Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragsnachentrichtung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Nachentrichtung von Beiträgen nach AnVNG Art 2 § 49a (= ArVNG Art 2 § 51a) ist auch nach dem Tode des Berechtigten noch zulässig, sofern sie in den Fristen erfolgt, die dem Berechtigten in AnVNG Art 2 § 49a Abs 3 S 4 gesetzlich oder auf Grund von AnVNG Art 2 § 49a Abs 3 S 3 durch Verwaltungsakt eingeräumt worden sind.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Bereiterklärung zur Beitragsnachentrichtung liegt in dem (im einzelnen konkretisierten) Antrag auf Nachentrichtung auf Beiträgen nach AnVNG Art 2 § 49a. Sie setzt weder eine Bereitstellung der Beiträge noch eine Erklärung über den Zahlungsmodus voraus, sondern lediglich die erkennbare Bekundung des Willens, konkret bestimmbare Beiträge nachzuentrichten (vgl auch Urteil des BSG vom 1968-01-16 11 RA 84/67 = SGb 1968, 102).

 

Normenkette

AnVNG Art. 2 § 49a Abs. 2 Fassung: 1972-10-16, Abs. 3 S. 4 Fassung: 1972-10-16; ArVNG Art. 2 § 51a Abs. 2 Fassung: 1972-10-16, Abs. 3 S. 4 Fassung: 1972-10-16; AnVNG Art. 2 § 49a Abs. 3 S. 3 Fassung: 1972-10-16; ArVNG Art. 2 § 51a Abs. 3 S. 3 Fassung: 1972-10-16; AVG § 140 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, § 141 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1418 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, § 1419 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, Abs. 2 Fassung: 1957-02-23

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 23.05.1978; Aktenzeichen L 1 An 201/77)

SG Hildesheim (Entscheidung vom 10.11.1977; Aktenzeichen S 11 An 137/77)

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob Beiträge nach Art 2 § 49a des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) auch nach dem Tode des Berechtigten noch entrichtet werden können, wenn dies vor Ablauf der dem Berechtigten zuvor zugebilligten (Teil-) Zahlungsfrist geschieht.

Der Ehemann der Klägerin hatte schon 1974 Leistungen aus der Stiftung für die Alterssicherung älterer Selbständiger (Art 3 des Rentenreformgesetzes - RRG -) zur Finanzierung der Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 49a AnVNG beantragt. Im Dezember 1975 beantragte er bei der Beklagten die Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen nach Art 2 § 49a AnVNG, und zwar in einer Gesamthöhe von 23.328,- DM. Gleichzeitig stellte er den Antrag, ihm Teilzahlung einzuräumen. Mit Bescheid vom 13. Februar 1976 stellte die Beklagte fest, daß der Ehemann der Klägerin zur Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG in dem beantragten Umfang berechtigt sei (216 Beiträge der Klasse 600 zu 108,- DM für die Jahre 1956 bis 1973). Gleichzeitig ließ sie die Teilzahlung zu.

Der Ehemann der Klägerin überwies daraufhin am 14. Dezember 1976 einen Betrag von 2.592,- DM (je 12 Beiträge der Klasse 600 zu 108,- DM für die Jahre 1973 und 1972). Nach seinem Tode (1. März 1977) zahlte die Klägerin den restlichen Betrag in Höhe von 20.736,- DM an die Beklagte. Diese lehnte es jedoch ab, die Beiträge noch entgegenzunehmen (Bescheid vom 27. April 1977), da die Beiträge weder vor dem Tod des Versicherten "noch innerhalb der Dreimonatsfrist nach Erteilung des Zulassungsbescheides" (auf Grund eines vom Versicherten vor seinem Tode wirksam gestellten Antrages auf Nachentrichtung) entrichtet worden seien.

Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 5. September 1977; Urteil des Sozialgerichts - SG - Hildesheim vom 10. November 1977).

Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen die Beklagte verpflichtet, die von der Klägerin nachentrichteten Beiträge anzunehmen und rentensteigernd bei der Hinterbliebenenrente zu berücksichtigen (Urteil vom 23. Mai 1978). Zur Begründung hat es ausgeführt, für die Nachentrichtung nach Art 2 § 49a AnVNG sei auch die Vorschrift des § 141 Abs 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) zu beachten, in der bestimmt sei, daß nach dem Tode freiwillige Beiträge für die Zeit vorher nicht mehr entrichtet werden können. § 141 Abs 2 AVG enthalte aber eine Ausnahme für Fälle, in denen der Versicherte sich vor seinem Tode zur Beitragszahlung bereit erklärt habe. Eine solche Bereiterklärung liege in dem Antrag auf Nachentrichtung. Dabei bedürfe es keiner Entscheidung, ob nach den allgemeinen Grundsätzen des § 141 Abs 2 AVG die Beitragszahlung noch als innerhalb angemessener Frist erbracht angesehen werden könne. Ebensowenig komme es darauf an, ob generell alle Zahlungen innerhalb der Teilzahlungsfrist nach Art 2 § 49a Abs 3 Satz 3 AnVNG als insoweit noch rechtzeitig angesehen werden müssen; denn im vorliegenden Fall habe der Versicherte außerdem einen fristgerechten Antrag auf Leistungen der Stiftung für die Alterssicherung älterer Selbständiger gestellt. Bei Versicherten, die einen solchen Antrag gestellt hätten, müßten alle bis zum 31. August 1978 eingehenden Zahlungen als binnen angemessener Frist geleistet angesehen werden. Dies folge auch aus Art 2 § 49a Abs 3 Satz 4 AnVNG. Wenn durch diese Regelung bestimmte spätere Zahlungen den unmittelbar bei Antragstellung geleisteten gleichgestellt würden, so müsse dieser Gedanke auch im Rahmen des § 141 AVG gelten. Mit dieser besonderen Regelung werde der Lage jenes Personenkreises Rechnung getragen, der bei Stellung des Antrags auf Nachentrichtung von Beiträgen damit rechnen konnte, daß die Stiftung für die Alterssicherung älterer Selbständiger möglicherweise die Nachentrichtung - teilweise - übernehmen würde.

Mit der Revision macht die Beklagte geltend, bei dem Nachentrichtungsantrag handele es sich nicht um eine Bereiterklärung im Sinne von § 141 Abs 2 AVG. Eine solche Bereiterklärung müsse von dem unbedingten Willen getragen sein, die Beiträge demnächst zahlen zu wollen. Hiermit sei der Teilzahlungsantrag nicht vereinbar. Im übrigen bringe Art 2 § 49a Abs 1 Satz 2 AnVNG, der bestimme, daß der Eintritt des Versicherungsfalles des Alters vor dem 1. Januar 1973 der Nachentrichtung nicht entgegenstehe, zum Ausdruck, daß im übrigen die Regel des § 141 Abs 1 AVG gelte. Art 2 § 49a Abs 3 Satz 4 AnVNG betreffe nur Fragen der Abwicklung und nicht Fragen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG Niedersachsen vom 23. Mai 1978 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG Hildesheim vom 10. November 1977 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß der Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) entschieden wird.

II.

Die Revision ist unbegründet.

Der Beklagten und dem LSG ist allerdings insoweit zu folgen, daß § 141 AVG auch für die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 49a AnVNG gilt, soweit in dieser Vorschrift nichts anderes bestimmt ist. Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits mehrfach entschieden, daß die allgemeinen Vorschriften der §§ 10 Abs 2a und 141 AVG über die Beitragsnachentrichtung grundsätzlich auch dort anzuwenden sind, wo das Gesetz eine besondere Nachentrichtungsmöglichkeit vorsieht (BSGE 42, 197, 198; SozR 5750 Art 2 § 51a Nrn 7 S. 13 und 18 S. 28; ferner BSGE 40, 251, 253 und Urteil vom 1. Februar 1979 - 12 RK 31/77 -). Dementsprechend ist hier auch § 141 Abs 1 AVG zu beachten, der vorschreibt, daß freiwillige Beiträge nach Eintritt des Todes für Zeiten vorher nicht mehr entrichtet werden dürfen.

§ 141 Abs 1 AVG wird im vorliegenden Fall aber durch die Ausnahme des § 141 Abs 2 AVG verdrängt. Dort ist vorgesehen, daß auch nach dem Tode eine Entrichtung von freiwilligen Beiträgen für Zeiten vorher möglich ist, wenn sich der Versicherte vor seinem Tode zur Beitrags(nach)entrichtung bereit erklärt hat und die (Nach)Entrichtung in angemessener Frist (nach der Bereiterklärung) erfolgt.

Diese Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin gegeben. Ihr verstorbener Ehemann hatte sich vor seinem Tode zur Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG in einem bestimmten Umfang bereit erklärt. Die Beiträge wurden auch in angemessener Frist entrichtet.

Die Bereiterklärung zur Beitragsentrichtung liegt in dem (im einzelnen konkretisierten) Antrag auf Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 49a AnVNG. Die Bereiterklärung setzt weder eine Bereitstellung der Beiträge noch eine Erklärung über den Zahlungsmodus voraus, sondern lediglich die erkennbare Bekundung des Willens, konkret bestimmbare Beiträge nachzuentrichten (BSGE 10, 264, 268; BSG Urteil vom 16. Januar 1968 - 11 RA 84/67 - SGb 1968, 102). Der Antrag erfüllt diese Voraussetzungen, denn er enthält eine genaue Bezeichnung der Beiträge. Außerdem liegt in dem Begehren, die Nachentrichtung zu gestatten, zugleich die Kundgabe des Willens, hiervon auch Gebrauch zu machen.

Die angemessene Frist für die tatsächliche Entrichtung der Beiträge (- die hier allerdings erst mit der Gestattung, also mit der Zustellung des Bescheides vom 13. Februar 1976 begann -) umfaßte im vorliegenden Fall fünf Jahre, weil die Beklagte in dem Bescheid vom 13. Februar 1976 dem Ehemann der Klägerin eine über diesen Zeitraum ausgedehnte Teilzahlung eingeräumt hat. Auf die Frage, wie im allgemeinen die Dauer der "angemessenen Frist" im Rahmen von § 141 Abs 2 AVG zu bestimmen ist, braucht im vorliegenden Fall nicht eingegangen zu werden; denn die Dauer der "angemessenen Frist" im Sinne von § 141 Abs 2 AVG ist in Art 2 § 49a AnVNG durch besondere Bestimmungen näher abgegrenzt worden. Für diejenigen Personen, die einen Antrag auf Leistungen aus der Stiftung für die Alterssicherung älterer Selbständiger gestellt haben, läuft die Frist auf jeden Fall bis zum 31. August 1978 (Art 2 § 49a Abs 3 Satz 4 AnVNG idF des Gesetzes vom 27. Juni 1977, BGBl I, 1040). Darüber hinaus ist dem Rentenversicherungsträger eingeräumt worden, die Frist für die Entrichtung der Beiträge durch Verwaltungsakt in den Grenzen eines Fünfjahreszeitraums festzulegen (Art 2 § 49a Abs 3 Satz 3 AnVNG). Dabei kann hier dahinstehen, ob damit der Beklagten das Recht eingeräumt war, ohne nähere Prüfung in jedem Fall Teilzahlungen über einen Zeitraum von fünf Jahren zuzubilligen; denn im Falle des Ehemanns der Klägerin ist dies jedenfalls bindend geschehen. Damit war für ihn die Frist des § 141 Abs 2 AVG auf fünf Jahre festgelegt.

Die Auffassung der Beklagten, daß die Bestimmungen über die Zahlungsfristen in Art 2 § 49a Abs 3 Sätze 3 und 4 AnVNG nur die Abwicklung der Zahlung regelten, nicht aber die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen betreffen, ist unrichtig. Dies zeigt ein Vergleich mit den §§ 140 und 141 AVG. Diese für den Regelfall geltenden Vorschriften des AVG enthalten zwei verschiedene Arten von Fristen. Die Fristen des § 140 AVG bestimmen, für welche Zeit rückwirkend überhaupt Beiträge entrichtet werden dürfen. Die Frist des § 141 Abs 2 AVG legt demgegenüber fest, in welcher Frist Beiträge nach einer Bereiterklärung beigebracht werden müssen, um wirksam zu sein, oder - anders ausgedrückt - um der Bereiterklärung rechtliche Wirkung zu verleihen. Die gleiche Systematik findet sich in Art 2 § 49a AnVNG wieder. Die Fristen des § 140 AVG sind in Art 2 § 49a Abs 1 und 2 AnVNG durch die Zeit vom 1. Januar 1956 bis 31. Dezember 1973 ersetzt worden. Daneben bestimmt Art 2 § 49a Abs 3 in den Sätzen 3 und 4 AnVNG, innerhalb welcher Fristen die Beiträge zu zahlen sind. Diese auffällige Parallele berechtigt zu der Annahme, daß diese weiteren Fristbestimmungen die gleiche Funktion haben wie die Beibringungsfrist in § 141 Abs 2 AVG.

Nur eine solche Auslegung führt auch zu sachlich gerechtfertigten Ergebnissen, die den Gesetzeszweck gleichmäßig verwirklichen. Derjenige, der sich entschließt, Beiträge nachzuentrichten und deshalb einen Antrag stellt, dies in bestimmtem Umfang tun zu dürfen, muß - besonders, wenn ein so langer Nachentrichtungszeitraum zur Disposition steht - Berechnungen anstellen, wie sich die Nachentrichtung für ihn auswirkt. Diese Berechnungen können regelmäßig nur zum erstrebten Ziele führen, wenn die Nachentrichtung in vollem Umfang erfolgt. Eine nur teilweise Erfüllung der geplanten Nachentrichtung könnte sogar zu Rentenminderungen führen. Der Berechtigte hat deshalb, gerade auch wegen der hohen Beitragssummen, die zB auch im vorliegenden Fall in Betracht kommen, ein erhebliches Interesse daran, daß seine Kalkulation nicht durch spätere Ereignisse gestört wird. Eine solche Störung läßt sich zwar durch sofortige Entrichtung aller Beiträge, also der gesamten Nachentrichtungssumme, vermeiden. Diese Möglichkeit steht aber nur denjenigen Personen offen, die über einen erheblichen finanziellen Rückhalt verfügen. Der Gesetzgeber wollte aber - wie aus der Einrichtung der Stiftung für die Alterssicherung älterer Selbständiger und aus der Einführung von Zahlungsfristen ersichtlich ist - gerade auch den sozial Schwächeren die Chance der Nachentrichtung eröffnen. Dieses Ziel, der schlechteren finanziellen Situation vieler Berechtigter Rechnung zu tragen, könnte aber nur unvollkommen erreicht werden oder würde gar in sein Gegenteil verkehrt, wenn die Zahlungsstreckung mit dem Risiko des § 141 Abs 1 AVG verbunden wäre. Diese Folge wird indes vermieden, wenn man erkennt, daß die Fristbestimmungen des Art 2 § 49a AnVNG der Systematik der §§ 140 und 141 AVG entsprechen. Die Sätze 3 und 4 des Art 2 § 49a Abs 3 AnVNG sind deshalb als besondere Vorschriften anzusehen, die für ihren Anwendungsbereich die allgemeine Regelung über die Beibringungsfrist des § 141 Abs 2 AVG ersetzen.

Die Klägerin hat die restlichen Beitrage innerhalb dieser Fristen angeboten. Sie waren deshalb von der Beklagten entgegenzunehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Breith. 1980, 770

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