Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 26.02.1992; Aktenzeichen L 11 Ka 2/90)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Februar 1992 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Der Kläger begehrt von der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) die Gewährung von Eingliederungsbeihilfe.

Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 26. Februar 1992 die klageabweisende Entscheidung des Sozialgerichts (SG) vom 23. März 1990 bestätigt und die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat auf Antrag des Bevollmächtigten des Klägers die Terminsstunde des für den 26. Februar 1992 vorgesehenen Verhandlungstermins von 10.00 Uhr auf 14.OO Uhr verlegt. Infolge eines Versehens hat das LSG den Rechtsstreit – ausweislich des Terminsprotokolls – gleichwohl bereits am Vormittag, nämlich um 10.30 Uhr, in Abwesenheit des Klägers bzw eines zum Termin geladenen Vorstandsmitglieds des Klägers und dessen Prozeßbevollmächtigtem verhandelt und alsdann die Berufung zurückgewiesen.

Der Kläger rügt mit der vom Senat zugelassenen Revision eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Er habe keine Möglichkeit gehabt, seinen Rechtsstandpunkt im Termin darzulegen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG vom 26. Februar 1992 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist begründet, denn dem LSG ist ein wesentlicher Verfahrensfehler unterlaufen, der zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG führen muß.

Das LSG hat zu einem anderen als dem in der Ladung bestimmten Zeitpunkt die Verhandlung in Abwesenheit des Klägers durchgeführt, so daß er nicht in der Lage war, seine prozessualen Rechte wahrzunehmen.

Da der Kläger wegen des Terminversehens nicht an der mündlichen Verhandlung vor dem LSG teilnehmen konnte, ist sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden (Art 103 Abs 1 Grundgesetz, § 62 SGG iVm §§ 153, 165 SGG). Darüber hinaus war der Kläger iS des § 202 SGG iVm § 551 Nr 5 Zivilprozeßordnung (ZPO) „nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten”.

Wie in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) anerkannt ist, gelten über § 202 SGG die absoluten Revisionsgründe des § 551 ZPO auch im Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, da das SGG insoweit keine Vorschriften enthält und die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten die entsprechende Anwendung des § 551 ZPO nicht ausschließen.

Unter diesen absoluten Revisionsgrund fällt – wie vom 9. und 5. Senat des BSG bereits entschieden worden ist – die fehlende ordnungsgemäße Ladung, wenn deshalb weder der Beteiligte selbst noch sein Bevollmächtigter an der mündlichen Verhandlung teilnehmen konnte (vgl Urteil vom 28. März 1984 – 9a RV 55/83 -und Urteil vom 15. Oktober 1986 – 5b RJ 48/85 –). Dieser Rechtsprechung – die auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFHE 125, 282) und des Bundesverwaltungsgerichts ≪BVerwG≫ (BVerwGE 66, 311) entspricht -schließt sich der erkennende Senat an. Dabei muß – wie dies vom Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung bereits ausgeführt worden ist – der hier gegebene Fall, daß zwar ordnungsgemäß geladen worden ist, das Gericht aber zu einem anderen als dem in der Ladung bestimmten Zeitpunkt die Verhandlung in Abwesenheit des Klägers durchgeführt hat, übereinstimmend mit der vorgenannten Fallgestaltung behandelt werden, daß der Kläger wegen fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Ladung an der Terminswahrnehmung gehindert war.

Da nach § 551 ZPO die Entscheidung als „stets auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen” ist, die Ursächlichkeit der Gesetzesverletzung also unwiderleglich vermutet wird, bedurfte es in der Revisionsbegründung keiner Ausführungen darüber, daß das angefochtene Urteil auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann. Das Urteil des LSG war daher schon aus diesem Grunde aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen; § 170 Abs 1 Satz 2 SGG, wonach die Revision zurückzuweisen ist, wenn die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung ergeben, die Entscheidung sich aber aus anderen Gründen als richtig darstellt, ist nicht anwendbar, wenn ein unbedingter Revisionsgrund des § 551 ZPO vorliegt (BSGE 63, 43, 45; 4, 281, 288; 5, 176, 177 sowie nicht veröffentlichtes BSG-Urteil vom 29. April 1964 – 2 RU 167/61 –).

Bei der Klärung der Frage eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Eingliederungsbeihilfe und der Einstellung des Arbeitsuchenden wird das LSG zu beachten haben, daß allein das soziale Engagement des Klägers und die Tatsache, daß das zunächst befristete Arbeitsverhältnis im Ergebnis in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt worden ist, die gesetzlich vorausgesetzte Motivation des Arbeitgebers nicht ausschließt (vgl zu letzterem BSG-Urteil vom 22. Februar 1984 – 7 RAr 31/83 – nicht veröffentlicht).

Die Kostenentscheidung bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172889

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge