Beteiligte

…, Kläger und Revisionskläger

Allgemeine Ortskrankenkasse Bremen/Bremerhaven, Bremen, Bürgermeister-Smidt-Straße 95, Beklagte und Revisionsbeklagte

1.Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Berlin, Ruhrstraße 2, 2.Freie Hansestadt Bremen, Bremen, Schillerstraße 1

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I

Streitig ist die Verjährung von Ansprüchen auf Beiträge zur Rentenversicherung.

Der Kläger studierte von 1981 bis 1986 Rechtswissenschaften an der Universität Bremen im Rahmen der einstufigen Juristenausbildung. Im Juni 1989 beantragte er bei der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse, die Versicherungspflicht der zwischen Juli 1982 und März 1986 abgeleisteten Praxiszeiten in der Angestelltenversicherung festzustellen und die Pflichtbeiträge zu erheben. Die Beklagte lehnte dies ab (Bescheid vom 21. März 1990 und Widerspruchsbescheid vom 8. August 1990). In dem anschließenden Klageverfahren hat sie, nachdem das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 11. Juni 1992 (12 RK 46/90 - SozR 3-2940 § 2 Nr 2) auch für Rechtspraktikanten der einstufigen Juristenausbildung in Bremen die Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung während der Praxiszeiten bestätigt hatte, den Klaganspruch anerkannt und sich verpflichtet, die noch nicht verjährten Beiträge für 1985 und 1986 einzuziehen (Anerkenntnis vom 4. Oktober 1993 und Ausführungsbescheid vom 24. November 1993). Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen, jedoch die Klage im übrigen aufrechterhalten.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage nach Beiladung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Beigeladene zu 1) und der Freien Hansestadt Bremen (Beigeladene zu 2)) abgewiesen (Urteil vom 22. August 1994). Die Beitragsansprüche für die Jahre 1982 bis 1984 seien verjährt. Es gelte die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV). Die Beitragsansprüche für 1984 hätten spätestens im Jahre 1988 geltend gemacht werden müssen; denn die Verjährungsfrist habe nicht zu einem späteren Zeitpunkt als dem Ende des jeweiligen Beschäftigungsjahres begonnen. Die Beklagte sei aufgrund ihrer Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitgeber berechtigt, die Verjährungseinrede der Beigeladenen zu 2) zu berücksichtigen. Diese habe die Einrede auch nicht fehlerhaft erhoben.

Der Kläger hat Sprungrevision eingelegt und rügt eine Verletzung der §§ 22, 23, 25 SGB IV und der §§ 203, 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG Köln vom 22. August 1994 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 24. November 1993 zu verpflichten, Rentenversicherungsbeiträge aus der Beschäftigung des Klägers bei der Beigeladenen zu 2) für die Zeit vom 19. Juli 1982 bis 11. Oktober 1982 und vom 15. August 1983 bis 11. Oktober 1984 von der Beigeladenen zu 2) einzuziehen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,

das Urteil des SG Köln vom 22. August 1994 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 24. November 1993 zu verpflichten, Rentenversicherungsbeiträge aus der Beschäftigung des Klägers bei der Beigeladenen zu 2) für die Zeit vom 19. Juli 1982 bis 11. Oktober 1982 und vom 15. August 1983 bis 9. September 1984 einzuziehen.

Die Beigeladene zu 2) schließt sich dem Antrag der Beklagten an.

II

Die Sprungrevision des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.

Streitig ist im Revisionsverfahren nur noch die Verpflichtung der Beklagten, die Ansprüche auf Beiträge zur Angestelltenversicherung für die Praxiszeiten in den Jahren 1982 bis 1984 gegenüber der Beigeladenen zu 2) geltend zu machen. Die Versicherungspflicht des Klägers während der praktischen Ausbildungszeiten als Rechtspraktikant bei der Beigeladenen zu 2) hat die Beklagte mit Bescheid vom 24. November 1993 festgestellt. Sie hat den Bescheid während des vor dem SG anhängigen Klageverfahrens in Ausführung ihres Teilanerkenntnisses vom 4. Oktober 1993 erlassen. Der Bescheid ist gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden und, da er insoweit von keinem der Beteiligten angefochten worden ist, für diese bindend geworden (§ 77 SGG).

Soweit die Beklagte mit dem Bescheid festgestellt hat, daß die Beiträge für die Praxiszeiten in den Jahren 1982 bis 1984 nicht mehr bei der Beigeladenen zu 2) eingezogen werden können, hat der Kläger die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage aufrechterhalten. Sie ist zulässig (vgl BSG SozR 2200 § 29 Nr 9; BSG SozR 4100 § 141n Nr 18 S 46 f), jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beiträge können nicht mehr eingezogen werden.

Die Beklagte ist grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, Ansprüche auf Beiträge zur Rentenversicherung als Teil der Gesamtsozialversicherungsbeiträge geltend zu machen und die Beiträge einzuziehen. Nach der zur Zeit der Beschäftigung des Klägers als Rechtspraktikant geltenden Vorschrift des § 121 Abs 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) wurden die vom Arbeitgeber zu entrichtenden Beiträge (§ 118 Abs 1 Satz 1 AVG) von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung (Einzugsstellen) eingezogen. Seit 1989 bestimmt § 28h Abs 1 Satz 1 iVm § 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV, daß die vom Arbeitgeber zu zahlenden Beiträge an die Einzugsstellen zu zahlen sind. Nach § 28h Abs 1 Satz 2 SGB IV (seit 1. Januar 1996 Satz 3 der Vorschrift) hat die Einzugsstelle Beitragsansprüche, die nicht rechtzeitig erfüllt worden sind, geltend zu machen. Die Geltung dieser Vorschriften des SGB IV für die Zahlung der Beiträge zur Rentenversicherung von Versicherungspflichtigen aus dem Arbeitsentgelt war in § 118 AVG in der seit 1989 geltenden Fassung und ist seit Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) am 1. Januar 1992 in § 174 Abs 1 dieses Gesetzes ausdrücklich angeordnet. Da die Versicherungspflicht des Klägers während der Praxiszeiten auf der Beschäftigung im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses (Rechtspraktikantenverhältnis) beruhte (§ 2 Abs 1 Nr 1 AVG; BSG SozR 3-2940 § 2 Nr 2), waren die Beiträge für diese Beschäftigungszeiten gemäß § 118 Abs 1 Satz 1 AVG von der Beigeladenen zu 2) als Arbeitgeberin zu entrichten. Die Beklagte hat die Beitragsansprüche, soweit sie nicht erfüllt worden sind, geltend zu machen.

Die Geltendmachung der Ansprüche ist jedoch ausgeschlossen, weil sie inzwischen verjährt sind. Die Verjährung ist unabhängig von der in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärten Frage, ob die Verjährung von Beitragsansprüchen auch von Amts wegen zu beachten ist (vgl BSGE 66, 290, 293 f = SozR 3-2400 § 25 Nr 2 S 10 mwN), schon deshalb beachtlich, weil die Beigeladene zu 2) - wie das SG in den Gründen seiner Entscheidung festgestellt hat - die Verjährungseinrede erhoben hat. Für die Verjährung von Ansprüchen auf Beiträge gilt § 25 SGB IV. Er verweist ua hinsichtlich der Wirkungen der Verjährung auf die Vorschriften des BGB (§ 25 Abs 2 SGB IV). Nach § 222 Abs 1 BGB führt die Verjährung von Ansprüchen zu einem Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners. Von diesem Recht hat die Beigeladene zu 2) Gebrauch gemacht.

Nach § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge regelmäßig in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Für Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge gilt eine 30jährige Verjährungsfrist (§ 25 Abs 2 Satz 1 SGB IV). Die vierjährige Verjährungsfrist war zum Zeitpunkt der Erhebung der Beiträge durch die Beklagte mit Bescheid vom 23. November 1993 abgelaufen. Die Fälligkeit von Beiträgen ist in § 23 Abs 1 SGB IV geregelt. Danach richtet sich die Fälligkeit laufender Beiträge grundsätzlich nach den Regelungen der Satzung der Krankenkasse (§ 23 Abs 1 Satz 1 SGB IV). Soweit die Beiträge nach dem Arbeitsentgelt zu bemessen sind, werden sie jedoch spätestens am 15. des Monats fällig, in dem die Beschäftigung, mit der das Arbeitsentgelt erzielt wird, ausgeübt worden ist. Auch sonstige Beiträge, dh ua solche, die nicht nach dem Arbeitsentgelt zu bemessen sind, werden spätestens am 15. des Monats fällig, der auf den Monat folgt, für den sie zu entrichten sind (§ 23 Abs 1 Satz 4 SGB IV). Die Beiträge für die nach § 2 Abs 1 Nr 1 AVG versicherungspflichtigen Praxiszeiten wurden danach unabhängig davon, ob dem Kläger für die streitigen Zeiten schon ein Unterhaltszuschuß gezahlt worden ist oder nicht, spätestens jeweils am 15. des auf die Beschäftigung folgenden Monats fällig. Für die letzte Praxiszeit vom 15. August 1983 bis 9. September 1984 war demnach der 15. Oktober 1984 der letzte Fälligkeitstermin, falls noch eine Urlaubszeit bis 11. Oktober 1984 einzurechnen sein sollte, der 15. November 1984. Ausgehend von der regelmäßigen vierjährigen Verjährungsfrist waren demnach alle Beiträge für die Praxiszeiten in den Jahren 1982 bis 1984 mit Ablauf des 31. Dezember 1988 verjährt.

Die Verjährung ist nicht deshalb erst zu einem späteren Zeitpunkt oder noch gar nicht eingetreten, weil die Fälligkeit der Beitragsansprüche und damit der Beginn der Verjährung hinausgeschoben, die Verjährungsfrist zeitweise gehemmt oder unterbrochen war oder schließlich während des Laufs der vierjährigen Verjährungsfrist Umstände eingetreten sind, die die Geltung der 30jährigen Verjährungsfrist begründeten.

Die Rechtsprechung des BSG geht allerdings davon aus, daß Beitragsansprüche, wenn über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses oder den Entgeltanspruch ein arbeitsgerichtliches Verfahren schwebt, grundsätzlich erst mit dessen rechtskräftiger Beendigung fällig werden, weil erst dann die für die versicherungsrechtliche Beurteilung erforderlichen Tatsachen feststehen (BSGE 52, 152 = SozR 2100 § 25 Nr 3; vgl auch BSGE 75, 61 = SozR 3-2200 § 385 Nr 5). Das BSG hat auch entschieden, daß Leistungsansprüche aus einem Krankenversicherungsverhältnis solange nicht verjähren, wie die vorgreifliche Frage des Bestehens oder Nichtbestehens des Versicherungsverhältnisses streitig ist (vgl BSG SozR 2200 § 182 Nr 113). Hier waren jedoch arbeitsrechtliche Vorfragen nicht zu klären; ein arbeitsgerichtliches Verfahren ist weder vor Eintritt der Regel-Fälligkeit der Beitragsansprüche nach § 23 Abs 1 SGB IV noch in der Folgezeit geführt worden. Es stand fest, daß sich der Kläger seit Juli 1982 in einem Rechtspraktikantenverhältnis zur Beigeladenen zu 2) befand, hinsichtlich dessen lediglich die sozialversicherungsrechtliche Einordnung fraglich sein konnte. Soweit die Geltendmachung von Beitragsansprüchen vorgreiflich von der Klärung der Versicherungspflicht abhängt, bedarf es jedenfalls in der Rentenversicherung zur Vermeidung der Verjährung nicht des Hinausschiebens der Fälligkeit der Ansprüche. Das Gesetz sieht hier ausdrücklich eine Unterbrechung der Verjährung vor. Die Versicherungspflicht ist im sog Einzugsstellenverfahren zu klären (§ 121 Abs 3 AVG, jetzt § 28h Abs 2 SGB IV; vgl BSG SozR 3-2400 § 28h Nrn 5 und 6): Bei Zweifeln oder Streit über die Versicherungspflicht aufgrund von Beschäftigungsverhältnissen hat eine Entscheidung der Einzugsstelle zu ergehen, die auch den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat. Der Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist mit der gegen die Einzugsstelle zu richtenden Anfechtungsklage angreifbar. Dieses Verfahren führte schon unter Geltung des § 142 Abs 3 iVm Abs 2 AVG, dh bis zum 31. Dezember 1991, ab Beginn des Widerspruchsverfahrens für die Dauer der Streitigkeit zur Unterbrechung der Verjährung der Beitragsansprüche der Einzugsstelle gegen den Arbeitgeber (vgl jetzt § 198 Satz 2 iVm Satz 1 SGB VI). § 142 Abs 2 AVG spricht zwar von "Beitragsstreitigkeit"; die Rechtsprechung des BSG hat den Begriff jedoch weit ausgelegt; danach hatte auch ein Verfahren zur Feststellung der Versicherungspflicht die Verjährungsunterbrechung zur Folge (vgl BSGE 66, 222 = SozR 3-2400 § 25 Nr 1). Diese Regelung stellt einen ausreichenden Schutz gegen den vorzeitigen Ablauf der Verjährungsfrist dar; sie wäre im übrigen nicht erforderlich, wenn allein die Unsicherheit über das Bestehen oder Nichtbestehen der Versicherungspflicht den Eintritt der Fälligkeit der Beitragsansprüche und damit den Beginn der Verjährung hinausschieben würde. Der Kläger hat jedenfalls vor Eintritt der Regelverjährung am 31. Dezember 1988 nichts unternommen, was zur Verjährungsunterbrechung geführt hätte. Denn er hat erstmals im Juni 1989 bei der Beklagten die Feststellung der Versicherungspflicht beantragt.

Der Revision ist nicht darin zu folgen, daß die Verjährung gehemmt war. Nach § 25 Abs 2 SGB IV gelten auch für die Hemmung der Verjährung die Vorschriften des BGB sinngemäß. Danach kann die Verjährung aus rechtlichen (§ 202 Abs 1 BGB) oder tatsächlichen Gründen (§ 203 BGB) gehemmt sein. Rechtsgründe, aus denen die Beigeladene zu 2) vorübergehend zur Leistungsverweigerung gegenüber der Beklagten berechtigt gewesen wäre (Stundung der Beitragsforderung, sonstiges Leistungsverweigerungsrecht), hat das SG nicht festgestellt und werden auch von der Revision nicht vorgetragen. Erforderlich wäre ein Rechtshindernis, das der Geltendmachung des Anspruchs objektiv entgegensteht (vgl BAGE 12, 97 = AP Nr 1 zu § 202 BGB). Ein solches Leistungsverweigerungsrecht bestand nicht. Aus tatsächlichen Gründen ist die Verjährung gehemmt, solange der Gläubiger - nur diese Voraussetzung kommt in Betracht - innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist durch höhere Gewalt an der Rechtsverfolgung verhindert war. Höhere Gewalt ist ein außergewöhnliches Ereignis, dessen Eintritt nicht vorherzusehen und auch bei äußerster Sorgfalt nicht mit den üblichen Mitteln abzuwenden ist; schon das geringste Verschulden schließt höhere Gewalt aus (BGHZ 129, 282, 289 = DtZ 1995, 280, 281 mwN; BGH NJW 1994, 2752, 2753 mwN; BAGE 12, 97, 103 = AP Nr 1 zu § 202 BGB Bl 1477; vgl auch Schwerdtfeger in Gesamtkommentar Sozialversicherung, Anm 13b bb zu § 25 SGB IV). Rechtsunkenntnis, Rechtsirrtum oder die Unkenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen stellen grundsätzlich keine höhere Gewalt im Sinne dieser Rechtsprechung dar (BGHZ 129, 282, 289 = DtZ 1995, 280, 281; BGH LM § 203 BGB Nr 21; BGH NJW 1968, 1381; BGHZ 24, 134, 135). Es führt grundsätzlich auch nicht zur Hemmung der Verjährung, wenn der Berechtigte sich aufgrund einer objektiv unrichtigen Auskunft der zuständigen Behörde oder der von einem Versicherungsträger vertretenen Rechtsauffassung von einer Antragstellung oder zulässigen Rechtsverfolgung abhalten läßt (vgl BSG USK 77 190 S 780; BAG AP Nr 48 zu § 52 Regelungsgesetz Bl 616; aA BGH NJW 1994, 2752 für die Hemmung einer Ausschlußfrist). Etwas anderes wird in der zivilrechtlichen Rechtsprechung in Ausnahmefällen angenommen, wenn die Rechtsunkenntnis oder der Rechtsirrtum bei aller vernünftigerweise zumutbaren Sorgfalt nicht zu vermeiden war, etwa weil der fragliche Anspruch bisher grundsätzlich und allgemein von der Rechtsprechung nicht anerkannt wurde (sog anspruchsfeindliche ständige Rechtsprechung; vgl RGZ 111, 147, 148; RGZ 120, 355, 357) oder die Rechtslage wegen der "Fülle, Komplexität und Unterschiedlichkeit der vertretenen Auffassungen kaum noch zu überschauen und zu bewerten" und daher "auch bei äußerster nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartender Sorgfalt kein Aufschluß über die wirkliche Rechtslage zu erlangen" war (BGHZ 129, 282, 289 = DtZ 1995, 280, 281).

Diese Rechtsprechung ist im Zivilrecht nicht unbestritten (vgl im einzelnen Frank Peters in Staudinger, BGB, 13. Bearbeitung 1995, RdNrn 7, 8 und 28 zu § 203 mwN). Ob die Grundsätze in Ausnahmefällen auf die Verjährung sozialrechtlicher Ansprüche Anwendung finden können, bedarf hier keiner Entscheidung (ablehnend Schwerdtfeger, Gesamtkommentar-Sozialversicherung, Anm 13b bb zu § 25 SGB IV; wohl zustimmend von Maydell, Gemeinschaftskommentar, § 25 SGB IV RdNr 15). Denn es gab in den Jahren 1986 bis 1988, dh in dem Zeitraum mit den jeweils letzten sechs Monaten vor Verjährung der streitigen Beitragsansprüche, jedenfalls keine "anspruchsfeindliche" und erst recht insoweit keine ständige Rechtsprechung des BSG, welche die Versicherungspflicht der Rechtspraktikanten während der praktischen Ausbildungen in irgendeinem der in Betracht kommenden Bundesländer verneinte. Die Rechtslage zum Versicherungsschutz in der Rentenversicherung der Rechtspraktikanten war auch materiell-rechtlich und verfahrensrechtlich nicht so komplex und unwägbar, daß eine Rechtsverfolgung aus Gründen, die der höheren Gewalt gleichzustellen wären, unzumutbar war.

Rechtsgrund für den Versicherungsschutz konnte nur die Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Nr 1 AVG iVm § 7 SGB IV sein oder eine Verpflichtung zur Nachversicherung nach § 9 Abs 1 AVG. Die Entwicklung der Rechtsprechung hierzu stellte sich wie folgt dar: Der 7. Senat des BSG hatte zwar in Rechtsstreitigkeiten zum Leistungsrecht der Arbeitlosenversicherung Praxiszeiten während der einstufigen Juristenausbildungen in Bremen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz für den Erwerb eines Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe nach § 134 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) nicht genügen lassen (Urteile vom 12. Dezember 1985: NJW 1986, 2134 - Bremen; Die Beiträge 1986, 264 - Rheinland-Pfalz; USK 85228 - Niedersachsen; vom 17. April 1986; Die Beiträge 1986, 254 und 258 - beide Rheinland-Pfalz). In jenen Entscheidungen aus den Jahren 1985 und 1986 wurde jedoch ausdrücklich offengelassen, ob die während der einstufigen Juristenausbildungen abgeleisteten Praktika als Beschäftigung iS des § 7 SGB IV anzusehen sind; das Fehlen einer ausreichenden Anwartschaftszeit für die Arbeitslosenhilfe wurde damit begründet, die Praktikanten seien während der Praxiszeiten ihrem Erscheinungsbild nach Studenten geblieben und daher nach § 169 Nr 1 AFG iVm § 172 Abs 1 Nr 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) beitragsfrei gewesen. Diese Rechtsprechung konnte für die Frage der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung insofern von Bedeutung sein, als auch dort eine während des Studiums als ordentlich Studierender einer Hochschule ausgeübte Beschäftigung gegen Entgelt gemäß § 4 Abs 1 Nr 4 AVG versicherungsfrei war und die Rechtsprechung des BSG bei Anwendung dieser Vorschrift darauf abstellte, ob der Betreffende während seiner Beschäftigung seinem Erscheinungsbild nach Student geblieben oder als abhängig beschäftigter Arbeitnehmer anzusehen war (vgl BSG SozR 2200 § 172 Nrn 12 und 15). Der 11a-Senat des BSG ist in den ersten Entscheidungen zur Nachversicherung von Absolventen der einstufigen Juristenausbildungen für Zeiten der Praktika dann auch der Rechtsprechung des 7. Senats gefolgt und hat einen Anspruch auf Nachversicherung verneint, weil die Praktika, selbst wenn es sich um Beschäftigungen gehandelt haben sollte, nach § 4 Abs 1 Nr 4 AVG (wegen des Erscheinungsbildes als Student) versicherungsfrei gewesen seien (Urteile vom 20. März 1986: BSGE 60, 61 = SozR 2200 § 1232 Nr 19 - Bayern sowie 11a RA 54/85 und 52/85 - Rheinland-Pfalz, 11a RA 32/85 - Niedersachsen). Die Rechtsprechung des 11a-Senats des BSG ist jedoch in der Literatur auf Kritik gestoßen (vgl von Einem in SozVers 1987, 125 und Huff in JuS 1986, 752). Außerdem hat der 1. Senat des BSG bereits in seinem Urteil vom 11. Juni 1986 zur Nachversicherung von Absolventen der einstufigen Juristenausbildung in Nordrhein-Westfalen nicht mehr nur offengelassen, ob vom Beginn des Rechtspraktikantenverhältnisses an Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Nr 1 AVG aufgrund einer Beschäftigung iS des § 7 SGB IV bestand, sondern auch, ob diese Beschäftigung nach § 4 Abs 1 Nr 4 AVG (wegen des Erscheinungsbildes als Student) versicherungsfrei gewesen ist (BSG SozR 2200 § 1232 Nr 21 S 58). Die Nachversicherung ist ausschließlich abgelehnt worden, weil die besonderen Voraussetzungen des § 9 Abs 1 AVG (Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs 1 Nrn 2 oder 3 AVG) nicht vorlagen. In einem Rechtsstreit zur Nachversicherung von Zeiten der einstufigen Juristenausbildung in Baden-Württemberg hat der 1. Senat des BSG durch Beschluß vom 22. Juli 1987 (USK 87202; SozSich 1987, 350 - LS) beim 11a-Senat des BSG angefragt, ob er an seiner Rechtsauffassung im Urteil vom 20. März 1986 (BSGE 60, 61 = SozR 2200 § 1232 Nr 19) festhalte, daß Absolventen der einstufigen Juristenausbildung während der Zeit der berufspraktischen Tätigkeiten nach § 4 Abs 1 Nr 4 AVG rentenversicherungsfrei seien und deshalb für diese Zeit eine Nachversicherung nicht in Betracht komme. Mit Urteilen vom 6. Oktober 1988 (BSGE 64, 130 = SozR 2200 § 1232 Nr 26 sowie 1 RA 53/86 und 1 RA 51/87 - Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg) hat der 1. Senat dann entschieden, daß die während der Rechtspraktikantenverhältnisse abzuleistenden Praktika Beschäftigungen zur Berufsausbildung iS des § 7 Abs 2 SGB IV waren, für die entweder Versicherungspflicht gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 AVG bestand oder die nach § 9 Abs 1 AVG nachzuversichern sind. An dieser Rechtsprechung hat das BSG bis heute festgehalten (vgl BSGE 66, 211 = SozR 3-2940 § 2 Nr 1 - Nordrhein-Westfalen; BSG SozR 3-2940 § 2 Nr 2 - Bremen und BSG SozR 3-2200 § 1232 Nr 6 - Bayern).

Demnach ergaben sich zwar aus der Rechtsprechung des BSG zum Leistungsrecht in der Arbeitslosenversicherung und zur Nachversicherung in der Rentenversicherung in den Jahren 1985 und 1986 Anhaltspunkte dafür, daß selbst bei Vorliegen einer an sich versicherungspflichtigen Beschäftigung diese auch in der Rentenversicherung als versicherungsfrei angesehen werden müßte (§ 4 Abs 1 Nr 4 AVG). Die Zweifel an dieser Rechtsprechung wurden jedoch schon in dem Beschluß des 1. Senats vom 22. Juli 1987 eingehend begründet und führten noch vor Ablauf der Verjährungsfrist für die Beitragsansprüche der Beklagten zur Änderung der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 6. Oktober 1988). Von einer gefestigten, die Versicherungspflicht der Praxiszeiten verneinenden Rechtsprechung, welche die Rechtsverfolgung als aussichtslos und unzumutbar erscheinen ließ, kann keine Rede sein. Die Versicherungspflicht ließ sich auch in dem geschilderten Einzugsstellenverfahren ohne Kostenrisiko feststellen, die Verpflichtung zur Nachentrichtung in einem entsprechenden Verfahren gegenüber dem Rentenversicherungsträger; beide Verfahren hätten zu einer Unterbrechung der Verjährung geführt (§ 142 Abs 2 AVG).

Bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist mit dem 31. Dezember 1988 sind keine Umstände eingetreten, die die Feststellung rechtfertigen, die Beigeladene zu 2) habe die Beiträge vorsätzlich vorenthalten, mit der Folge, daß die Beitragsansprüche erst in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres ihrer Fälligkeit verjähren würden (vgl BSG SozR 2200 § 29 Nr 9 S 22). Vorsätzlich vorenthalten werden Beiträge, wenn der Zahlungspflichtige in Kenntnis seiner Beitragspflicht bewußt und gewollt keine Beiträge an den Versicherungsträger abführt (Hauck/Haines, SGB IV, § 25 RdNr 4). Für die Annahme eines vorsätzlichen Vorenthaltens genügt es, daß der Beitragspflichtige die Verletzung seiner Beitragspflicht, dh den rechtswidrigen Erfolg, für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat (bedingter Vorsatz, vgl BSG USK 90106). Der Beigeladenen zu 2) fehlte schon die positive Kenntnis ihrer grundsätzlichen Beitragszahlungspflicht. Die Beitragspflicht ist unmittelbare Folge der Versicherungspflicht eines Beschäftigungsverhältnisses. Die Frage, ob die praktischen Ausbildungen der einstufigen Juristenausbildung in Bremen versicherungspflichtige Beschäftigungen waren, war bis zu der Entscheidung des Senats vom 11. Juni 1992 (BSG SozR 3-2940 § 2 Nr 2) streitig. Zwar stand aufgrund der Urteile des BSG vom 6. Oktober 1988 zur Frage der Nachversicherung der praktischen Ausbildungszeiten der einstufigen Juristenausbildung in den Ländern Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg fest, daß die Praktika Beschäftigungen zur Berufsausbildung darstellten, die grundsätzlich der Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Nr 1 AVG unterlagen. Die Beurteilung beruhte jedoch wesentlich auf der Ausgestaltung der Ausbildungsgänge in den einzelnen Landesgesetzen. Eine solche Beurteilung fehlte bis zur Entscheidung des Senats vom 11. Juni 1992 für die landesrechtlichen Regelungen der Praktika in Bremen. Eine sichere Kenntnis der Versicherungspflicht dieser Praktika und damit der Beitragspflicht und ihrer Beitragszahlungspflicht erhielt die Beigeladene zu 2) daher erst durch diese Entscheidung. Die Annahme, die Beigeladene zu 2) habe die Beiträge nicht vorsätzlich vorenthalten, steht nicht in Widerspruch zu der Feststellung des Senats im Urteil vom 11. Juni 1992, sie habe auf die Versicherungsfreiheit der Praktika in der Rentenversicherung nicht vertrauen können (BSG SozR 3-2940 § 2 Nr 2 S 15). Das Fehlen eines schutzwürdigen Vertrauens in die Versicherungsfreiheit ist nicht gleichbedeutend mit der Kenntnis der Versicherungspflicht der Praxiszeiten. Vertrauen ist schon dann nicht mehr begründet, wenn berechtigte Zweifel an der Versicherungsfreiheit bestehen (BSGE 51, 31, 39 = SozR 2200 § 1399 Nr 13 S 29). Diese reichen jedoch für die positive Kenntnis der Versicherungspflicht nicht aus. Als die Unsicherheit über die Versicherungspflicht durch die Entscheidung des BSG vom 11. Juni 1992 beseitigt war, waren die Beitragsansprüche für den Kläger bereits verjährt; ihnen stand die Einrede der Verjährung entgegen, so daß der Tatbestand des vorsätzlichen Vorenthaltens der Beiträge nicht mehr eintreten konnte.

Die Berufung auf die Verjährung ist nach dem vom SG festgestellten Sachverhalt, an den der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), auch nicht rechtsmißbräuchlich. Das Rechtsinstitut der unzulässigen Rechtsausübung wegen Rechtsmißbrauchs ist eine aus dem Grundsatz von Treu und Glauben iS des § 242 BGB abgeleitete, jedem Recht immanente Schranke, die auch im Bereich des Sozialrechts zu beachten ist (vgl BSG SozR 3-2200 § 543 Nr 1 unter Hinweis auf BSGE 46, 187, 189 = SozR 2200 § 315a Nr 7; BSGE 62, 96 = SozR 1200 § 14 Nr 26; BSG USK 77190 S 779 f; BSGE 43, 227 = SozR 3100 § 21 Nr 1). Die Verjährung dient jedoch dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit des Rechtsverkehrs (BGHZ 59, 72, 74). Dieser Zweck gebietet es, strenge Maßstäbe anzulegen und den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nur gegenüber einem wirklich groben Verstoß gegen Treu und Glauben durchgreifen zu lassen (BGH NJW-RR 1989, 215, 217; BSG USK 77190). Die Berufung auf Verjährung wird daher grundsätzlich nur als unzulässige Rechtsausübung angesehen, wenn der Verpflichtete den Berechtigten, wenn auch unabsichtlich, durch sein Verhalten von der rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruchs abgehalten hat (BGH NJW 1988, 2245, 2247; BGHZ 93, 64, 66; BAG vom 4. November 1992 - 5 AZR 75/92 - mwN, unveröffentlicht; BAG AP Nr 12 zu § 4 BAT Bl 373). Auch im Sozialrecht und insbesondere im Beitragsrecht steht der gesetzlich zugelassenen Verjährungseinrede (§ 25 SGB IV) der Vorwurf des Rechtsmißbrauchs entgegen, wenn der Gläubiger im Vertrauen auf ein konkretes, ihm gegenüber an den Tag gelegtes Verhalten des Beitragsschuldners die Ansprüche nicht innerhalb der Verjährungsfrist verfolgt hat (BSG SozR 2200 § 182 Nr 113 S 255; BSG USK 82182 und USK 77190). Maßgebend ist das den Beitragsansprüchen zugrundeliegende Gläubiger-Schuldner-Verhältnis. Gläubiger der Beitragsansprüche in der Rentenversicherung für versicherungspflichtig Beschäftigte sind gegenüber den Beitragsschuldnern die Einzugsstellen; Beitragsschuldner sind die Arbeitgeber (§ 121 Abs 1 iVm § 118 Abs 1 Satz 1 AVG; § 28h Abs 1 Satz 1 iVm § 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV). Der Vertrauenstatbestand, infolge dessen die Geltendmachung der Verjährung rechtsmißbräuchlich sein kann, muß sich aus diesem öffentlich-sozialversicherungsrechtlichen Verhältnis ergeben. Ein Verhalten des Arbeitgebers gegenüber seinem Arbeitnehmer, dem Versicherten, insbesondere eine Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten, sind für die Frage des Rechtsmißbrauchs der Einrede der Verjährung gegenüber Beitragsansprüchen der Einzugsstelle unerheblich. Der Versicherte (Arbeitnehmer) ist hinsichtlich der Zahlung der Beiträge in der Rentenversicherung sozialrechtlich abgesichert. Für die Berücksichtigung von Verpflichtungen des Arbeitgebers aus dem Innenverhältnis zu seinem Arbeitnehmer zur Zahlung dieser Beiträge fehlt eine Rechtsgrundlage.

Die Beiträge zur Rentenversicherung für versicherungspflichtig Beschäftigte sind ebenso wie die Beiträge zur Krankenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit im Einzugsstellenverfahren - nach der seit 1989 geltenden Vorschrift des § 28d Abs 1 Satz 1 SGB IV als Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags - vom Arbeitgeber an die Krankenkassen zu zahlen (vgl früher § 393 Abs 1 Satz 1 und § 1399 Abs 1 RVO, § 121 Abs 1 AVG, § 176 AFG; seit 1989 § 28e Abs 1 Satz 1, § 28h Abs 1 Satz 1 SGB IV). Die Zahlungspflicht des Arbeitgebers gehört nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zu seinen Hauptpflichten im Rahmen seiner "Indienstnahme als Privater" für die Belange der Sozialversicherung (BSGE 51, 31, 36 = SozR 2200 § 1399 Nr 13 S 26; BSGE 48, 195, 196 = SozR 2200 § 394 Nr 1 S 3; BSGE 41, 297, 298 = SozR 2200 § 1399 Nr 4 S 7). Der versicherte Arbeitnehmer ist an diesem Pflichtenverhältnis, jedenfalls soweit es die Zahlungspflicht des Arbeitgebers betrifft, nicht beteiligt.

Der Versicherte hat gegen die Einzugsstelle, weil sie Inhaberin der Beitragsforderung gegenüber dem Arbeitgeber ist (vgl BSGE 73, 106, 110 = SozR 3-2200 § 1436 Nr 1 S 4), einen Anspruch auf Beitragseinzug, sofern er an der Entrichtung der Beiträge ein unmittelbares rechtliches Interesse hat. Ein derartiges Interesse hat die Rechtsprechung an der Entrichtung der Beiträge zur Rentenversicherung anerkannt (vgl BSG SozR 4100 § 141n Nr 18 S 46 f) und den Versicherten gegenüber der Einzugsstelle für klageberechtigt angesehen (BSG SozR 2200 § 29 Nr 9). Diese Rechtsprechung hat der Senat auch hier zugrundegelegt. Das unmittelbare rechtliche Interesse ergibt sich daraus, daß Leistungsansprüche in der Rentenversicherung grundsätzlich Beitragszeiten voraussetzen, die, abgesehen von den Ausnahmen einer vermuteten oder fingierten Beitragszahlung (vgl insbesondere § 199, § 286 Abs 2 SGB VI) von der tatsächlichen Beitragsentrichtung abhängen. Die Beitragszeiten begründen im wesentlichen die rentenrechtlichen Zeiten, mit denen die Wartezeiten für die einzelnen Leistungsansprüche erfüllt werden (vgl § 51 Abs 1, § 54 Abs 1 Nr 1 iVm § 11 Abs 1 Nr 1, § 34 Abs 1 SGB VI). Ein eigener Anspruch des Versicherten auf Beitragsentrrichtung gegen den Arbeitgeber besteht dagegen nicht (so schon BSGE 11, 278, 279, ohne daß die Frage damals entscheidungserheblich war). Ein solches Forderungsrecht ist im Beitragszahlungsverfahren (Einzugsstellenverfahren) nach früherem Recht und nach den Vorschriften des SGB IV nicht vorgesehen und auch für die Beiträge zur Rentenversicherung nicht anzuerkennen. Denn dem Interesse des Versicherten an der Beitragsentrichtung wird durch verschiedene Regelungen des Rentenversicherungsrechts ausreichend und abschließend Rechnung getragen.

Zu den rentenversicherungsrechtlichen Absicherungen gehören die Vorschriften, nach denen eine Beitragszahlung fingiert oder vermutet wird (vgl § 119 Abs 6 AVG, § 1397 Abs 6 RVO, § 203 Abs 2 SGB VI; § 145 AVG, § 1423 RVO, § 199, § 203 Abs 1 und § 286 SGB VI). Außerdem konnte der Versicherte nach dem bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Recht die vollen Beiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) an Stelle des Arbeitgebers selbst entrichten (§ 120 AVG, § 1398 RVO, jeweils in der bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung) und nach Ablauf der Frist für eine wirksame Beitragsentrichtung (§ 140 Abs 1 Halbs 1 AVG, § 1418 Abs 1 Halbs 1 RVO) unter den Voraussetzungen des § 140 Abs 2 oder 3 AVG (§ 1418 Abs 2 oder 3 RVO) vom Rentenversicherungsträger zur Beitragsnachentrichtung zugelassen werden. Das Recht auf Selbstzahlung der Beiträge besteht zwar seit dem 1. Januar 1989 nur noch für Heimarbeiter und Hausgewerbetreibende (§ 28m Abs 2 SGB IV); die Zulassung zur Beitragsnachentrichtung blieb jedoch erhalten. Sie ist seit Inkrafttreten des SGB VI zum 1. Januar 1992 für Fälle besonderer Härte in § 197 Abs 3 SGB VI geregelt. Danach hat der Versicherte Anspruch auf Zulassung zur Zahlung von Beiträgen für zurückliegende Zeiten, wenn er an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert war.

Da sich somit die Rechte des Versicherten beim Einzug der Beiträge zur Rentenversicherung auf einen Anspruch gegen die Einzugsstelle beschränken und nur diese gegenüber dem Arbeitgeber forderungsberechtigt ist, können der Verjährungseinrede gegen die Beitragsansprüche keine Mißbrauchsgründe entgegengehalten werden, die sich aus dem Verhältnis des versicherten Arbeitnehmers zu seinem (früheren) Arbeitgeber ergeben.

Das SG hat keine Tatsachen festgestellt, die in dem Gläubiger-Schuldner-Verhältnis der Beklagten zur Beigeladenen zu 2) die Annahme rechtfertigten, die Beigeladene zu 2) habe durch ihr Verhalten die Beklagte von der rechtzeitigen Geltendmachung der Beitragsansprüche abgehalten.

Über das Vorbringen der Revision, die Beigeladene zu 2) habe gegenüber verschiedenen Einzugsstellen hinsichtlich der Beiträge für andere Rechtspraktikanten auf die Einrede der Verjährung verzichtet, vermag der Senat nicht zu entscheiden; denn das Urteil des SG enthält nicht die erforderlichen Feststellungen (§ 163 SGG). Eine hierauf gestützte Verfahrensrüge wäre im Verfahren der Sprungrevision nicht zulässig (§ 161 Abs 4 SGG).

Die weiteren von der Revision geltend gemachten Mißbrauchsgründe wie die Verletzung der Fürsorgepflicht aus dem Arbeitsverhältnis oder des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes können der Verjährungseinrede nicht entgegengehalten werden, weil sie nicht das Gläubiger-Schuldner-Verhältnis der Beklagten zur Beigeladenen zu 2) betreffen. Verletzungen arbeitsrechtlicher Pflichten mögen Schadensersatzansprüche des Klägers gegen seine frühere Arbeitgeberin begründen (vgl hierzu Blomeyer in Münchener Handbuch Arbeitsrecht, Bd 1, 1992, § 94 RdNr 79; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl 1992, 444 f), berühren aber nicht die hier streitige Beitragszahlungspflicht gegenüber der Beklagten.

Da die Beitragsansprüche der Beklagten für die Praxiszeiten des Klägers in den Jahren 1982 bis 1984 insgesamt verjährt sind und dies zu beachten ist, ist es unerheblich, ob das letzte Praktikum im Jahre 1984 am 9. September 1984 oder erst am 11. Oktober 1984 endete. Die Beklagte ist nicht mehr berechtigt, die Beiträge einzuziehen.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.BUNDESSOZIALGERICHT

 

Fundstellen

Haufe-Index 517702

NJW 1997, 277

Breith. 1997, 323

SozSi 1997, 197

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