Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff Steuerklassenwechsel

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die bei der Höhe des Arbeitslosengeldes als Folge eines Steuerklassenwechsels zwischen Ehegatten maßgebliche Frage, ob der Ausfall des Arbeitslohns eines Ehegatten den Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung begründet (§ 113 Abs 2 S 3 AFG), richtet sich nach den Verhältnissen am Tage des Eintritts der Steuerklassenänderung, der auf der Steuerkarte bescheinigt ist.

2. Der Ausfall des Arbeitslohns eines Ehegatten begründet den Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung iS von § 113 Abs 2 S 3 AFG nicht schon dann, wenn die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erworben ist; es müssen vielmehr auch die weiteren Anspruchsvoraussetzungen gegeben sein.

 

Orientierungssatz

Steuerklassenwechsel ist jedes Auswechseln der für verheiratete Arbeitnehmer, die beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, gemäß § 38b Abs 1 S 2 Nr 3 bis 5 EStG vorgesehenen Steuerklassen.

 

Normenkette

AFG § 113 Abs 2 S 1; AFG § 113 Abs 2 S 2; AFG § 113 Abs 2 S 3; EStG § 38b Abs 1 S 2

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 19.09.1986; Aktenzeichen L 1 Ar 80/85)

SG Lübeck (Entscheidung vom 21.05.1985; Aktenzeichen S 7 Ar 234/84)

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des Arbeitslosengeldes (Alg).

Der Kläger war bis 1982 als Techniker abhängig beschäftigt. Er bezog zuletzt ein Monatsentgelt von 3.966,-- DM brutto. Auf seiner Lohnsteuerkarte 1982 war die Steuerklasse III/2 eingetragen, auf der seiner Ehefrau die Steuerklasse V. Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab 23. Juni 1982 für 312 Wochentage Alg, das der Kläger zunächst bis zum 30. August 1982 bezogen hat. Anschließend betätigte sich der Kläger freiberuflich. Der Reingewinn betrug 1983 51.677,-- DM; im Januar 1984 war der Gewinn gering, im Februar/März 1984 machte der Kläger keinen Gewinn.

Am 23. März 1984 beantragte der Kläger unter erneuter Arbeitslosmeldung die Wiederbewilligung des Alg. Auf seiner Lohnsteuerkarte 1984 war die Steuerklasse III/2 und ab 1. Februar 1984 die Steuerklasse IV/2, auf der seiner Ehefrau die Steuerklasse V und ab 1. Februar 1984 die Steuerklasse IV/2 eingetragen. Das Arbeitsentgelt seiner Ehefrau betrug im Februar 1984 1.552,-- DM brutto. Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin ab 24. März 1984 Alg für 252 Wochentage, und zwar in Höhe von 220,20 DM (ab 1. Juni 1984 227,40 DM) in der Woche; den Bewilligungen lag ein wöchentliches Arbeitsentgelt von 970,-- DM (ab 1. Juni 1984 1.025,-- DM), die Leistungsgruppe D (Steuerklasse V) und die Nettolohnersatzquote von 68 vH zugrunde (Bescheid vom 11. April 1984, Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 1984, Bescheid vom 4. Juni 1984).

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte in Abänderung des Bescheids vom 11. April 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 1984 antragsgemäß verurteilt, das Alg neu festzusetzen und dabei die Leistungsgruppe A zu berücksichtigen; es hat die Berufung zugelassen (Urteil vom 21. Mai 1985). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, auf die Anschlußberufung des Klägers das Urteil des SG geändert und die Beklagte unter Änderung auch des Bescheides vom 4. Juni 1984 verurteilt, das Alg ab 24. März 1984 nach der Leistungsgruppe C zu zahlen (Urteil vom 19. September 1986).

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, gemäß § 113 Abs 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sei grundsätzlich maßgebend die Lohnsteuerklasse, die auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen zu Beginn des Kalenderjahres eingetragen gewesen sei, in dem der Anspruch entstanden sei. Das sei hier die Lohnsteuerklasse III, die zu Beginn des Jahres 1982 für den Kläger gegolten habe. Ihr entspreche die Leistungsgruppe C. An dieser Zuordnung habe sich für die Zeit ab 24. März 1984 nichts geändert. Auch nach dem zum 1. Februar 1984 vollzogenen Steuerklassenwechsel von III nach IV verbleibe es bei der Leistungsgruppe C, weil der Wechsel den am 1. Februar 1984 gegebenen Verhältnissen der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten nicht entsprochen habe (§ 113 Abs 2 Satz 2 AFG). Bei der Beurteilung dieser Verhältnisse bleibe unberücksichtigt, daß der Kläger am 1. Februar 1984 keinen Arbeitslohn erzielt habe. Nach § 113 Abs 2 Satz 3 AFG bleibe nämlich der Ausfall des Arbeitslohns, der den Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung begründe, bei der Beurteilung des Verhältnisses der monatlichen Arbeitslöhne außer Betracht. Da der am 24. März 1984 wieder entstandene Alg-Anspruch 3.966,-- DM brutto ersetze, müsse für den Kläger im Februar 1984 ein Arbeitslohn von 3.966,-- DM angesetzt werden. Bei einem solchen Verdienst hätten die Eheleute jedoch angesichts des Arbeitsentgelts der Ehefrau von 1.552,-- DM brutto die Steuerklassenkombination III (Kläger)/V (Ehefrau) wählen müssen, um möglichst wenig Steuern zu zahlen.

Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung des § 113 Abs 2 AFG. Sie macht geltend, entgegen der Ansicht des LSG führe der von dem Kläger und seiner Ehefrau vorgenommene Steuerklassenwechsel zum 1. Februar 1984 zu einer Änderung der Zuordnung der maßgeblichen Leistungsgruppe. Grundsätzlich sei ein Steuerklassenwechsel für den Alg-Anspruch vom Tage seiner Wirksamkeit an beachtlich (§ 113 Abs 2 Satz 1 AFG). Das gelte jedoch nicht, wenn die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen an diesem Tage offensichtlich nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten entsprächen; in diesem Falle sei für die Zuordnung des Antragstellers zu den Leistungsgruppen diejenige Steuerklasse zugrunde zu legen, die diesem Verhältnis entspreche (§ 113 Abs 2 Satz 2 AFG). Die Lohnsteuerklasse IV, die für den Kläger und seine Ehefrau mit Wirkung ab 1. Februar 1984 eingetragen gewesen sei, habe nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten entsprochen, da die Ehefrau zum 1. Februar 1984 einen Arbeitslohn von monatlich 1.552,-- DM erzielt habe, während der Kläger an diesem Tag noch freiberuflich tätig gewesen sei, jedoch keinen Gewinn mehr gehabt habe. Entgegen der Auffassung des LSG sei bei der Ermittlung des maßgeblichen Arbeitslohnes des Klägers nicht von dem Bruttoarbeitsentgelt von 3.966,-- DM auszugehen, das durch das ab 24. März 1984 zu zahlende Alg ersetzt werde. Zu dem Zeitpunkt, zu dem der Wechsel der Lohnsteuerklasse wirksam geworden sei (1. Februar 1984), habe der Kläger nämlich keinen Alg-Anspruch gehabt, weil er die hierfür erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen (Arbeitslosigkeit, Arbeitslosmeldung und Antragstellung) nicht erfüllt habe. § 113 Abs 2 Satz 3 AFG sei deshalb nicht anzuwenden.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat sich zur Sache nicht geäußert.

Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und Abweisung der Klage. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höheres Alg.

Nach § 111 Abs 1 AFG, gemäß § 242f Abs 3 AFG hier in der Fassung anwendbar, die die Vorschrift durch das Siebte Gesetz zur Änderung des AFG vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484) erhalten hat, beträgt das Alg für Arbeitslose, die mindestens ein Kind iS des § 32 Abs 1, 4 und 5 Einkommensteuergesetz (EStG) haben, sowie für Arbeitslose, deren Ehegatte ein solches Kind hat, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, 68 vH (Nr 1) und für die übrigen Arbeitslosen 63 vH (Nr 2) des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts. Die Beklagte hat dem Kläger das Alg gemäß § 111 Abs 1 Nr 1 AFG mit der günstigeren Nettolohnersatzquote von 68 vH eingeräumt. Mehr als die Wochenleistungssätze von 220,20 DM bzw 227,40 DM, die die Anlage 2 der aufgrund der Ermächtigung des § 111 Abs 2 AFG erlassenen AFG-Leistungsverordnung 1984 vom 13. Januar 1984 (BGBl I 49) für das Alg nach § 111 Abs 1 Nr 1 AFG bei Arbeitsentgelten von 970,-- DM bzw 1.025,-- DM in der Leistungsgruppe D ausweist, stünde dem Kläger daher nur zu, wenn das Alg nach einem höheren Arbeitsentgelt oder einer günstigeren Leistungsgruppe zu bemessen wäre. Daß nach Maßgabe der Bemessungsvorschriften der §§ 112, 112a AFG ein höheres Arbeitsentgelt zugrunde zu legen wäre, ist weder ersichtlich noch jemals vom Kläger geltend gemacht worden. Er meint lediglich, daß ihm das Alg nach einer günstigeren Leistungsgruppe zusteht. Das ist jedoch nicht der Fall.

Die Höhe des Alg-Leistungssatzes ist neben der Nettolohnersatzquote und der Höhe des gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelts zusätzlich von der Leistungsgruppe abhängig, der § 111 Abs 2 Satz 2 Nr 1 AFG (in der bis zum 31. Dezember 1985 geltenden, zuletzt durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz vom 22. Dezember 1981, BGBl I 1497, geänderten Fassung) den Arbeitnehmer je nach Familienstand, der steuerlichen Zuordnung von Kindern und der in die Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse zuordnet, um den nach Steuerklasse, Familienstand und Kinderzahl unterschiedlich hohen Lohnsteuerabzug zu berücksichtigen. Verheiratete Arbeitnehmer, auf deren Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse V eingetragen ist, erhalten demnach Alg nach der Leistungsgruppe D, verheiratete Arbeitnehmer mit der Lohnsteuerklasse IV die günstigere Leistungsgruppe A und verheiratete Arbeitnehmer mit der Lohnsteuerklasse III die Leistungsgruppe C, die mit Rücksicht auf den in dieser Steuerklasse erfolgenden geringsten Lohnsteuerabzug die höchsten Leistungssätze aufweist.

Soweit die Höhe des Alg von der auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragenen Lohnsteuerklasse abhängt, ist die Lohnsteuerklasse maßgebend, die zu Beginn des Kalenderjahres eingetragen war, in dem der Anspruch entstanden ist; das bestimmt § 113 Abs 1 Satz 1 AFG in der seit dem Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes (HStruktG-AFG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3113) geltenden Fassung. Hiernach wäre die Lohnsteuerklasse III maßgebend, die auf der Lohnsteuerkarte 1982 eingetragen war; denn der Anspruch auf Alg, um dessen Höhe nach Wiederbewilligung es vorliegend geht, ist 1982 durch erstmalige Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen des § 100 Abs 1 AFG entstanden. Indessen werden spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse berücksichtigt, und zwar auch dann, wenn auf der für ein späteres Kalenderjahr ausgestellten Lohnsteuerkarte eine andere Lohnsteuerklasse eingetragen wird (§ 113 Abs 1 Sätze 2 und 3 AFG). Die Berücksichtigung der Änderung der Steuerklasse aufgrund eines Steuerklassenwechsels zwischen Eheleuten richtet sich dabei nach der die Anwendung des § 113 Abs 1 Sätze 2 und 3 AFG ausschließenden Sonderregelung des § 113 Abs 2 AFG, die hier in der zuletzt durch das Steuerentlastungsgesetz 1981 vom 16. August 1980 (BGBl I 1381) geänderten Fassung Anwendung findet. Einen solchen Steuerklassenwechsel hat der Kläger zum 1. Februar 1984 vorgenommen.

Steuerklassenwechsel ist jedes Auswechseln der für verheiratete Arbeitnehmer, die beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, gemäß § 38b Abs 1 Satz 2 Nrn 3 bis 5 EStG vorgesehenen Steuerklassen. Ein solcher Steuerklassenwechsel liegt zwar nicht vor, wenn einem Ehegatten unter Berücksichtigung der für den anderen Ehegatten eingetragenen Lohnsteuerklasse nachträglich während des Kalenderjahres eine Lohnsteuerkarte erteilt wird, in die die korrespondierende Lohnsteuerklasse eingetragen wird (Urteil des Senats vom 22. Februar 1984 - 7 RAr 52/82 - DBl BA R Nr 2955 AFG § 113). So liegt der Fall hier jedoch nicht. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hatten der Kläger und seine Ehefrau nicht nur 1982 bei der Entstehung des Anspruchs auf Alg, sondern auch für das Jahr 1984 Lohnsteuerkarten mit der Steuerklasse III für den Kläger und V für die Ehefrau, in die zum 1. Februar 1984 die Steuerklassen IV eingetragen wurden. Es ist hier deshalb nicht darüber zu entscheiden, ob ein Steuerklassenwechsel zum 1. Februar 1984 iS des § 113 Abs 2 AFG vorgelegen hätte, wenn der Kläger mit Rücksicht auf seine 1982 aufgenommene selbständige Tätigkeit 1984 keine Lohnsteuerkarte erhalten hätte und ihm erst zum 1. Februar 1984 eine Lohnsteuerkarte erteilt worden wäre, in die lediglich die mit der eingetragenen Steuerklasse seiner Ehefrau korrespondierende Steuerklasse eingetragen worden wäre. Da in die Lohnsteuerkarte des Klägers die Lohnsteuerklasse III und in die Lohnsteuerkarte seiner Ehefrau die Steuerklasse V eingetragen war, stellt die Änderung der Steuerklassen beider Ehegatten von III bzw V nach IV einen Steuerklassenwechsel iS des § 113 Abs 2 AFG dar; denn eine solche Änderung der Eintragung in eine Lohnsteuerkarte ist steuerrechtlich nicht möglich, ohne daß auch die Steuerklasse des Ehegatten geändert wird.

Haben Ehegatten die Steuerklasse gewechselt, so werden die neu eingetragenen Lohnsteuerklassen für die Höhe des Alg von dem Tage an berücksichtigt, an dem die Änderung wirksam wird; entsprechen die eingetragenen Lohnsteuerklassen an diesem Tage jedoch offensichtlich nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten, sind für die Höhe des Alg die diesem Verhältnis entsprechenden Lohnsteuerklassen maßgebend (§ 113 Abs 2 Sätze 1 und 2 AFG). Letzteres ist hier der Fall mit der Folge, daß anstelle der für den Kläger eingetragenen Steuerklasse IV für das Alg die Steuerklasse V maßgebend ist.

Die geänderten Lohnsteuerklassen entsprechen dem Verhältnis der Arbeitslöhne der Ehegatten zueinander, wenn die neu eingetragenen Steuerklassen den geringsten gemeinsamen Lohnsteuerabzug zur Folge haben. Das läßt sich am einfachsten anhand der jeweiligen "Tabelle zur Steuerklassenwahl" beurteilen, die der Bundesminister der Finanzen und die obersten Finanzbehörden der Länder jährlich herausgeben. Das LSG hat für diese Prüfung den von der Ehefrau des Klägers im Februar 1984 erzielten 1.552,-- DM ein monatliches Arbeitsentgelt des Klägers von 3.966,-- DM gegenübergestellt, obwohl der Kläger kein Arbeitsentgelt erzielte und auch aus seiner selbständigen Beschäftigung keinen Gewinn zog. Das beanstandet die Revision zu Recht.

Allerdings bleibt bei der Beurteilung der Verhältnisse der monatlichen Arbeitslöhne nach § 113 Abs 2 Satz 3 AFG ein Ausfall des Arbeitslohns außer Betracht, der den Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung begründet. Diese Vorschrift, auf die sich das LSG gestützt hat, findet im vorliegenden Falle jedoch keine Anwendung. Das LSG hat übersehen, daß die Prüfung, ob die neu eingetragenen Steuerklassen dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten gerecht werden, nach § 113 Abs 2 Satz 2 AFG für den Tag vorzunehmen ist, an dem die Steuerklassenänderungen wirksam werden. Das aber ist, wie der Senat schon entschieden hat, der auf der jeweiligen Lohnsteuerkarte bescheinigte Tag des Eintritts der Steuerklassenänderung, und zwar selbst dann, wenn zu diesem Zeitpunkt von keinem Ehegatten dem Lohnsteuerabzug unterliegendes Arbeitsentgelt erzielt wird (BSGE 61, 45 = SozR 4100 § 113 Nr 5). Infolgedessen ist allein entscheidend, ob der Ausfall des Arbeitslohns eines Ehegatten zu diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf eine lohnsteuerfreie Lohnersatzleistung begründet. Das ist hier zu verneinen. Nach den Feststellungen des LSG war der Kläger nämlich zu dem maßgeblichen Zeitpunkt am 1. Februar 1984 selbständig tätig und hatte sich noch nicht wieder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt und Alg beantragt. Er erfüllte damit die Voraussetzungen des § 100 Abs 1 AFG für die Wiederbewilligung von Alg noch nicht. Daß der Kläger 1982 einen Anspruch auf Alg im Sinne eines Stammrechts erworben hatte, aufgrund dessen er bei Wiedererfüllung bestimmter Anspruchsvoraussetzungen wieder Alg beziehen konnte, genügt für die Anwendung des § 113 Abs 2 Satz 3 AFG nicht; denn das Gesetz stellt darauf ab, ob der Anspruch auf die Lohnersatzleistung begründet ist. Letzteres ist aber vor Erfüllung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen nicht der Fall. Auch wenn der Kläger am 1. Februar 1984 schon beabsichtigt haben sollte, die selbständige Tätigkeit aufzugeben und sich dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung zu stellen, kann dies nicht zur Anwendung des § 113 Abs 2 Satz 3 AFG führen; denn auch wenn Ehegatten in Erwartung der Aufnahme einer Beschäftigung durch einen Ehegatten zwei Monate vor tatsächlichem Arbeitsbeginn den Steuerklassenwechsel vornehmen, wird nicht der Arbeitslohn zugrunde gelegt, den der Ehegatte tatsächlich erst später erwirbt (BSG aaO).

Erst nach einem weiteren Steuerklassenwechsel, der nach den getroffenen Feststellungen bis zu dem am 29. September 1984 erfolgten Ausscheiden aus dem Leistungsbezug aber nicht vorgenommen worden ist, wären die Verhältnisse der Arbeitslöhne eines anderen Tages maßgebend gewesen. Da eine neu eingetragene Steuerklasse nach § 113 Abs 2 Satz 1 AFG erst von dem Tage an zu berücksichtigen ist, an dem die Änderung wirksam geworden ist, kann der Alg-Empfänger allerdings auch hierdurch nicht bewirken, daß dem Alg rückwirkend, dh auch für die Zeit vor der Wirksamkeit der erneuten Änderung, eine günstigere Steuerklasse zugrunde gelegt wird (vgl dazu Urteil des Senats vom 25. August 1987 - 7 RAr 70/86 -, demnächst SozR 4100 § 113 Nr 6).

Ist hiernach für den Kläger ein Arbeitslohn nicht anzusetzen, entsprechen die zum 1. Februar 1984 eingetragenen Steuerklassen IV offensichtlich nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne beider Ehegatten; vielmehr hätte es sich nach Lohnsteuerrecht empfohlen, daß für die Ehefrau die Steuerklasse III und für den Kläger die Steuerklasse V eingetragen worden wäre, um den geringsten Lohnsteuerabzug zu erreichen. Das hat zur Folge, daß gemäß § 111 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Buchst d AFG der Kläger der Leistungsgruppe D zuzuordnen ist, nach der die Beklagte ihm das Alg auch gewährt hat.

Es ist einzuräumen, daß dieses Ergebnis angesichts der die Höhe des Alg bestimmenden Grundsätze und der dabei mit der Anbindung des Alg an die Lohnsteuerklassen verfolgten Zwecke nicht befriedigt. Das Alg soll in der Höhe der gesetzlich vorgesehenen Nettolohnersatzquote von jetzt 68 bzw 63 vH den (gewöhnlichen) Nettolohn ersetzen, den der Arbeitslose erzielen würde, wenn er eine Beschäftigung hätte. Diese Zielsetzung erfordert nicht nur die Berücksichtigung späterer Änderungen des der Gewährung zugrunde gelegten (gewöhnlichen Brutto-)Arbeitsentgelts (vgl dazu § 112a AFG), sondern auch von Änderungen der Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen (vgl dazu § 111 Abs 2 AFG). Das erfordert es, auch Änderungen der steuerlichen Belastung durch Änderung der Steuerklasse beim einzelnen Arbeitnehmer zu berücksichtigen, damit sich während des Bezuges das Alg etwa in dem gleichen Verhältnis erhöht oder erniedrigt, in dem sich bei einer Beschäftigung der Nettolohn infolge einer Steuerklassenänderung erhöht oder erniedrigt hätte. Infolgedessen soll im einzelnen Leistungsfall jeweils für jeden Bezugszeitraum die Steuerklasse zugrunde gelegt werden, die während der gleichen Zeit für den Abzug der Lohnsteuer von Arbeitsentgelt maßgebend gewesen wäre. Dieses Ziel, das durch § 113 AFG erreicht werden soll, wird im Falle des Klägers verfehlt; denn angesichts des Arbeitseinkommens seiner Ehefrau wäre für den Lohnsteuerabzug beim Kläger, wäre er beschäftigt, nicht die Steuerklasse V, sondern die Steuerklasse IV maßgebend gewesen, wenn nicht sogar die Steuerklasse III für den Kläger eingetragen geblieben wäre.

Daß die Anwendung des § 113 Abs 2 AFG, die trotz mehrfacher Änderungen der Vorschrift nach wie vor Ungereimtheiten zeitigt, im vorliegenden Falle nicht zu einem billigen Ergebnis führt, ist indessen wesentlich darauf zurückzuführen, daß der Kläger und seine Ehefrau den Steuerklassenwechsel zur Unzeit vorgenommen haben. Leistungsrechtliche Nachteile im Hinblick auf das Alg hätte der Kläger nicht erlitten, wenn ein Wechsel während des Bezuges vorgenommen worden wäre, also zum 1. Juli oder zum 1. August 1982 oder - nach erneuter Arbeitslosmeldung - zum 1. April 1984; denn zu allen diesen Zeitpunkten hätte § 113 Abs 2 Satz 3 AFG mit der Folge Anwendung gefunden, daß das Alg dem Kläger unter Berücksichtigung der Steuerklasse III in der Leistungsgruppe C zu gewähren gewesen wäre, obwohl der Kläger dann die ungünstigere Steuerklasse IV (oder V) übernommen hätte und das Arbeitseinkommen seiner Ehefrau gleichzeitig dem geringeren Lohnsteuerabzug nach der Steuerklasse IV (oder III) unterlegen wäre. Das Gesetz hätte also eine Gestaltung zugelassen, welche dem Kläger Alg in begehrter Höhe verschafft und auch den geringstmöglichen Lohnsteuerabzug bei der Ehefrau ermöglicht hätte. Der Gesetzgeber darf erwarten, daß Begünstigungen dieser Art zeitgerecht in Anspruch genommen werden. Das ist hier nicht geschehen. Unter diesen Umständen muß hingenommen werden, daß Steuerklassenänderungen zur Unzeit leistungsrechtliche Nachteile zur Folge haben, wenn bei der Steuerklassenänderung leistungsrechtliche Auswirkungen nicht oder nicht richtig bedacht werden.

Ist der Kläger somit nicht der Leistungsgruppe C oder der Leistungsgruppe A, sondern der Leistungsgruppe D zuzuordnen, hat die Beklagte ihm das Alg in der richtigen Höhe bewilligt. Unter Aufhebung der anderslautenden Urteile der Vorinstanzen ist die Klage daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1664104

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