Beteiligte

Der 2. Senat der Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 1985 für Recht erkannt: Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 3. Oktober 1984 wird..

 

Tatbestand

I

Die Klägerin ist ein Kranbau-Unternehmen und Mitglied der Beklagten. Sie wendet sich gegen die Höhe des ihr für das Beitragsjahr 1980 auferlegten Zuschlags.

Durch Bescheid vom 27. April 1981 setzte die Beklagte den von der Klägerin für das Jahr 1980 zu zahlenden Beitrag entsprechend den fünf verschiedenen Gefahrklassen (zwischen 0, 8 und 13, 6) und den jeweiligen Lohnsummen der Klägerin einschließlich der Beiträge für die Ausgleichslast und das Konkursausfallgeld sowie des Beitragsausgleichs auf 56.844,66 DM fest. Auf den Beitragsausgleich (Zuschlag) entfiel davon ein Betrag von 11.877,34 DM. Diesen Betrag errechnete die Beklagte aufgrund des § 26 ihrer Satzung in der vom 1. Januar 1980 an geltenden, vom Bundesversicherungsamt genehmigten Fassung des 15. Nachtrags vom 4. Juli 1979. Danach richtet sich die Höhe des Zuschlags nach den Kosten der Arbeitsunfälle ohne Berücksichtigung u.a. der Wegeunfälle, Berufskrankheiten, höherer Gewalt, Unfällen von freiwillig Versicherten, Sonderumlagen (Abs. 1). Ein Zuschlag wird auferlegt bzw. ein Nachlaß bewilligt, wenn die Eigenbelastung des einzelnen Unternehmens die Durchschnittsbelastung aller am Verfahren beteiligten Unternehmen über- bzw. unterschreitet (Abs. 2). Im Beitragsbescheid für das Jahr 1980 legte die Beklagte eine Unfallneulast der Klägerin von 18.481,29 DM und eine Eigenbelastungsziffer von 92, 97 v.H. zugrunde, die Durchschnittsbelastungsziffer betrug 27,61 v.H.. Mit 27,61 v.H.. des Umlagebeitrags von 43.018,26 DM (= 11.877,34 DM) errechnete die Beklagte den von der Klägerin zu zahlenden Zuschlag. Den gegen die Höhe des Zuschlags erhobenen Widerspruch wies die Beklagte zurück (Bescheid vom 22. Juni 1982).

Mit der Klage hat die Klägerin insbesondere geltend gemacht, die Berechnung des Zuschlags widerspreche der Beitragsgerechtigkeit, da Unternehmen mit höherer Gefahrklasse zusätzlich zum höheren Beitrag einen höheren Zuschlag zahlen müßten als Betriebe mit geringerer Gefahrklasse. Das Sozialgericht (SG) Lübeck hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 19. Mai 1983). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 3. Oktober 1984) und zur Begründung u.a. ausgeführt: Die Regelung des Beitragsausgleichs in § 26 der Satzung der Beklagten überschreite nicht die in § 725 der Reichsversicherungsordnung (RVO) enthaltene gesetzliche Ermächtigung. Die Höhe der Zuschläge und Nachlässe richte sich, wie in § 725 Abs. 2 Satz 3 RVO u.a. vorgesehen, nach den Kosten der Arbeitsunfälle. Der Beitragsausgleich wurde zwar aufgrund der Satzung prozentual vom Umlagebeitrag errechnet, für dessen Höhe die Gefahrklasse mitbestimmend sei, so daß sowohl der Beitrag als auch der Zuschlag je höher sei, desto höher das jeweilige Unternehmen nach den Gefahrklassen eingestuft sei. Dies sei jedoch rechtlich zulässig, zumal da sich die Belastung der insoweit betroffenen Unternehmen dadurch in engen Grenzen halte, daß die Durchschnittsbelastungsziffer (hier 27,61 v.H.) zugleich den höchstmöglichen Vomhundertsatz des Zuschlags im Verhältnis zum Umlagebeitrag bilde.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin, die nach § 26 der Satzung der Beklagten vorgesehene Berechnung eines Beitragszuschlages verstoße gegen § 725 Abs. 2 RVO. Die Beklagte sei nicht berechtigt, den Zuschlag anhand eines Prozentsatzes von dem konkreten Umlagebeitrag zu ermitteln mit dem Ergebnis, daß in höhere Gefahrklassen eingestufte Unternehmen höhere Zuschläge zu zahlen hätten.

Sie beantragt,die Urteile des Sozialgerichts Lübeck vom 19. Mai 1983 und des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 3. Oktober 1984 sowie den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 22. Juni 1982 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Beitragsausgleichsbescheides vom 27. April 1981 zu verurteilen, der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid über den Beitragsausgleich für das Kalenderjahr 1980 zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Urteile für zutreffend.

II

Die Revision ist nicht begründet.

Das SG und das LSG haben zutreffend entschieden, daß der Beitragszuschlag von 11.877,34 DM für das Beitragsjahr 1980 nicht rechtswidrig ist. Der angefochtene Bescheid vom 27. April 1981 stützt sich insoweit auf § 26 der Satzung der Beklagten. Die Satzungsregelung zur Ermittlung von Zuschlägen oder Nachlässen überschreitet entgegen der Auffassung der Revision nicht den Rahmen der in § 725 Abs. 2 RVO enthaltenen gesetzlichen Ermächtigung; sie verstößt auch nicht gegen andere höherrangige Normen.

Die Berufsgenossenschaften (BGen) sind gesetzlich verpflichtet, ein Beitragsausgleichsverfahren durchzuführen. Sie haben nach § 725 Abs. 2 RVO (den Unternehmern) unter Berücksichtigung der anzuzeigenden Arbeitsunfälle (§ 1552 Abs. 1 RVO) Zuschläge aufzuerlegen oder Nachlässe zu bewilligen (Satz 1). Wegeunfälle (§ 550 RVO) bleiben dabei außer Ansatz (Satz 2). Die Höhe der Zuschläge und Nachlässe richtet sich nach der Zahl, der Schwere und den Kosten der Arbeitsunfälle oder nach mehreren dieser Merkmale (Satz 3). An die Stelle von Nachlässen oder zusätzlich zu diesen können nach der Wirksamkeit der Unfallverhütung gestaffelte Prämien gewährt werden (Satz 4). Das Nähere bestimmt die Satzung; dabei kann sie Berufskrankheiten sowie Arbeitsunfälle, die durch höhere Gewalt oder durch alleiniges Verschulden nicht zum Unternehmen gehörender Personen eintreten, ausnehmen (Satz 5). Die Gestaltung des Beitragsausgleichsverfahrens, d.h., welches Verfahren angewendet wird und auf welche Weise die Ausgleichsbeträge (Zuschläge, Nachlässe) im einzelnen berechnet werden, hat der Gesetzgeber somit den Selbstverwaltungsorganen der BGen übertragen.

Ihrer gesetzlichen Verpflichtung hat die Beklagte durch ihre von der Vertreterversammlung beschlossene und vom Bundesversicherungsamt genehmigte Satzung in § 26 entsprochen. Sie hat die Höhe eines aufzuerlegenden Zuschlags oder eines zu bewilligenden Nachlasses von den Kosten der Arbeitsunfälle - einem der ihr nach § 725 Abs. 2 RVO zur Wahl gestellten Kriterien - abhängig gemacht (s. § 26 Abs. 1 der Satzung). Die Klägerin wendet sich auch nur dagegen, daß nach § 26 Abs. 5 der Satzung der absolute Unterschied zwischen der Eigenbelastungsziffer des Unternehmens und der Durchschnittsbelastungsziffer aller Unternehmen als Vomhundertsatz des Beitrags festgelegt worden ist, der als Zuschlag auferlegt oder als Nachlaß gewährt wird. Sie hält es für unzulässig, daß nach dieser Berechnungsart diejenigen Unternehmen stärker - doppelt - belastet würden, die wegen der Einstufung in eine hohe Gefahrklasse bereits eine vergleichbar hohe Umlage zahlen müßten.

Die Satzung ist ihrer Rechtsnatur nach autonomes Recht des betreffenden Unfallversicherungsträgers (§§ 33, 34 SGB IV, 5 671 RVO). Sie bildet eine der von der Selbstverwaltung beschlossenen Rechtsgrundlagen, aufgrund deren die Verwaltung der BG die ihr als Mitglieder angehörenden Unternehmer u.a. zur Beitragsleistung heranzieht. Sie ist damit objektives Recht. Die Satzung der Beklagten ist auch revisibles Recht, da ihr Geltungsbereich sich über den Bereich des Berufungsgerichts hinaus erstreckt (§ 162 SGG). Die Satzung unterliegt der Nachprüfung der Gerichte darauf, ob sie Normen höherrangigen Rechts verletzt (BSGE 27, 237, 240). Ob die Vertreterversammlung der Beklagten die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Regelung des Beitragsausgleichsverfahrens getroffen hat, ist dagegen von den Gerichten nicht zu entscheiden (BSGE 54, 232, 235 ).

Es bedarf aus Anlaß dieses Falles keiner abschließenden Entscheidung, wie weit die Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers bei der Durchführung des Beitragsausgleichs reicht. Es trifft zwar zu, daß der Beitragszuschlag nach der in der Satzung der Beklagten bestimmten Berechnungsweise diejenigen Unternehmer stärker trifft, die wegen der Einstufung in hohe Gefahrklassen schon eine vergleichbar hohe Beitragsumlage zu entrichten haben. Wie der erkennende Senat aber bereits in seinem Urteil vom 18. Oktober 1984 (- 2 RU 31/83 - SozR 2200 § 725 Nr. 10) ausgeführt hat, verstößt es nicht gegen höherrangiges Recht, daß der Zuschlag in Höhe eines bestimmten Vomhundertsatzes des Umlagebeitrags festgesetzt wird und damit Unternehmen mit hohen Lohnsummen stärker belastet werden. Entgegen der Auffassung der Revision hat sich der Senat in diesem Urteil auch mit der hier maßgebenden Frage befaßt (a.a.O. S. 34 bis 36). Daß den Urteilsgründen keine entsprechenden materiell-rechtlichen Angriffe der damaligen Klägerin zu entnehmen sind, ist unerheblich, da der Senat bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zuschläge die insoweit maßgebende Rechtslage umfassend von Amts wegen zu prüfen hat. Der Senat hat dabei ausdrücklich als unbedenklich die Vorschriften der Satzung über die Abhängigkeit des Zuschlages von der Eigenunfallbelastung des Einzelunternehmens im Verhältnis zur Durchschnittsunfallbelastung aller Unternehmen angesehen. Auch in dem der Entscheidung des Senats vom 18. Oktober 1984 (a.a.O.) zugrunde liegenden Sachverhalt wurden durch die Berücksichtigung der Gefahrklasse (BSG a.a.O. S. 34) die Unternehmen mit einer hohen Gefahrklasse stärker durch Zuschläge belastet als Unternehmen mit gleichhoher Lohnsumme aber niedriger Gefahrklasse. Der Senat hat in diesem Urteil auch bereits ausgeführt, daß ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht vorliegt. Art. 3 Abs. 1 GG ist nur verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen dieser und einer anderen Gruppe keine Unterschiede solcher Art bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88 ). Wie für die unterschiedliche Behandlung von Unternehmen mit höheren Lohnsummen gegenüber Unternehmen mit niedrigeren Lohnsummen (BSG a.a.O.) lassen sich auch für die mit der Art der Zuschlagsberechnung zugleich verbundene stärkere Belastung von Unternehmen mit höheren Gefahrklassen gegenüber Unternehmen mit geringeren Gefahrklassen sachgerechte Gründe finden. § 725 Abs. 2 RVO hat den Sinn, die Unternehmen mit wirtschaftlich ins Gewicht fallenden Zuschlägen zu einer wirksamen Unfallverhütung anzuhalten (s. BT-Drucks. IV/936 - neu - S. 23; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., § 725 Anm. 10 Buchst. c). Dabei ist nicht entscheidend zu bewerten, ob die anzuzeigenden Arbeitsunfälle im Einzelfall durch Anstrengungen des Unternehmers hätten vermieden werden können (BSG SozR a.a.O. Nr. 5). Es bleibt sachgerecht, wenn die Zuschläge entsprechend der Beitragsgestaltung auch von den Beiträgen selbst errechnet werden. Zu berücksichtigen ist aber auch, daß sich die Eigenunfallbelastung nicht voll auswirkt, weil die Höhe des Zuschlags auf die Durchschnittsbelastungsziffer (hier: 27,61 v.H.) beschränkt ist und damit u.a. auch dem aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) Rechnung getragen wird (Art. 20 GG; s. BSG a.a.O. Nr. 10).

Die Revision der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.2 RU 70/84

Bundessozialgericht

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518263

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