Entscheidungsstichwort (Thema)

Meldung der Arbeitsunfähigkeit bzw Arbeitsfähigkeit. Prüfung der ärztlichen Feststellung durch Krankenkasse. Feststellung der Arbeitsfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Krankengeld ist grundsätzlich nicht fortzugewähren, wenn ärztlich festgestellt ist, daß die Arbeitsunfähigkeit beendet sei, der Kasse diese Feststellung mit Wissen des Versicherten bekanntgegeben wird und dieser keine Einwände erhebt.

 

Leitsatz (redaktionell)

Es bleibt unentschieden, ob wegen § 216 Abs 3 RVO eine neue Arbeitsunfähigkeitsmeldung nach jeder Unterbrechung des Krankengeldbezugs und insbesondere nach einer Zeit erforderlich ist, in der der Anspruch des Versicherten auf Krankengeld vorübergehend wegen des Bezugs von Übergangsgeld geruht hat (§ 183 Abs 6 RVO). Grundsätzlich ist jedoch nach einer leistungsfreien Zeit eine erneute Meldung der Arbeitsunfähigkeit erforderlich.

 

Orientierungssatz

1. Wie die Meldung der Arbeitsunfähigkeit ist auch die Anzeige ihrer Beendigung keine Willenserklärung, sondern eine Tatsachenmitteilung. In § 216 Abs 3 RVO ist nicht bestimmt, von wem die Meldung ausgehen muß. Es genügt, wenn der Krankenkasse die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bekanntgegeben wird. Auch für die Beendigung der Arbeitsunfähigkeit reicht die Bekanntgabe einer entsprechenden Feststellung aus - sie muß allerdings dem Versicherten zuzurechnen sein. Eine Erklärung des Versicherten, daß er arbeitsunfähig sei, ist neben der ärztlichen Feststellung nicht notwendig.

2. Aus den Bestimmungen der §§ 182 Abs 3 RVO und 369b RVO folgt, daß die Kasse nur die ärztliche Feststellung überprüft, aber die Arbeitsunfähigkeit nicht primär selbst festzustellen hat. Sie braucht umgekehrt regelmäßig die Arbeitsunfähigkeit nicht weiter zu prüfen, wenn ihr bekannt wird, daß ein Arzt Arbeitsunfähigkeit angenommen hat und die Bekanntgabe dem Versicherten zuzurechnen ist.

Zweifelhaft kann sein, ob die Feststellung der Arbeitsfähigkeit (Wegfall der Arbeitsunfähigkeit) nur genügt, wenn sie von einem Kassenarzt ausgeht. Diese Zweifel bestehen aber nicht bei der Feststellung durch die Ärzte einer Kurklinik, in der eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation durchgeführt worden ist. Die Ärzte waren im Rahmen der Leistungspflicht der LVA gemäß §§ 1236 ff RVO tätig.

 

Normenkette

RVO § 216 Abs. 3 Fassung: 1939-12-12, § 182 Abs. 3 Fassung: 1961-07-12, § 369b Fassung: 1969-07-27, § 1236 Fassung: 1957-02-23, § 183 Abs. 6 Fassung: 1961-07-12

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 21.02.1984; Aktenzeichen L 5 Kr 2/83)

SG Schleswig (Entscheidung vom 06.12.1982; Aktenzeichen S 2 Kr 24/82)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 9. April 1976 bis zum 19. Januar 1977 Krankengeld zu zahlen hat.

Der Kläger war vom 20. November 1975 an wegen degenerativer Wirbelsäulenveränderungen arbeitsunfähig krank. Bis zum 3. März 1976 zahlte ihm die Beklagte Krankengeld. In der Zeit vom 4. März bis 1. April 1976 unterzog sich der Kläger auf Kosten der Landesversicherungsanstalt (LVA) einer stationären Heilbehandlung in der Rheumaklinik B. Die Ärzte Dres. R und K stellten unter dem 1. April 1976 fest, der Kläger sei nach einer Arbeitsruhe von 7 Tagen arbeitsfähig.

Der Kläger führte später einen Rechtsstreit gegen die LVA. Nach dessen Abschluß beantragte er im März 1982 bei der Beklagten die Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 9. April 1976 bis zum 19. Januar 1977. Er gab an, das Landessozialgericht (LSG) habe in dem Rechtsstreit gegen die LVA festgestellt, daß er über den 8. April 1976 hinaus arbeitsunfähig krank gewesen sei; es habe aber seinen Anspruch auf Übergangsgeld für die streitige Zeit abgelehnt, weil ihm der Anspruch auf Krankengeld vorgehe. Mit Bescheid vom 27. Mai 1982 hat die Beklagte den Antrag abgelehnt, weil der Kläger die Arbeitsunfähigkeit nicht rechtzeitig gemeldet habe.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage gegen diesen Bescheid abgewiesen. Die Berufung hat das LSG zurückgewiesen und ausgeführt, einer Verpflichtung der Beklagten auf Gewährung des Krankengeldes stehe die Vorschrift des § 216 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) entgegen. In entsprechender Anwendung dieser Bestimmung trete das Ruhen auch bei ununterbrochener Arbeitsunfähigkeit ein, wenn der Versicherte nach einer leistungsfreien Zeit erneut die Zahlung von Krankengeld beanspruche, seine Arbeitsunfähigkeit der Kasse aber nicht gemeldet habe. Der Kläger habe sich nicht rechtzeitig arbeitsunfähig gemeldet. Auf das Ruhen des Anspruchs könne sich die Beklagte berufen. Der Kläger habe in der streitigen Zeit weder selbst irgendetwas zur Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit an die Kasse getan, noch habe ein anderer die Meldung für ihn übernommen; auch sei niemand verpflichtet gewesen, die Meldung für den Kläger zu erstatten. Der Beklagten sei die Arbeitsunfähigkeit nicht bekannt gewesen.

Der Kläger hat Revision eingelegt. Er macht geltend, die Fehldiagnose der Klinikärzte könne ihm nicht zum Nachteil gereichen. Sie sei vielmehr der Beklagten zuzurechnen, da der behandelnde Kassenarzt im Einvernehmen mit der Beklagten die ihm obliegende abschließende Feststellung der Arbeitsfähigkeit an die Heilstättenärzte delegiert habe. Für ihn, den Kläger, habe nach der ihm bekanntgegebenen Beendigung seiner mitgliedschaftlichen Zugehörigkeit bei der Beklagten kein Grund bestanden, seine Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen, denn er habe von der Beklagten keine Leistungen erwarten können. Die Beklagte habe ihn über seine nachrangige (gemeint: nachgehende) Leistungsberechtigung aufklären und beraten müssen. In den Aufklärungsbroschüren werde für diese Leistungsberechtigung kein Anhaltspunkt gegeben. Wenn auch die Verletzung der allgemeinen Informationspflicht keinen Herstellungsanspruch begründe, wäre doch zu klären gewesen, ob die unterlassene Aufklärung die Beklagte zur Beratung von Amts wegen verpflichtete.

Der Kläger beantragt, die Urteile der Vorinstanzen und den Bescheid der Beklagten vom 27. Mai 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 1982 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 9. April 1976 bis 19. Januar 1977 Krankengeld zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie führt aus, im vorliegenden Fall falle die Meldung der Arbeitsunfähigkeit in den Verantwortungsbereich des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Im Ergebnis hat das LSG zu Recht das klagabweisende Urteil des SG bestätigt. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, dem Kläger steht für die streitige Zeit kein Anspruch auf Krankengeld zu.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für den Krankengeldanspruch des Klägers ist nicht im einzelnen zu prüfen, denn jedenfalls hat der Anspruch gemäß § 216 Abs 3 RVO geruht. Nach Ansicht des LSG ergibt sich das Ruhen daraus, daß der Kläger der Kasse die Arbeitsunfähigkeit nach einer leistungsfreien Zeit nicht erneut gemeldet hat. Der Senat kann aber dahingestellt lassen, ob eine neue Arbeitsunfähigkeitsmeldung nach jeder Unterbrechung des Krankengeldbezugs und insbesondere nach einer Zeit erforderlich ist, in der der Anspruch des Versicherten auf Krankengeld vorübergehend wegen des Bezugs von Übergangsgeld geruht hat (§ 183 Abs 6 RVO).

Im vorliegenden Fall hat das Fehlen einer Arbeitsunfähigkeitsmeldung in der streitigen Zeit jedenfalls aus einem anderen Grund zum Ruhen des Krankengeldanspruchs geführt. Der Tatbestand der fehlenden Meldung der Arbeitsunfähigkeit ist hier deshalb gegeben, weil die Ärzte der Rheumaklinik den Kläger "arbeitsfähig" geschrieben hatten. Durch die Vorschrift des § 216 Abs 3 RVO soll es der Kasse ermöglicht werden, entsprechend ihrer gesetzlichen Pflicht zur Prüfung und Überwachung der Arbeitsunfähigkeit einen Vertrauensarzt mit einer Begutachtung zu beauftragen. Die Begutachtung dient nicht nur der Beseitigung von begründeten Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit, sondern auch der Sicherung des Heilerfolgs und der Einleitung von Maßnahmen der Sozialleistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit (BSGE 38, 133, 135; BSGE 56, 13, 15 = SozR 2200 § 216 RVO Nr 7). Nachträglich läßt sich oft gar nicht mehr beurteilen, ob Arbeitsunfähigkeit bestanden hat. Vor allem aber sind Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit möglichst frühzeitig einzuleiten. Je später sie begonnen werden, desto später kann auch die Kasse sich um die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit kümmern. Die Pflicht der Krankenkasse zur Überwachung der Arbeitsunfähigkeit mag grundsätzlich bestehen, solange der Versicherte wegen der Krankheit nicht oder nur mit der Gefahr, seinen Zustand zu verschlechtern, fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die Pflicht entfällt aber sinngemäß in dem Zeitpunkt, in dem die Kasse nach pflichtgemäßer Prüfung die Arbeitsfähigkeit des Versicherten annehmen kann. Ihre in der Rechtsprechung des Senats (aaO) herausgestellte Kontrollpflicht wäre überspannt, wenn die Kasse vom Zeitpunkt der Arbeitsunfähigkeitsmeldung an bis zum objektiven Eintritt der Arbeitsfähigkeit mit der Verantwortung für das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit belastet würde. Zwar muß nach § 216 Abs 3 RVO die objektiv gegebene Arbeitsunfähigkeit der Kasse auch gemeldet sein. Die Meldung verliert aber ihre Wirkung durch eine ihr entsprechende entgegengesetzte Anzeige.

Die Anzeige der Klinikärzte, daß der Kläger "arbeitsfähig" sei, hat die frühere Arbeitsunfähigkeitsmeldung für die Zukunft in ihrer Wirkung aufgehoben und die Beklagte von ihrer Pflicht zur Überwachung der Arbeitsunfähigkeit freigestellt. Wie die Meldung der Arbeitsunfähigkeit ist auch die Anzeige ihrer Beendigung keine Willenserklärung, sondern eine Tatsachenmitteilung. In § 216 Abs 3 RVO ist nicht bestimmt, von wem die Meldung ausgehen muß. Es genügt, wenn der Kasse die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bekanntgegeben wird. Auch für die Beendigung der Arbeitsunfähigkeit reicht die Bekanntgabe einer entsprechenden Feststellung aus - sie muß allerdings dem Versicherten zuzurechnen sein, wie noch darzulegen sein wird. Eine Erklärung des Versicherten, daß er arbeitsunfähig sei, ist neben der ärztlichen Feststellung nicht notwendig. Vielmehr ist gerade diese Feststellung für den Krankengeldanspruch maßgebend. Zur Meldung der Arbeitsunfähigkeit gehört notwendig der Hinweis auf ihre ärztliche Feststellung (vgl Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 10. Aufl Stand Oktober 1985 S 435d). Dies folgt aus der Bestimmung des § 182 Abs 3 RVO. Danach wird Krankengeld erst von dem Tag an gewährt, an dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt ist. Diese Fassung der Vorschrift ist erst durch Art 2 Nr 3 Buchst b des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 12. Juli 1961 (BGBl I 913) eingeführt worden. Vorher wurde Krankengeld vom vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit an gewährt. Das Reichsversicherungsamt (RVA) hatte zu der früheren Bestimmung entschieden, für die nach § 216 Abs 3 zu erstattende Meldung sei keine Form vorgeschrieben; es müsse nur die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit genügend erkennbar sein, damit dem Zweck der Vorschrift entsprechend die Kasse die Möglichkeit erhalte, rechtzeitig das behauptete Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit nachzuprüfen; eine ärztliche Bescheinigung brauche dazu nicht vorgelegt zu werden; es genüge z. B. die Behauptung des Versicherten (RVA in EuM 32, 65, 66). Mit der Bestimmung des § 182 Abs 3 RVO idF des Gesetzes vom 12. Juli 1961 (aaO) ist nunmehr für den Beginn der Krankengeldgewährung der Tag ihrer ärztlichen Feststellung maßgebend geworden. Das Vorliegen dieser besonderen Anspruchsvoraussetzung muß aber der Krankenkasse bekanntgegeben werden, wenn die Meldung der Arbeitsunfähigkeit ihren Zweck erfüllen soll. Wie dargelegt ist es nämlich der Zweck der Arbeitsunfähigkeitsmeldung, der Kasse die Nachprüfung der Anspruchsvoraussetzungen zu ermöglichen. Die Nachprüfung setzt sinngemäß voraus, daß der Kasse die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Aus den Bestimmungen der §§ 182 Abs 3 RVO und 369b RVO folgt, daß die Kasse nur die ärztliche Feststellung überprüft, aber die Arbeitsunfähigkeit nicht primär selbst festzustellen hat. Sie braucht umgekehrt regelmäßig die Arbeitsunfähigkeit nicht weiter zu prüfen, wenn ihr bekannt wird, daß ein Arzt Arbeitsfähigkeit angenommen hat und die Bekanntgabe dem Versicherten zuzurechnen ist.

Zweifelhaft kann sein, ob die Feststellung der Arbeitsfähigkeit (Wegfall der Arbeitsunfähigkeit) nur genügt, wenn sie von einem Kassenarzt ausgeht. Diese Zweifel bestehen aber nicht bei der Feststellung durch die Ärzte der Rheuma-Klinik B. In der Klinik war nämlich eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation durchgeführt worden. Die Ärzte waren im Rahmen der Leistungspflicht der LVA gemäß §§ 1236 ff RVO tätig. Ob gleichzeitig Rechtsbeziehungen zwischen dem Krankenhaus und der Beklagten bestanden haben, ist nicht festgestellt. Die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ist aber auch für die Leistungen des Rentenversicherungsträgers zur medizinischen Rehabilitation erheblich. Nach § 1240 RVO wird Übergangsgeld gewährt, wenn der Betreute arbeitsunfähig ist oder wegen der Teilnahme an der Maßnahme keine ganztägige Erwerbstätigkeit ausüben kann. Die Angabe im Entlassungsschein "arbeitsfähig mit einer Arbeitsruhe bis zum 8.4.1976" hat die Beklagte einer weiteren Prüfung der Arbeitsunfähigkeit enthoben. Regelmäßig genügt es, wenn der Arzt bescheinigt, der Versicherte sei arbeitsunfähig (BSGE 41, 201, 203). Dasselbe gilt für die Feststellung der Arbeitsfähigkeit. Zweifel an deren Bestehen waren für die Beklagte nicht erkennbar.

Auf die Feststellung der Beendigung der Arbeitsunfähigkeit kann sich die Beklagte dem Kläger gegenüber berufen. Sie ist ihm zuzurechnen. Der Zurechenbarkeit bedarf es, weil das Ende der Arbeitsunfähigkeit nicht verbindlich und unwiderlegbar vom behandelnden Arzt festgestellt wird. Die Kasse muß es eigenverantwortlich überprüfen und die Begutachtung durch einen Vertrauensarzt veranlassen, wenn der Versicherte erhebliche Einwände gegen die Beurteilung des behandelnden Arztes vorzubringen vermag. Vom Ende der Arbeitsunfähigkeit darf die Kasse aber ausgehen, wenn die Feststellung des behandelnden Arztes und ihre Mitteilung an die Kasse dem Versicherten bekannt war und wenn er die Möglichkeit hatte, ihr gegenüber das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit geltend zu machen. Das ist hier der Fall. Nach seinem eigenen Vorbringen hat der Kläger selbst der Beklagten am 4. April 1976 den Entlassungsschein der Rheuma-Klinik mit dem Vermerk des Arztes "arbeitsfähig mit einer Arbeitsruhe bis zum 8. April 1976" vorgelegt und damit die Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit ohne Einwendungen angezeigt. Unabhängig von diesem eigenen Vorbringen hat er es jedenfalls hingenommen, daß die Beklagte ihm nicht ab 9. April 1976 wieder Krankengeld zahlte. Sein Verhalten konnte die Beklagte nur dahin verstehen, daß er mit der Feststellung der Arbeitsfähigkeit einverstanden war. Wenn er erreichen wollte, daß die Beklagte seine Arbeitsfähigkeit überprüfte, hätte er sich nicht völlig passiv verhalten dürfen.

Die Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 9. April 1976 bis zum 19. Januar 1977 kann der Kläger auch nicht im Wege des Herstellungsanspruchs verlangen. Ein Herstellungsanspruch besteht, wenn ein Versicherungsträger gegenüber einem Versicherten Pflichten aus dem Sozialrechtsverhältnis verletzt und ihm dadurch sozialrechtlich einen Schaden zugefügt hat, den der Versicherungsträger durch eine Amtshandlung ausgleichen kann, die den Zustand herstellt, der ohne die Pflichtverletzung eingetreten wäre (BSGE 52, 145, 147 f). Nach Ansicht des Klägers ist die Beklagte ihrer Aufklärungs- und Beratungspflicht nicht nachgekommen. Dies trifft nicht zu.

Aus einer Verletzung der allgemeinen Aufklärungspflicht durch den Versicherungsträger (§ 13 Sozialgesetzbuch -Allgemeiner Teil- - SGB I -) kann der Versicherte, wie schon der Kläger selbst einräumt, für sich keine Rechte herleiten (vgl BSGE 42, 224, 225). Insbesondere ist der Versicherungsträger nicht aus dem Herstellungsanspruch verpflichtet, weil er nicht über eine bestimmte Einzelheit der gesetzlichen Regelung unterrichtet hat.

Die Beklagte war nicht verpflichtet, den Kläger bei Einstellung der Krankengeldzahlung dahin zu beraten (§ 14 SGB I), daß der Krankengeldanspruch im Anschluß an die Zahlung des Übergangsgeldes wieder aufleben könne. Zu einer spontanen, vom Kläger nicht erbetenen Information bestand kein Anlaß. Die Möglichkeit, daß ein Krankengeldbezieher von der irrigen Meinung ausgeht, durch eine weniger als einen Monat dauernde Rehabilitationsmaßnahme des Rentenversicherungsträgers verliere er trotz fortbestehender Arbeitsunfähigkeit den Krankengeldanspruch, liegt nicht nahe. Wenn die Kassen durch ihre Beratung derartigen Mißverständnissen der Versicherten entgegenwirken müßten, wären sie überfordert. Der Kläger meint, Anlaß zur Beratung habe in der Zeit nach Abschluß der Rehabilitationsmaßnahme bestanden, insbesondere gelegentlich seiner Vorsprache am 4. April 1976 bei der Beklagten. Bei dieser Vorsprache übergab der Kläger aber bereits den Entlassungsschein der Heilstätte mit der ärztlichen Beurteilung seiner Arbeitsfähigkeit. Die Beklagte hatte deshalb keine Veranlassung, die Arbeitsfähigkeit in Zweifel zu ziehen und verantwortlich zu überprüfen. Aus diesem Grunde bestand auch keine Pflicht, den Kläger über einen möglichen Anspruch auf Krankengeld zu informieren. Eine - vom Kläger für erforderlich gehaltene - Beratung dahin, daß nach Ende der Mitgliedschaft innerhalb von 26 Wochen bei erneut auftretenden Beschwerden Versicherungsschutz bestehe, war durch die konkreten Umstände des Einzelfalls nicht veranlaßt.

Die Beklagte hat allerdings den Kläger möglicherweise über die nach ihrer Meinung bestehende Notwendigkeit einer erneuten Arbeitsunfähigkeitsmeldung nach dem Übergangsgeldbezug informieren müssen. Ob aber eine Beratungspflicht mit diesem Inhalt bestanden und ob die Beklagte sie verletzt hat, brauchte der Senat nicht zu entscheiden. Eine solche Pflichtverletzung wäre jedenfalls nicht für die Nichtgewährung des Krankengeldes an den Kläger ursächlich gewesen. Vielmehr muß aus der Vorlage der Anzeige der Arbeitsfähigkeit geschlossen werden, daß der Kläger die Tatsache der Arbeitsfähigkeit hinnahm. Sein Verhalten wäre daher durch die Kenntnis von der Notwendigkeit einer neuen Arbeitsunfähigkeitsmeldung nicht beeinflußt worden.

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe ihm das Ende seiner mitgliedschaftlichen Zugehörigkeit bekanntgegeben; daher habe er keinen Grund gehabt, seine Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen. Insoweit fehlt es aber an einer Feststellung des LSG oder an der Rüge von Verfahrensmängeln, so daß die Behauptung in der Revisionsinstanz unerheblich ist. Aus einer nach der Anzeige der Arbeitsfähigkeit des Klägers erfolgten Bekanntgabe des Endes seiner Mitgliedschaft könnte der Kläger ohnehin keine Ansprüche für sich herleiten.

Die Revision ist aus allen diesen Gründen mit der Kostenfolge aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1661561

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