG – das nach Art 6 § 4 Abs 2 Satz 1 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) idF von Art 16 des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S 2261) in seiner bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung anzuwenden ist, weil vor dem 1. Juli 1990 ein Anspruch auf Zahlung von ARG bestand – stehen Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die den Senat binden (§ 163 SGG), hat der Kläger als selbständig wirtschaftender Landwirt im vorgenannten Zeitraum lückenlos die nach tschechoslowakischem Recht vorgeschriebenen Beiträge für die soziale Rentenversicherung entrichtet. Diese Beiträge flossen – entgegen der Ansicht der Beklagten – einem Träger „der gesetzlichen Rentenversicherungen” zu. Hierunter ist gemäß § 15 Abs 2 Satz 1 FRG jedes System der sozialen Sicherheit zu verstehen, in das in abhängiger Beschäftigung stehende Personen durch öffentlich-rechtlichen Zwang einbezogen sind, um sie und ihre Hinterbliebenen für den Fall der Minderung der Erwerbsfähigkeit, des Alters und des Todes oder für einen oder mehrere dieser Fälle durch die Gewährung regelmäßig wiederkehrender Geldleistungen (Renten) zu sichern. Daß die tschechoslowakische gesetzliche Rentenversicherung im Blick auf Arbeitnehmer und auf freiberuflich tätige Schriftsteller und Künstler ein gesetzliches Rentenversicherungssystem iS von Abs 2 Satz 1 aaO ist (wovon das BSG in ständiger Rechtsprechung ausgeht: zuletzt BSG SozR 5050 § 15 Nr 39 mwN), stellt die Revision nicht in Frage. Hingegen meint sie, daß der Kläger jedenfalls seit Oktober 1952 einem „Sondersystem für Selbständige” angehört habe.

Nach der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG (SozR 5050 § 15 Nr 38 S 134 mwN) gehören zu den „Systemen der Sozialen Sicherheit” iS des § 15 Abs 2 Satz 1 FRG nicht nur allgemeine Systeme, sondern auch Sondersysteme, dh solche Sicherungseinrichtungen, die nur den Schutz bestimmter Personenkreise zum Ziel haben. Mithin reicht allein der Umstand, daß Regelungen der Sozialen Sicherheit den besonderen Bedürfnissen bestimmter Personenkreise durch besondere Beitrags- oder Leistungsgestaltung Rechnung tragen sollen, nicht aus, den Schutz von § 15 Abs 1 Satz 1 FRG hintanzuhalten (in diesem Sinne schon der erkennende Senat im Urteil vom 26. April 1977, SozR 5050 § 15 Nr 7).

Die Revision der Beklagten könnte daher nur durchdringen, wenn der Kläger seit Oktober 1952 Beiträge zu einem System oder einer Einrichtung entrichtet hätte, die – wie § 15 Abs 3 FRG (in der bis zum 30. Juni 1990 geltenden Fassung) voraussetzt – „für andere Personenkreise als den in Abs 2 genannten geschaffen sind” und die – unter weiteren Voraussetzungen – einer Anerkennung in Form einer (deutschen) Rechtsverordnung bedurften. Derartige Beitragszeiten pflicht- oder freiwillig versicherter Personen, die bei einem ausschließlich für Selbständige errichteten Versicherungsträger zurückgelegt worden sind, werden von § 15 Abs 2 Satz 1 FRG nicht erfaßt (BSGE 67, 214 = SozR 3-6710 Art 4 Nr 1 S 6 f mwN; Urteil des erkennenden Senats vom 28. Februar 1991 – 4 RA 20/90 –, MittLVABE 1991, 299 ff). Denn bei derartigen Systemen der Sozialen Sicherheit sind entgegen § 15 Abs 2 Satz 1 gerade keine „in abhängiger Beschäftigung stehenden Personen” zwangsweise einbezogen.

Ein solches „Sondersystem” iS von Abs 3 aaO liegt nur vor, wenn es von den „gesetzlichen Rentenversicherungen” (Abs 1 Satz 1 aaO), in welche Arbeitnehmer einbezogen sind, eindeutig abgegrenzt ist. Das ist nicht der Fall, wenn es in einem der „Wanderversicherung” (§§ 87 ff des Angestelltenversicherungsgesetzes – AVG) ähnlichen Verhältnis zu den anderen Systemen steht oder im Blick auf die Versicherungspflicht einem anderen System gleichgestellt ist (§ 15 Abs 2 Satz 2 FRG). In diesem Sinne hat der erkennende Senat (SozR 5050 § 15 Nr 7 S 19) betont, entscheidend für das Bestehen eines Sondersystems für Selbständige sei nicht die unterschiedliche Gestaltung des Beitrags-oder/und Leistungsrechts der einem Sicherungssystem unterliegenden Versicherten, sondern ihr Zusammenschluß „in einem organisatorisch selbständigen System”. Die Ansicht der Beklagten, damit werde ausschließlich darauf abgestellt, ob ein Leistungsträger oder mehrere vorhanden seien, trifft nicht zu,

zumal der Senat an keiner Stelle auf den Rechtsträger der tschechoslowakischen Versicherung abgestellt hat. Für die Beurteilung der Frage, ob die soziale Sicherung von Selbständigen in einem eigenständigen, ausschließlich für diesen Personenkreis geschaffenen System erfolgt, kommt es auf eine Gesamtbetrachtung an, in die der Zweck der die Selbständigen betreffenden besonderen Regelungen, die Organisation, die Finanzierung sowie die Ausgestaltung des Leistungsrechts einzubeziehen sind. Soweit die og Kriterien „Wanderversicherung”; Ersetzung der Versicherungspflicht), welche das Vorliegen eines Sondersystems für Selbständige ausschließen, nicht gegeben sind, kommt es darauf an, ob diese Anhaltspunkte überwiegend iS der Trennung von den auch für Arbeitnehmer bestimmten Sicherungssystemen ausgestaltet sind. Deswegen ist dem 5. Senat des BSG (BSGE 67, 214 = SozR 3-6710 Art 4 Nr 1) darin zu folgen, daß ein Sondersystem nicht allein deswegen abgelehnt werden kann, weil in einem Land nur ein Träger der Sozialen Sicherheit besteht. Die anderen rechtserheblichen Umstände können vielmehr gleichwohl überwiegend dafür sprechen, daß ein solcher – singulärer – Träger eine Vielzahl von unterschiedlichen Versicherungssystemen, die jeweils in eigenen Gesetzen ausgestaltet sind, verwaltet. Dies trifft jedoch für die Versicherung des Klägers im hier streitigen Zeitraum von Oktober 1952 bis Dezember 1956 in der Tschechoslowakei (noch) nicht zu.

Der Senat hält nach erneuter Prüfung (nur) für den vorgenannten Zeitraum (für die Zeit sei dem 1. Januar 1957 siehe Urteil des Senats vom heutigen Tag – 4 RA 24/91 –, zur Veröffentlichung vorgesehen) daran fest, daß „die selbständig Erwerbstätigen in der Tschechoslowakei zusammen mit den abhängig Beschäftigten in die Nationalversicherung einbezogen waren und keinem unabhängig davon bestehenden System der Sozialen Sicherheit angehörten” (SozR 5050 § 15 Nr 7 S 19). Das LSG hat, gestützt auf gutachtliche Stellungnahmen des Instituts für Ostrecht München e.V. vom 18. Juli 1990 und vom 10. Oktober 1990, dazu im wesentlichen folgendes festgestellt: Gemäß § 6 Abs 3 des Gesetzes 102/1951 sei der Umbau der bis dahin für Arbeitnehmer und Selbständige einheitlichen Nationalversicherung beschlossen worden. Er sei durch zusätzliche Regelungen zu dem weiter gültigen Gesetz Nr 99/1948 schrittweise konkretisiert worden. Mit der Reg-VO Nr 46/1952 sei die Schaffung eines leistungsbezogenen Rentensystems für Selbständige und Bauern der LPG des Typs I und II bezweckt worden. Für das Beitragsrecht seien bei Selbständigen weiterhin die Bestimmungen des Gesetzes Nr 99/1948 analog angewandt worden, das erst durch das Gesetz Nr 55/1956 (in Kraft getreten am 1. Januar 1957) aufgehoben worden sei. Die Leistungen der Altersversicherung hätten in allen Fällen den Durchschnittsverdienst als generelle Bemessungsgrundlage gehabt. Ferner sei nur ein Verwaltungsträger (der Staat) vorhanden gewesen. In Abwägung mit den in dieser Zeit für selbständige Landwirte einschließlich der Mitglieder einer LPG des Typs I gültigen besonderen Beitrags- und Leistungsregelungen hat das LSG die Überzeugung gewonnen, es habe noch kein berufsständisches Sondersystem vorgelegen.

An diese Feststellungen zum tschechoslowakischen Recht und an die darauf beruhende Rechtsauslegung des LSG ist der erkennende Senat gebunden. Es handelt sich nämlich insoweit um nicht revisibles Recht (§ 162 SGG, § 202 SGG iVm § 562 der Zivilprozeßordnung – ZPO). Eine andere Auslegung des ausländischen Rechts ist dem Revisionsgericht verwehrt; es muß die daraus vom Berufungsgericht gezogenen rechtlichen Schlußfolgerungen ebenso hinnehmen wie die tatsächlichen Feststellungen nach § 163 SGG (ständige Rechtsprechung, zuletzt BSG SozR 5050 § 15 Nr 38 S 135 ff, mwN). Dem Vorbringen der Beklagten, das tschechoslowakische Recht sei anders zu würdigen, ist nicht näherzutreten. Eine der Ausnahmefälle (dazu BSG aaO), in denen das Revisionsgericht ausländisches Recht auslegen und anwenden darf, liegt nicht vor. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, daß das Berufungsgericht eine für den streitigen Zeitraum gültige und im Blick auf den festgestellten Sachverhalt rechtserhebliche Norm des tschechoslowakischen Rechts übersehen und deshalb nicht gewürdigt hat. Da eine Verletzung ausländischen Rechts mit der Revision sogar dann nicht gerügt werden kann, wenn die Ausführungen des Berufungsgerichts hierzu nicht erschöpfend sind, ist nicht darauf einzugehen, daß das LSG weitere, für seine Rechtsauffassung sprechende Aspekte des tschechoslowakischen Rechts nicht erörtert hat. Schließlich hat die Beklagte die vorgenannten Feststellungen des LSG zum tschechoslowakischen Recht weder ausdrücklich noch sinngemäß mit einer Verfahrensrüge angegriffen. Ihr Revisionsvorbringen, das sich im Kern auf die Darlegung ihrer vom LSG abweichenden Rechtsauffassung zum tschechoslowakischen Recht beschränkt, läßt nicht erkennen, daß und ggf welche weiteren Ermittlungen des LSG sie für erforderlich gehalten hat. Schon deswegen ist nicht darzulegen, daß das LSG die Grenzen seines pflichtgemäßen Ermessens nicht überschritten hat, das sich darauf erstreckt, selbst die Art und Weise zu bestimmen, wie es sich Kenntnis vom Inhalt des ausländischen Rechts verschafft.

Da der Kläger im streitigen Zeitraum durchgehend Beiträge entrichtet hat und die Beklagte im Blick auf die Bewertung dieser Beitragszeit nach der Leistungsgruppe 3 der Anl 1 B zu § 22 FRG keine Bedenken geltend gemacht hat, kann ihre Revision keinen Erfolg haben.

Die innerhalb eines Monats nach Zustellung der Revisionsbegründung eingelegte sowie begründete und damit form- und fristgerechte (unselbständige) Anschlußrevision des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen, soweit sie die Anrechnung von Versicherungszeiten außerhalb des mit der Revision in Streit gestellten Zeitraums betrifft. Das LSG hat nämlich die Revision wirksam auf diesen Teil des Streitgegenstandes begrenzt, so daß mit der unselbständigen Anschlußrevision andere Zeiträume nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden können.

Entgegen der Auffassung des Klägers liegt eine wirksame Teilzulassung der Revision vor. Zwar hat das LSG die Begrenzung der Zulassung des Rechtsmittels nicht im Urteilsausspruch mitgeteilt. Jedoch ist der Umfang der in der Urteilsformel ausgesprochenen Zulassung durch Heranziehung des sonstigen Urteilsinhalts, vor allem der Entscheidungsgründe, zu ermitteln (BSG Urteil vom 3. Juli 1956 – 1 RA 87/55, SozR Nr 42 zu § 162 SGG). Der Begründung der Zulassungsentscheidung kann auch mit hinreichender Sicherheit entnommen werden (vgl für den gegenteiligen Fall BSG SozR 1500 § 144 Nr 2), daß das Berufungsgericht die Revision nur für den Zeitraum von Oktober 1952 bis Dezember 1956 zulassen wollte. Denn der Hinweis auf „die Nr 2 der Entscheidungsgründe”, der allein das LSG grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG beigemessen hat, ist nur als Begrenzung der Zulassung verständlich. Das LSG hat nämlich seine Entscheidungsgründe mit Ordnungszahlen nach den (damals) insgesamt vier streitigen Komplexen gegliedert und ersichtlich nur im Blick auf die Frage, ob die Zeit von Oktober 1952 bis zum 31. Dezember 1956 als Beitragszeit anzurechnen ist, den Weg zum Revisionsgericht eröffnen wollen. Da nach § 160 Abs 2 SGG die Revision „nur zuzulassen ist”, wenn ein Revisionsgrund vorliegt und bei einem – wie hier – „teilbaren Streitgegenstand” (BSG SozR 1500 § 164 Nr 22) im Blick auf jeden versicherungsrechtlich erheblichen Zeitraum die Eröffnung der dritten Instanz gesondert zu prüfen ist, liegt ersichtlich eine Beschränkung der Zulassung des Rechtsmittels vor. Da das LSG die Zulassung der Revision auf einen Zeitraum begrenzt hat, für den der Kläger aus einem bestimmten Lebenssachverhalt die rentensteigernde Anrechnung einer Beitragszeit begehrt, liegt auch keine unwirksame Beschränkung der Zulassung auf die Entscheidung einer bestimmten Rechtsfrage vor (dazu BSG SozR Nr 170 zu § 162 SGG).

Mit der unselbständigen Anschlußrevision (§ 202 SGG iVm § 556 Abs 1 ZPO), der ausschließlich die Bedeutung eines Antrags innerhalb der vom Revisionsführer eingelegten Revision zukommt, kann der Revisionsbeklagte nicht den Teil des berufungsgerichtlichen Urteils zur Prüfung des Revisionsgerichts stellen, der von der Revision nicht erfaßt wird (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 4. Aufl 1991, § 160 Rz 3 aE mwN). Zwar hat der 11. Senat des BSG (BSGE 47, 169 = SozR 1750 § 556 Nr 2) für eine selbständige Anschlußrevision bei nur teilweise zugelassenem Rechtsmittel entschieden, diese sei zwar als Revision gegen Urteilsteile, für welche das Rechtsmittel nicht zugelassen worden sei, unstatthaft, jedoch als Anschlußrevision auch insoweit zulässig, als mit ihr die Abänderung des von der Zulassung nicht erfaßten Teils des angefochtenen Urteils begehrt werde. Gründe für diese Rechtsauffassung hat der 11. Senat nicht mitgeteilt, sondern auf ein Urteil des 5. Senats des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 14. September 1972 verwiesen (Buchholz 310 § 132 Nr 91, insoweit in BVerwGE 40, 343 nicht abgedruckt). Abgesehen davon, daß der 5. Senat des BVerwG keine Gründe für seine Ansicht angegeben hat, hat er inzwischen durch Beschluß vom 16. Dezember 1980 (Buchholz 310 VwGO § 132 Nr 191 = BayVBl 1981, 374) für eine unselbständige Anschlußrevision im entgegengesetzten Sinne entschieden. Auch das Bundesarbeitsgericht (BAG in: BAGE 40, 250) und der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung (zuletzt Urteil des 7. Senats vom 3. Mai 1990 – VII R 51/89 –, BFH/NV 1991, 194; vgl BFHE 139, 232; BFHE 128, 158) vertreten demgegenüber die Auffassung, daß bei einer Teilzulassung der Revision der nicht zugelassene Streitgegenstand auch nicht im Wege der unselbständigen Anschlußrevision dem Revisionsgericht zur Entscheidung vorgelegt werden kann (vgl schon Bundesgerichtshof – BGH – NJW 1968, 1446 f). Dem schließt sich der erkennende Senat an. Denn derjenige, der eine unselbständige Anschlußrevision einlegt, kann dadurch die Rechtskraft der Teile des Urteils des Berufungsgerichts, die sogar der Revisionskläger mangels Zulassung des Rechtsmittels nicht hätte anfechten können, nicht mehr beseitigen und dadurch einen zusätzlichen prozessualen Vorteil erlangen. Er muß sich streitgegenständlich in dem Rahmen halten, den die Teilzulassung der Revision vorgezeichnet hat. Da die Revision im sozialgerichtlichen Verfahren ausschließlich zulassungsgebunden ist, wäre andernfalls einer Umgehung von § 160 Abs 1 SGG der Weg geebnet.

Hingegen ist die Anschlußrevision des Klägers zulässig, soweit er begehrt, die Beitragszeit vom 1. Oktober 1952 bis zum 31. Dezember 1956 sei nicht nach der Leistungsgruppe 3, sondern nach der Leistungsgruppe 2 der Anl 1 B zu § 22 FRG zu bewerten. Hiermit geht er im Rahmen seiner Beschwer durch das angefochtene Urteil, das ihm eine höhere Bewertung als nach der Leistungsgruppe 3 versagt hat, innerhalb des von der Beklagten zulässigerweise zur Prüfung des Revisionsgerichtes gestellten Streitstoffes zum Gegenangriff über. Diesem muß jedoch der Erfolg versagt bleiben.

Das Berufungsgericht hat bei der Ermittlung der nach § 23 Abs 1 FRG iVm § 22 Abs 1 Satz 1 FRG für den Versicherten maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage im Ergebnis zutreffend erkannt, daß der Kläger vor September 1966 nicht in die Leistungsgruppe 2 der Angestellten einzustufen ist. Es liegen ua die hierfür erforderlichen „besonderen Erfahrungen” nicht vor. Das LSG hat die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung zutreffend wiedergegeben und angewendet. Die von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die den Senat binden (§ 163 SGG), lassen den Schluß nicht zu, der 1952 gerade dreißigjährige Kläger könne in seinem damaligen Beruf als selbständiger Landwirt (mit Nebentätigkeit als Buchhalter der LPG) die für die Leistungsgruppe 2 notwendigen herausgehobenen Erfahrungen gehabt oder bis Ende 1956 erworben haben. Die Anschlußrevision, mit der auf den beruflichen Werdegang hingewiesen und eine vom LSG abweichende Beurteilung der Kenntnisse und Fertigkeiten mitgeteilt wird, kann hiermit nicht durchdringen.

Nach alledem mußten die Angriffe der Beteiligten gegen das Urteil des LSG ohne Erfolg bleiben.

Die Kostenentscheidung, welche diejenige des LSG nicht berührt, sondern ausschließlich das Revisionsverfahren betrifft, beruht auf § 193 Abs 1 SGG. Dabei war zu beachten, daß Kläger und Beklagte mit jeweils etwa gleichwertigen Begehren gescheitert sind.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173834

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